Was sind eigentlich Aerophone ? (Teil 1)
Die überaus konfliktreiche und wohl auch nicht ganz einfach
zu beantwortende Frage, „Was denn eigentlich Aerophone sind?“, kann ich, wie in
der überschrift bereits angedeutet, keinesfalls in einem Vortrage allein
genügend gründlich beantworten.
Ich werde also heute, ganz entsprechend der ersten
Teilunterschrift meines Themas, in diesem ersten Vortrag zunächst vorwiegend
zur Begriffsproblematik Stellung beziehen, wobei freilich auch bereits viele
Probleme der zweiten Teilunterschrift, die später den inhaltlichen Schwerpunkt
eines zweiten Vortrages bilden sollen, berührt werden müssen.
Dabei denke ich, dass gerade die „Luftklinger“, also die
„Aerophone“, uns in besonderer Weise zu einem gründlicheren Nachdenken über
musikinstrumentelle Technik veranlassen können und auch einen ganz besonderen
Zugang für ein hier dringend erforderliches kritisches Umdenken hinsichtlich
unseres bisherigen wissenschaftlichen Umgangs mit dieser besonderen Art von
Technik eröffnen können.
Denn, dass das Wort „Aerophon“ einer der fatalsten und
unklarsten Begriffe der Musikwissenschaften, insbesondere der Instrumentenkunde,
aber dann eben auch solcher weitergehenden Spezialdisziplinen wie der
Ethnoorganologie u. a. ist, das habe ich schon oft betont, und dabei auch
stets darauf hingewiesen, dass wir die vielfältigen mit diesem Begriff
verbundenen Unklarheiten, Missverständlichkeiten, Fehlorientierungen sowie
sonstige Unsicherheiten wohl vor allem einer grundsätzlichen Fehlerhaftigkeit
der von Sachs und Hornbostel im Jahre 1914 publizierten Systematik der
Musikinstrumente (1) zu verdanken haben.
Nehmen wir beispielsweise - was ja in zumeist
oberflächlicher Berufung auf diese allgemein bekannte, immer wieder hochgelobte
und bis heute in den Musikwissenschaften als mustergültig ausgegebenen
Systematik sehr oft und eben zumeist sehr unbedacht-vorschnell geschieht - das
Wort als generelle Bezeichnung für Blasinstrumente, so haben wir es zumindest
mit dem Problem zu tun, dass es bekanntermaßen auch unter den Chordophonen
angeblasene Musikinstrumente gibt.
Und außerdem – was bislang von den Musikwissenschaften
freilich viel weniger oder auch gar nicht zur Kenntnis genommen wurde – gibt es
auch einige hochinteressante und durchaus bedeutende Membranophone, die ganz
zweifellos Blasinstrumente sind. Und wenn eine solche Tatsache auf Akzeptanz
stoßen kann, müssen dann beispielsweise auch Lamellophone akzeptiert,
eingehender definiert und in anderer Weise systematisierend eingeordnet werden als
dies bislang der Fall war.
Versuchen wir hingegen uns genauer an den Text dieser
Systematik und die dort festgeschriebenen Definitionen zu halten, so wird die
Angelegenheit keineswegs klarer, sondern letztlich noch verwirrender.
Denn je detaillierter und eingehender wir diesen Text, und
dabei freilich auch die Funktionsweise der dort jeweils als Beispiele
aufgeführten Instrumente betrachten und bedenken, um so fragwürdiger, ungenauer
bzw. auch widersprüchlicher erweisen sich dabei dann die dortigen
definitorischen Festlegungen zu diesem Begriff, um so fraglicher muss uns dabei
werden, was die Autoren dieser Systematik wohl tatsächlich dazu jeweils gemeint
und gedacht haben könnten, und umso bedenklicher müsste uns dann letztlich auch
die unbekümmert-unbedachte Benutzung einer solchen Instrumentenbezeichnung
werden.
Ich möchte nun versuchen, dies alles in meinen jetzigen
Ausführungen zu verdeutlichen und zu belegen und dabei auch – freilich stets
im Zusammenhang mit den mir dringend notwendig erscheinenden kritischen
Bemühungen um eine naturwissenschaftlich exakt zu begründende neue Systematik
der Musikinstrumente - einen letztlich sinnvoller konzipierten Aerophonbegriff
vorzustellen, für den ich mich als Wissenschaftler bereits seit Jahrzehnten
einsetze.
Schauen wir uns in diesem Sinne nun den Text dieser alten
Systematik, also des berühmten Sachs-Hornbostelschen Vierklassensystems der
Musikinstrumente, an:
Hier werden uns, nach den Ausführungen zu den dort
konzipierten musikinstrumentellen Hauptklassen der Idiophone, Membranophone und
Chordophone, dann die Aerophone als vierte Hauptklasse vorgestellt.
Damit begegnet uns bereits zwangsläufig einer der
grundlegenden Widersprüche oder auch grundsätzlichen „Konstruktionsfehler“,
dieser Vierklassen-Systematik, welche gerade den Aerophonbegriff unmittelbar
betreffen.
Da ich mich bereits in verschiedenen anderen Arbeiten (2)
mit diesem speziellen Problem eingehender auseinandergesetzt habe, möchte ich
mich hier nur kurz dazu äußern:
Da innerhalb dieser Systematik die Instrumente der ersten
Klasse, also die Idiophone, als ungespannte „Selbstklinger“ gelten, und
demgegenüber dann die zweite und dritte Hauptklasse, also die Chordophone und
die Membranophone, als „Gespanntklinger“ bestimmt werden, kann es sich nun – da
man schließlich zuvor bereits in entsprechender Weise definiert hat – bei den
dann dort fatalerweise unter Viertens als weitere Hauptklasse genannten
„Gasklingern“, also den Aerophonen, schließlich keinesfalls tatsächlich um eine
weitere Hauptklasse, sondern letztlich nur noch um eine Unterabteilung der
ungespannten „Selbstklinger“ handeln.
Also: Aerophone können eigentlich nur als gasförmige
Idiophone bestimmt werden.
Dass nun auch sofort die Frage aufgeworfen werden sollte, ob
nicht neben gasförmigen Idiophonen noch eine weitere Unter- oder Nebenabteilung
von Flüssigkeitsklingern, also etwa „Hydrophonen“, eingerichtet werden müsste,
zeigt lediglich eine weitere spezielle Mangelhaftigkeit dieses
Systematisierens, denn solche spezifischen Möglichkeiten instrumentaler
Schallerzeugung mit Flüssigkeiten (3) gibt es tatsächlich - auch wenn sie uns
dort natürlich nicht so überreichlich, wie etwa unter den Aerophonen, als hoch
entwickelte Musikinstrumente begegnen.
In meinen Vorlesungen (4) zur „Systematik und Physik der
Musikinstrumente“ habe ich dies schon vor vielen Jahren immer wieder dargelegt
und auch experimentell demonstriert, nachdem ich zuvor bereits (also bei meinen
ersten Versuchen einer Neukonzeption musikinstrumentellen Systematisierens)
diesen Bereich immer als „weißen Fleck auf der Landkarte musikinstrumenteller
Technik“ hervorgehoben hatte.
Hier aber, - wo es uns erst einmal vorrangig um die Frage
gehen soll, welche besonderen Musikinstrumente denn wohl „Aerophone“ sind,
müssen uns diese „Flüssigkeitsklinger“ noch nicht näher interessieren.
Für unsere Fragestellung ist nun eher interessant, dass wir
im Text der Vierklassensystematik von Sachs und Hornbostel, innerhalb der dort
als Hauptklasse interpretierten Aerophone, zunächst auf eine Unterabteilung von
Instrumenten stoßen, die unter dem eigenartigen Begriff der so genannten
„freien Aerophone“ aufgestellt wurde.
Sobald wir diese näher betrachten, finden sich darunter dann
sowohl wiederum bestimmte angeblasene Instrumente (wie etwa die
Lochscheibensyrene u.a.) als auch nichtangeblasene (wie etwa die Peitsche oder
das Schwirrholz usw.).
Erst daran anschließend folgt eine Aufstellung ganz
bestimmter ausgewählter Blasinstrumente, denen nun aber als Definition und
überschrift ausdrücklich das dort in Klammern gesetzte Wort „Eigentliche“
vorangestellt ist.
Also eine weitere eigenartige und damit auch immer unklarer
werdende Aerophon-Begriffsgestaltung.
Was sind nun eigentlich „freie Aerophone“ und was für
Instrumente sind dann eigentlich solche Aerophone, die dann dort als
„Eigentliche Blasinstrumente“ aufgestellt worden sind?
Ich möchte dazu gleich von vornherein deutlich bemerken,
dass diesen, und auch vielen anderen, von Sachs und Hornbostel vor fast hundert
Jahren in die Musikwissenschaften eingeführten eigentümlichen Wortkombinationen
meiner Meinung nach die Würde von verantwortungsvoll bedacht konzipierten
wissenschaftlichen Begriffen jeweils völlig fehlt.
Es handelte sich damals wohl eher um das offensichtlich
wenig bedachte – und meiner Meinung nach zuweilen auch durchaus liederliche -
Einbringen von leicht handhabbaren und schnell greifbar nahe
liegend-einprägsamen Gelegenheitsworten.
Worte, die dann allerdings über eine letztlich von den
verschiedensten, nun wohl schwerlich noch genauer zu ermittelnden und oft eben
auch durchaus irrationalen Gründen bedingte besondere Anmutungskraft sowie
offenbar besonders leichtgängige Einprägsamkeit verfügen konnten.
Dass sie alsbald also auch aus dem sich dann auf diese
Systematik berufenden musikwissenschaftsbetrieblichen Sprachgebrauch kaum noch
wegzudenken oder etwa kritisch in Frage zu stellen waren, muss nicht weiter
verwundern, wenn man historisch verfolgt und genauer bedenkt, wie und unter
welchen besonderen Bedingungen ihre beiden Autoren im Weiteren, als weithin
anerkannte Autoritäten, letztlich einen Wissenschaftsstatus von Weltbedeutung
erlangten, in dessen Lichte nun auch ihre Systematik wahrgenommen wurde, und in
dieser Weise bis in unsere Gegenwart hinein als ein unübertroffenes
Grundlagenwerk der Musikwissenschaften ausgegeben und so auch immer wieder
quasi „wissenschaftsoffiziell“ abgesegnet werden konnte.
Und auch ein weiterer, keineswegs nebensächlicher, immer
wieder zu wirksamer Geltung hochgespielter apologetischer Effekt ist in diesem
„Autoritätszusammenhang“ hochinteressant.
In der Regel wird, zumal von zumeist nur sehr
oberflächlichen Kennern dieser Systematik, bereits anlässlich zaghaftester
Versuche einer Kritik an dieser Arbeit mit Nachdruck darauf verwiesen, dass
doch schließlich die beiden Autoren selbst ihre Arbeit von 1914 als „Versuch“
gekennzeichnet hatten.
