Vortrag zur Eröffnung der Musikinstrumentenausstellung
an der Hochschule für Musik Saar.
(Gehalten am 22.10.2008 in Saarbrücken)
Sehr geehrte Damen und Herren, - dass ich hier bei Ihnen einer Vielzahl von Musikinstrumenten wieder begegnen konnte, die mir lange als wissenschaftliche Objekte unmittelbar zur Verfügung standen und mich über viele Jahrzehnte meines Lebens hinweg
begleitet haben, das ist mir eine wirkliche Freude. Dabei bin ich auch
beeindruckt, diese Instrumente nun in einem solch würdigen Rahmen, wie der bei
Ihnen bislang eingerichteten Ausstellung vorzufinden. Dies leitet mein Denken
sofort auf den Wahlspruch des Leipziger Gewandhausorchesters, welcher mich dort
schon als Schulkind beeindruckt, und auch in meinem späteren Leben nie wieder
losgelassen hat: Ein Motto, in welchem betont wird, dass ’wahre Freude stets
eine ernste Angelegenheit’ ist. Und der tiefere Ernst und Inhalt meiner Freude
besteht hier vor allem darin, dass mir in der Wiederbegegnung mit diesen
Instrumenten auch der mögliche Anfang der Erfüllung einer seit 1990 immer
wieder stark gefährdeten Hoffnung erscheint, der Hoffnung nämlich, dass diese
Sammlung doch möglichst in ihrer wissenschaftlichen Substanz und zum Zwecke
ihrer künftigen wissenschaftlichen Weiternutzung erhalten bleiben möge. In
diesem Sinne möchte ich auch meinen deutlichen Dank an Prof. T. Duis
aussprechen, der bereits während seines ersten Besuches meiner damals in Berlin
eingerichteten Exposition sein deutliches Interesse an der Rettung dieser
Sammlung aussprach und dann auch bei allen weiteren, auf diesem Wege
notwendigen Schritten stets sein Wort gehalten hat. Ebenso muss ich meinen Dank
an Dr. A. Markmiller richten, welcher diesen ganzen Prozess zunächst
zielgerichtet eingeleitet und dann - stets organisatorisch unterstützend - auch
bis auf den heutigen Tag durchgehend begleitet hat.
Wenn ich dies hier so
ehrlichen Herzens sagen kann, dann möchte ich auch in gleicher Weise darüber
sprechen, was ich als das Besondere und das „eigentlich Wertvolle“ dieser Sammlung
ansehe. Ihr spezifischer Wert erschließt sich nicht einfach in der
zusammenfassenden Vielzahl der darin erhaltenen Instrumente oder etwa mit Blick
auf einen speziellen Bestand an vielleicht besonders bemerkenswerten, sehr
interessanten oder auch besonders seltenen „Sammler Raritäten“. Freilich gibt
es auch hier - neben den vielen, über die Zeiten hinweg schadhaft gewordenen
Instrumenten - einen derartigen ’Raritäten-Bestand’, (so beispielsweise die von
mir stets in besonderer Weise geliebten deutschen Cistern oder auch bestimmte
Blasinstrumente). Ich möchte den wirklichen Wert dieser Gesamtkollektion doch
eher auf zwei übergreifende ideelle Aspekte beziehen. Und ich muss es sogar,
sobald ich im oben geschilderten Sinne ernsthaft darüber nachdenke. Zum einen
handelt es sich im Wesentlichen wohl um die größte private Sammlung von
Musikinstrumenten, die zu Zeiten der DDR dort entstanden ist. Genauer gesagt,
um den Großteil dessen, was davon nach ihrem Untergang, über die politisch
gewendeten Zeiten hinweg, von mir mit Hilfe vieler meiner Freunde gerettet
werden konnte. (1)
Den zweiten Aspekt
ihres ’besonderen Wertes’ halte ich dann, da er sich nicht so sehr auf die
Vergangenheit bezieht, sondern vornehmlich in die Zukunft gerichtet ist, für
den weitaus bedeutenderen. Mit dieser Sammlung ist, (2) wohl erstmals in der
Geschichte von Musikinstrumentensammlungen überhaupt, die Initiative für eine
ganz neue Art von Musikinstrumenten-Ausstellung ergriffen und dann auch
verwirklicht worden. Eine Ausstellung, die einem für Musikinstrumente ganz
neuartigem museologischen Prinzip folgte: Dem Prinzip einer möglichst
systematisch strukturierten Exposition im Sinne einer Annäherung an das ’Natürliche
System der Musikinstrumente’. Ich denke, dass es eine solche Initiative, die
bei mir als Reaktion auf einen bestimmten unklaren Zustand der systematischen
Musikinstrumentenkunde entstanden ist, zuvor wohl noch nie gegeben hat.
Beide von mir hier
hervorgehobenen Aspekte habe ich aber trotzdem (jeweils durch Einfügung des
kleinen Wörtchens „wohl“) mit einer gewissen Zurückhaltung formuliert, denn
hundertprozentig sicher sein kann ich mir da nicht. (3) Vielleicht hat doch
irgendein mir unbekannt gebliebener ostdeutscher Sammler in dieser Zeit noch
mehr Instrumente an sich gebracht? Und außerdem kann ich bislang auch nicht
völlig ausschließen, dass nicht doch schon irgend jemand anderes bereits vor
meiner diesbezüglichen Initiative - ob nun in Deutschland oder sonst irgendwo
in der ’großen weiten Welt’ - auf die doch eigentlich so nahe liegende Idee
gekommen sein könnte, auch eine Musikinstrumenten-Ausstellung einmal nach dem
Prinzip einer derartigen Systematik-Konzeption einzurichten. Immerhin ist die
’große weite Welt’ auch voller sonstiger Museen und entsprechender
Ausstellungen (etwa auf den Gebieten der Technik oder der Naturkunde, speziell
auch der Lebenserscheinungen), in denen derartige Konzepte und entsprechende
Ideen in ganz selbstverständlicher Weise schon seit vielen, vielen Jahrzehnten
ständig umgesetzt werden. Und ich würde mir sogar sehr wünschen, dass so etwas
auch bei Musikinstrumenten bereits stattgefunden hat. Ich kann aber kaum an die
bereits stattgefundene Realisierung einer solchen eigentlich nahe liegenden
Möglichkeit glauben. Denn Musikinstrumenten Museen, sowie auch entsprechende
Aussteller, werden in der Regel doch von ganz anderen, und oft sehr
einseitig-orientierten, manchmal auch fatal wissenschaftsfernen, Ideologien
geleitet. Und mein dementsprechend ausgeprägter Mangel an Glaube in dieser
Frage begründet sich, trotz meiner entgegengesetzten Wünsche und Hoffnungen,
eben vornehmlich aus bestimmten Erfahrungen in Hinsicht auf einen sehr
eigenartig ungewissen Zustand der systematischen Musikinstrumentenkunde, -
insbesondere in Deutschland.
Auf diesen Wissenschafts-Zustand
möchte ich nun, ganz im Sinne dieses von mir besonders hervorgehobenen
’Wert-Aspektes’ dieser Sammlung, etwas näher eingehen; - muss dazu aber auch
etwas weiter ausholen.
Der Beginn der
modernen Geschichte der Systematisierung von ’natürlich-akustischen’
Musikinstrumenten (4) ist wesentlich mit dem Namen des Belgiers V. Mahillon zu
verbinden. Er war, so denke ich, der Erste, der dabei, in einer klaren
Orientierung auf die Physik, die Grundlage für eine wissenschaftlich begründete
und umfassend angelegte Systematik dieser besonderen Erscheinungsform von
Technik erkannt hat. Mit seinem 1888 erschienenen Katalog des
Musikinstrumenten-Museums in Brüssel, (5) insbesondere aber mit den im dortigen
Vorwort dargelegten konzeptionellen Gedanken zur Problematik einer
wissenschaftlichen Systematisierung, wurde von ihm ein deutlicher
Paradigmenwechsel in der Geschichte dieses Systematisierungsdenkens eingeleitet
und sachlich begründet.
Im gegenwärtigen
Selbstverständnis der Musikwissenschaften, zumal in Deutschland, gibt es jedoch
die Tendenz, diese Leistung eher den beiden Musikwissenschaftlern C. Sachs und
E. M. v. Hornbostel, mit ihrer 1914 in Deutschland veröffentlichten „Systematik
der Musikinstrumente“, zuzuordnen. (6)
Ich meine, dass diese
Tendenz in eine ganz falsche Richtung weist (7) und sehe mich insofern
gezwungen, dabei auf offensichtlich Falsches, reichlich Fragwürdiges und
eindeutig Verfehltes im Zusammenhang mit dieser Systematik hinzuweisen. Denn
die Geschichte des musikinstrumentellen Systematisierungsdenkens in Deutschland
(die meines Erachtens bislang viel zu wenig detailliert erforscht ist) wird
seit dem Erscheinen dieser bis heute zumeist hoch gelobten Arbeit von Sachs und
Hornbostel, auch durch eine fortlaufende Reihe von signifikanten Fehlleistungen,
bedauerlichen Fehlentwicklungen und zuweilen sogar von regelrecht
wissenschaftsfeindlichen und letztlich auch als verbrecherisch zu
charakterisierenden Aktivitäten und Vergehen begleitet. Ich möchte dabei
insbesondere auf solche Vergehen aufmerksam machen, die sich auch gegenwärtig
noch, mit ihren Nachwirkungen in Deutschland, als Hürden für eine
unvoreingenommen offene und wissenschaftlich sachgerecht motivierte Diskussion
zu dieser Problematik erweisen.
In diesem Sinne nun
zurück zur Sachs / Hornbostelschen Systematik von 1914.
Betrachtet man diese
Arbeit eingehender, so müsste eigentlich auffallen, dass dort, trotz der darin
von den beiden Autoren selbst deutlich betonten Notwendigkeit eines in sich
logisch geschlossenen Aufbaus und der „Einheitlichkeit des Teilungsgrundes“ für
jegliche Systematik, doch eine Reihe ganz offensichtlicher logischer
Unstimmigkeiten enthalten sind.
Wenn man dann noch
die dort als „den Anforderungen der Logik voll entsprechend“ (8)
interpretierte Originalarbeit von Mahillon (auf die dies aber keineswegs
zutrifft) vergleichend betrachtet, so können die logischen Widersprüche in und
zwischen beiden Arbeiten eigentlich kaum noch übersehen werden.
Wir treffen im Text
von Sachs und Hornbostel auf Behauptungen, die nicht mit der Wahrheit in
Einklang zu bringen sind, und auch bei Mahillon auf die verschiedensten
logischen Widersprüche, - die jeder, der sich wirklich der Mühe unterzieht,
diese wissenschaftsgeschichtlich so bedeutenden Arbeiten, auch entsprechend den
Maßstäben der Wissenschaft, ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen und gründlich zu
durchdenken, selbst wahrnehmen kann. (9) In einer vor mehr als einem Jahrzehnt
unternommenen, eingehenderen Untersuchung derartiger Unstimmigkeiten habe ich
damals betont, dass Mahillon, trotz seiner Verdienste hinsichtlich bestimmter
Grundfragen zur Systematisierung, letztlich doch eine ’Katalog-Systematik’
hinterließ, in deren Grundstruktur weiterhin bestimmte Inkonsequenzen,
bestimmte ungelöste Probleme, sowie eine Reihe von Widersprüchen enthalten
sind. Diese Problemlage wurde aber von Sachs und Hornbostel offenbar nicht
wirklich erfasst, oder etwa weiter bearbeitet. Ihre Systematik kann in dieser
Hinsicht auch keineswegs irgendwie als ein „Versuch“ zur Lösung derartiger
Probleme angesehen werden. (10)
Vielmehr wurden diese
Probleme mit bestimmten, äußerlich sehr anspruchsvoll anmutenden, aber
inhaltlich gänzlich unsoliden Behauptungen, unter den Teppich bzw. den Tisch
der Wissenschaften und entsprechend möglicher Diskussionen und Nachfragen
gekehrt, wobei dann ’oberhalb’ ungehindert ’reiner Tisch’ gemacht werden
konnte, indem mit einer inhaltlich zwar immer noch ebenso problematischen, aber
in pragmatischer Hinsicht weitaus beeindruckender ausgestalteten Systematik,
nun ein nahezu ungehinderter ’wissenschaftlicher Siegeszug’ unter den dann
zunehmend weltweit agierenden Musikethnologen angetreten werden konnte. Die
Herkunft dieser Systematik aus Deutschland hat dabei - in einer Zeit, als die
deutsche Wissenschaftskultur noch international als vorbildlich und
richtungsweisend galt - sicherlich auch eine besondere Rolle gespielt. Und von
besonderer Bedeutung für die weitgehend kritiklose Akzeptanz dieser letztlich
doch kritikwürdigen und unsoliden Systematik, war in diesem Zusammenhang gewiss
auch, dass man sich mit ihr nun, zur genauen Einordnung eines jeden
Instrumentes, nach dem damals allenthalben als genial gepriesenem ’Deweyschem
Dezimalsystem’ zu richten hatte. Diese besondere Forderung konnte dann auch
leicht als beeindruckendes Indiz für die besondere ’logische Qualität’ dieser
Systematik genommen werden, zumal sich bei all denen, die geneigt waren, sich
diesen spezifischen Bezifferungsanforderungen zu unterwerfen, geradezu
zwangsläufig die Vorstellung verfestigen musste, dass man sich mit jedem,
derartig exakt zu beziffernden Einordnungsschritt auch unmittelbar dem
Himmelreich unanfechtbar-soliden logischen Denkens annähert, von dem aus dann
freilich nicht mehr weiter nach Widersprüchen im Fundament der Systematik zu
fragen war.
