Zum Gedenken an einen Kollegen und Freund

 

Am 16.08.2018 erfuhr ich durch seinen Bruder Tiggo Eichler vom Ableben meines ehemaligen Mitarbeiters im Bereich „Philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung“ am Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) Prof. Dr. Bernd H.J. Eichler. Auch nach dem Ende der AdW, ihrer Institute und damit unseres Bereichs 1991 durch politische Entscheidungen nach dem Ende der DDR mit dem Einigungsvertrag hielten wir weiter Kontakt. Wir, meine Frau und ich, erinnern uns an viele interessante Gespräche während seiner Besuche bei uns. Stets ging es um eine umfassende Themenbreite, von der Wissenschaftsphilosophie bis zur Ethik, dem Fachgebiet meiner Frau Helga, bis zur zwangsweisen Emeritierung ordentliche Professorin an der Humboldt-Universität und Leiterin des Lehrstuhls Ethik, über die nationale und internationale Entwicklung der Wissenschaft und die allgemeine Weltlage. Er war stets ein anregender Gesprächspartner, guter Kollege und lieber Freund.

Für den Bereich an der AdW war er unersetzlich mit seinem umfassenden Wissen, seiner kritischen Haltung und seinen schöpferischen Ideen. Er scheute sich nicht, Probleme klar anzusprechen, Lösungen zu fordern oder vorzuschlagen und Kritisches auf den Tisch zu legen. Ich lernte viel von ihm und er fühlte sich offensichtlich in unserer Gemeinschaft mit seiner schöpferischen kollegialen Atmosphäre ebenfalls wohl. Mein Prinzip, Sachkenner zusammenzuführen und Intriganten möglichst nicht einzustellen, hatte sich bewährt. Frauen und Männer arbeiteten gut und gleichberechtigt zusammen. Wir waren keine Fachidioten, sondern auf Inter-, Multi- und Transdisziplinarität orientiert. Das zeigte sich auch in der umfassenden Zusammenarbeit mit Lehrenden und Forschenden auf den verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten.

Bei seinen Besuchen beschäftigten uns vor allem, neben historischen Ereignissen, aktuellen Problemen und persönlichen Erfahrungen, die Studien von Bernd zur vergleichsanalytischen Organologie, Er war ein dialektischer Denker, der auf der Grundlage von empirischem und theoretischem Wissen über die Entwicklung von Musikinstrumenten, sich tiefgründig mit ihrer Geschichte befasste und sie in umfassendere Strukturen natürlicher, gesellschaftlicher, philosophischer und ideologischer Systeme einordnete. Er deckte Einseitigkeiten auf, prüfte Argumente auf ihren Gehalt und entwickelte schöpferisch neue Ideen. Er ging, dem Sinn der Philosophie entsprechend, der Sache auf den Grund. Oberflächlichkeit und akademische Eitelkeiten waren ihm fremd. Wo er sie fand, hielt er mit seiner Kritik nicht zurück. Er freute sich jedoch, wenn seine Arbeiten anerkannt wurden. Seine Berufung zum Professor an der Hochschule für Musik Saarbrücken war verdiente Anerkennung seiner Leistungen.

Bernd gehört zu denen, die auch nach dem Ende der DDR nicht der Verteufelung des Staates folgten, sondern, wie vorher, als er mit kritischen Bemerkungen zu Fehlern und Mängeln in der DDR sich bei Manchen Ärger einhandelte, nun sich nicht nehmen ließ, positiv Erreichtes im Sinne seiner humanistischen Grundhaltung zu verteidigen. Die „Wendehälse“, auch auf philosophischem Gebiet, die vorher dogmatisch das verteidigten, was sie nun beschmutzten, waren ihm zuwider. Das brachte er auch, wissenschaftlich und mit eigenen Erfahrungen begründet, in seinen umfangreichen Studien nach 1990 zum Ausdruck. Er erlebte nun Arbeitslosigkeit, die jedoch keineswegs zur Resignation führte. Die Vielzahl seiner Arbeiten zu wissenschaftlichen Problemen der vergleichsanalytischen Organologie, belegt mit Beispielen von Instrumenten, wie dem Hümmelchen, dem Schwirrholz, den Aerophonen usw., zeigt sein schöpferisches praktisches und theoretisches Wirken. Oft stand er in seiner Werkstatt, wenn man ihn sprechen wollte. Hatte er theoretische Probleme suchte er uns auf und wir sprachen intensiv über seine neuen Arbeiten. Die Maultrommel war oft Gegenstand praktischer Vorführung und theoretischer Analysen. Der Themenbereich war weit gespannt und doch immer „geerdet“, d.h. mit Erfahrungen, Recherchen und Problemlösungen verbunden. Musikinstrument und Sexualität, Systematisierung von Musikinstrumenten, Konfliktfälle aus dem Wirkungsumfeld der Vierklassensystematik von Sachs und Hornbostel gehören ebenso dazu, wie der dringende Aufruf zur Rettung einer ostdeutschen Musikinstrumentensammlung von 2007. (http://bhj.eichler.site/)

Stolz zeigte er uns bei Besuchen seine Sammlung. Theoretisches und Anekdotisches erzählte er dazu. Schon als Mitarbeiter der ADW befasste er sich mit prinzipiellen Fragen, wie dem Verhältnis von Biologischem und Sozialem, verbunden mit einer Kritik des Biologismus. Er unterschied berechtigt zwischen Parteilichkeit und parteiischen Herangehen und Verhalten. In den Arbeiten unseres Bereichs nahm er stets sachlich fundiert, historisch belegt, mit eigenen Erfahrungen verbunden, zu den entsprechenden Themen Stellung. Er war selbstkritisch, verlangte jedoch auch von Anderen kritische Auseinandersetzung mit eigenem fehlerhaftem Verhalten, einseitigen Auffassungen und nicht-dialektischem Denken.

Seine kritische Stimme und schöpferische Art, herangereifte Probleme aufzugreifen, wird uns fehlen. Vergessen werden wir ihn nicht!

 

Berlin, 19.08. 2018

Prof. Dr. Herbert Hörz