Dieser Hinweis in Richtung akademischer Bescheidenheit sowie
entsprechend erforderlicher „verständnisvoller Nachsicht“ erweist sich
allerdings angesichts späterer Statements von C. Sachs zu seiner Systematik als
völlig substanzlos, - wobei ich dabei die geringe Anzahl tatsächlich redlicher
musikwissenschaftlicher Versuche zur „Verbesserung dieses Versuchs“ gegenüber
der Vielzahl unredlicher Hinweise auf deren „Versuchscharakter“ inzwischen,
ohne Nachsicht, als zweifellos überaus bescheiden kennzeichnen möchte.
Und in diesen Zusammenhängen entziehen sich diese (und auch
andere aus diesem Text herrührende), eigentlich keineswegs ehrwürdigen
Wortkombinationen auch heute noch immer wieder allzu leichtfüßig einer
ernsthafteren Kritik.
Zumal ihnen eine solche gründlichere Kritik dabei auch kaum
vergleichbar anmutig und eben auch keineswegs „nahe liegend“ oder gar besonders
„einpräglich“ und bislang auch keineswegs mit dem Nimbus etablierter
wissenschaftlicher Autorität gegenübertreten könnte.
Ich konfrontiere Sie hier mit dieser meiner, aus
langjähriger Erfahrung erwachsenen, und wie ich denke, wohl auch begründeten,
aber letztlich eben auch subjektiven Meinung gleich von vorneherein, um Ihnen
deutlich zu machen, dass ich auf Grund dieser Meinung nun - obwohl mir bewusst
ist, dass dies zuweilen als Zumutung empfunden werden mag – vorhabe, folglich
bei bestimmten Instrumentalbeispielen und Begrifflichkeiten von Fall zu Fall
auch durchaus haarspalterisch zu argumentieren und ohnehin „begriffsakribisch
exakt“, also eben auch anstrengend „penibel-sophisticated“ vorzugehen - wie das
eben manchmal unvermeidlicherweise die spezielle Eigenart bestimmter
Philosophen ist, zu denen wohl auch ich gehöre.
Die „freien Aerophone“ werden nun von Sachs und Hornbostel
in ihrer Systematik gleich zu Beginn des vierten Hauptabschnittes „Aerophone“
mit zwei markanten Sätzen näher bestimmt:
Erstens: „Die Luft selbst gerät primär in Schwingung“.
Und zweitens: „Die schwingende Luft ist nicht durch das
Instrument begrenzt“.
Mit dem ersten Satz – ich gebe es unumwunden zu – kann ich
semantisch einfach nicht viel wirklich Verbindlich-Vernünftiges anfangen; - er
ist mir immer wieder zu unkonkret; man kann letztlich doch nur raten oder
vermutend interpretieren, was denn wohl gemeint sein könnte und es lässt sich
nur ungewisslich sagen, was das Wort „primär“ hier wohl tatsächlich genau zu
bedeuten habe, inwieweit es wirklich bedacht war, und was dabei dann wohl etwa
„sekundär“ usw. zu sein hätte...
Und auch welche Art von Luft denn mit der Umschreibung „Die
Luft selbst...“ in diesem Satz genau gemeint sein möge bleibt mir unklar - wo
doch letztlich alle Musikinstrumente immer mit der „Luft selbst“ und dem
Problem, diese letztlich irgendwie in schallrelevante Schwingungen zu
versetzen, damit unser Ohr diese empfangen kann, zu tun haben.
Mir wäre verständlicher gewesen, wenn etwa deutlich
formuliert worden wäre, dass die das Instrument umgebende Außenluft von diesem
unmittelbar bzw. direkt in Schwingungen versetzt wird.
Insofern könnte dann auch der zweite Satz sofort als
geradezu physikalisch exakt formuliert und ganz konkret beschreibend aufgefasst
und entsprechend weitergehend interpretiert werden.
Vor allem auch dann, wenn man an eine Reihe ganz bestimmter,
hier beispielhaft nahe liegender Musikinstrumente wie eben z.B. Schwirrholz, Lochscheibensyrene,
Peitsche, Flügelventilator usw. denkt.
Alles Instrumente, die Sachs und Hornbostel ja auch in
diesem Text als Beispiele für „freie Aerophone“ (freilich neben vielen anderen,
- dann auch wieder ganz anders gearteten „freien Aerophonen“) aufgezählt haben.
Also – so könnte man sich in dieser Weise, an dieser Stelle
des Textes zunächst weiter hineindenken – , es geht hier auch um solche
Musikinstrumente, welche innerhalb ihrer instrumental nicht begrenzten
Umgebungsluft Schallschwingungen erzeugen können, ohne dabei selbst
instrumentalinterne schallrelevante Oszillationen erzeugen zu müssen.
Und derartige Musikinstrumente gibt es ja auch tatsächlich!
Schallerzeugende Instrumente, welche ohne den Aufwand,
eigene Instrumentalsubstanzen in schallrelevante Oszillationen versetzen zu
müssen zur Wirkung kommen können. Instrumente, die also die besondere Fähigkeit
besitzen, direkt im schallleitenden Medium, außerhalb des Instrumentes selbst,
die Luft (also eben dieses Medium, welches dann auch den Schall an unser Ohr
leitet) unmittelbar, bzw. direkt, in schallrelevante Oszillationen zu
versetzten.
Also Instrumente gänzlich anderer Art, als die große
überzahl aller anderen Musikinstrumente, deren Wesen, geradezu umgekehrt,
letztlich darin besteht, dass sie jeweils über gerade genau solche
instrumentalintern aktivierbaren und in der Regel ganz spezifisch
konfigurierten, schallrelevant oszillierenden Substanzen verfügen, deren
Schwingungen sie so erst an das schallleitende Medium außerhalb des Instrumentes
- also an die „Außenluft“, die an unser Ohr gereicht – weiterzuleiten haben.
Wenn ich in dieser Weise an diese bestimmte Art von
Instrumenten denke, so muss ich - zumal angesichts solcher wie der soeben
ausgewählt genannten - zwingend zu folgendem Schluss kommen.
Bei der mir dringend notwendig erscheinenden
naturwissenschaftlich-physikalisch exakt zu begründenden Neukonzeption einer
Systematik der Musikinstrumente kann keinesfalls mehr von einem
Vierklassensystem (welches ohnehin – wie wir schon lange wissen können – stets
unvollständig, sachlich vielfältig falsch und auch ganz unlogisch aufgebaut
war) die Rede sein, sondern die Natur, also die reale Physik der
musikinstrumentellen Schallerzeugung, zwingt uns, zunächst eine grundsätzliche
Zweiteilung musikinstrumenteller Technik, also ein Zweiklassensystem, als
Grundgerüst einer sinnvoll aufzubauenden Systematik zu akzeptieren. Nämlich die
grundlegende Zweiteilung musikinstrumenteller Technik in die beiden
geschilderten, letztlich doch so ganz unterschiedlichen Arten von
Musikinstrumenten, welche ich schon sehr lange mit den beiden Begriffen
„Internenten“ und „Externenten“ kennzeichne.
Also, zum Einen die große Mehrheit von Internenten, bei
denen die spezifischen Prozesse ihrer Schallerzeugung auf Grund instrumental-intern
integrierter, schallrelevant oszillierender Substanzen ermöglicht wird, und zum
Anderen die demgegenüber freilich geradezu verschwindend kleine Minderheit von
Externenten, deren spezifische Möglichkeit von Schallerzeugung eben darin besteht,
dass sie lediglich extern, also außerhalb des Instrumentes, unmittelbar
und direkt im Medium Luft, schallrelevante Oszillationen zustande bringen
können, ohne im eigentlichen Sinne selbst zu klingen.
Dabei sollte eben auch bedacht werden – auch wenn dies
zuweilen nicht unmittelbar „einleuchtend“ erscheinen mag - ,dass beispielsweise
anlässlich des unterschiedlich klingenden Brummens, welches etwa von zwei
verschiedenen Schwirrhölzern erzeugt werden konnte, letztlich nicht davon
gesprochen werden kann, dass also diese beiden Instrumente jeweils
unterschiedlich klingen würden. Nein! Lediglich die durch sie externent
angeregte Luft hat jeweils anders geklungen.
Und genau diese – nun natürlich bereits haarspalterisch
anmutende – Differenzierung ist für das Verständnis dieser anderen, nämlich
externenten, Art und Weise von Schallerzeugung wesentlich.
Denn demgegenüber lässt sich von internenten Instrumenten –
nehmen wir nun etwa das Beispiel von zwei jeweils von unterschiedlichen Geigen
erzeugten Klangereignissen – durchaus in physikalisch exakter Weise sagen, dass
diese Klänge nicht nur von diesen Geigen selbst erzeugt wurden, sondern auch,
dass beide Instrumente eben tatsächlich selbst unterschiedlich klingen.
Ich denke, dass derartige, eben von der Physik der
Schallerzeugung selbst herrührende Differenzierungen redlicherweise anerkannt
und auch in systematisch-systematisierender Weise berücksichtigt werden
sollten.
Ich weiß dabei aber auch, dass ich damit auch unweigerlich
der Gefahr ausliefert bin mich nun endlos (und derartige Erfahrungen musste ich
natürlich auch machen) mit durchaus unredlichen Gegenargumentationen
herumschlagen zu müssen.
Argumentationsweisen etwa der Art, dass wir doch auch
anlässlich jeglichen Geigenklanges stets behaupten, oder davon ausgehen
könnten, dass doch auch da eigentlich nie vom wirklichen Klang der Geigen,
sondern letztlich lediglich von den von uns wahrgenommenen Schwingungen des
Mediums Luft, welches an unser Ohr reicht, die Rede sein könne usw...
Argumente, die sich dann auch in einer durchaus klassisch
philosophischen Weise letztendlich bis tief in das Lager von solchen
Philosophen weitertreiben und weiterdenken lassen, zu deren Lager ich eben
nicht gehören möchte.
Ich muss es dabei natürlich Ihnen überlassen, auf welche
Seite Sie sich hier nun schlagen und lagern möchten.
Aber meinerseits, hier eben als Philosoph, der sich eher ins
Bündnis mit Naturwissenschaften lagert, vermag ich keinerlei zwingenden Grund
zu erkennen, etwa diese Minderheit von externenten Schallerzeugern nun
weiterhin mit dem meiner Meinung nach gänzlich verfehlten Begriff „freier
Aerophone“ erfassen oder umschreiben zu sollen.
Diese Instrumente sind eben keineswegs selbst „Gasklinger“,
auch wenn sie – ebenso wie im Endeffekt alle anderen Musikinstrumente auch -
das sie umgebende Gas zum Klingen bringen.
Allerdings ließe sich, zur wiederum partiellen Verteidigung
des Begriffes „freie Aerophone“, – und entsprechende Argumentationen sind mir
ebenfalls durchaus schon begegnet – nun auch anführen, dass doch gerade mit
dem Wort „freie“ Aerophone hier genau auf das deutlicher hingewiesen werden
könnte, was bei den von mir hier besonders behandelten Instrumenten doch gerade
das Wesentliche ist.