Angesichts einer nur
drei Jahre später erschienenen Arbeit von C. Sachs über die Maultrommel, (11)
also einem Instrument, mit dem ich mich mehrere Jahrzehnte lang - sowohl als
stets aktiver Musikant, als auch in sehr langwierigen Laboruntersuchungen und in
verschiedenen anderen physikalischen Experimenten - immer wieder befasst hatte,
musste ich das Verhältnis von Sachs zu seiner eigenen Systematik dann noch viel
kritischer sehen. Diese hätte sich nun als eine sichere Grundlage für ein
wirklich exaktes Verständnis dieses hochproblematischen Instrumentes erweisen
müssen, zumal ein Ziel seiner Untersuchung schließlich auch darin bestand, eine
genaue Einordnung bzw. Positionierung der Maultrommel im Sinne des Deyweyschen
Dezimalsystems vorzunehmen. Vor diesem dann nicht unproblematischen Hintergrund
kann vielleicht auch verständlich werden, dass er ganz wesentliche
Eigenschaften dieses offensichtlich sehr schwierig zu interpretierenden
Tongenerators einfach nicht erkennen oder auch nicht ’anerkennen’ konnte, bzw.
auch kurzweg leugnete, und so letztlich auch eine scheinbar problemlos-perfekte
Einordnung vornahm.
In späteren
musikwissenschaftlichen Diskussionen zur Maultrommel musste eine derart vorschnelle
Platzierung des Instrumentes letztlich aber doch in Zweifel gezogen werden.
Diese haben dann - trotz der unterschiedlichsten Interpretationen, die es zu
diesem speziellen Instrumenten-Sonderling (den ich in diesem Sinne gerne als
den ’Archaeopteryx der Audioorganologie’ bezeichne) auch nach wie vor geben mag
- letztlich doch deutlich gemacht, dass sich zwar das Instrument und die mit
ihm verbundenen organologischen Probleme zunehmend besser erkennen lassen, -
sich dabei jedoch die hochgelobte Systematik zunehmend als untauglich, genauer
gesagt, sogar als hinderlich, erweisen musste. (12)
Doch bevor ich mich,
mit diesem Vorgriff auf diese Diskussionen, bereits in die Zeit nach dem
zweiten Weltkrieg begebe, muss ich auf den schwersten und verbrecherischsten
Eingriff, den es bislang in der Geschichte des musikinstrumentellen
Systematisierungsdenkens in Deutschland gegeben hat, zu sprechen kommen. Mit
der Machtergreifung der deutschen Faschisten wurden Sachs und Hornbostel als
Juden zunächst aus ihren Wissenschaftspositionen und dann aus Deutschland
vertrieben. Auch diese spezielle musikwissenschaftliche Besonderheit der
deutschen Geschichte ist - ganz im Unterschied zu anderen vergleichbaren oder
auch gleich zu setzenden Fällen faschistischer Vertreibungen von
Wissenschaftlern - überraschend wenig wissenschaftsgeschichtlich detailliert
erforscht.
Hornbostel verstarb
nach wenigen Jahren in England, und Sachs, der niemals wieder nach Deutschland
kam, konnte seine Arbeiten in New York fortsetzen und verstarb dort 1959. Mit
dieser Vertreibung, unter den Bedingungen vorherrschender antisemitischer
Ideologie, waren natürlich auch die Möglichkeiten einer sachlich
weiterzuführenden und vielfältig tiefergreifenden Diskussion zu dieser
Systematik und den damit zusammenhängenden offenen Problemen zunächst
weitestgehend verunsichert. In besonderer Weise bemerkenswert ist in diesem
Zusammenhang dann aber die Tatsache, dass eine auch in der Fachliteratur
zuweilen zitierte (also doch nicht einfach nur immer wieder unterschlagene)
formal-logisch auch durchaus zutreffende Kritik an dieser durchaus unlogischen
Systematik, gerade von einem deutschen Physiker aus gerade dieser Zeit stammt.
Ich meine die Kritik von H. Backhaus aus dem Jahre 1938. (13)
Bedenkt man etwa die
damalige, in Deutschland deutlich antisemitisch motivierte, aber eben auch
gegen bestimmte objektive Entwicklungen der modernen theoretischen Physik
gerichtete Kritik an A. Einstein durch deutsche Physiker (wo sich immerhin zwei
hochbedeutende deutsche Physik-Nobelpreisträger besonders antisemitisch
hervorgetan haben), dann sind auch kritische Hinweise zur Systematik von Sachs
und Hornbostel - zumal wenn man eben nicht über nähere Erkenntnisse aus
detaillierten sachlich-wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchungen verfügen
kann - keineswegs ohne Bedenken hinzunehmen. Außerdem ist keineswegs sicher
abzusehen, ob und inwieweit derartige Ungeklärtheiten, auch heute noch, die
offene kritische Diskussion um diese problematische Systematik verunsichern.
Dabei meine ich aber, dass eine sachgerecht kritische Haltung zu all diesen
Problemkomplexen in Zukunft immer wichtiger wird, worauf ich bereits seit Mitte
der 80er Jahre wiederholt hingewiesen habe. Die in erster Näherung berechtigte Kritik
von Backhaus, welche, in seinem überwiegend von konkreter Physik geprägten
Text, eigentlich fast wie eine Nebenbemerkung anmuten kann, verfährt dabei im
Ansatz zunächst ganz sachlich ’systematisch’: Wenn man gemäß der Grundstruktur
dieser Systematik, also der Vierklassen-Teilung in Idiophone, Membranophone,
Chordophone und Aerophone, die ersteren dadurch bestimmt, dass sie nicht extra
gespannt werden müssen, um effektiv zu klingen, dann sind in diesem Sinne
eigentlich die letzteren, also Aerophone, wiederum doch auch Idiophone - bloß
eben gasförmige. (14) Das ist im Prinzip zweifellos völlig richtig und kann
auch ’beeindruckend’ logisch wirken - wobei meine persönlichen Erfahrungen
jedoch immer wieder dahin gehen, dass sich gerade Musikwissenschaftler von
einer derart stringent vorgebrachten logischen Argumentation in der Regel
überhaupt nicht beeindrucken lassen. Aber die von Backhaus betonte Fehlleistung
gehört eben genau zu den unlogischen Aspekten dieser Systematik, die man - ich
benutze wieder meine Formulierung von vorhin - nach den Maßstäben der
Wissenschaft genommen, letztlich auch als Fehlleistung ernst zu nehmen hätte...
Allerdings bleibt auch in diesem speziellen Falle von Kritik Vieles weiterhin
fragwürdig - sowohl hinsichtlich dieser Kritik selbst (da sie von Backhaus
nicht konsequent logisch weitergeführt wird), als auch hinsichtlich möglicher
Nachwirkungen all der damit zusammenhängenden offenen Probleme, bis in die
Gegenwart hinein. (15)
Nach dem zweiten
Weltkrieg und der späteren Entwicklung von zwei ganz unterschiedlichen Staaten
in Deutschland haben wir es dann mit der Herausbildung einer
Wissenschaftssituation zu tun, die noch weitaus größere
Bewertungsschwierigkeiten hervorbringen und sicher auch zukünftig nach sich
ziehen wird.
Da wäre als erstes
die Besonderheit festzuhalten, dass die wichtigsten neueren Arbeiten und auch
die deutlichsten Ansätze zu einer problemlösenden Kritik bzw. ’zur Überwindung’
der Sachs-Hornbostelschen Systematik - sowie generell zur konsequenten
Weiterentwicklung des musikinstrumentellen Systematisierungsdenkens - seither
in Ostdeutschland entstanden sind.
Desweiteren wären
dann die ganz andersartigen ’Besonderheiten’ zu registrieren und zu
analysieren, die sich später, ab 1990, im Zusammenhang mit den Umgestaltungen
der ostdeutschen Wissenschaftslandschaft ergeben haben und welche dann wiederum
zwangsläufig zu zusätzlichen Verunsicherungen und Verklemmungen dieser
weiterzuführenden Diskussion geführt haben. Wenn man dann noch bereits zuvor
entstandene Entwicklungen aus den letzten Jahren der DDR, in denen sich gerade
in den Bereichen von Wissenschaft und Kultur (16) bestimmte Veränderungen und
auch Zerfallserscheinungen immer deutlicher abzeichneten, näher ins Auge fasst,
werden die entsprechenden Bewertungsschwierigkeiten immer größer.
Hier sind mindestens
zwei übergreifend wesentliche, aber durchaus unterschiedliche, in gewisser
Weise auch widerstreitende, Problemkomplexe zu berücksichtigen, deren Einflüsse
und Auswirkungen aber - ob nun in gewissen partiellen Wechselseitigkeiten oder
hinsichtlich wesentlicher Zusammenhänge, oder auch nur hinsichtlich einfachster
Faktenbetrachtungen – keineswegs leicht zu beurteilen sein werden. (17) Eine
für künftige wissenschaftsgeschichtliche Untersuchungen und Bewertungen überaus
komplex vernetzte Sachlage.
Als die erste dieser
neuartigen ostdeutschen Systematiken wäre hier die Arbeit „Prinzip einer
Systematik der Musikinstrumente“ von H. H. Dräger aus dem Jahre 1948 (18)
zu nennen. Neben einer ganzen Reihe von Aussagen und Prinzipien in dieser
Arbeit, welche ich wiederum für kritikwürdig halten bzw. auch direkt als falsch
kennzeichnen muss, (19) wird von Dräger aber zum ersten Mal der überaus
wichtige Gedanke der möglichen Existenz eines „Natürlichen Systems der
Musikinstrumente“ eindeutig innerhalb der Musikwissenschaft geäußert. Eine
Vorstellung, die sich bei mir schon lange vor der Kenntnis dieser Arbeit
herausgebildet hatte und sich später, vor allem auf Grund von philosophisch
motivierten Untersuchungen zur Kulturethologie, Anthropologie bzw. zur
Frühgeschichte des Menschen, immer tiefer verfestigte. (20) An diese Vorstellung
Drägers schließt sich dann auch ganz eindeutig Herbert Heyde, mit seinem erst
1975 zur Veröffentlichung gelangten, sehr kybernetisch konzipierten Werk „Grundlagen
des natürlichen Systems der Musikinstrumente“ (21) an.
Aus Westdeutschland,
wo natürlich nach dem zweiten Weltkrieg auch systematische Arbeiten zu
Musikinstrumenten entstanden, aber keine so grundsätzlichen Konzepte entwickelt
wurden, begegneten mir dann aus den Jahren 1959/60 stammende
musikwissenschaftliche Publikationen, in denen eine für mich erschreckend
dogmatische Haltung zur Systematik deutlich wird. C. Sachs formuliert dabei
nahezu in der Art einer ’öffentlichen Bekanntmachung’ und ohne irgendwelche
Argumente dazu auch nur anzudeuten, dass “...C. Sachs und E. M. v.
Hornbostel gemeinsam... (die) heute gültige, sehr eingehende ‚Systematik der
Musikinstrumente’ ausgearbeitet haben“. (22)
Und diese
„Gültigkeitserklärung“ wird kurze Zeit später noch von Kurt Reinhard mit einem
entsprechenden Statement übertroffen, aus welchem hervorgeht, dass jeder
kritische Versuch, diese offenbar vorzügliche Systematik irgendwie anzutasten,
nur zu Verwirrungen führen kann. (23)
Derartige
’Autoritätsbeweise’ haben dann auch später, wie ich immer wieder erleben
musste, ihre verheerenden, nämlich denkbehindernden, Wirkungen in den
Musikwissenschaften ausüben können, - und tun dies wohl immer noch.
Die Tatsache aber,
dass grundlegend neue und weiterführende Konzepte, wie die von Dräger und
Heyde, in der DDR diskutiert worden waren, und es somit auch möglich sein
müsste, die mir (schon während meiner Lehrzeit als Maschinenbauer, vor allem in
Hinsicht auf die verschiedensten Blasinstrumente bzw. “Aerophone“) immer
offensichtlicher erscheinenden logischen Mängel und methodologischen Schwächen
bisherigen Systematisierungsdenkens zu Musikinstrumenten aufzudecken und
weiterhin zu diskutieren, wirkte auch später für mich motivierend im Sinne
einer intensiveren wissenschaftlichen Beschäftigung mit diesem Problemfeld.
(24) Auch mein schon aus Kinderzeiten herrührendes Interesse an
Musikinstrumenten als einer in besonders verbindlicher Weise humanisierten Form
von Technik, wurde dabei immer wieder in bestimmte Richtungen geleitet, was
sicher auch Auswirkungen auf meine Sammelleidenschaft hatte. Etwa ein knappes
Jahrzehnt nach dem Erscheinen der Arbeit von Heyde konnte ich am
Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR, wo ich
zuvor schon seit etwa einem Jahrzehnt mit philosophischen Problemen der
Biologie, insbesondere Anthropologie und Ethologie, beschäftigt war, sukzessive
die Möglichkeit erwirken, mich ebenfalls mit entsprechenden Fragen der
Systematisierung von Musikinstrumenten zu befassen. (25)
Diese
’musikphilosophische’ Erweiterung unseres Forschungsgegenstandes wurde damals
vor allem vom Leiter dieses wesentlich mit philosophischen Problemen der
Wissenschaftsentwicklung befassten Forschungsbereiches, Prof. Herbert Hörz,
vorbehaltlos unterstützt. (26)
Eine gänzlich andere
Situation erlebte ich hingegen bei den Musikwissenschaften, insbesondere im
Umkreis von Prof. E. Stockmann.
