Dr. Anton Markmiller

 

 

Totenrede auf Prof. Dr. Bernd H.J. Eichler

Dorotheenstädtischer Friedhof, 24. September 2018

 

 

 

Liebe Familie, liebe Weggefährten, liebe Trauergemeinde,

 

Prof. Dr. Bernd Eichler ist tot und wir nehmen Abschied von einem großen Philosophen, Mu­sikwissenschaftler und Musikanten, letzteres war seine Eigenbezeichnung.

 

"Media vita in morte sumus" weiß der Benediktinermönch Notker um 950 im Kloster St. Gal­len und Martin Luther hat den Satz übertragen: "Mitten im Leben sind wir vom Tod umfan­gen".

 

Diesen Zusammenhang kannte auch Bernd Eichler aufgrund seiner fragilen Gesundheit. Aber er hat immer das Leben betont und nicht ein nahendes Ende. Noch eine Woche vor seinem Tod konnte ich mit ihm telefonieren, er war schon auf der Intensivstation, und wir haben uns verabredet, wenn er da wieder raus sei. Den Tod haben wir einen guten Mann sein lassen, er spielt ja ikonographisch die Fiedel und nicht den Dudelsack oder gar die Maultrommel.

 

Man kann aber auch einen Nachbarn hier auf dem Friedhof, den geschätzten Bertolt Brecht, zitieren: "Wir wissen, dass wir Vorläufige sind und nach uns wird kommen: nichts Nennens­wertes." Das ist beileibe nichts Abwertendes, sonder stellt uns alle mit dem Verstorbenen in die Vergänglichkeit des Seins und hat durchaus etwas Tröstliches.

 

Die Instrumente, die Bernd Eichler kannte und souverän beherrschte, sind unzählig. Das dokumentiert nicht nur seine umfängliche Sammlung, sondern vor allem seine Musik über viele Jahrzehnte, insbesondere mit der Gruppe "Windbeutel". Das eindrucksvolle Musizieren wird uns in Erinnerung bleiben, heben sich in der Musik doch Zeit und Raum auf. Zeit und Raum lösten sich allerdings auch auf, wenn wir über Musik und Inhalte der Lieder des Okto­berklubs stritten, den ich 1969 in Dresden kennengelernt hatte. Für uns linke „Westler“ war das die Musik der Speerspitze des Sozialismus.

 

Besonders geschätzt habe ich unsere Gespräche über Philosophie und ihre Weiterungen in die Musikinstrumentenforschung. Bernd Eichlers Lebenswerk bestand ja darin, zu beweisen, dass das Sachs-Hornbostel'sche Klassifikationssystem der Einteilung der Musikinstrumente in vier, später fünf Hauptgruppen, von 1914 falsch sei. Bernd Eichler entwickelte ein eigenes System, das man als zum Periodensystem der Elemente in Analogie stehend beschreiben kann. Diesen Beweis zu führen, dazu diente die umfangreiche Sammlung im eigentlichen Sinn. Das Fatale: das wollte niemand ernsthaft diskutieren. Ich erinnere eine Aussage von Prof. Conny Restle, Direktorin des Musikinstrumentenmuseums Berlin, "wahrscheinlich hat der Eichler recht, aber das will niemand wissen". Tiggo Eichlers Dokumentation der Arbeit des Verstorbenen auf der Homepage wird weiterhin die Prägnanz des Schaffens gelungen präsentieren.

 

In der Not, dass die gesamte Sammlung in einer abrissbereiten Schule untergehen könnte, hat Bernd Eichler versucht, das Konvolut zu retten. Durch Ginga Eichler bin ich auf den Zu­sammenhang aufmerksam gemacht worden und nach langen Gesprächen über Philosophie, Marxismus, Musikinstrumentenforschung und Geschichte der DDR bot Bernd Eichler an, die Sammlung samt didaktischem Apparat der Hochschule für Musik Saar in Saarbrücken zu schenken, auf dass sie dort für Forschung und Lehre zur Verfügung stünde. Für diese gene­röse Schenkung wurde Bernd Eichler mit einer Honorarprofessur der Hochschule geehrt. Das ebenfalls vorgesehene Bundesverdienstkreuz lehnte er ab.

 

Ich bin gebeten worden, zu dieser Trauerfeier den Dank der Staatskanzlei des Saarlandes im Namen von Staatssekretär Jürgen Lennartz und der Hochschule für Musik im Namen von Rektor Prof. Wolfgang Mayer auszudrücken und den Hinterbliebenen und Freunden das auf­richtigste Beileid zu übermitteln, was ich gerne und aus der Überzeugung heraus tue, dass sich Bernd Eichler um das Saarland und die Musikforschung verdient gemacht hat.

 

Für mich ist ein exzellenter Gesprächspartner und guter Freund gegangen. Wir haben uns in gegenseitiger Hochachtung über mehr als 15 Jahre immer gesiezt. Aber vor drei Monaten kamen wir in einem Telefonat überein, diesen Zustand nun doch in ein "Du" überzuführen. Dazu ist es nicht mehr gekommen.

 

Deshalb, lieber Bernd, holen wir das jetzt hier nach.

 

Ich wünsche Dir, dass Du Ruhe findest, auch wenn die philosophische, musikalische und politische Nachbarschaft hier auf dem Friedhof anregende Gesprächsmöglichkeiten bietet. Nach einer alten kabbalistischen Tradition der jüdischen Mystik schreitet Jahwe beim ersten Schrei des Hahnes durch das Paradies und die Seelen der Verstorbenen sammeln sich zum Diskurs. Das wird hier auf dem Friedhof nicht anders sein.

 

Ich wünsche Dir, dass Du in Frieden ruhst, wobei ich sicher bin, dass es dort, wo Du jetzt bist, eine veritable Musikinstrumentenausstattung gibt und auch eine Werkstatt, in der Neu­entwicklungen ausprobiert werden können. Am Publikum dürfte es sicher auch nicht fehlen.

 

Und ich schließe mit Rainer Maria Rilke, der im Gedicht "Schlußstück" den Bruder Notker und Martin Luther aufgreift.

 

Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns
mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen,
mitten in uns.

Lieber Bernd, mache es gut!