Nämlich die Tatsache, dass sie doch frei von den ansonsten
bei allen anderen Instrumenten obligatorisch instrumentalintegrierten,
schallrelevant oszillierenden Substanzen sind.
In einer solchen Argumentation begegnet uns nun zwar die
hübsche Akzeptanz eines besonderen Freiheitsbegriffes, der ansonsten allzu
gerne unterschlagen oder auch „weggedacht“ wird, nämlich den der Armseligkeit
und der substanziellen Abgeschnittenheit von vielfältigeren Entfaltungs- und
Entwicklungsmöglichkeiten; - also durchaus solcher besonderen
Eigentümlichkeiten von Freiheit, welche sich bei bestimmten Vertretern dieser
Minderheit tatsächlich jeweils finden lassen, aber eben keine generelle
Begründung für die Bezeichnung „Aerophon“ liefern können.
Und außerdem muss nun betont werden, dass sich diese Art von
Freiheit schließlich nur bei den Externenten, und keineswegs bei allen von
Sachs und Hornbostel als „freie Aerophone“ bezeichneten Instrumenten finden
lässt. .
Nun aber etwa die Externenten deswegen weiterhin als
spezielle Aerophone, also als „Gasklinger“ bezeichnen zu wollen, entbehrt aus
meiner Sicht letztlich wiederum jeder sachlichen Grundlage.
Zumal doch schließlich – wie bereits gesagt - das, was sie
lediglich als Einziges können, nämlich das außerinstrumentelle schallleitende
Medium Luft zu schallrelevanten Schwingungen anzuregen, doch auch alle anderen
Musikinstrumente notwendigerweise fertig bringen; - dort allerdings auf Grund
von viel reichhaltigeren und in der Regel vielfältiger entwickelten,
entsprechend vorgeschalteten bzw. entsprechend vorhergehend verkoppelten,
instrumentalinternen Oszillationsprozessen.
Und diese jeweils entsprechend unterschiedlichen
Oszillations-Gegebenheiten werden wir nun, auf der weiteren kritischen Suche
nach einem sinnvollen Aerophonbegriff, von Fall zu Fall jeweils genauer zu
bedenken haben.
Ich muss nun aber - zur prinzipiellen Verteidigung eines
derart konzipierten Grundgerüstes meines externent-internent geteilten
Zweiklassensystems der Musikinstrumente, welches sich hier schließlich als
Schlussfolgerung aus kritischen œberlegungen zur Aerophon-Problematik ergeben
hat - eine wichtige, zunächst vielleicht abschweifend anmutende, gründlichere
Anmerkung bzw. ausführlichere Zwischenbemerkung machen:
Meiner Erfahrung nach – und ich finde das eigentlich
durchaus seltsam, aber eben auch irgendwie kennzeichnend – gibt es eine mental
sehr verbreitete und oft auch tief verankerte Abneigung gegen eine derart
„ungleichgewichtig“ konzipierte Zweiteilungsauffassung bzw.
„Hauptklassen-Einteilung“.
Manchmal wird diese auch als geradezu empörend empfunden.
Denn die strikte Art und Weise, in der ich hier der riesigen
Vielfalt von all den hochkultivierten und oftmals auch technisch hoch
entwickelten sowie zweifellos zumeist feinsinnig konzipierten „edlen
Musikinstrumenten“ einfach eine sehr kleine, mit wenigen Fingern abzählbare,
offenbar armselige und reichlich profane Minderheit von zumeist wenig
entwickelten Schallgerätschaften systembildend-systematisch gegenüberstelle,
kann sowohl für manchen eher trivialisierenden „gesunden Menschenverstand“, als
auch für manch kulturvoll feinsinnig, hochgebildet-ästhetisierend agierenden
Kunst- und Musikfreund als durchaus problematisch und vielleicht auch als ganz
unbedacht oder auch „unangebracht“ – und vielleicht auch als Provokation -
erscheinen.
Zumal wir angesichts von Musikinstrumenten ohnehin allzu
leicht geneigt sind, all die edlen Vertreter dieser internenten Mehrheit hier
unmittelbar als Kunstgegenstände und eben nicht als technische Werkzeuge
anzusehen, wohingegen wiederum die Vertreter der externenten Minderheit gerade
einen solchen elitären Status als Kunstobjekte von uns in der Regel wohl kaum
zuerkannt bekommen und weit eher als simple, physikalisch-technische
Funktionsaggregate aufgefasst werden - also doch wohl eher als kunstferne
Schallgerätschaften, deren grobes Wirken gottlob weitab von den Bereichen
höheren künstlerischen Musikgeschehens angesiedelt ist...
Sollte man nun - bei einer geistes- kunst- und
musikwissenschaftlich möglichst niveauvoll zu konzipierenden neuen Systematik
der Musikinstrumente - nicht besser so verfahren, dass vor allem der übergroße
Bereich der geschilderten Mehrheit von Musikinstrumenten ins Zentrum einer
Systematik gestellt wird, um ihn dann in seine wiederum mit jeweils zahlreich
vorhandenen Vertretern zu besetzenden ’Hauptklassen’ zu unterteilen?
Und sollte nicht dabei die demgegenüber zahlenmäßig doch so
deutlich verschwindend kleine und auch aus anderen Gründen doch wohl eher
unbedeutende Minderheit dieser hier eigenwillig herausdefinierten Externenten
eher „zur Seite“ bzw. als Sonderheit, oder auch als Absonderlichkeit,
ausgesondert und ins Abseits gestellt werden?
Handelt es sich bei diesen schallerzeugenden Sonderlingen
nicht vielmehr um eine letztlich glanzlose, eher zu vernachlässigende
Restmenge, welcher doch wohl kaum der grundlegend-systemkonstituierende Status
einer, dieser kulturvoll strahlenden Mehrheit quasi „systematisch-gleichwertig
gegenüberzustellenden“ Hauptklasse zuerkannt werden sollte?
Wäre eine solche ungleichgewichtige Vorgehensweise etwa
wirklich in geisteswissenschaftlich sinnvoller Weise zu verantworten?
Geisteswissenschaftlich und kulturvoll bedacht, müsste sich
ein solches Verfahren doch wohl eher als regelrechtes Unding, - geradezu als
eine barbarische Kulturlosigkeit erweisen?! Realistischer wäre doch wohl, den
Vertretern dieser profanen Geringmenge von Externenten gerechterweise einfach
ihren tatsächlichen Status von Sonder- und Ausnahme-Fällen zuzuweisen und sie
demgemäß eben eher abseits der dann eigentlich zu systematisierenden,
übermächtigen Hauptmenge von Musikinstrumenten anzuordnen.
Damit wäre doch wohl auch der eigentliche Hauptgegenstand
des hier systematisiert Darzustellenden, welcher in seiner quantitativ und
qualitativ übermächtigen überlegenheit doch schließlich das eigentlich wahre
Wesen dieser besonderen Art von Kunst- und Kulturgegenständen, mit denen wir es
hier, also bei Musikinstrumenten, doch letztlich zu tun haben, weitaus besser
und auch würdiger repräsentiert und auch den Verständnisbemühungen um die tiefere
Erkenntnis des eigentlichen Wesens dieser kunstvoll beseelten Kulturinstrumente
wäre doch wohl auch besser gedient?
Zu all solchen Bedenken und Einwänden muss ich deutlich
sagen, dass ich gegen die dabei zum Ausdruck kommenden Haltungen auf das
allerheftigste protestiere und verschiedene Gründe habe, mich dagegen
prinzipiell und deutlich zu wehren und zu verwahren.
Zunächst denke ich, dass diese, einem in bestimmter Weise
vielleicht weit verbreitet sozialisiertem Ordnungsdenken unbehaglich anmutende
System-Zweiteilung in eine Handvoll seltsam anmutender und vielleicht auch
wenig anrührend klingender „Außenseiter“, und eine Riesenmenge
beeindruckend-normaler (oder eben auch hervorzuhebend „edler“) Insider aus den
Zentren kulturvollen Musikgeschehens, letztlich allein schon aus sachlogischen
sowie demgemäß physikalisch-technischen Gründen verteidigt und entsprechend
beibehalten werden sollte.
Dabei ist natürlich auch ihr demonstrativer Charakter als
deutliche Gegenposition zum alten Vierklassendenken musikinstrumenteller
Systematisierung von besonderer Bedeutung, da meiner Erfahrung nach die soeben
geschilderten zurückweisend-kritischen Haltungen zu meiner
Zweiklasseneinteilung in der Regel de facto auf ein apologetisches Denken im
Sinne der möglichst weitgehenden Beibehaltung der Vierklassensystematik sowie
dessen, was dazu die Musikwissenschaften seit mehr als hundert Jahren in fatal
unkritisch-reflexionsloser Weise getan haben, oder eben auch versäumt und
gerade nicht getan haben, hinauslaufen.
Und der Eindruck von „Ungleichgewichtigkeit“, den diese
Zweiteilung nahe zu legen vermag, ergibt sich eben auch aufgrund unseres
gegenwärtig noch offensichtlich allzu ungenügenden Wissensstandes zur
generellen Entwicklung musikinstrumenteller Technik.
Externenten sind in diesem Sinne eben keinesfalls einfach
als „untypische Kuriositäten“ oder als zu vernachlässigende Außenseiter bzw.
als „Minderheit unwesentlicher Sonderfälle“ anzusehen, sondern sie
repräsentieren gegenüber Internenten einen grundsätzlich anderen, und in diesem
Sinne also auch nicht unwesentlichen Weg instrumentaler Schallerzeugung, den
die Natur uns mit ihnen, als objektive Möglichkeit von Schallerzeugung,
prinzipiell offenbart. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn die uns
bereits bekannte Menge solcher Externenten etwa noch weitaus geringer als
bislang ausgefallen wäre.
Sie müsste dann ebenso in das Grundgerüst einer
entsprechenden Zweiklassen-Sytematik eingeordnet werden.
Und diese müsste dann auch ebenso prinzipiell offen für
weitere, künftig zu entdeckende und dann auch systematisch immer gründlicher zu
verstehende Instrumentalfälle innerhalb dieser beiden Hauptklassen konzipiert
werden.
Und gerade im Zusammenhang mit unseren hier anstehenden
Fragen nach dem möglichen Wesen von Aerophonen oder Blasinstrumenten, gibt es
durchaus aktuelle Beispiele der Entwicklung von prinzipiell neuartigen
natürlich-akustischen Musikinstrumenten, welche weder durch die bisherige
Systematik, noch ansonsten seitens der Musikwissenschaften bislang erfasst und
wirklich zur Kenntnis genommen, geschweige denn gründlich analysiert worden
sind.