Mit ihm - der sich
immer wieder mit der Aura umgab, dass sich doch jeder Interessent für
Volksmusikinstrumente an ihn wenden könne, und dies ja auch ständig geschähe,
da er schließlich in seiner Funktion als langjähriger Präsident des bei der
UNESCO angebundenen „International Council for Traditionel Music“, sowie als
Herausgeber des in der DDR erscheinenden vielbändigen „Handbuchs der
europäischen Volksmusikinstrumente“ (27) einer der weltbedeutendsten Kenner auf diesem Gebiet sei - versuchte ich zunächst in eine permanentere
Diskussions-Beziehung zu intensiveren Problemerwägungen bezüglich bestimmter
Musikinstrumente zu kommen (damals vor allem zu Waldzithern, Maultrommeln,
sowie Dudelsäcken und anderen dazu systematisch vergleichbaren Tongeneratoren),
(28) war aber alsbald von den vielen Fällen deutlicher Unkenntnis und
dramatischer Ahnungslosigkeit seinerseits (29) enttäuscht und später dann auch
geradezu entsetzt über bestimmte, in seinem Umfeld offenbar fest eingeübte
Autoritäts-Strukturen, und der dort in besonders subtiler Art und Weise sowie
in besonders tief ausgeprägter Form anzutreffenden, dogmatischen Beharrung auf
der Allein-Gültigkeit der Sachs / Hornbostelschen Systematik. (30)
Entscheidend für
meinen Eindruck war letztlich, dass ich in seinem Umfeld immer wieder und allzu
deutlich (von ihm und von anderen) signalisiert bekam, dass kritische
Fragestellungen zur „gültigen“ Systematik und/oder meine Ansichten zur
Problematik eines „Natürlichen Systems der Musikinstrumente“ hier als
irrelevant und ’wissenschaftlich überholt’ gelten; - ebenso wie etwa meine
vorrangig naturwissenschaftlich-philosophisch motivierten Problemsichten bzw.
entsprechend vergleichsanalytisch begründete Fragestellungen zu ganz bestimmten
Tongeneratoren, dort einfach nicht ernsthaft diskutiert werden konnten. Im
Laufe der Zeit verstärkte sich jedenfalls bei mir der Eindruck, dass eine
solche Forschungsarbeit, wie ich sie am Zentralinstitut für Philosophie
weitgehend unbehelligt, viele Jahre lang, betreiben konnte, innerhalb seines
Einflussbereiches (also innerhalb der Musikwissenschaften) niemals möglich
gewesen wäre.
Anstatt nun aber
meine seither so kritische Haltung zu seinem, meiner Meinung nach oftmals
verheerendem Wirken in Wissenschaft und Kultur, sowie seinen
Positionsbollwerken im Wissenschaftsbetrieb, hier anhand subjektiver Eindrücke
und persönlicher Erfahrungen zu illustrieren, werde ich meine kritische
Position letztlich doch mehr in Richtung auf bestimmte, von ihm in der wissenschaftlichen
Literatur fixierte Aussagen hin zu begründen haben, denn üblicherweise gilt
dies als der ’sachgemäßere’ und ’objektivere’ Weg wissenschaftlicher
Auseinandersetzung, - als etwa persönliche Zeitzeugenschaften zu offensichtlich
unsachlichen und wissenschaftlich nicht begründbaren (aber durchaus ’akademisch
üblichen’) Verdrängungsaktivitäten hinsichtlich bestimmter Themen und Personen
im oftmals machtpositions-orientiert organisiertem Wissenschaftsbetrieb.
Aber lassen sie mich
zuvor dazu noch eine für mich zwar nicht ganz ungefährliche, (31) aber doch die
Zeitumstände und bestimmte konkrete ’Verständnisbedingungen’ in den
Musikwissenschaften wieder ins Blickfeld rückende ’Nebengeschichte zur
Maultrommel’ erzählen. Eine Geschichte, welche sich - so ärgerlich mir auch
entsprechende Erinnerungen dabei immer noch sein müssen - doch in vielerlei
Hinsicht als typisch oder gar symbolträchtig, und vielleicht auch als
aufschlussreich, für die hier zu bedenkenden Zusammenhänge von
’Systematisierungsdenken’ und ’spezifischem Wert’ einer Sammlung erweisen
könnte.
Ich hatte schon
erwähnt, dass es bereits eine internationale Diskussion zu diesem Instrument
gegeben hatte. Dabei wurden auch kritische Positionen zur ’gültigen’ Systematik
deutlich. Es wurden aber auch bestimmte, sich wiederum auf diese Systematik
berufende Umdeutungsversuche zur Maultrommel unternommen, - bis hin zu der,
meiner Meinung nach ganz unsinnigen Vorstellung, sie künftig nun einfach als
„Aerophon“ auffassen zu müssen.(32) Aber eben alles auch in der
musikwissenschaftlichen Literatur veröffentlichte und also auch nachlesbare
Positionen, die, wie ich meinte, auch an der westdeutschen Musikwissenschaft
nicht völlig unrezipiert vorbeigegangen sein konnten. Viel später, also Anfang
der 90er Jahre, wagte ich nun, auf einer besonderen musikwissenschaftlichen
Veranstaltung der Humboldt-Universität wiederum die Problematik dieses
Instrumentes aufzuwerfen, wobei ich damals meinte, verschiedene Gründe zu
erkennen, um meine zuvor in der DDR bereits ziemlich fest eingeübte
Zurückhaltung mit solchen, bei Musikethnologen offenbar nur als ’störend oder
völlig verfehlt’ empfundenen Fragen, aufgeben zu können.
Es erschien mir
bedenkenswert, dass zu dieser Veranstaltung nun auch Musikwissenschaftler aus
Westberlin erschienen waren; - ich also insofern vielleicht auch mit einem
anderen Informationsstand und vielleicht auch mit mehr Offenheit bzw.
Aufgeschlossenheit für meine, die Systematik tangierenden Fragen rechnen könne.
Außerdem war diese wissenschaftliche Veranstaltung mit dem Auftritt eines
Ensembles einer aus Vietnam stammenden ethnischen Minderheit verbunden, welches
auch ein (mir bereits bekanntes und in diesem Zusammenhang als besonders aufschlussreich
erscheinendes) schalmeienartiges Blasinstrument in seinem Programm nutzte. Ein
Instrument, dessen sehr spezieller Tongenerator durchaus die gleiche
Grundkonstruktion aufwies, wie bestimmte vietnamesische Maultrommeln - nur eben
deutlich kleiner. (33)
Damals fragte ich
also, ob in der Musikkultur dieser Minderheit bzw. in der Gegend, in der sie
lebt, auch Maultrommeln hergestellt oder genutzt werden – und begründete meine
Frage mit der doch offensichtlich maultrommelartigen Konstruktion des
speziellen Tongenerators dieses kurz zuvor erklungenen Blasinstrumentes, und
also von daher auch zu erwägender audioorganologischer Zusammenhänge...
Sofort wurde meine
Frage mit unverhohlener Heftigkeit von einem Westberliner Musikethnologen zurückgewiesen:
Einen solchen Zusammenhang zwischen Maultrommeln und diesem Blasinstrument
kann es gar nicht geben. Die Maultrommel ist bekanntermaßen ein Idiophon, - es
ist völlig unverständlich wie eine solche Frage überhaupt gestellt werden
kann... Und die zuständige Musikethnologin der Humboldt - Universität,
welche – als Vietnam-Spezialistin mit Landeserfahrung - dieses Konzert
organisiert und mit den Musikern abgesprochen hatte, ergänzte sogleich mit
einem einzigen Satz: „Meines Wissens gibt es in dieser Gegend keine
Maultrommeln“. Nach dieser ’Diskussion’, am Ende der Veranstaltung, sprach
dieser Herr mich extra nochmals an, wiederholte, weniger heftig, sein Erstaunen
zu meiner ganz „abwegigen Frage“ und verwies mich, dann durchaus freundlich,
auf die (von mir allerdings bereits grundsätzlich kritisierte) „wichtige Arbeit
von C. Sachs zur Maultrommel“, - ohne auf meine Argumente, die ich freilich
dabei auch kaum noch richtig vortragen konnte, einzugehen.
Bei einer späteren
musikwissenschaftlichen Veranstaltung in Westberlin, zu der ich damals
ebenfalls noch eine Einladung erhielt, versuchte ich dann wiederum mit ihm ins
Gespräch zu kommen; - immerhin hatte er mich damals, nach der Veranstaltung in
der Humboldt-Universität, persönlich angesprochen.
Dazu hatte ich nun
einen sehr umfangreichen Hefter mit Kopien meiner Arbeiten zu diesem Instrument
mitgebracht. Es ist mir dann auch gelungen, ihm dieses Konvolut, mit dem
Hinweis, dass es sich um neuere, noch unveröffentlichte, Forschungsergebnisse
meiner Untersuchungen zur Maultrommel handele, und der Bitte um Kenntnisnahme
bzw. Meinungsäußerung, zu übergeben. Aber ich habe immer noch seine, an meiner
Fragestellung zwar völlig vorbeigehenden, aber vielleicht gerade deswegen so
markig akzentuierten, und für jeden der sich noch im Raum aufhielt,
unüberhörbaren, Worte im Ohr: „Die Maultrommel ist ein Zupfidiophon, - das
werden auch Sie einsehen müssen, Herr Eichler, - lesen Sie dazu die von
Stockmann und Kaden herausgegebene Neuveröffentlichung der Systematik von Sachs
und Hornbostel und das Vorwort von Stockmann.“
Damit bin ich zwar an
einem ’wesentlichen Punkt’ angelangt - nämlich dem üblichen, unreflektiert-dogmatischen
Umgang mit der Sachs / Hornbostelschen Systematik unter ausdrücklicher Berufung
auf die entsprechende Apologetik Stockmanns - aber doch noch nicht bei der
weitaus vielschichtigeren Symbolträchtigkeit der geschilderten Gesamtsituation:
Warum musste sich
hier die Musikethnologie wieder genau so verhalten, wie ich es leider schon
viel zu oft als durchaus typisch für bestimmte Vertreter dieser
Wissenschaftsdisziplin erlebt habe? Nicht das real vorliegende Instrument, um
welches es in meiner Frage damals in der Humboldt-Universität ausdrücklich
ging, und welches sich damals, nach wie vor, nur drei bis vier Schritte
entfernt von diesen beiden maßgeblichen Fachleuten im Raum befand, wird zur
Diskussion herangezogen oder wenigstens in Augenschein genommen. Nein: Die
sofortige Verteidigung einer in der Literatur festgeschriebenen,
wohletablierten Theorie ist offenbar wichtiger. Und auch die zuständige
Fachexpertin, die in der Pause noch mit den vietnamesischen Musikern gesprochen
hatte, fragt diese nun nicht, ob in deren Region vielleicht Maultrommeln
bekannt sind, sondern gibt lediglich kurze Auskunft darüber, was ihr
bekannt ist...(34)
Ich kam mir wieder
vor wie auf einer DDR-ICTM Nationalkomitee-Tagung unter Leitung von E.
Stockmann und war mir wieder mal nicht sicher, ob ich nun an meiner eigenen
Wahrnehmung oder eher am Zustand der Musikinstrumentenkunde / Musikethnologie
zweifeln sollte.
Wie dem auch sei, -
wenn man hier wieder nüchtern und genauer hinsehen kann, werden letztlich noch
weitaus tiefergreifende musikethnologische Problemlagen deutlich: Wer sich in
dieser Weise „in Treue fest“ und grundsätzlich, an diese Systematik bindet, der
wird nicht nur zu einer solchen Art abweisenden Diskussionsverhaltens neigen
können, sondern dem werden sich auch bestimmte Forschungsfelder grundsätzlich
verschließen, da mit dieser einschränkenden Optik ganz wesentliche Forschungsfragen
überhaupt nicht mehr ins Blickfeld wissenschaftlichen Interesses genommen
werden. Vietnam wäre eigentlich eine der Regionen, in denen sich derartige
Zusammenhänge zwischen ’konstruktionsgleichen’ (oder auch entsprechend
’analogen’) Tongeneratoren bei Blas- und Zupfinstrumenten mit Sicherheit ganz
vortrefflich vergleichend analysieren ließen. Und mit solchen Forschungen
könnte man nicht nur genauere Antworten zu spezifisch musikethnologischen
Fragestellungen, sondern auch darüber hinaus Antworten und Ergebnisse erhalten,
die sowohl für systematisch denkende Musikwissenschaftler, als auch für
entsprechend interessierte Philosophen, aber eben auch für Anthropologen und
viele andere Fachrichtungen, von großer Bedeutung sein könnten. Als Beispiel
denke ich etwa nur an solche Fragen wie: Handelt es sich hier nur um eine
einfache Analogie (Wie etwa in Hinsicht auf das Flexaton ?) oder eher um
Konvergenzen oder Ähnliches usw. oder haben wir es dabei vielleicht auch mit
Homologien zu tun? Und sofort wären wir wieder bei grundsätzlichen
Systematisierungs- und Klassifikations-Fragen.