Gerade in diesem Zusammenhang muss ich aber auch deutlich
auf dem bestehen, was ich bereits in vielen anderen Arbeiten und Aktivitäten
betont habe und hier wiederholt unterstreichen möchte:
Es geht mir bei meiner generellen Kritik an Sachs und
Hornbostel - und so auch hier, anlässlich der vielen speziellen
Fragwürdigkeiten zum Aerophonbegriff – eben nicht einfach um die vielleicht
mögliche Verbesserung eines dann vielleicht „logischer“ oder „übersichtlicher“
oder etwa auch „didaktisch angenehm-einleuchtender“ gestalteten
Ordnungs-Systems, um damit etwa lediglich unseren heutigen Wissensstand zu
Musikinstrumenten besser darzustellen.
Nein, es geht vielmehr um naturwissenschaftlich zu
begründende Bestrebungen auf den möglichen Wegen der Suche nach einem
„Natürlichen System der Musikinstrumente“ im Sinne der entsprechenden
Existenz-Hypothese, die dazu bereits 1948 H. H. Dräger in Greifswald (5)
formuliert hat, und die meiner Meinung nach bislang von den Musikwissenschaften
ebenfalls einfach zu wenig ernst genommen wurde.
Dabei spielt letztlich auch die grundsätzliche Problematik
eines besseren Verständnisses der Entstehung und Entwicklung dieser besonderen
Form von Technik, mit der wir es eben bei Musikinstrumenten zu tun haben, eine
wesentliche Rolle.
Es geht also auch um die Entwicklung eines
naturwissenschaftlich systematisch begründeten und also auch entsprechend
systematisch-systematisierenden Denkens zu Musikinstrumenten, welches sich so
auch selbst, offen und offensiv-aufnehmend, gegenüber solchen Problemkomplexen
gestalten kann, die unsere bisherige Zivilisation und unsere bisherige
Wissenschaftskultur, zumal in ihrer - aus meiner Sicht durchaus fatalen –
wissenschaftsorganisatorischen Trennung von „Natur- und Geisteswissenschaften“
eben normalerweise nicht wirklich zu bedenken und wahrzunehmen gewillt ist.
Sowohl die Hypothese Drägers zur möglichen Existenz eines
„Natürlichen Systems der Musikinstrumente“, als auch die besondere Bedeutung
und der spezifische zivilisatorische Stellenwert, den gerade
musikinstrumentelle Technik in diesem Sinne haben könnte, gehören zu diesem
ganz besonderen, meines Erachtens permanent unterschätzten Problemkreis.
Und gerade der in vielerlei Hinsicht zweifellos
beklagenswert unterentwickelte Wissens- und Forschungsstand unserer
Zivilisation zum Problemfeld „musikinstrumentelle Technik“, sowie die doch so
offensichtlich geringe Akzeptanz gegenüber einer solchen Thematik, als einem
grundsätzlichen Forschungsanliegen und grundlegendem Aufgabengebiet integrativ
zu gestaltender Wissenschaftsentwicklung, verdeutlicht dieses, von mir soeben
als besondere „Unwilligkeit“ umschriebene Abstinenzverhalten unserer
Wissenschaftskultur, die sich, in dieser Hinsicht offenbar völlig unbekümmert,
einer zunehmenden Selbstverkümmerung ausliefert, innerhalb derer die
Musikwissenschaften zunehmend einer spezifischen Beliebigkeitskultur von
Selbstbeschäftigung verfallen, die sie an bestimmten Grundproblemen ihres
Fachgebietes, wie eben der tieferen Bedeutung von musikinstrumenteller Technik,
permanent vorbeisehen lässt.
Denn bei Musikinstrumenten, also dieser speziellen Art und
Erscheinungsform von Technikentwicklung, handelt es sich – wie ich oft betont
habe - um die schließlich in verbindlichster Weise humanisierte Form von
Technik, mit der wir es überhaupt zu tun haben können, ohne das wir dazu
bislang wirklich grundsätzliche, systematische Bemühungen entwickelt haben,
diese besondere Technik in ihrer Gesamtentwicklung und ihren weiterreichenden
Human-Bedeutungen wirklich systematisch-gründlich zur Kenntnis zu nehmen und
tiefer zu verstehen.
Auf diese grundsätzliche Problemlage, welche mit unserer
doch zunächst viel spezieller angelegten „Aerophon-Begriffs-Problematik“ nun
nur noch in sehr vermittelter Weise verbunden zu sein scheint, werde ich im
Weiteren unweigerlich wieder zu sprechen kommen müssen, muss nun aber wohl doch
wieder unmittelbar konkret und detailorientiert zu der Abteilung der „freien
Aerophone“ innerhalb der „klassischen Vierklassensystematik“ zurückkehren.
Denn bislang haben wir innerhalb dieser schließlich nur eine
ausgewählte kleine Menge von Instrumenten betrachtet, nämlich die dortigen
Externenten, denen ich die Bezeichnung „Aerophon“ aus den genannten Gründen ja
nicht zuerkennen möchte.
Wie sieht es nun aber mit den anderen, dort von Sachs und
Hornbostel als „freie Aerophone“ aufgeführten Instrumenten aus?
Es handelt sich hier vorwiegend um internente
Blasinstrumente, bei denen ich ebenfalls nicht geneigt bin, sie als
„Gasklinger“ aufzufassen.
Sinnvoller scheint mir hingegen, solche wie die dort
genannten Instrumente, also Harmonium, Mundharmonika, Ziehharmonika, bestimmte
Autohupen oder auch besondere Orgelpfeifen mit Zungen bzw. Lamellen usw., als
Lamellenklinger, also als internente Lamellophone, aufzufassen und
dementsprechend auch zu systematisieren.
Ihre bei Sachs und Hornbostel vorgenommene Bestimmung als
„freie Aerophone“ bleibt letztlich völlig unklar, zumal hier ein wiederum geradezu
haarsträubender definitorischer Konflikt deutlich wird, sobald wir darauf
bestehen, den zwar fragwürdigen, aber hier schließlich entsprechend zu
interpretierenden ersten Definitionssatz für freie Aerophone, nämlich „Die Luft
selbst gerät primär in Schwingung“ nun als Maßstab anzulegen.
Als Instrumente, deren Schallerzeugung doch ganz
zweifelsfrei mittels instrumentalintern integrierter sowie eindeutig in
„solidophoner“ Weise (also als Festkörper) wirkenden, schallrelevant
oszillierenden Lamellen bewerkstelligt wird, bleibt ihre Einordnung als
„Aerophon“ gänzlich ungerechtfertigt und kann keineswegs irgendwie systematisch
sinnvoll sein.
Ebenso erscheinen mir dann auch die zur Verteidigung dieser
seltsamen Sachs-Hornbostelschen Begrifflichkeiten zuweilen entstehenden
Definitionsstreitereien (die ich ebenfalls schon erlebt und erlitten habe)
darüber, ob nun bei diesen Instrumenten das „Primat des Schwingungsvorganges“
wohl eher der Luft, oder etwa doch der Lamelle zuerkannt werden sollte, gerade
auch wegen der dabei anstehenden Aussicht, damit lediglich auf ein „höheres
Niveau“ letztlich ganz ungerechtfertigter, sprachlich-akrobatischer
Haarspaltereien zu geraten, als gänzlich müßig.
Und auch der zweite, auf die „nicht durch das Instrument
begrenzte“ Luft bezogene Definitionsteil zu freien Aerophonen, welcher hier
zwar konfliktlos anwendbar erscheinen mag, kann letztlich doch auch keine
Einordnung von solchen Lamellophonen als Aerophone rechtfertigen, denn dieser
trifft schließlich zweifellos auch auf viele gänzlich andere Instrumente zu,
die wiederum von den beiden Autoren selbst bereits jeweils anderen dort
genannten Hauptklassen zugerechnet werden mussten.
Zu guter Letzt finden sich bei den von Sachs und Hornbostel
angeführten freien Aerophonen aber noch weitere, wiederum anders geartete
Beispiele, deren dortige Einordnung ich in wieder anderer Weise für
kritikwürdig und auch empörend halten muss.
Hier geht es zunächst um zwei ebenfalls internente
Blasinstrumente: Um die so genannte „Bandzunge“ und den so genannten
„eingespaltenen Grashalm“.
Was das erste Beispiel betrifft, so begegnet uns hier eine
Bezeichnung, welche zweifellos ebenso unklar, oder auch einfach ebenso seltsam
ist, als wenn etwa von einem „Dreiecksquadrat“ die Rede wäre. Ich kann es immer
wieder nur erstaunlich finden, dass solche „Begriffs-Eigentümlichkeiten“
(ebenso wie etwa auch der seltsame Begriff „Polsterzungen“) in den
Musikwissenschaften offenbar ohne Weiteres auf Akzeptanz stoßen können.
In Wirklichkeit handelt es sich bei der hier angeführten
„Bandzunge“ (wie dann auch in der weiteren Begleit-Erklärung zu dieser
eigenartigen Begriffskombination von den Autoren selbst einmal formuliert wird)
aber lediglich um ein „ausgespanntes Band“.
Also keineswegs um eine Zunge, sondern klarerweise um ein
speziell gestaltetes Membransegment, welches, in gespannter Form, seitlich
angeblasen wird.
Dass die fatalen Wortbildungen „Bandzunge“ und auch (wie wir
dann in anderen Zusammenhängen finden können) „Polsterzunge“ hierbei
möglicherweise lediglich als semantische Not- und Verlegenheits-Lösungen
entstanden sind, um möglichst problemvermeidend an der zwar klar auf der Hand
liegenden, aber hinsichtlich der Struktur dieser Vierklassensystematik eben
doch prinzipiell unlösbaren Konflikt-Problematik angeblasener Membranophone
irgendwie unbehelligt vorbeizumanövrieren, bemerke ich hier zunächst nur am
Rande.
Die zudem dann von Sachs und Hornbostel zur „Bandzunge“ noch
angefügte, deutlich abwiegelnd-entschuldigend klingende Randbemerkung, „Der
akustische Vorgang ist bisher nicht untersucht worden“ kann dann letztlich auch
nichts entschuldigen.
Weder die seltsam-desorientierende Wortbildung, noch das
Vorbeisehen an der Tatsache, dass es sich (ob nun bereits untersucht oder
nicht) doch ganz offensichtlich bei diesem Tongenerator um ein angeblasenes
Membransegment handelt, dessen offensichtlich internenten, schallrelevanten
Oszillationen ohne Weiteres - beispielsweise bereits von den Fingern, mit denen
man es gespannt halten muss, um es effektiv anzublasen - wahrgenommen werden
können.
Ein Vorgang, welcher dem entsprechend allbekannten Anblasen
von Chordophonen gewissermaßen „gleichkommt“, d.h. durchaus ähnelt, bzw. analog
ist.
Dabei sollte hier jedoch ergänzend angemerkt werden, dass
sich derart saitenartig gespannte Membransegmente natürlich weitaus effektiver
anblasen lassen als Saiten.
Aber ebenso wie angeblasene Chordophone eben nicht als
Aerophone gelten können, so sollten also auch in gleicher Weise angeblasene
Membranophone nicht als Aerophone, und schon gar nicht als „freie Aerophone“
gelten, oder sonst irgendwie „uminterpretiert“ werden.
Eine andere, ebenfalls überaus fragwürdige, letztlich sogar
als völlig unverständlich zu bewertende Problemsituation liegt nun auch bei dem
zweiten hier bereits erwähnten, nun ebenfalls noch zu behandelnden internenten
Blasinstrument, dem so genannten “eingespaltenen Grashalm“, vor, welchen ich
ebenfalls als ein spezielles Membranophon einordnen und keinesfalls etwa als
„freies Aerophon“ gelten lassen möchte.
Ich gehe dabei davon aus, dass Sachs und Hornbostel mit
dieser, wiederum fragwürdig ungenauen, Bezeichnung letztlich doch so etwas wie
die eigentliche Urform des ansonsten allgemein als „Doppelrohrblatt“
bezeichneten und von ihnen dann (und dies ist wiederum in besonders fataler
Weise falsch) als „Gegenschlagzungen“ bezeichneten Tongenerators meinten.
Dabei muss ich die Bezeichnung „eingespaltener Grashalm“,
sowie die dazugehörige Beschreibung, hier schon deswegen als besonders
verunglückt betrachten, weil es einfach unsachlich ist, bei diesem
naturwüchsigen Tongenerator vorschnell von „eingespalten“ und von „Grashalm“ zu
sprechen.
Ethnoorganologisch sachlicher wäre an dieser Stelle wohl
gewesen, zu akzeptieren und entsprechend deutlich zu machen, dass es sich dabei
in der Regel um einen an einem Ende flachgedrückten Pflanzenhalm (6) handelt,
welcher, um effektiv Schall zu erzeugen, weder wirklich „eingespalten“, noch
aus Gras sein muss.
An einer ganz anderen Textstelle finden sich dann ja auch
bei ihnen wieder Formulierungen, in denen genau dies eingestanden wird.
Aber eine wirklich konsequente, fachlich fundierte Beachtung
dieser beiden Tatsachen hätte eben auch hilfreich für ein besseres Verständnis
der tatsächlichen Wirkungsweise dieses uralten Tongenerators, und so vielleicht
auch für die Vermeidung der dann in der Beschreibung des dazugehörigen
Schwingungsvorganges vorliegenden fatalen Behauptung, dass es sich dabei um
„zwei Lamellen“ bzw. „gegeneinander schlagende Zungen“ handeln würde, wirken können.
Hingegen ist die sprachverführerische Formulierung vom „eingespaltenen“
Grashalm, viel eher geeignet, gerade diese falsche Vorstellung nahe zu legen.
Tatsächlich aber handelt es sich hier um zwei jeweils in
leicht gewölbter Form gegeneinander justierte, und sich insofern vorne
öffnende, aber an ihren Seiten im Wesentlichen geschlossen berührende,
Halbmembranen, welche dann in dieser Position gegeneinander schwingen.
Also ebenfalls um eine besondere Erscheinungsform eines
angeblasenen Membranophons, und – ebenso wie in den bereits besprochenen
Fallbeispielen – eben keineswegs irgendwie um ein „freies Aerophon“.
Dabei ist hier aber noch auf eine weitere Ungeheuerlichkeit
innerhalb der notorischen Inkonsequenzen Sachs-Hornbostelschen Systematisierens
und Behauptens hinzuweisen.
Um das Problem, welches ich dabei verdeutlichen möchte, in
möglichst unmissverständlich-anschaulicher Weise darlegen zu können, reiche ich
nun eine aus meiner Werkstatt stammende, spezielle Variante eines solchen, hier
bereits in moderner Weise aus mehreren Elementen zusammengesetzten,
membranophonen Tongenerators, welchen ich in dieser Form ansonsten für die
verschiedensten, von mir hergestellten Dudelsackinstrumente und Schalmeien
verwende, zur ihrer unmittelbaren Anschauung ins Publikum.
Die beiden hier auf eine dünne Messingröhre aufgebundenen
Halbmembranen aus speziellem Plastematerial stehen dabei für den
flachgedrückten oberen Teil des „Pflanzenhalmes“, und der unumbundene Teil des
Messingröhrchens für den undeformiert verbleibenden unteren Halmteil.
Ganz egal, wie dieser auch jeweils dimensioniert sein mag -
ob nun kurz oder lang, dünn oder dick -, und in welchen unterschiedlichen
Flachformen dabei auch jeweils die beiden gewölbt gegeneinander gesetzten und
insofern vorne leicht geöffneten Halbmembranen gestaltet sein mögen, immer wird
sich innerhalb all der dadurch gebildeten Hohlräume, Luft befinden!
Und zwar genau die Luftmenge, welche als
instrumentalintegriertes aerophones Element dieses Tongenerators, zwangsläufig an
den dort, mittels der beiden Halbmembranen erzeugten schallrelevanten
Oszillationen beteiligt ist und diese Luftschwingungen letztlich am unteren
Ende des Messingröhrchens an die „Außenluft“, oder eben in die Röhre eines
entsprechend angeschlossenen Blasinstrumentenkörpers, weiterleiten wird.
Auf Grund all dieser Tatsachen müsste hier doch aber
eigentlich genau die Definition gelten, welche uns im Systematiktext von Sachs
und Hornbostel erst viel später, nämlich dann als die oberste Bestimmung für
die „Eigentlichen Blasinstrumente“, begegnet.
Diese wurde dort auch in einer durchaus unmissverständlichen
Weise formuliert:
„Die schwingende Luft ist durch das Instrument selbst
begrenzt“.
Genau dies aber ist doch bei dem hier als Beispiel
angeführtem so genannten „eingespaltenen Grashalm“ der Fall!
Ich denke also, dass die Einordnung eines eindeutig in
dieser Weise funktionierenden Tongenerators als „freies Aerophon“, bei welchem
doch eigentlich ’die Luft selbst primär in Schwingung gerät, und dabei nicht
durch das Instrument begrenzt ist’, - hier nicht nur aus membranophonen
Gründen abzulehnen ist, sondern generell (ebenso wie bei dem im gleichen
Vierklassen-Text nachfolgend genannten Beispiel von so genannten
„Aufschlagzungen auf einem Rahmen“) völlig unverständlich bleiben muss.
Verständlich werden sollte an diesem Beispiel hingegen - und
deswegen habe ich mich hier so detailliert damit auseinandergesetzt – , dass
ein in sinnvoll systematisierender Weise festzulegender Begriff von
instrumental-aerophonen Schallerzeugungsvorgängen nur angebracht sein kann,
wenn bei entsprechenden Instrumenten auch tatsächlich bestimmte Luftmengen
(oder gegebenenfalls auch andere Gase) in ’instrumentalintern integrierter’
Form, also in internenter Weise, am Zustandekommen schallrelevanter
Oszillationen beteiligt sind.
Externente Schallerzeugungsvorgänge haben freilich auch mit
Luft, eben mit der Außenluft des Instrumentes zu tun, aber dies haben – ich
muss es hier nochmals betonen - eben auch alle anderen Musikinstrumente.
Aerophone im eigentlichen Sinne sind eben Internenten.
Diesen Gedanken bitte ich Sie nun festzuhalten und dabei
auch Folgendes zu beachten:
Unter allen hier bislang behandelten, weit mehr als ein
Dutzend umfassenden Beispielen aus der vorliegenden Systematik-Aufstellung von
sogenannten „freien Aerophonen“, konnte bei näherem Hinschauen kein einziges
gefunden werden, welches im Sinne seines tatsächlichen Wirkens sowie gemäß der
dort festgeschriebenen Definitionen auch tatsächlich in systematisch sinnvoller
Weise als Aerophon oder „freies Aerophon“ hätte akzeptiert werden können.
Am Beispiel des „eingespaltenen Grashalms“ konnten dann zwar
internente aerophone Schallerzeugungsvorgänge konstatiert werden aber das
Gesamtinstrument kann, aus den angeführten Gründen, letztlich nur als
Membranophon verstanden werden.
Und sinnvoller Weise sollten die Membranen dieses
Instrumentes dabei auch als die primär schallrelevant oszillierende
instrumentalinterne Substanz, und die instrumentalintegrierte Luft als die
angekoppelte und in diesem Sinne sekundär schallrelevant oszillierende Substanz
dieses Tongenerators verstanden werden.
Dies gilt es nun zu bedenken, wenn wir uns dem allerletzten,
von Sachs und Hornbostel hier ebenfalls unter den „freien Aerophonen“
aufgeführten Instrumentalfall zuwenden, zumal dieser nun in einer wiederum
alles Bisherige weit übertreffenden Weise interessant und fragwürdig ist.
Und zwar sowohl in Hinsicht auf das zu behandelnde
Instrument, als auch mit Blick auf die hier wiederum deutlich werdenden
erstaunlichen Unbedachtheiten von Sachs & Hornbostel sowie auf
entsprechende Unzulänglichkeiten des damit verbundenen Systematisierens.
Es geht dabei um „Explosivaerophone“, ohne dass im Weiteren
auch „Implosionsinstrumente“ erwähnt werden.
So, als ob es etwa im Jahre 1914 noch keine elektrischen
Glühbirnen gegeben hätte, oder aber deren Knall als unwichtig (was wohl kaum zu
akzeptieren wäre) für die Systematik instrumenteller Schallerzeugung angesehen
wurde.
Für unsere Betrachtungen sind diese aber durchaus wichtig,
denn mit ihnen gelingt es uns sofort, der bislang doch so geringen Menge von
Externenten ein weiteres, offenbar selbst von Sachs und Hornbostel noch nicht
wahrgenommenes, externentes Exemplar einordnend hinzuzufügen.
Und wir können dies genau im Sinne der Argumentationen tun,
die ich hier bereits zur Verteidigung meines entsprechenden Zweiklassensystems
dargelegt hatte.
Was nun Explosionen betrifft, so ist ihre Einordnung
wiederum problematisch, denn dabei sind sofort bestimmte Differenzierungen zu
bedenken.
Als grundlegendes Instrumentalbeispiel wurde hier von Sachs
und Hornbostel die so genannte „Knallbüchse“ aufgeführt.
Dieses Instrument können wir uns etwa als eine
Fahrradluftpumpe ohne Kopfaufsatz vorstellen, bei welcher letzterer durch einen
ins Rohr eingeklemmten Pfropfen ersetzt wurde, welcher dann aber, mittels der
durch eine kräftige Pumpbewegung plötzlich innerhalb des Pumpenrohres
komprimierten Luft, wieder explosionsgemäß hinausgetrieben wird.
Ein Knallereignis, welches physikalisch-akustisch scheinbar
ganz das Gleiche wie etwa auch das Explosionsgeräusch eines Pressluftballons,
eines Sylvesterknallers oder eines Pistolenschusses ist.