Mit diesem Beispiel
möchte ich aber auch auf den anfangs hervorgehobenen besonderen Wertaspekt der
vorliegenden Sammlung zurück kommen: Mit Hilfe der dort verfügbaren Vielzahl
von Maultrommeln unterschiedlichster Art, sowie entsprechend weiterführender
Instrumentalmaterialien (einschließlich verschiedener Exemplare des erwähnten
„schalmeienartigen“ Instrumentes aus Asien) lassen sich sofort entsprechend
reale Zusammenhänge, aber auch verschiedene, organologisch denkbare
Entwicklungswege - oder eben auch entsprechend mögliche Forschungsfragen
und/oder Forschungsprojekte - sowohl deutlicher darstellen als auch genauer
durchdenken. Angesichts der in einem solchen Sinne exponierten Instrumente
müssten dann selbst die dogmatischsten Anhänger der ’gültigen Systematik’, ganz
andere Wege ihrer Argumentation suchen. (35)
Und dazu noch ein
ganz anderes Beispiel aus dieser Sammlung:
Aus bestimmten
Gründen habe ich mich bisher in meinem Vortrag mehr an theoretisch intensiver
zu durchdenkende Problemkonstellationen gehalten; - insbesondere auch an
solche, die von einer bewusst kritisch-verantwortungsvollen Musikwissenschaft schließlich
schon seit nahezu hundert Jahren hätten berücksichtigt, diskutiert und auch
ernsthaft bedacht werden können, was - wie ich hier zeigen wollte – aber nicht
offensiv geschehen ist.
Ich habe aber noch
nicht betont, dass diese Systematik inzwischen auch aus ganz einfachen
praktischen Gründen - eigentlich schon seit mehr als zwei Jahrzehnten - als
überholt, und auch in diesem praktischen Sinne, als wissenschaftlich völlig untauglich
gelten muss. Denn es gibt inzwischen auch ganz neuartige Blasinstrumente, (36)
bei denen, als primär schallrelevant oszillierendes Element, eine gespannte
Ganz-Membrane die wesentliche Rolle für die Schallerzeugung spielt. Also
`sekundär aerophone Membranophone´, deren primär schallrelevant wirkendes
Element eine geschlossene Ganz-Membrane ist. So etwas kann es aber im Sinne der
„gültigen“ Systematik gar nicht geben. Dafür ist dort überhaupt kein Platz.
Schon allein deswegen bedarf es einer völlig neu strukturierten, neuartigen
Systematik der Musikinstrumentenkunde, - aber die Musikwissenschaften
verschlafen dies alles offenbar immer noch...
In meinem schon seit
vielen Jahren verschiedentlich vorgestelltem, und auch zu allen meinen
`Systematik und Physik´ - Vorlesungen zugrunde gelegtem ’vergleichsanalytisch
begründeten System’ gibt es derartige Unterbringungsschwierigkeiten für real
mögliche Musikinstrumente prinzipiell nicht. Vielmehr sind dort unter verschiedenen
Aspekten entsprechende ’weiße Flecken auf der Landkarte möglicher
natürlich-akustischer Instrumente’ auszumachen, die ohnehin nahe legen, dass
noch weitere, bislang unbekannte, natürlich-akustische Musikinstrumente völlig
neuer Art möglich sind. Ob nun als neue Erfindungen innerhalb unserer
’hochzivilisierten’ Welt, oder als nachträgliche Entdeckungen innerhalb sehr
alter, aber unbeschadet erhaltener traditioneller Kulturen, - etwa in den
Resten noch erhaltener Urwälder....
Wenn nun Besucher dieser
Sammlung, auf ihrem Weg durch eine entsprechend aufgebaute Ausstellung, vorbei
an allen anderen, konsequent systematisch angeordneten Blasinstrumenten, an die
Stelle mit diesem neuartigen Tongenerator gelangt sind, so kann leicht
verdeutlicht werden, dass, in Anbetracht des dortigen Instrumentenmaterials,
keinerlei ernsthafte Verteidigung der Sachs / Hornbostelschen Systematik mehr
möglich ist. Es können nur noch völlig anders geartete Neuentwürfe zur Debatte
stehen. Und da konnte ich dann stets - als ein reales Beispiel für ein ganz
neuartiges Systematik-Konzept für derartige Instrumente - auf die mit meiner
Sammlung installierte systematische Anordnung sämtlicher bekannter
Blasinstrumente verweisen, an deren bisheriges Ende, durchaus folgerichtig und auch
systematisch-logisch zwingend, der angeblasene membranophone Tongenerator
gestellt werden kann. Eine systematische Anordnung ganz anderer Qualität, die
mit den gerade bei Blasinstrumenten und „Aerophonen“ so überaus verwirrenden
Unklarheiten der offiziell ’gültigen Systematik’ nichts mehr zu tun hat. (37)
Mit diesem
Instrumentalbeispiel eines membranophonen Blasinstrumentes möchte ich aber auch
noch etwas anderes, weitaus Schwererwiegendes, deutlich machen: Betrachtet man
diesen Tongenerator genauer, so muss auch folgendes auffallen: Zu seiner
Herstellung kann schon ein kleines Stückchen Membran-Haut, zwei ineinander
verschiebbare Röhrensegmente von wenigen Zentimetern Länge, etwas Sehne oder
Rinden-Streifen, sowie geeignete Dichtungsmasse, wie etwa Harz oder Wachs etc.,
ausreichend sein. Das sind alles Materialien, welche die Natur uns unmittelbar
und überreichlich in den verschiedensten Größen und Material-Qualitäten zur
Verfügung stellt und dabei auch die Möglichkeit einer spielerischen Herstellung
eines solchen daraus bestehenden Gerätes, auf dem Wege weitgehend werkzeugloser
Handarbeit, keineswegs ausschließt. Eine derartige Erfindung könnte also auch
schon viele Jahrtausende früher, irgendwo auf unserem Planeten, eine Rolle
gespielt haben! Wenn man nun bedenkt, dass für die beiden Rohrstücken auch
Knochen bzw. Bein usw.(also ein nicht so leicht ’verrottendes’ Material) in
Frage kommt, dann sollte doch sofort damit begonnen werden, weltweit unter
entsprechenden archäologischen Funden, Ausschau zu halten; ebenso wie unter
noch existierenden uralten Kulturen gezielt nach entsprechenden (dann auch
weniger ’knochenharten’) Anhaltspunkten gesucht werden könnte.... Das aber
gerade in Hinsicht auf Blasinstrumente ohnehin besonders bornierte (38)
Selbstverständnis der bisherigen Instrumentenkunde, welches sich in seiner
selbstverschuldeten Anbindung an diese ´systematisch einschränkende Systematik`
bereits gegenüber einer solchen, vielleicht schon vor vielen Jahrtausenden
genutzten, ’membranophonen Blasinstrumenten-Möglichkeit’ als abgeschlossen und
verschlossen erwiesen hat, würde aus dieser Perspektive natürlich einem in
diesem Sinne gezielt forschenden Wissenschaftler nur mit ’vollster
Verständnislosigkeit’ begegnen können, und die inzwischen so offensichtlich
ausgeprägten Ambitionen zur dogmatischen Verteidigung dieser Systematik werden
dann auch mit Sicherheit zu um so heftigeren Ablehnungen solcher, durchaus
sinnvoller (und inzwischen vielleicht auch dringend notwendiger)
Forschungsaktivitäten führen...
Dementsprechend hege
ich den generellen Verdacht (und dazu könnten auch noch andere, auch durchaus
weniger hypothetisch strukturierte Beispiele angeführt werden), dass auf Grund
dieser fatalen Systematik seither noch weitaus mehr Forschungsfragen ausgeblendet
wurden, als uns bislang überhaupt bewusst werden konnte, und in diesem
Zusammenhang auch bestimmte, vor wenigen Jahrzehnten vielleicht noch aktuell
mögliche musikethnologische Forschungsprojekte, inzwischen wohl als ’für immer
verpasst’ abgebucht werden müssen.
Dabei vertrete ich
schon sehr lange die Meinung, dass ein besser durchdachtes Auf- und Übernehmen
bzw. Weiterführen der von Mahillon entwickelten grundsätzlichen Gedanken, im
Verbund mit einer kritischeren Sicht auf seinen - dann doch deutlich auf einer
anderen Gedankenebene konzipierten – Sammlungs-Katalog, auch eine bessere,
weniger einschränkende bzw. weniger fehlorientierende Forschungskultur der
Musikethnologie und der Audioorganologie hätte entstehen lassen können. Die
Sachs / Hornbostelsche Systematik hat entsprechende Fehlentwicklungen
wesentlich mitverschuldet und dann immer wieder ’rückkoppelnd’ verstärkt, d.h.
auch, dass sie im oben geschilderten Sinne ganz gewiss erheblich einschränkend
gewirkt hat. Sie ist nicht nur ungeeignet, um unser Verständnis für die
weiteren Entwicklungsmöglichkeiten natürlich-akustischer Musikinstrumente zu
schärfen bzw. offen zu halten, sondern - weitaus schlimmer - sie hat in der
Musikinstrumentenkunde bzw. der Musikethnologie etc. immer schon zu bestimmten
Einengungen der entsprechenden Sicht auf diese Technik (die zuvor aber gerade durch
Mahillon schon weitaus grundsätzlicher und viel weitsinniger, geöffnet worden
war) geführt und dabei sicherlich auch dazu beigetragen, bestimmte, sinnvoll
mögliche Forschungsfragen systematikbedingt-systematisch, auszublenden. Ich
muss an dieser Stelle wieder auf die entsprechende Symbolträchtigkeit meiner
’umständlichen Nebengeschichte zur Maultrommel’ verweisen. Wie umfangreich die
Menge derartig verdrängter Forschungsfragen etwa sein könnte, und welcher Art
diese wohl gewesen sein mögen, - das wären bereits Fragen aus einem
anspruchsvoll zu konzipierenden Forschungsprogramm jenseits der bisherigen
systemischen Sichtbeschränkungen. Wobei dann generell mit zu bedenken wäre,
dass gerade bestimmte theoretische Mängel dieser Systematik sie auch stets in
besonderer Weise geeignet machen konnten - als autoritätsgestütztes
’theoretisches Mittel’ oder auch als wissenschaftsbetrieblich abgesicherte
’Argumentations-Basis’ - bei der Verhinderung anderssinniger Forschungsansätze
bzw. konkurrierender Wissenschaftsprojekte, eingesetzt und missbraucht zu
werden. (39) Und ein derartiger konzeptioneller Funktionswandel innerhalb der Denkaktivitäten einer wissenschaftlichen Disziplin (der sich in der Geschichte
der Wissenschaften auf den unterschiedlichsten Gebieten, finden lässt) kann
dann auch zu schwerwiegenden Deformationen des Verständnisses ihres
eigentlichen Gehaltes sowie des wissenschaftlichen Niveaus einer von derartigen
Fehlentwicklungen betroffenen Fachrichtung führen.
Gerade dies aber
scheint mir in besonders deutlicher Weise der Fall bei der von E. Stockmann
formulierten Art von Lobpreisungen zu dieser Systematik, in seinem Vorwort zur
Neuherausgabe der Arbeiten von E. M. v. Hornbostel, (40) zu sein.
Als ich diese
apologetische Darstellung das erste Mal vor Augen hatte, dachte ich zunächst,
dass angesichts einer solch außergewöhnlich hohen und in sich so überaus
widersprüchlichen Konzentration von deutlichen Unwahrheiten, tendenziösen
Verzerrungen und offensichtlich übertriebenen Lobpreisungen innerhalb so
weniger Zeilen, kaum ein verantwortungsbewusster Wissenschaftler diesen Text
wirklich ernst nehmen oder unkritisch übergehen könnte.
Es stellte sich aber
alsbald heraus, dass ich mit dieser übertrieben hoffnungsvollen Sichtweise
vollständig Unrecht hatte. Hier war kein alsbaldiger kritischer Durchbruch zu
erwarten...
Besonders
eindrücklich in Erinnerung sind mir zu dieser, von mir gerade nach 1989
wiederholt aufgeworfenen Systematisierungsproblematik dabei heute noch die
diesbezüglich knappen, aber aufschlussreichen Gespräche mit Marianne Bröcker
(der neu gewählten Präsidentin) sowie die überaus langwierigen und zumeist
ambivalent ausartenden Dispute mit A. Michel (ihrem Stellvertreter), im dann
gesamtdeutschen ICTM Nationalkomitee, dem ich damals noch als Mitglied
angehörte. Gerade dort stieß ich immer wieder auf eine durchaus deutlich
demonstrierte Zustimmung zu gerade diesem Text von Stockmann und ebenso auf
eine ganz unkritische Absolut-Verteidigung von C. Sachs. Aber mehr noch: Der
deutliche, häufig geradezu demonstrativ zelebrierte Bezug auf genau gerade
diese, in dieser Publikation von Stockmann festgeschriebenen Darstellung zur
Systematik, ist mir in den folgenden Jahren immer wieder, auch bei
verschiedenen ausländischen Fachleuten bzw. auf verschiedenen internationalen
wissenschaftlichen Veranstaltungen, an denen ich später, freilich nur mit
erheblichem persönlichem Aufwand, und dann auch immer ganz unübersehbar als quasi
nichtakademischer, ostdeutscher Außenseiter und ’Langzeit-Arbeitsloser’, doch
teilnehmen konnte, begegnet. Zuletzt zum Beispiel im Jahre 2005, auf einer
internationalen Tagung zum Thema „wissenschaftlicher Musik-Sammlungen“, (41) wo
anlässlich einer meiner notorischen Hinweise auf die Mangelhaftigkeiten des
festgeklopften Systematisierungsdenkens zu Musikinstrumenten, sogleich ein
Musikwissenschaftler aus Tirol das Wort ergriff, und dabei eine entsprechend
’Stockmannsche Formulierung’, geradezu wörtlich, aus dem Gedächtnis herzusagen
wusste.