Und doch sind alle diese Knalleffekte, wie eben auch der
erwähnte Implosionsknall, von jeweils ganz anderer Art.
Den Explosionsknall eines Luftballons oder eines
Sylvesterknallers würde ich, ebenso wie etwa den Implosionsknall einer
Glühbirne, gerne zu den externenten Schallereignissen zählen.
Der Pistolenschussknall wäre aber dem Sylvesterknaller nur
dann gleichzusetzen, wenn lediglich Platzpatronen verwendet wurden.
Anderenfalls können wir es darüber hinaus noch mit dem
überschallknall des abgeschossenen Projektils zu tun haben, der völlig anders
zustande kommt und physikalisch eher dem Peitschenknall nahe steht, - aber
ebenfalls von externenter Natur ist.
Das entsprechende Projektil einer Feuerschusswaffe, der
Luftballon und der Sylvesterknaller wären insofern wiederum zu den, die
Minderheit von Externenten hier nochmals vergrößernden Gesellen zu zählen, zu
welchen dann auch wieder, was wir heute zwar wissen, aber damals noch nicht
relevant sein konnte, jedes überschallflugzeug zu rechnen ist.
Wie verhält es sich aber mit der Knallbüchse?
Hier muss ich nun versuchen, in redlicher Weise
haarspalterisch exakt zu sein, da es zunächst keineswegs als nahe liegend
erscheinen muss, hier einen Externenten, zu erkennen.
Denn ebenso wie in der Röhre des „eingespaltenen Grashalms“,
so befindet sich doch auch in der Röhre der Knallbüchse instrumentalintegrierte
Luft, welche zweifellos zur Erzeugung des dortigen instrumentenspezifischen
Schallereignisses - gerade in ihrer instrumentalintegrierten Form -
unverzichtbar und wesentlich ist.
Und so betrachtet, kann dies also vielleicht auch im Sinne
von internent-aerophoner Schallerzeugung zu verstehen sein.
Die Frage, die dann allerdings gestellt werden sollte, muss
nun lauten, ob diese Luft auch dann noch als tatsächlich instrumentalintern
integrierte Luft schallwirksam beteiligt ist, wenn es knallt.
Und da sollte man daran denken, dass diese zunächst im
Pumpenrohr integrierte Luft, letztlich im Augenblick der eigentlichen
Knallschwingungen zwar sicherlich an diesen noch beteiligt sein wird, ihren
internenten Status dabei aber doch aufgegeben muss, wenn’s denn wirklich effektiv
knallen soll. (7)
Sie verhält sich hier schließlich ebenso wie auch die Luft
eines explodierenden Luftballons, welche im Augenblick der Explosion eben nur
noch ohne ihre zuvor integrierende Ballonhülle zur Wirkung kommt.
Angesichts eines derartigen, vielleicht nicht immer einfach
vorschnell zu entscheidenden Konfliktfalles (welcher hier schließlich nur als
eines von vielen anderen denkbaren bzw. fernerhin zu bedenkenden Beispielen
problematischen Systematisierens steht) wäre mir wichtig, vor allem zwei
Aspekte deutlich zu betonen.
Erstens ist es möglich, dass sich solche und andere
Konflikte durch gezielte weitere physikalisch-akustische Forschungen
gegebenenfalls exakt lösen lassen. Und zweitens ist es – solange in dieser
Hinsicht noch keine entsprechend klärenden Forschungsfortschritte erfolgt sind
- durchaus auch möglich, auf der Basis qualifiziert-niveauvoller
wissenschaftlicher Kommunikation jeweils definitorische und systemeinordnende
Festlegungen im Sinne der Vermeidung von diesbezüglichen Missverständnissen
konkret zu vereinbaren, wobei klar ist, dass eine in dieser Weise „niveauvolle
wissenschaftliche Kommunikation“ wiederum die entsprechenden
Forschungsinitiativen zu ihrer Voraussetzung haben muss.
In diesem Sinne, also mit der auf diese Weise mir selbst
versicherten Gewissheit, dass es in derartigen Konfliktkonstellationen
keinesfalls eine Sünde wider den wissenschaftlich niveauvollen Umgang mit
entsprechenden Systematisierungsbemühungen und/oder entsprechenden
Zuordnungsfestlegungen sein muss, wenn gesichert sein kann, dass mit diesen
erforderlichenfalls kommunikativ-verantwortungsvoll-bedacht-veränderbar, aber
eben keineswegs einfach beliebig-uminterpretierbar, umgegangen wird, möchte ich
nun doch die Einordnung der „Knallbüchse“ als Externenten favorisieren, wobei
mir entscheidend erscheint, dass es sich bei dem entsprechenden Knallereignis
letztlich nicht um einen Ton mit bestimmbarer Tonhöhe handelt, dessen Frequenz
etwa durch die Länge einer innerhalb des Pumpenrohres integrierten Luftsäule
bestimmt sein könnte, sondern eben um ein Schallereignis ohne diese
physikalische Voraussetzung.
Nutzen wir hingegen dieses Pumpenrohr nicht als Knallbüchse,
sondern in unverschlossener Weise, also ohne Pfropfen, als Flötenrohr, welches
schließlich ohne Weiteres (etwa wie eine Panflöte oder auch als entsprechende
Slide-Whistle) angeblasen werden kann, so bringen wir tatsächlich die im
Pumpenrohr integrierte Luftmenge zum Schwingen und es werden sich so auch stets
Schallereignisse mit entsprechend bestimmter Tonhöhe hervorbringen lassen.
Wir hätten es bei dieser umfunktionierten Knallbüchse also
eindeutig mit einem Internenten als einem Aerophon im eigentlichen, sinnvoll
zu verteidigenden Sinne des Begriffes zu tun.
Aus diesen Darlegungen möchte ich nun zunächst folgende
Schlussfolgerung nahe legen:
Als Aerophone sollten alle die Internenten gelten, bei denen
lediglich Luft (oder eben ein Gas), als wesentliches Element schallrelevanter
Oszillationen zur Wirkung kommt.
Dabei müssen eben nicht alle Aerophone auch Blasinstrumente
- wie etwa das soeben geschilderte Flöteninstrument – sein, wie auch (und das
wurde schließlich ebenfalls bereits verdeutlicht) keineswegs alle
Blasinstrumente einfach als Aerophone gelten können.
Dies möchte ich nun an einem akustischen Experimentalmodell,
nämlich einem einfachen Stück Rohr aus dünnem Plastematerial, noch
weitergehender verdeutlichen.
Nutze ich ein solches Rohr in gleicher Weise wie soeben am
Luftpumpenrohr geschildert, so werde ich einen Panflötenton in bestimmter Höhe
hervor bringen.
Wenn ich nun aber auf ein solches offenes Flötenrohr jeweils
Flötenkopfstücke der verschiedensten Art, bzw. aus den verschiedensten
Kulturen, aufsetze, werde ich immer wieder Flötentöne in etwa gleicher Höhe,
aber eben jeweils mit anderem Klangcharakter, erhalten. (In der Ihrer
Hochschule übergebenen Musikinstrumentensammlung ist ja auch ein solches von
mir hergestelltes „multivalentes“ oder auch als „multikulturell“ aufzufassendes
Flöten-Experimentalmodell mit den verschiedenartigsten Kopfstücken enthalten.)
Man kann das gleiche Rohr aber auch in ein Membranophon
verwandeln, wenn ihm etwa ein entsprechend passend dimensionierter Tongenerator
mit zwei gegeneinander schwingenden Halbmembranen aufgesetzt wird, - so wie Sie
ihn inzwischen angesichts des Doppelrohrblattes aus meiner Werkstatt
betrachten und bedenken konnten.
Damit würden sich wieder Töne mit genauer Tonhöhe und
wiederum anderem Klangcharakter ergeben, die jetzt eben keine Flötentöne mehr
wären.
In gleicher Weise lässt sich auf dieses Rohr aber auch ein
anderer, ebenfalls aus meiner Werkstatt stammender membranophoner
Tongenerator, mit einer anzublasenden Ganzmembrane aufsetzen.
Eine aktuelle musikinstrumentelle Weiterentwicklung, die uns
noch vor wenigen Jahrzehnten gänzlich unbekannt war und die ich bereits
anlässlich der Eröffnung Ihrer Musikinstrumentenausstellung im vorigen Jahr in
meinem damaligem Vortrag eingehender, als nachdenkenswerte, membranophone
Novität, vorgestellt hatte. (8)
Dazu möchte ich hier anmerken, dass sich auch unter den erst
im September dieses Jahres nachträglich übergebenen, weiteren Bestandteilen
meiner Sammlung noch weitere, speziell im Zusammenhang mit meinen
Vorlesungsaktivitäten entwickelte, vergleichsanalytisch konzipierte
Experimentalmodelle befinden, mit denen auch, bislang noch unbekannte Fälle,
von ’per Anblasen zustande gekommener, membran-bedingter Schallerzeugung’ –
hier insbesondere mit ’doppelten Ganzmembranen’ – nachgewiesen werden können. (9)
Akustische Phänomene, auf die ich aber erst im zweiten Teil meines Vortrages
näher eingehen werde.
Heute möchte ich Ihnen aus dieser Sammlung lieber noch ein
anderes, schon lange bekanntes, angeblasenes Membranophon vorstellen und dieses
dazu auch ins Publikum durchreichen.
Ein Tongenerator welcher mit nur einer einzelnen
Halbmembrane funktioniert und insofern auch im Zusammenhang mit dem
„Doppelrohrblatt“, also dem Tongenerator mit zwei Halbmembranen,
vergleichsanalytisch-systematisch zu bedenken ist.(10)
Dieses überaus raffinierte und sehr kleine Instrument, wird
in angefeuchtetem Zustand an den Gaumen angelegt und innerhalb unserer
Mundhöhle, mit Hilfe von Zungenstößen, so angeblasen, dass ganz
erstaunlich-singvogelartiges Zwitschern, Trillern und Tirilieren erklingen
kann.
Neben den bemerkenswert virtuosen Tonmöglichkeiten dieses
bemerkenswerten Membranophons möchte ich mit diesem aber nun auf etwas ganz
anderes aufmerksam machen.
Nämlich auf die bemerkenswerte Unfähigkeit des
Sachs-Hornbostelschen Vierklassendenkens, derartige Blasinstrumente mit
membran-bedingter Schallerzeugung, auch als solche zu akzeptieren und ihnen
einen dementsprechend systematisch sinnvollen Platz zuzuweisen.
Sie müssen dort entweder - wie etwa die so genannte „Bandzunge“
und der „eingespaltene Grashalm“ - in geradezu peinlich-unsachlich-unfachlicher
Art unter den „freien Aerophonen“ versteckt, oder eben auch einfach ignoriert
werden.
Denn in dieser letztlich grundfalsch angelegten Systematik,
kann auf Grund der dort so unglücklich und unlogisch innerhalb der vierten
Hauptklasse platzierten Instrumente und deren ebenfalls verunglückter
Pauschal-Bestimmung als Aerophone, einfach kein Platz mehr für angeblasene
Membranophone gefunden werden. Falls wir aber auf einem solchen Platz bestehen
wollen – und ich denke wir müssen es in Hinsicht auf eine neu zu konzipierende
Systematik der Musikinstrumente unbedingt tun – so gilt es dann auch andere
Blasinstrumente entsprechend systematisch sinnvoll zu platzieren. Denn sobald wir
auf unserem „Experimental-Rohr“, welches soeben noch mit einem
Ganzmembrantongenerator bestückt war, wiederum andere Tongeneratoren, also
etwa ein Klarinettenmundstück, aufsetzen, müssen wir dieses Instrument auch
sofort als entsprechend angeblasenes Lamellophon begreifen.
Man kann dieses Rohr nun aber auch, ohne weiteren
Extra-Aufsatz, unmittelbar an seinem öffnungsrand mit aufgesetzten Lippen
anblasen, indem dieser Rand etwa wie das Kesselmundstück einer Tuba oder eines
Alphorns genutzt wird.
Die beiden von außen angesetzten Lippen, die hier, ganz
ähnlich wie die beiden Halbmembranen eines Doppelrohrblattes, in primär
schallrelevanter Weise als Tongenerator wirken, sind auch hier der Grund dafür,
dass wir auch diese Instrumentalvariante wiederum nicht als Aerophon einordnen,
sondern ebenfalls systematisch neu platzieren müssen.
Der Umstand aber, dass uns dafür nun keine griffige
Bezeichnung zur Verfügung steht, und wir es außerdem mit der Besonderheit zu
tun haben, dass gerade der für diese Art der Tonerzeugung wesentliche, primär
wirkende Tongenerator, nämlich unsere schwingenden Lippen, welche (wie bereits
angemerkt, statt als „Polsterzungen“, doch weitaus eher als „Polstermembranen“
aufgefasst werden könnten) dabei aber doch selbst eigentlich gar nicht zum
Instrument gehören, muss uns hier, wo es doch immer noch vor allem um die Frage
geht, wie denn eigentlich Aerophone zu verstehen und systematisch einzuordnen
seien, zunächst nicht unbedingt länger aufhalten, - so bedenkenswert gerade
dieser besondere Fall instrumentaler Schallerzeugung ansonsten auch sein mag.
Wichtig ist für uns hier vor allem Folgendes:
Es lassen sich an diesem Rohr voller Luft ganz
verschiedenartige Blasinstrumente realisieren, von denen aber letztlich nur
solche tatsächlich als Aerophone gelten können, bei denen der im Rohr
befindlichen Luft keine anderen „wesentlichen Elemente schallrelevanter
Oszillation“ vorgeschaltet sind.
Solche “Elemente“ habe ich nun in meinen Arbeiten und
Vorlesungen bereits seit vielen Jahren mit dem, aus den entsprechenden
Anfangsbuchstaben zusammengesetzten Kurzwortbegriff „WESO“ bezeichnet.
Damit möchte ich jetzt auch deutlich machen, was meiner
Auffassung nach generell bei der Systematisierung von Musikinstrumenten
bedacht werden muss, wenn es zunächst darum geht, ihre Vielzahl tatsächlich
systematisch zu erfassen, sachgemäß zu differenzieren und sinnvoll zu ordnen.
Zunächst steht für ihre Bestimmung die Frage, welche WESOs
sie enthalten und von welcher Art diese jeweils sind.
Wir werden dann nur bei den Internenten solche WESOs finden
können, denn Externenten enthalten solche Elemente – von denen sie wie gesagt
„gänzlich frei sind“ - schließlich nicht.
Die WESOs verschiedener internenter Musikinstrumente und
deren jeweiliger Stellenwert innerhalb eines Instrumentes sind dann auch
maßgebend für die verschiedenen Unterteilungen innerhalb dieser, den
Externenten gegenüberzustellenden Hauptabteilung meines Zweiklassensystems.
Dass diese Unterabteilungen innerhalb der Internenten nun
aber überhaupt nichts mehr mit den bisherigen Hauptklassen der
Vierklassensystematik zu tun haben, wie ebenso auch das Moment der Spannung bei
dem nun beschrittenen Weg von musikinstrumenteller Systematisierung keine
entsprechende Rolle mehr zu spielen hat, dürfte inzwischen eigentlich auch auf
der Hand liegen.
Um dies aber weiter zu verdeutlichen, möchte ich nun auch
wiederum Folgendes betonen:
Für die sinnvoll differenzierende Einordnung aller
Internenten in ihre jeweiligen Unterabteilungen ist ihr jeweils primäres, oder
gegebenenfalls einziges, WESO ausschlaggebend.
Und zum Verständnis der diesbezüglichen Bedeutung des
Wörtchens „primär“ sei dabei gesagt, dass es sich lediglich darauf bezieht,
welches WESO in welcher Weise innerhalb eines Instrumentes jeweils den anderen,
dort möglichen WESOs vorgeschaltet wirkt.
Es sind also auch – soweit vorhanden - die
physikalisch-akustischen Kopplungen verschiedener WESOs innerhalb eines jeden
Musikinstrumentes jeweils genau zu erforschen und dann zur Systematisierung
genau zu beachten.
Neben den vielen Widersprüchen und Unkorrektheiten, die uns
im Denken und Systematisieren von Sachs und Hornbostel immer wieder begegnen,
scheint mir einer der dortigen Hauptmängel eben gerade auch darin zu bestehen,
dass sie für diese Problematik von physikalisch-akustischen Kopplungen und
deren unabweislicher Bedeutung für ein sinnvoll differenzierendes
Systematisieren der Vielzahl von unterschiedlichsten Musikinstrumenten,
offensichtlich keinerlei Verständnis hatten.
Und insofern kann hier auch festgehalten werden, dass unter
den von ihnen als „Eigentliche Blasinstrumente“ bezeichneten und dort pauschal
zu den Aerophonen gerechneten Musikinstrumenten letztlich nur die Flöten
tatsächlich als Aerophone gelten können.
Nun aber wieder zurück zu unserem Experimental-Rohr, mit
welchem sich noch ganz andere instrumental-akustische Möglichkeiten
verwirklichen lassen.
Möglichkeiten, bei denen es wiederum als Aerophon, aber nun
eben nicht als Flöte oder Blasinstrument gelten kann.
Sobald wir etwa einfach mit der flachen Hand an eine öffnung
des beidseitig offenen Rohres anschlagen, oder auch durch entsprechendes Zusammenschlagen
unserer leicht gewölbten beiden Handflächen einen Luftstoß in eine der
öffnungen richten, erklingt ein kurzer und ebenfalls exakt gestimmter Ton.
Die in der Röhre enthaltene Luft erhält durch derartige „Handanschläge“
einen kurzen Impuls - einen Verdichtungsstoß -, durch welchen sie innerhalb des
Rohres kurzzeitig zum Schwingen angeregt wird.
Ein durchaus effektives Verfahren zur Erzeugung von Musik.
An einem solchen Rohr lässt sich aber auch ein fast
gegenteilig angelegtes Tonerzeugungsverfahren effektiv anwenden.
Stellen wir uns wieder unsere Knallbüchse ohne Pfropfen,
aber nun in einseitig dicht verschlossener Form vor und führen dabei den
ursprünglich zur Verdichtung der Luft vorgesehenen Pumpenkolben umgekehrt durch
die verbleibende öffnung in das Rohr ein.
Sobald dieser Kolben dann wieder ruckartig herausgezogen
wird, haben wir es mit einem deutlich hörbaren Implosionsgeschehen zu tun,
welches aber nun, ganz im Unterschied zum Implosionsknall des Externenten
Glühbirne, von einem Internenten - von einem Aerophon - stammt, und auch einen
klaren Ton in genau bestimmter Höhe zur Folge hat.
Insofern gibt es offensichtlich zweierlei Arten von
„Implosionsinstrumenten“, die auch problemlos in den unterschiedlichen beiden
Hauptklassen des Zweiklassensystems einzuordnen sind.
Und wenn wir nun akribisch weiter denken, so sollte bereits
klar werden, dass es ebenso auch die Möglichkeit eines internent wirkenden
Explosionsinstrumentes, also auch einer im tatsächlichen Sinne als
„Explosionsaerophon“ zu bezeichnenden Instrumentalkonstruktion, geben kann.
Diese werde ich Ihnen nun - um Sie alle zu Zeugen dessen zu
machen, was innerhalb bisherigen musikinstrumentellen Systematisierens eben
nicht bezeugt wird -, hier vorführen, indem ich einen kleinen
luftkomprimierenden Gummiballon in meine Experimentalmodell-Röhre einbringe, um
diesen dann dort explodieren zu lassen.
Wir können damit ein explosionserzeugtes Schallereignis auf
der Grundlage instrumentalintegriert schwingender Luft - und dabei auch einen
Ton mit einer durch die Länge des Rohres bestimmten Tonhöhe - erwarten.
Also den Ton eines Explosions-Internenten, - eines besonderen
Aerophons.
Und ein solches spezielles Instrument ist auch deswegen
besonders bedenkenswert, weil es sich hier um ein Instrument mit zwei
unterschiedlichen, instrumentalintern verkoppelten, aerophonen WESOs handelt,
bei welchem die zunächst im Ballon in komprimierter Form internierte Luftmenge
als das primäre WESO, und die dann ebenfalls schallrelevant mitwirkende übrige
Luftmenge innerhalb des Rohres, letztlich als das sekundär ’angekoppelte’ WESO,
verstanden werden muss.
Dabei sollte die Komplexität dieses Vorganges, sowie die
Tatsache, dass das primäre WESO hier auch von Knall zu Knall jeweils
verschwindet und von Fall zu Fall jeweils wieder eingerichtet werden muss, aber
nicht über die Tatsache hinweg täuschen, dass wir es hier mit einer solchen besonderen
„Kopplung“ zweier WESOs, wenn auch jeweils aus der gleichen Substanz, zu tun
haben.
Letztlich möchte ich an diesem einfachen Kunststoffrohr aber
noch eine weitere, ebenfalls durchaus effektive Schallerzeugungsmöglichkeit
zeigen, deren exakte systematische Einordnung mir nun aber wiederum überaus
problematisch, - sozusagen als ein „echter Konfliktfall akribisch bedachten
Systematisierens“, erscheint.
Man kann nämlich bei derartig dünnwandigen Röhren aus
Plaste-Materialien auch einfach mit einem seitlich an die Rohrwand
ausgerichtetem Anschlag ganz ähnliche Tonereignisse bewirken, wie mit dem an
einer öffnung des Rohres direkt auf die Luft in der Röhre ausgerichteten
plötzlichen „Verdichtungs-Impuls“.
Und für beide Erregungsarten gibt es auch tatsächlich
entsprechend ausgelegte Musikinstrumente.