Ich werde also auch
auf bestimmte Aspekte dieses Textes, nun gründlicher und bis in manches Detail
hinein, einzugehen haben. Es handelt sich um etwa zwanzig gedruckte Zeilen aus
seinem auch ansonsten sehr problematischen Vorwort, - mit welchem ich mich
allerdings schon vor mehr als zwei Jahrzehnten (damals noch als
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Philosophie an der
Akademie der Wissenschaften der DDR) kritisch auseinandergesetzt hatte. (42)
Die seither innerhalb
meines Denkens, also sozusagen ’innerhalb meiner vergleichsanalytischen
Denkwerkstatt’, weiterhin ständig stattfindenden diesbezüglichen Erwägungen
befanden sich dabei stets auch in einem sachlich-gegenständlichen
Spannungsverhältnis zu bestimmten Aktivitäten in meiner ’audioorganologisch-mechanischen
Werkstatt’ zur Herstellung bestimmter ’vergleichsanalytischer
Experimental-Modelle’, und in diesem Zusammenhang wiederum zu den Instrumenten
meiner Sammlung, die dann jeweils auch gemeinsam mit bestimmten Laborgeräten
des Physikalischen Instituts, sowie mit bestimmten, in meiner mechanischen
Werkstatt selbst hergestellten ’Experimental-Modellen’ in meinen Vorlesungen
zur ’Systematik und Physik der Musikinstrumente’
vergleichsanalytisch-kombiniert eingesetzt wurden.(43)
Bei diesem besonderem
Textabschnitt geht es anfangs hauptsächlich um die Würdigung der
wissenschaftlichen Leistungen des promovierten Chemikers v. Hornbostel in den
Musikwissenschaften. Dabei wird von Stockmann die „Systematik“ als die ganz
besonders hervorzuhebende und wohl wichtigste Leistung seines Lebenswerkes,
sogleich an die erste Stelle der „heute geradezu als `klassisch` angesehenen
Literatur der Musikethnologie“ gestellt. (44) Ähnliches finden wir auch bei
dem Stockmann-Schüler C. Kaden, im anschließend folgenden zweiten Vorwort, mit
den Worten: „Und nicht zufällig gehört die ´Systematik der Musikinstrumente´
(1914) zu seinen berühmtesten Schriften“. (45)
Eine solche
Darstellung des Verhältnisses von Hornbostel zu 'seiner Systematik’ mag
zunächst zwar wie eine einfache sachliche Feststellung anmuten, erscheint mir
aber doch aus vielen Gründen als sehr fragwürdig und letztlich auch als sehr ambivalent.
Sie wird zwar auch wieder ihre Wirkungen als beeindruckender ’Autoritätsbeweis
zum Lobe der Systematik’ entfalten können, sich letztlich aber, angesichts der
immer deutlicher werdenden Fragwürdigkeiten dieser Systematik sowie vieler
offener Fragen zu Hornbostels tatsächlicher Mitwirkung an diesem
Orientierungswerk, doch als problembelastet erweisen. Da im ganzen Vorwort
(auch in dem von Kaden) keinerlei konkrete Aussagen über den tatsächlichen
Anteil von Hornbostel am Zustandekommen dieser Arbeit von 1914 zu finden sind,
bleibt letztlich doch alles im Unklaren eines weitgehend abgedunkelten
Schattenbereiches von Vermutungen, - wobei diese Schatten hier auch durch den
Schein des ’beeindruckenden Autoritätsbeweises’ hervorgerufen und geformt
werden. Und insofern ist diese Darstellung auch kein wirklich
aussagekräftig-sinnvoller Beitrag für ein besseres Verständnis des
tatsächlichen wissenschaftlichen Lebenswerkes von Hornbostel.
Unter diesem Aspekt
betrachtet, halte ich sie sogar für abenteuerlich und letztlich auch für verantwortungslos.
Denn mit den in dieser Weise bedeutungsvoll hochgehobenen, aber inhaltlich doch
unklar angelegten Aussagen, auf der Basis einer ganz und gar unklaren Fakten-
oder auch ’Beweislage’, werden zwangsläufig auch günstige Bedingungen für
weitere, in unterschiedlichste Spekulations-Richtungen wild wuchernde
Interpretationsmöglichkeiten vorbereitet, die dann auch ungehindert weitere
Ambivalenzen hervorbringen werden. Die Musikwissenschaften, insbesondere die
Audioorganologie, werden aber künftig doch bestimmte Problemkomplexe, die an
konkreten Instrumenten, aber vielleicht auch an bestimmten Installationen von
Sammlungen (?), deutlich gemacht werden können, irgendwann einmal ernsthaft zur
Kenntnis nehmen müssen, wobei die Kritik an dieser Systematik sicher künftig
noch von anderen Quellen her gespeist werden wird, und ohnehin nicht auf ewig
ignoriert werden kann. Je deutlicher es dieser Kritik aber gelingen wird, sich
letztlich doch zu akzentuieren, umso fraglicher muss dann auch das bislang
gezeichnete Bild Hornbostels in der Wissenschaft erscheinen. Angesichts der in
diesem Vorwort aber unternommenen, offenbar vor kaum einer Übertreibung
zurückschreckenden - dann aber hinsichtlich vieler konkreter Punkte immer
wieder überaus fragwürdig bleibenden – Darstellungen, kann es ohnehin bereits heftig
in Frage gestellt werden.
So werden sich
künftig auch ganz andere Bilder seines Wirkens entwerfen, oder nahe legen
lassen, in denen dieser Systematiker (?) beispielsweise weniger als bahnbrechender
Wissenschaftler, sondern möglicherweise eher als ein, im Allgemeinen vielleicht
’genialischer’ und alle Welt mit allerlei Ideen vielleicht irgendwie beeindruckend
anregender, aber offenbar zuweilen doch auch recht unsolider „learned
gentleman“ des Wissenschaftsgeschehens, einzuschätzen wäre. Keinesfalls
aber als wirklich „systematischer Wissenschaftler“. Denn zumal in Bezug auf ’seine
Systematik’ könnte vermerkt werden, dass er da, gerade als
Naturwissenschaftler, zumal als promovierter Chemiker, doch wohl kaum auf der
’Höhe seiner Zeit’, oder auf dem ’Niveau seines speziellen
naturwissenschaftlichen Fachgebietes’, heuristisch anregend in den
Musikwissenschaften gewirkt, oder etwa ’naturwissenschaftlich mitgedacht’ habe,
- sondern eigentlich deutlich versagt hat. Zumindest aber lässt sich klar
sagen, dass der Chemiker v. Hornbostel dabei offenbar nicht im Sinn hatte, was
gerade die Chemie seiner Zeit längst im Sinn hatte. Wenn man die spezifischen
Erkenntnisse sowie bestimmte methodologische Problemstellungen, die gerade
diese Wissenschaft damals so unübersehbar hervorbringen konnte und die auch in
anderen Fachgebieten stärkste Beachtung fanden, hier genauer ins Auge fasst und
auch wissenschaftsgeschichtlich vergleichend bedenkt, dann steht man mit dem
Naturwissenschaftler v. Hornbostel, der in diesen Darstellungen als „Mitbegründer
der Musikethnologie“ und überhaupt „zum führenden Kopf der
Musikwissenschaft“ (46) emporgelobt wird und dabei vor allem „Als einer
der Ersten“ der zeigen konnte, „dass naturwissenschaftliche Methoden
sehr wohl ihren Platz in der Geistes- und Gesellschaftswissenschaft haben...“
(47) herausgestellt wird, und dessen wichtigste Arbeit dabei dann noch
ausgerechnet „seine Systematik“ sein soll, vor einem geradezu rätselhaft
verworrenem Problemgeflecht. Ich denke in diesem speziellem Zusammenhang
beispielsweise an die überaus bemerkenswerte Entdeckung eines vorher nur
geahnten „Natürlichen Systems“ - des damals knapp fünfzig Jahre alten „Periodischen
Systems der chemischen Elemente“, mit seinen deutlich ausgewiesenen ’weißen
Flecken’ - d.h. für weitere Entdeckungen von Elementen klar vorgezeichneten
offenen Stellen. Eine Sensation der Wissenschaftsentwicklung in der damaligen
Zeit - zumal der in Deutschland! Und dabei muss auch beachtet werden, dass auf
dem Wege zu dieser ganz außerordentlichen Entdeckung, auch von einigen
Naturwissenschaftlern in ganz bestimmter Weise die Musik heuristisch in ihre
Überlegungen zum Verständnis von Strukturgesetzen der Chemie einbezogen wurde (im
Kern etwa vergleichbar mit der Bedeutung die musikwissenschaftliches Denken auch
bei der systematischen Erforschung astronomischer Strukturen, insbesondere der
Bewegungsgesetze von Planeten durch J. Kepler - also bereits in der eigentlichen
Geburtsstunde der modernen Naturwissenschaften überhaupt – hatte{!}),
wohingegen wir seitens des Chemikers unter den Musikwissenschaftlern bzw. von ihm
selbst, dazu nichts Dementsprechendes oder Vergleichbares erfahren...Außerdem
muss ich auch an die damals bereits hoch entwickelten Bestrebungen der Chemie
denken, für die von ihr untersuchten Objekte auch exakte, systematisch
klassifizierende Bezeichnungen festzulegen bzw. wissenschaftsgerechte Lösungen
für entsprechende Festlegungen zu finden. So wie es beispielsweise auch
hinsichtlich der systematischen Reihen der gerade doch auch von Hornbostel selbst,
in seiner Dissertation, untersuchten 'Aldehyde', unübersehbar ist.
Was finden wir von
solchen damaligen Klassifizierungsaktivitäten und systemischen Erkenntnissen
der Chemie - die für konsequent systematisch denkende Audioorganologen doch
ebenfalls von größter Brisanz hätten sein müssen – dann aber in „seiner
berühmten Arbeit“, der „Systematik“?
Können wir
Entsprechendes (wie E. Stockmann mir auf meine diesbezügliche Frage dereinst
lapidar antwortete), “doch allein schon in den allerersten Sätzen der“
Systematik“ finden“? Also etwa in der dort als erstem Satz formulierten
Aussage: „Klassifikatorische Arbeiten sind allgemein etwas anrüchig“?
Kann wirklich konfliktlos davon ausgegangen werden, dass ein solcher Satz wie
dieser, tatsächlich von dem promovierten Chemiker v. Hornbostel hätte
formuliert werden können? Und wenn, mit welcher Absicht eigentlich? Oder: Warum
hat dieser doch angeblich so, naturwissenschaftlich exakt orientierte
Chemiker’, auch die weiteren, doch so nebelhaft verbleibenden Einleitungs-Formulierungen,
einem C. Sachs einfach durchgehen lassen? Jedenfalls ist für mich letztlich
nicht zu erkennen, dass etwa der Chemiker v. Hornbostel diese
wissenschaftsgeschichtlich so überaus wichtigen und damals durchaus aktuellen
Bestrebungen der Chemie, an die Musikwissenschaften heranträgt oder etwa auf
solche Zusammenhänge verweist, bzw. Derartiges etwa konzeptionell in seiner
Systematik verarbeitet oder irgendwie ’mitbedacht’ habe. Nein, - selbst der
Gedanke eines derartigen „Natürlichen Systems“ wird erst sehr lange nach
seinem Tode, vierunddreißig Jahre später, aus der Position einer durchaus
kritischen Sicht gegenüber der ’Hornbostelschen Systematik’, von einem
Musikwissenschaftler (wie bereits erwähnt, von Dräger - der dabei freilich
ebenfalls die Naturwissenschaften vor Augen hatte) eingebracht und zur
Diskussion gestellt. Und im Verlaufe der weiteren Geschichte des
’Systematisierungsdenkens in Deutschland’ zeigt sich dann, dass wiederum gerade
dieser Gedanke seither, vor allem von den Anhängern und Verteidigern der „Hornbostelschen
Systematik“, permanent ’systemkonform-systematisch’ ignoriert wird...
Dieses, hier nur
angedeutete, aber sicher noch weitaus vielschichtiger und in weiteren
Vernetzungen zu betrachtende Spannungsverhältnis von Hornbostel und
spezifischer Naturwissenschaft, sowie dem entsprechenden Niveau von damaligem
’naturwissenschaftlich orientiertem Systematikdenken’ und Musikwissenschaft,
scheint mir dabei das interessanteste, aber leider auch das am wenigsten
geklärte Problem zu sein.(48) Seltsamerweise finden sich zu derartigen überaus
konkreten Bezüglichkeiten hinsichtlich der konkreten Naturwissenschaft Chemie
und Hornbostels entsprechend konkreten Einflüssen auf die Musikwissenschaften
und die dortige „Systematik“, auch in den Vorwörtern von Stockmann und Kaden
keinerlei konkrete Hinweise.(49)
Im nächsten Satz wird
nun die „immens praktische Bedeutung“ seiner Systematik „für die
noch junge Musikinstrumentenkunde“ hervorgehoben. (50)
Hier meine ich, dass
eine sachliche Einschätzung dieser „praktischen Bedeutung“ künftig nicht umhin
kommen wird, auch auf die damit verbundenen Konflikte, d.h. auf die von dieser
Systematik erst verursachten bzw. mit-bedingten, praktischen und theoretischen
Konflikte und Widersprüche dieser, an diese Systematik gebundenen Praxis,
näher einzugehen. (51) Ich bin hier eher geneigt von einer ’immens schädlichen
Bedeutung dieser Systematik für die Musikinstrumentenkunde’ zu sprechen. Und
schon könnte ich dabei wieder auf meine ‚Nebengeschichte zur Maultrommel’
verweisen.
Anschließend stoßen
wir auf einen besonders problembeladenen Satz von Stockmann: „Das
universelle, logisch fundierte und hierarchisch aufgebaute
Klassifikationssystem, eine Gerüstordnung auf Grund von Kriterien der
Konstruktion und Spielart, gab der Instrumentenforschung erstmals ein festes
Fundament. (52)
Was die ersten beiden
unwahren Behauptungen zu „logisch fundiert“ und „universell“ betrifft, so habe
ich mich dazu bereits eingehend geäußert. Die anschließende Verwendung der beiden
Wörter „Konstruktionsart und Spielart“ zur Bezeichnung der grundlegenden
Kriterien des Sachs / Hornbostelschen Klassifikationssystems ist zwar
eigenartig, aber vielleicht auch nicht ganz untypisch. Es handelt sich um zwei
recht archaische, die Problemlage eher verunklarende, als wirklich klärende
Begriffe. (53) Hier kann auch Absicht vermutet werden, denn der klare Hinweis
auf die ’Vier-Geteiltheit dieses Klassifikationssystems’, aus der eben auch
dessen bereits verdeutlichtes ’logisches Dilemma’ rührt, wird damit wiederum
vermieden. Eine derartige, dabei immer wieder deutlich werdende Bevorzugung
verschleiernder Begriffs-Unschärfen und bestimmter Wort-Ambivalenzen weist dann
auch auf jeweils unterschiedliche Wege möglicher Interpretationen dieses
Textes: Zum einen kann dies als weiterer Beleg für eine solche, bei Stockmann
generell anzutreffende Verunklarungs-Tendenz gewertet werden; - zum anderen
aber eben auch auf bestimmte Unklarheiten und Inkonsequenzen seines eigenen
Denkens hinweisen. Und möglicherweise spielt beides eine Rolle. Zum Schluss
seines Satzes wird dann noch die Behauptung aufgestellt, dass mit dieser
Systematik “der Instrumentenforschung erstmals ein festes Fundament“ gegeben
wurde. (54)
In Hinsicht auf die
hier wiederholte, aber nichtsdestoweniger nach wie vor unzutreffende
’Festigkeitsbehauptung’ zu diesem Fundament, müsste ich mich ebenfalls
wiederholen. Hinsichtlich der nun aber noch behaupteten ’Erstmaligkeit’, muss
ich mindestens darauf hinweisen, dass in diesem Punkte bereits Sachs und
Hornbostel im Vorwort zu ihrer Systematik selbst, inhaltlich das Gleiche zu
Mahillons Vierklassensystem gesagt hatten, was Stockmann nun zur
Vierklassen-Systematik von Sachs & Hornbostel behauptet. (55) Wer war denn
nun aber der Erste?
Wenn, daran anschließend,
die Bedeutung der Hornbostelschen Systematik als ’Verständigungsbasis der
Instrumentenforschung’ betont wird, so muss dazu wiederum kritisch
angemerkt werden, dass sie in vielen Fällen doch eher als ’sichere Basis für
solide Missverständnisse und komplettes Unverständnis’ gewirkt hat, wobei ich
wieder auf meine umständliche ’Nebengeschichte zur Maultrommel’, aber auch auf
viele andere, dazu mögliche Beispiele verweisen kann. Bezüglich meiner eigenen
Forschungen möchte ich dabei vor allem auch auf das Schwirrholz, als ein für
diese Systematik ebenfalls entsprechend aufschlussreich- problematisches, und
gerade auch von C. Sachs keineswegs richtig verstandenes Musik-Instrument,
hinweisen. (56)
Außerdem aber - und
dies ist im Zusammenhang mit dieser ’Verständigungs-Behauptung’ noch weitaus
mehr zu bedenken - besteht darüber hinaus eben auch die schwer zu übersehende
und auch schwerlich zu vermeidende Gefahr, dass letztlich auch bei jeder
scheinbar doch geglückten ’klaren Verständigung’ auf dieser eben doch in sich
unklar bleibenden ’Verständigungsbasis’, immer auch bestimmte
Folge-Unklarheiten, sowie entsprechende Fehlsichten und Vorurteile, weiterhin
’abgesichert’, weiter verfestigt und auch weiter in die Zukunft transportiert
werden können. Ich halte also gerade in diesem Punkt auch eine entsprechend
feinere Differenzierung von ’Verständigungsbasis’ und ’Verstehensbasis’, sowie
einer, davon wiederum genauer zu unterscheidenden ’wissenschaftlichen Basis für
ein sachgerechtes Verstehen des systematisch zu erforschenden
Instrumentalmaterials’ für erforderlich. (57) Die bislang „gültige“ Systematik von
Sachs und Hornbostel kommt aber keinem einzigen dieser drei zu
differenzierenden Aspekte wirklich entgegen.
Aus diesem
Blickwinkel betrachtet, erscheint mir auch der darauf folgende Satz
kritikwürdig: „Zwar wurden immer wieder Versuche unternommen, sie durch neue
Klassifikationen zu ersetzen. Doch bewährten sich diese nicht.“ (58)
Denn hier wird von
vornherein, vorbei an der grundlegenden, wissenschaftlich notwendigen
Unterscheidung von „bewährt“ und ’bewahrheitet’, aber auch von „Versuchen der
Ersetzung“ dieser Systematik und ’Versuchen der Kritik’ an dieser Systematik,
ein völlig irreales Bild der Wissenschaftsgeschichte unterstellt. (59)
In diesem Sinne spreche
ich auch vom ’Systematik-Paradoxon der Musikwissenschaften’, welches,
aus meiner Sicht betrachtet darin besteht, dass die vorgebliche Bewährtheit
dieser Sytematik sich letztlich lediglich als Ergebnis langwährender
Verhinderung von Wahrheit erweist.
Gerade eine solche
Verfahrensweise begegnet einem dann auch in dem letzten Satz dieses Textes von
Stockmann, wobei jetzt - mit einer kaum noch zu übertreffenden Art von
Lobpreisung - auch noch auf eine besondere ’Seltenheits-Weihe’ der ’höheren
Ebenen des Wissenschaftsbetriebes’ abgezielt wird.
Dazu erwähnt er nun
in überraschender Weise (aber letztlich doch wieder unverkennbar ’gezielt
fehlleitend’), die Arbeit von Dräger, um damit zu behaupten, dass dieser „die
von Hornbostel und Sachs vorgenommene Grundordnung der Musikinstrumente
beibehält“. (60) Und diese (in mehrfacher Hinsicht grundsätzlich unkorrekte
sowie auch im Detail direkt wahrheitswidrige und wiederum gezielt
fehlorientierende) Darstellung, wird dann als Beleg für eine ebenfalls
unzutreffende, aber verblüffend eigenartige und in ihrem Höhenflug kaum noch zu
überbietende (aber insofern sicher für manchen auch besonders
„beeindruckende“), abschließend zusammenfassende Lobpreisung genommen, deren
detaillierte Widerlegung nun zwangsläufig auf eine langwierige
Wiederholung fast aller hier bereits genannter Kritikpunkte
zu seinen sonstigen wahrheitswidrigen Darstellungen hinauslaufen muss. Diese
unvermeidlichen Wiederholungen, die ich, wie viele andere notwendige Zusatz-Argumente,
nun aber aus Zeitgründen in die Fußnoten meines Vortragens verlagert habe,
kann ich Ihnen also hier als Vortrag ersparen, - nicht aber seine
zusammenfassenden Worte aus dem Jahre 1986: „So haben wir (mit dieser
Systematik) den in den Gesellschaftswissenschaften höchst seltenen Fall zu
verzeichnen, dass die Ergebnisse einer vor siebzig Jahren vorgelegten Arbeit in
ihrer Substanz bis heute uneingeschränkt Geltung besitzen und die Grundlage
auch neuerer Untersuchungen bilden“ (61) - Eine schillernd formulierte
Perlenkette von effektvoll aufgeblasenen Unwahrheiten, aus der Werkstatt eines
hochkarätig positionierten Wissenschaftskapitäns, dessen Glanzstücke sich bei
eingehender Prüfung ihrer vielfarbig schillernden Oberfläche, dann doch als
Seifenblasen erweisen.
Wenn es aber nun
schon um Zeiträume (wie „siebzig Jahre uneingeschränkter Erfolg“) und
entsprechende Jahreszahlen sowie wissenschaftlich anmutende Aufgeblasenheiten
geht, so habe ich jetzt vor, in Form einer, nun allerdings ’völlig
unlogischen’, Überleitung, auf den Abschluss meines Vortrages, zuzusteuern und
dabei in den nächsten fünf Minuten auch darüber zu sprechen, was uns, - nun in
spätestens fünf Jahren, in Hinsicht auf diese ’Systematik-Problemlage’ in
Deutschland bevorstehen wird. Wie wird sich die Musikwissenschaft hierzulande,
wenn es dann um die Gestaltung des hundertsten Jahrestages dieser so fragwürdig
gelobten Systematik geht, dazu verhalten können? (62) Wie werden sich die hier
geschilderten Konflikte und die damit verbundenen Tendenzen, dann etwa auf die
konkrete Ausrichtung entsprechender ’Jubiläumsveranstaltungen’ auswirken?
Die Gestaltung
offenerer bzw. fruchtbarerer Bedingungen für eine gesicherte freiere Entfaltung
sachlich-wissenschaftlich begründeter Kritik an dieser fatalen Systematik sowie
einer damit verbundenen, freieren Weiterentwicklung musikinstrumentellen
Systematisierungsdenkens, sind hierzulande jedenfalls, gerade im Prozess der
deutschen Einheit, nicht nur verpasst, sondern auch für die Zukunft weithin
verdorben und stark beschädigt worden. Und als Folge davon müssen nun auch
derartig konkret-zeitnahe Ungewissheiten überaus bedenklich stimmen.
Die wesentlichen
Probleme dessen aber, was ich heute hier darlegen konnte, machten schon seit
vielen, vielen Jahren die inhaltliche Substanz und den Haupt-Schwerpunkt meiner
von dieser Sammlung ausgehenden bzw. damit verbundenen, Aktivitäten aus. Die
damit unvermeidlich verbundenen Konflikte in Bezug auf die jeweils herrschenden
politischen Verhältnisse und deren Wissenschaftskonstellationen, sowie die
daraus wiederum resultierende, immer notwendiger werdende Kritik, waren
letztlich aber nur in distanzierter und dann auch oft in nahezu
haarspalterisch-akribischer Weise, abzuhandeln.
Hätte ich mich für
diesen Vortrag hingegen entschließen können (was ich, nach eingehenderen
Erwägungen dazu, dann aus dringenden Gründen nicht getan habe), doch einen ganz
anderen, für mich ebenfalls überaus wichtigen Schwerpunkt meiner
Sammlungs-Aktivitäten - beispielsweise die fast ebenso alte, und ebenso
problembeladene, (63) ständige Beschäftigung mit deutschen Cistern und
cisternartigen Instrumenten - hier zum Schwerpunktthema zu machen, dann wäre es
mir auch leichter möglich gewesen, etwas mehr über die Bedeutung solcher
zunächst keineswegs rein-rationalen, sondern eher emotional,
leidenschaftlich-beseelt, ausgerichteten Motivationen zum Sammeln und
Untersuchen solcher Wissenschaftsobjekte zu sagen. Dieser Aspekt musste aber in
den eher kaltblütigen Ausführungen zur Systematik nahezu untergehen. Das
bedauere ich.
Denn mir scheint
diese spezielle ’Motivations-Problematik’ eben doch eine ganz besondere, und in
gewisser Weise auch grundlegende Bedeutung in der Wissenschaft (und dabei
keineswegs nur in der Audioorganologie) zu besitzen.
Es geht dabei darum,
die zwar irgendwie zustande gekommene, jedoch überaus schwierig zu fassende und
zunächst auch nur gänzlich subjektiv, persönlich-intim entstandene Liebe zu
bestimmten Erkenntnis-Objekten, doch irgendwie ’zu begreifen’ bzw. im Sinne von
Wissenschaft ’auf den Begriff ’ einer ernsthaft tiefer reichenden
Verstehens-Möglichkeit zu bringen. - Eine aus meiner Sicht überaus schwierige
Problemlage, der man sich wohl nur mit Hilfe der Philosophie bzw.
gegebenenfalls auch der Theologie, wird verständnissinnig annähern können.
Wenn ich mich nun auf
das Wagnis einlasse, dazu noch einige Worte zu sagen, so habe ich nicht vor
etwa über meine eigene diesbezügliche Passion zu sprechen, sondern möchte
lediglich verdeutlichen welchen Anfechtungen man in diesem Zusammenhang
begegnen kann und inwieweit ein besseres Verständnis dieses überaus schwierigen
Problems vielleicht doch hilfreich (Oder vielleicht auch grundlegend
unverzichtbar?) für Wissenschaft sein könnte.