Instrumente in der letzteren Art, bei denen also die
instrumentalintegrierte Luft mittels eines plötzlichen Verdichtungsimpulses an
einer Rohröffnung zum Schwingen gebracht wird, finden wir beispielsweise in der
traditionellen Folklore Süd-Ost-Asiens, wo diese als ganze
Instrumentalensembles in den unterschiedlichsten Tonhöhen aus etwa armstarken,
dickwandigen Bambusröhren hergestellt werden, aber auch dort als ausgesprochene
Seltenheit gelten.
Hingegen sind bestimmte, eher als „modern“ anzusehende
Klangröhren, welche lediglich seitlich angeschlagen werden müssen um
entsprechend zu klingen, in ähnlichen Größen aus dünnwandigem Plaste-Material,
hierzulande inzwischen in allen einschlägigen Musikinstrumentengeschäften
erhältlich.
Man wird also als Musikwissenschaftler und Systematiker auch
an der Frage, um was es sich bei diesen neuartigen Musikinstrumenten denn nun
eigentlich genau handelt, nicht so einfach vorbeigehen können.
Dass es Internenten sind ist sicherlich unstrittig.
Ob ein solches Instrument aber nun einfach nur als ein
„Solidophon“ interpretiert werden sollte, da ja die festen Außenwand der Röhre
angeschlagen wurde, oder diese Röhre hier eher als eine Membrane, etwa
vergleichbar den Verhältnissen bei Trommeln und Pauken, verstanden werden
sollte, oder ob aber doch eher die Vorstellung zutrifft, dass durch den
seitlichen Anschlag an das Instrument, eigentlich doch vornehmlich die Luft
innerhalb der Röhre erschüttert wird, wobei diese Röhrenumhüllung, in diesem
konkreten Falle von Instrumentalkonstruktion letztlich doch wohl zu
unwesentlich, oder auch zu „unausgeprägt“ ist, um ihr tatsächlich den
besonderen instrumentalen Status als primäres, entsprechend vorgeschaltetes
WESO, also als tatsächlich „wesentliches Element schallrelevanter
Oszillation“, zu zuerkennen, - all dies kann fraglich sein.
Ich selbst neige nun durchaus dazu, die letztere
Interpretation zu favorisieren, - das Instrument also doch eher als ein
spezielles Aerophon aufzufassen, und möchte dabei natürlich sofort wieder auf
das verweisen, was ich anlässlich des „Konfliktfalles Knallbüchse“ bereits zu
derartigen Konflikt- und Entscheidungssituationen ausgeführt hatte.
So könnte ich mir in Hinsicht auf die dazu möglichen,
akustisch-physikalischen Forschungsaktivitäten durchaus vorstellen, dass
beispielsweise die analytisch vergleichende Untersuchung des
Oszillationsverhaltens solcher anzuschlagender Röhren, aber auch entsprechend
anzuschlagender Membranen von uns bekannten Membraninstrumenten, unter den
Bedingungen eines Vakuums, bei denen ja dann das WESO Luft jeweils
ausgeschlossen werden könnte, auch neue Erkenntnisse zu dem ermöglichen
könnten, was ich soeben als den „tatsächlichen instrumentalen Status“ des hier
speziell zu untersuchenden solidophonen Elementes bezeichnet hatte.
Außerdem wären letztlich auch in diesem Falle – wie
ebenfalls bereits gesagt - missverständnisvermeidende Festlegungsentscheidungen
auf der Basis wissenschaftlich niveauvoller Kommunikation unter Musikwissenschaftlern
denkbar.
Denkbar zwar, - aber wohl doch nicht wirklich konkret
vorstellbar.
Denn in Anbetracht des gegenwärtigen Betriebsamkeitsprofils
der Musikwissenschaften, müssen solche Möglichkeiten dort offenbar ebenso als
völlig ausgeschlossen bzw. als gänzlich unwahrscheinlich gelten, wie eben auch
die eigentlich schon lange ausstehende grundsätzliche kritische
Auseinandersetzung mit der klassischen Vierklassen-Systematik dort eben einfach
nicht betrieben wird.
Zu konstatieren ist da vielmehr das systematische Vermeiden
all der Mühen um solche eigentlich erforderlichen, grundsätzlichen, die
eigentlichen spezifischen Grundlagen dieses Wissenschaftsgebietes im Kern
betreffenden Problemlösungen, und dabei eher die ausweichende Flucht in
allerlei Sonstiges, sowie in das endlos weite Feld zerwürfelt-unsystematisch zu
behandelnder Beliebigkeits-Themen, die dann zudem noch nur allzu oft und allzu
gerne – eben auch weil dabei oftmals gerade nicht systematisch vorgegangen
wird - als Beleg für ’besondere Kreativität’ ausgegeben werden können.
In den letzten hundert Jahren sind sowohl unter den
Aerophonen, als auch unter den Blasinstrumenten völlig neuartige
Musikinstrumente bekannt geworden und entstanden.
Instrumente, deren nunmehrige Existenz aber bereits genügenden
Anlass zu einer grundsätzlichen Veränderung des in den Musikwissenschaften
immer noch geläufigen Vierklassendenkens zu Musikinstrumenten, hätte geben
können.
Die musikinstrumentelle Wirklichkeit ist also weiterhin in
Bewegung, - es entstehen weiterhin natürlich-akustische Instrumente.
Aber die Musikwissenschaften, die Musikinstrumentenkunde,
sind offenbar nicht geneigt, dies entsprechend zur Kenntnis zu nehmen und
ernsthaft zu ihrem Gegenstand zu machen.
Irgendwie kann es als erstaunlich anmuten, dass sie offenbar
ein Tätigkeits- und Betriebsamkeitsprofil entwickeln konnten, welches ihnen,
trotz der offensichtlichen Nichtbeschäftigung mit derartigen Grundfragen und
Grundlagen ihres eigenen, genuinen Fach- und Forschungsgebietes, ein
diesbezüglich hohes Maß an Unbesorgtheit, sowie ein offenbar wirksames
Schutzschild vor entsprechend möglichen Renommeeverlusten gegenüber
vergleichbaren anderen Wissenschaften schafft und gewährt.
Ein in seltsamer, aber offenbar effektiv wirksamer Weise
tabuisierendes Schutzschild, hinter welchem dann auch kaum diesbezügliche
Bedenken oder Sorgensäußerungen zu erwarten sind. Unter dem Deckmantel
zahlreicher, schützend absegnender Statements von
musikwissenschaftlich-akademischen Koryphäen kann die „offizielle“ Vierklassensystematik
der Musikinstrumente offenbar immer noch als „wissenschaftlich gültig“
ausgegeben werden.
Die musikinstrumentelle Wirklichkeit bewegt und entwickelt
sich jedoch weiter, wie sie das immer getan hat und sie wird es auch weiterhin
tun.
Demgegenüber erweist sich das Verhalten der etablierten
Wissenschaften hinsichtlich dieser, immer wieder hochgelobten, aber schon vor
fast hundert Jahren grundsätzlich falsch konzipierten Systematik als nahezu völlig
unbewegt.
Wie konnte es eigentlich zu solch einer Situation kommen?
Wodurch und wieso konnte die Musikwissenschaft, insbesondere
die Musikinstrumentenkunde, aber eben in hohem Maße auch die Musikethnologie,
eigentlich in eine solche, nun geradezu als „hoffnungslos verfahren“
erscheinende Lage geraten?
Meine Hoffnungen, - sowie eine gewisse Sicherheit darüber,
dass es doch einen Sinn haben kann, zu versuchen, hier eine wissenschaftlich zu
begründende Kritik zu forcieren, - kann ich eben nicht etwa von
sorgenvoll-kritischen Diskussionen und Bedenken aus den Musikwissenschaften
herleiten, sondern weit eher aus meiner Positionierung als Philosoph, im
Zusammenhang mit meinen Kenntnissen und Gewissheiten über das Verhalten und die
Entwicklungen ganz anderer Wissenschaften, gewinnen und begründen.
Allein wenn ich nur an Biologen, Physiker, Chemiker usw.
denke, welche eigentlich ständig damit befasst sind, auch ihre grundsätzlichen
systematikrelevanten und terminologischen Fragen und Probleme in einer Vielzahl
von wissenschaftlichen Publikationen, aber eben auch auf entsprechenden
internationalen Tagungen usw. zu beraten und zu diskutieren.
Man könnte eigentlich geradezu empört darüber sein, dass
sich die Musikwissenschaften hier offenbar ganz anders verhalten.
Aber die eigenartige „Gesamt-Wirklichkeit“ des gegenwärtigen
Wissenschaftsgefüges in Deutschland – und die zu dieser Wirklichkeit eben auch
gehörende Tatsache, dass beispielsweise auch ich (ähnlich wie viele andere
meiner ehemaligen Kollegen aus der DDR) ab 1990, seitens einer neuen
politischen Administration, de jure und de facto, zum diskriminierten
Außenseiter des normalen Wissenschaftsbetriebes in Deutschland verurteilt
wurde, und mich aus diesem Status heraus zwar zuweilen dazu äußern, aber selbst
wohl kaum an dieser Realität und der geschilderten Lage der Musikwissenschaften
irgendwie rühren kann, - wird mir natürlich nun eher nahe legen, mich nicht
etwa zu einem „aufrührenden Appell an die Vernunft“, oder ähnlichem, hinreißen
zu lassen, sondern derart „lautstark Rebellisches“, besonnenerweise doch lieber
zu unterlassen.
Dabei meine ich allerdings - und dies möchte ich zum Schluss
meines heutigen Vortrages nachdrücklich betonen -, dass die hier geschilderte
spezielle Wissenschafts-Situation letztlich nur durch eine revolutionierende
Veränderung des Nachdenkens und Forschens über Musikinstrumente überwunden
werden kann.
Und ich meine auch, dass sich die Qualität dieser
erforderlichen Revolution wiederum, durch die Kultur einer wissenschaftlichen
Kommunikation bestimmt, welche sich möglichst frei von
wissenschaftsorganisatorisch fest gefügten Abgrenzungen, entsprechenden
Vorurteilsbildungen und entsprechend institutionalisierten
„Autoritätsbeweisführungen“, entfalten sollte, - wie ich ebenso der Meinung
bin, dass auch alle anderen, künftig im Sinne der Humanität unvermeidlicher
Weise anstehenden sonstigen Rebellionen und Revolutionen auf unserem Planeten,
wie aufrührerisch-umstürzlerisch sich diese auch jeweils gestalten mögen, einen
dementsprechend kulturvoll-humanitätsorientierten Sinngehalt letztlich nur
entwickeln und bewahren werden können, wenn sie auch am Vernunftgehalt dessen
partizipieren können, was wir über diese, eben in ganz besonderer Weise
sinnbeladen-humanisierte Erscheinungsform von Technikentwicklung eigentlich zur
Kenntnis nehmen und tiefgründiger erforschen sollten.