Da es sich – so man
gewillt ist diese hier zunächst nur vage gekennzeichnete Problematik auch ernst
zunehmen - jeweils um einen ganz besonderen, wesentlich individuell selbst
bestimmten Motivationsvorgang handelt, ergibt sich von daher auch eine
individuell-einzigartige, stets persönlich gefärbte und eben auch persönlich
bleibende Verliebtheits-Beziehung, welche als solche ohnehin immer schwierig zu
begründen oder auch ’zu ergründen’ sein wird. Sie kann insofern auch leichthin,
als eine „nicht fest und sicher begründete“ Angelegenheit erscheinen und wird
dann auch oft in einer Weise wahrgenommen, in der sie immer wieder entsprechend
leichtfertig abgetan werden kann. Sobald sie dann noch - vielleicht vorbereitet
durch ein solches ’Abtun’ - im Wissenschaftsbetrieb, als unsicherer oder gar
„irrationaler“ Faktor erscheint, wird sie letztlich auch entsprechenden
Angriffen und Diffamierungen ausgesetzt sein. Dies kann gerade auch bei
’demonstrativ betont rational agierenden’ Wissenschaftlern sogar zu der oftmals
geradezu sprichwörtlichen Haltung führen (die mir beispielsweise auch bei Stockmann
und in seinem Umfelde immer wieder begegnet ist), dass die wissenschaftlichen
Objekte ihres professionellen Betätigungsbereiches, doch schließlich vor
solchen, in jedem Falle irgendwie suspekten und eher „amateurischen
Musik-Instrumenten-Liebhabern“ geschützt werden sollten, - und schon werden
dafür dann auch entsprechend effektive ’Schutz- und Abwehr-Methoden’
entwickelt...(64)
Aber gerade von den
aus tieferer Liebe entstandenen Ausgangspunkten entsprechender Beziehungen zu
wissenschaftlichen Themenbereichen, ergeben sich, (so schwer diese auch zu
’fassen’ sind, und so schwerwiegend sie zuweilen auch verdächtigt und
diskriminiert werden) letztlich doch auch besonders schwerwiegende und
einzigartige Möglichkeiten der weiteren Entfaltung liebevoll tiefer greifender
und länger andauernder, handfester Bindungen, welche so auch zu einer besonders
festen Grundlage dafür werden können, schließlich immer mehr und möglichst
alles über diese, eben aus tieferem, persönlichen Interesse her geliebten
Objekte wissen zu wollen...So ’unrational’ und scheinbar ’wissenschaftsfern’
der Ausgangspunkt einer solchen persönlichen Beziehung also zunächst auch sein
mag, - er kann im Falle ernsthaft-tiefergreifender Bindungen, doch zu einer
gerade besonders festen, besonders unerschütterlichen Grundlage für
verantwortungsbewusste und rational-wissenschaftlich unermüdliche Beschäftigung
mit diesen Objekten werden.
Denn einer meiner Versuche,
mir selbst - mir persönlich - das zwar sachlich feststellbare und auch in
Worten zu beschreibende, mir aber trotzdem letztlich nahezu unbegreiflich
bleibende ’Systematik-Paradoxon der Audioorganologie’ (welches - so
unwissenschaftlich und wissenschaftsfeindlich es seinem Wesen nach auch ist -
sich schließlich doch innerhalb dieses Wissenschaftsbetriebes selbst, also
nicht etwa einfach durch groben Druck von außen, entwickelt und verfestigt hat)
- mir dieses ’Paradoxon’ also mit diesem Versuch - doch irgendwie
’erklärlicher’ zu machen, besteht in der von mir kritisch wachgehaltenen
(aber stets auch mit kritischer Wachsamkeit neu zu überdenkenden) Vermutung,
dass die verantwortlich-verursachenden Beteiligten am Zustandekommen einer
solch widersinnigen Fehlentwicklung, sich einfach niemals auf eine in diesem
Sinne fruchtbar beseelende und auf tieferer Zuneigung begründete
leidenschaftlich-ernsthafte Interessen-Beziehung zu dieser besonderen
’Werkzeugkultur-Musikinstrument’, eingelassen haben. Die Motivationen ihrer
Aktivitäten rühren eben aus ganz anderen Dimensionen und Problemperspektiven,
zumal sie im gegenwärtigen Wissenschaftsgetriebe wohl zweifellos eine Überzahl
bilden.
Insofern können sie
auch allzu leicht einer von eigener Insuffizienz mitbedingten Faszination
hinsichtlich administrativ-effektiv organisierbarer Betriebsamkeiten unterliegen,
denen gegenüber die eher langwierig und ermüdend anmutende Mühsahl wirklicher
wissenschaftlicher Lebendigkeit, als weniger effektiv erscheint, zumal diese
doch auch immer wieder in höchst suspekte Konflikte mit gerade den
Administrationsformen gerät, die doch eigentlich eigens zum Zwecke ihrer
Effektivierung ausgedacht worden sind...
Sie können mit ihren
Betriebsamkeiten zwar innerhalb bestimmter, erkenntnisfernerer Bereiche der
Wissenschaft auch stets gesicherten Honorierungen vielerlei Art entgegensehen,
- verbleiben dort aber letztlich, ohne Liebe und ohne den inneren Zugang zu der
nur in bestimmter Weise – nämlich über den Weg liebevoll-ernsthafterer
Interessiertheit – tatsächlich zu erlebenden Freude über neue Erkenntnisse zu
geliebten Objekten und Themenbereichen.
Gestatten sie mir in diesem Sinne einen letzten Satz:
Neben den von mir bereits zu Anfang dieses Vortrages hervorgehobenen zwei
Grundhoffnungen, also – dass sowohl die wissenschaftliche Substanz dieser
Sammlung, als auch die Möglichkeiten ihrer weiteren wissenschaftlichen Nutzung,
erhalten bleiben mögen – habe ich nun auch die Hoffnung, dass diese Sammlung
vielleicht auch ab und zu Anregungen für das Zustandekommen solcher
liebevoll-ernsthafter Interessiertheiten zu vermitteln vermag, so dass sich bei
manchen dieser entsprechend ’angeregt Interessierten’ auch tiefergreifend-feste
und länger-andauernde Bindungen im Sinne der Förderung mutiger und nie
verzagender Aktivitäten zur Gewinnung weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse
auf dem Gebiet der Audioorganologie ergeben mögen.(65)
*
Anmerkungen/Quellen:
(1)
Einer solchen Wertvorstellung
würde hier auch die Tatsache entgegenstehen, dass allzu viele dieser
Instrumente, deutlich angenagt durch den Zahn der gewendeten Zeiten bzw. durch
das viele Hin und Her, sowie immer wieder anfallendes Um- und Rücklagern im
Laufe immer schwieriger werdender Verhältnisse, auch schweren
Beschädigungen ausgesetzt waren und so zum Teil in einen erbärmlichen
(eigentlich kaum attraktiv ausstellungsfähigen) Zustand geraten sind.
(2)
Bernd H. J. Eichler, Statement zur Podiumsdiskussion: Transformationen -
Translokationen -Dispersionen: Sammlungen im Kontext gesellschaftlichen und
machtpolitischen Wandels; in : Musik- Sammlungen- Speicher interkultureller
Prozesse, Erik Fischer (Hrsg.) Stuttgart 2007, Teilband B S.614-616 , sowie
Bernd H. J. Eichler, „Museologische Erwägungen zur Systematisierung und Präsentation
einer Privatsammlung“. in: ebenda, Teilband B S.641-649
(3)
In dieser Frage möchte ich mich nur ungern zu Einschätzungen hinreißen lassen, die
sich vielleicht nur auf meinen Wissensstand und meine persönlichen Erfahrungen
gründen, ohne die ausreichende Möglichkeit gehabt zu haben auch anderes Wissen
gründlich zur Kenntnis zu nehmen. So könnte ich mir am ehesten bei manchen
musikinteressierten Theologen, von denen ich als musikinteressierter Philosoph
damals eine ganze Reihe intensiver kennen gelernt habe, auch entsprechende
Sammleraktivitäten gut vorstellen auch wenn sie mir dort kaum begegnet sind.
Und in Richtung einer solchen Möglichkeit wäre dann auch denkbar, dass mir die
Bekanntschaft mit einem solchen entsprechend vergleichbar intensivem Sammler
möglicherweise schon deswegen entgangen sein könnte, weil dieser damals weniger
leicht von den offiziellen Medien in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt
worden wäre, als etwa ein in der DDR politisch aktiver Philosoph wie ich, der
mit seiner Sammlung oder auch mit entsprechenden Aktivitäten zur Entwicklung
des Dudelsackspiels, zur Thüringer Waldzither oder anderen neofolkloristischen
Entwicklungen in der DDR, immer wieder in Presse, Funk und Fernsehen präsent
war. Andererseits wäre nach dem Zusammenbruch der DDR wohl kaum ein
ostdeutscher Theologe vorstellbar, welcher, zuvor noch intensiv und
leidenschaftlich sammelnd, nun alsbald - so wie schließlich ich dann -
gezwungen wäre, seine Sammelaktivitäten als „Langzeitarbeitsloser“ unmittelbar
einzuschränken und letztlich aufzugeben. Auf diesem Hintergrund aber ist
gezwungenermaßen die erwähnte DDR- Spezifik meiner Sammlung zustande gekommen.
(4)
Der Begriff ’natürlich-akustische Musikinstrumente’ ist im hier anstehenden
Zusammenhang nicht in kurzen Worten exakt zu definieren. Hier ist zunächst vor
allem an die Menge derer gedacht, welche unter Ausschluss elektrischer,
elektromechanischer und elektronischer Musikinstrumente zusammengefasst werden
kann. Dabei ist meiner Meinung nach aber auch sofort mit zu bedenken, dass
beispielsweise auch Musikinstrumente mit ionisierten Gasen bzw. mit
„Plasmalautsprechern“ etc. wiederum auch als „natürlich-akustisch“ im Sinne der
grundlegenden Orientierung Mahillons auf ’physikalische Aggregatzustände’
interpretiert werden könnten. Im Sinne meiner Systematik-Auffassung vertrete
ich den Standpunkt, dass eine wissenschaftlich exakt begründete
Systematisierung der im oben umrissenen Sinne ‚natürlich-akustischen
Musikinstrumente’ als eine Vorraussetzung für die dann auch zu leistende,
weiterführende Systematisierung weiterer Tongeneratoren-Entwicklungen auf
weiteren Gebieten der Technik zu gelten hat und insofern entsprechend exaktere
definitorische Abgrenzungen dann auch als Ergebnisse entsprechend
weiterführender Forschungen erfolgen können und werden. Diese werden aber auch
– abhängig von den jeweils weitergehenden Entwicklungen sowohl der
musikintrumentellen Technik selbst, als auch der jeweils weiterzuentwickelnden
systemisch-systematischen Theorien dazu – immer wieder erneuten definitorischen
Bestimmungen und Abgrenzungen unterliegen können, was jedoch keinesfalls als
widersprüchlich im Sinne ihrer jeweils anzustrebenden Exaktheit zu verstehen
ist, sondern gerade eben dafür jeweils erforderlich sein kann. In diesem Sinne
darf dabei aber auch (um nicht in einen erneuten erkenntnisbehindernden Dogmatismus,
wie im Falle der Sachs/Hornbostelschen Systematik zu verfallen) niemals die
Möglichkeit außer Acht gelassen werden, dass sich eventuell später (eben auf
Grund dann wiederum neuer Erkenntnisse auf Gebieten nachfolgender
Entwicklungen), wiederum Korrekturnotwendigkeiten und Veränderungen in Hinsicht
auf scheinbar zuvor bereits „abgeschlossene“ Bereiche, wie beispielsweise eben
der „natürlich akustischen“, ergeben können.
(5)
Victor Mahillon.“Catalogue descriptive et analytique de Musee Instrumental du
Conservatoire Royal de Musique de Bruxelles“, Gent 1888
(6)
Erich M. von Hornbostel / Curt Sachs. „Systematik der Musikinstrumente: Ein Versuch“.
Zeitschrift für Ethnologie 46 (1914). S.533-590...
(7)
Bernd H. J. Eichler: “Versuchungen zur Systematisierung natürlich-akustischer Musikinstrumente aus Sicht und Situation der Vergleichsanalytischen
Organologie“ (Vortrag an der Humboldt-Universität zu Berlin vom 26.11.1997)
(8)
Erich von Hornbostel und Curt Sachs. “Systematik der Musikinstrumente / Ein Versuch“
(1914); in: Erich Moritz von Hornbostel / Tonart und Ethos / Aufsätze zur
Musikethnologie und Musikpsychologie; herausgegeben von Christian Kaden und
Erich Stockmann, Leipzig 1986, S.154
(9)
Bernd H. J. Eichler: “Versuchungen zur Systematisierung natürlich-akustischer
Musikinstrumente aus Sicht und Situation der Vergleichsanalytischen
Organologie“ (Vortrag an der Humboldt-Universität zu Berlin vom 26.11.1997)
sowie
Bernd H. J. Eichler: “Kurzgehaltener Vortrag zur Systematisierung
natürlich-akustischer Musikinstrumente“ (Vorgetragen am 29.5.02 im Seminar für
Vergleichende Musikwissenschaft der Freien Universität Berlin)
(10)
Dementsprechend gelangte ich damals zu folgender Einschätzung: „Mit ihrer... in der
Grundstruktur ...doch von Mahillon übernommenen Systematik, wurde diese
Problemlage letztlich nur verschleppt und im Laufe weiterer Wissenschaftsentwicklung
eigentlich sogar dadurch verschärft, dass das mit dieser Erfolgs-Systematik und
ihren renommierten Namen verkoppelte organologische Bewußtsein der
Musikwissenschaften dann offenbar nicht mehr sonderlich geneigt war, die von
Mahillon in grundsätzlicher Weise aufgeworfene Systematisierungsproblematik
auch weiterhin grundsätzlich und scharf im Blick musikinstrumenteller
Detailuntersuchungen und im Sinn konzeptionell- systematisierenden Denkens zu
behalten.“
Siehe dazu:
Bernd H.J. Eichler: “Versuchungen zur Systematisierung natürlich-akustischer Musikinstrumente aus Sicht und Situation der Vergleichsanalytischen
Organologie“ (Vortrag an der Humboldt-Universität zu Berlin vom 26.11.1997)
Aber auch:
Bernd H.J. Eichler: “Kurzgehaltener Vortrag zur Systematisierung
natürlich-akustischer Musikinstrumente“ (Vorgetragen am 29.5.02 im Seminar für
Vergleichende Musikwissenschaft der Freien Universität Berlin)
(11)
Curt Sachs: Die Maultrommel. Eine
typologische Vorstudie, in: Zeitschrift für Ethnologie, 1917, S.185-200
sowie dazu:
Bernd H. J. Eichler. “Über die Wechselseitigkeiten von Instrumentalkonstruktion und
Klangmöglichkeiten bei Maultrommeln“, in: Instrument und Umwelt -
Wechselbeziehungen zwischen der Beschaffenheit von Musikinstrumenten und ihren
kulturellen Rahmenbedingungen, hrsg. von M. Bröcker, Bamberg 1995
Die damals noch bei mir existierende Vorstellung, über die Bedeutung des Spaltes
und der in diesem Bereich schwingenden Luft, als möglicherweise eigenständig zu
bedenkendes ’WESO’ habe ich schon kurze Zeit danach, auf Grund weiterer
Forschungen, grundsätzlich aufgegeben. (Siehe dazu die späteren Arbeiten zu
diesem und anderen Tongeneratoren.)
(12)
Hinderlich
sowohl in Bezug auf bestimmte Wesensmerkmale dieses speziellen Instrumentes
(Wesensmerkmale die dann gerne unterschlagen werden), aber eben auch hinderlich
in Bezug auf die Erkenntnis wesentlicher systematischer, systemischer, sowie
entwicklungsgeschichtlicher Zusammenhänge, die doch eigentlich gerade im
Zusammenhang mit diesem besonderen Tongenerator in aufschlussreicher Weise
deutlich werden können.
Siehe dazu auch:
Regina Plathe: “Kulturgeschichte der Maultrommel“, Bonn 1992, welche auch auf diese
Diskussion eingeht.
(13)
Hermann Backhaus. “Über den Stand der Forschung auf dem Gebiet der physikalischen
Akustik“; in: Archiv für Musikforschung, 1938
(14)
Stockmann
geht beispielsweise überhaupt nicht auf diese Kritik ein, obwohl sie ihm mit
Sicherheit (und dies gewiss nicht nur von meiner Seite her) bekannt war.
(15)
Aber
abgesehen von solchen, mir oft begegnenden „Logik- und Physik- abstinenten
Mentalitätsbesonderheiten“ in den Musikwissenschaften - hier geht es
schließlich um die Bewertung, bzw. um die genauere Einschätzung der wirklichen
Bedeutung einer bestimmten Kritik. Und da sind wiederum die
verschiedenartigsten Bewertungen möglich: Wer, wie etwa ich beispielsweise,
erst einmal von der klaren Logik einer solchen Argumentation und den exakten
physikalischen Ausführungen des Kritikers zur Akustik beeindruckt sein wird,
der wird auch dazu neigen können, hier einen redlichen Kritiker zu
unterstellen. Man kann - ganz in diesem Sinne - sogar bedenken, dass auch in
diesem Text aus der Zeit des deutschen Faschismus die Systematik von Sachs
& Hornbostel letztlich durchaus wie eine derzeit als gültig behandelte
Orientierungsgrundlage der Musikwissenschaften dasteht.
Sobald
ich an diese Angelegenheit aber mit einem genaueren kritischen Blick herantrete
und dann mit weiteren gründlicheren Überlegungen über die Stringenz dieser
Argumentation reflektiere, muss ich diese Kritik für ganz oberflächlich und
inkonsequent halten. Sie verzichtet darauf, sich der eigentlichen Quelle,
nämlich dem ebenfalls unlogischen Original von Mahillion zu zuwenden, von
welchem schließlich weitaus mehr logische Widersprüche in die Sachs /
Hornbostelsche Systematik übernommen wurden, als nur der von Backhaus
kritisierte. Noch schwererwiegend aber ist, dass diese Kritik gerade da endet,
wo eine gegenstandsbezogen-sachliche Kritik erst richtig zu beginnen hätte, um
sich dann weiter entfalten zu können. Der in dieser Systematik etablierte
„Aerophon – Begriff“ ist nicht nur aus rein formal-logischen Gründen zu tadeln.
In der unscharfen Bedeutung, die er durch diese Systematik in den
Musikwissenschaften zugewiesen bekommt, ist er inzwischen auch aus ganz
sachlich physikalisch-akustischen Gründen zu einem der fragwürdigsten und
irreführendsten Begriffe dieser Wissenschaft geworden, wobei er mit weitaus
mehr begrifflichen Inkonsequenzen und systemischen Verunklarungen belastet ist,
als durch den - gemessen daran, eher zurückhaltend und schlicht, aber doch
streng logisch gestalteten - kritischen Hinweis von Backhaus jemals deutlich
gemacht werden könnte. Und außerdem kann hier auch bedacht werden, dass der
kritische Blick von Backhaus nicht bis zur damit zusammenhängenden Vielfalt des
„Wechsels von Teilungsgründen“ vordringt. Eine Gefahr für den Systematiker, vor
welcher bereits Sachs und Hornbostel deutlich gewarnt hatten– ihr dann aber
selbst nicht entgehen konnten, denn diese „Sünde“ lässt sich schließlich
wiederum sowohl beim Original von 1888 als auch beim „Plagiat“ von 1914 finden.
Aber auch dies alles bleibt - ohne das erforderliche historisch detaillierte
Hintergrundwissen - jeweils ganz unterschiedlich interpretierbar.
So
könnte der Mangel an Konsequenz hier auch im Sinne von ’ehrenwerter Fairness’
und/oder lobenswert demonstrativer Zurückhaltung gedeutet werden. Ebenso aber
könnte angesichts dieser letztlich doch sehr inkonsequent bleibenden Kritik
auch die Vermutung wach bleiben, dass es sich vielleicht doch um eine
erwünschte, und dann auch an entsprechend renommierter Stelle gezielt in die
Fachliteratur eingebrachte, also letztlich doch wissenschaftspolitisch
motivierte, und mit derartiger Motivation auf den Weg gebrachte,
„Kritikdienstleistung“ gehandelt habe. Eine Kritik zum „rechten“ Zeitpunkt und
an „richtiger“ Stelle, bei der zudem gesichert ist, dass dem ausführenden
Kritiker - ob dieser nun mit kritischer Lust oder Unlust agiert - auch die
„ehrerhaltende Möglichkeit“ bzw. der besondere „Unanfechtbarkeitsstatus“
zufiel, einfach nur das schreiben zu müssen, was sicherlich auch die meisten
seiner Physikerkollegen - die sich gewiss auch nicht gründlicher mit dem, was
da kritisiert werden sollte, befasst hatten – ebenfalls schon beim ersten
Anblick dieser Systematik deutlich erkannt zu haben glaubten...
Ich
möchte eine derartige, vielleicht allzu weit hergeholt erscheinende
Interpretations-Nuance hier nicht weiter ausbauen oder vertiefen, aber
letztlich doch insofern darauf hingewiesen haben, als dass ich aus persönlicher
Erfahrung nur allzu gut weiß, dass sich die meisten Kritiken, die sich von
einem so vorbereiteten, oft mit vielen Lügensteinen bereits vorgepflastertem
Weg her, beispielsweise meinen Arbeiten, meinen Aktivitäten oder meinem Denken
(ob nun vor oder nach 1989) entgegenstellten, oft unter einem auch irgendwie
sachlich anmutendem Scheinheiligenschein, aber zumeist doch deutlich unter dem
Niveau einer weitergreifenden, sachlich möglichen Auseinandersetzung bewegten.
Und letzteres ist eben auch bei der vorliegenden Kritik von Backhaus allzu
deutlich möglich. Schließlich muss noch angemerkt werden, dass sich die hier
vielleicht etwas überdeutlich herausgehobene Möglichkeit einer letztlich doch
„administrativ erwünschten“ Kritik im Sinne einer solide erscheinenden
„nicht-ehrgefährdenden Pflichterfüllung“ auf den dafür entsprechend
vorbereiteten Wegen, in der politischen Realität letztlich stets weitaus
häufiger verwirklicht, als die vergleichsweise „schweren Fälle“
offensichtlicher, und dann in der Regel auch leichter zu entlarvender,
Verleumdungen und Diskriminierungen.
(16)
Siehe dazu auch:
Bernd H. J. Eichler: “Einige Bemerkungen zur Dudelsackentwicklung in der DDR und zu erweiterten Möglichkeiten eines Hümmelchen- Instrumentes“/ (Vortrag beim Internationalen Festival der Dudelsackpfeifer, August 1989 in Strakonice CSSR)
(17)
Die
eine Komponente, nämlich die durchaus eigenartige „Ostlastigkeit“ dieser
Entwicklung in Deutschland, ist keineswegs so leicht zu erklären, wie
vielleicht die andere, erst später zur Geltung kommende, d.h. die nach dem
Zusammenbruch der DDR gezielt erfolgende Vernichtung ganzer Bereiche der
ostdeutschen Wissenschaftslandschaft, welche (nicht nur meiner persönlichen
Erfahrung nach) allzu oft mit einer deutlich von den ideologischen Standards
des Kalten Krieges geprägten Siegermentalität verknüpft war. Die daraus
zwangsläufig resultierenden gewaltigen Apologetikinitiativen, sowohl zur
politisch zielstrebigen Durchführung /’Abwicklung’ entsprechender Maßnahmen und
Veränderungen, als auch zu deren Verteidigung (ob nun im Prozesse ihrer
Durchführung oder im Nachhinein) werden sicherlich noch sehr lange in die
Zukunft hineinwirken, und so unvermeidlicherweise auch wieder
wissenschaftsgeschichtliche Bewertungen beeinflussen.
(18)
Hans H. Dräger: “Prinzip einer Systematik der Musikinstrumente“, Kassel / Basel 1948
(19)
Den Auffassungen Drägers stehe ich wiederum in verschiedener Hinsicht (nicht nur
hinsichtlich der „Beibehaltung des klassischen Vierklassendenkens“) kritisch
gegenüber; - was auch aus meiner Arbeit „Versuchungen zur Systematisierung...“
hervorgeht. Insbesondere aber kann ich seine Auffassung zur systemischen
Interpretation von Elektronen nicht teilen...
(20)
Siehe
dazu beispielsweise:
Bernd H. J. Eichler: “Fragwürdiges und Bedenkenswertes zu Eigenart und Wesen von Musikinstrumenten“
und
Bernd H. J. Eichler: “Werkzeugverhalten und Sozialität im Meinungsstreit“ in: Rolf
Löther (hrsg.), Tiersozietäten und Menschengesellschaften, Jena 1988
sowie
Bernd H. J. Eichler: “Kurzgehaltener Vortrag zur Systematisierung
natürlich-akustischer Musikinstrumente“ (Vorgetragen am 29.5.02 im Seminar für
Vergleichende Musikwissenschaft der Freien Universität Berlin)
Wichtig
für die Herausbildung einer solchen Vorstellung waren aber sicher auch
bestimmte Gedanken Mahillons, welcher in seinen grundsätzlichen und deutlich
physikorientierten Überlegungen zur Systematisierung von Musikinstrumenten
gerade derartige Erwägungen noch in den Vordergrund gestellt hatte. Dort waren
noch deutliche Denkansätze in Richtung eines derartig naturbegründeten
Klassifizierungssystems zu erkennen. Ansätze, die allerdings gerade im Übergang
(worauf ich bereits hingewiesen hatte) zu seinem Katalog und dann später zur
Sachs / Hornbostelschen Systematik, wieder verloren gehen...
(21)
Herbert Heyde: „Grundlagen des
natürlichen Systems der Musikinstrumente. / Beiträge zur
musikwissenschaftlichen Forschung in der DDR“, Band 7; Leipzig 1975
Seiner Arbeit stehe ich, vor allem
wegen der darin vertretenen Entwicklungsauffassung zu Musikinstrumenten (die
ich manchmal gerne als eine bestimmte Form von trivialisierendem
„Instrumentaldarwinismus“ bezeichnet habe) sowie bestimmter, offensichtlich
falscher bzw. ’verunglückter’ kybernetischer Darstellungen zur Funktionsweise
von Musikinstrumenten (zumal des Schwirrholzes), kritisch gegenüber. Dabei
konnte ich mich ohnehin nie von einer grundsätzlichen Skepsis hinsichtlich
seiner Beanspruchung von Kybernetik lösen. Vieles innerhalb dieses damaligen
Trends der Wissenschaftsentwicklung in der DDR, folgte dem wohl lediglich im
Sinne einer gewissen „Wissenschaftsmode“. Noch vor meinem Philosophiestudium
packte mich ebenfalls (etwa ein halbes Jahr lang) die Begeisterung für
derartige Wissenschaftsmöglichkeiten, und ich las alles was ich dazu in die
Hände bekommen konnte, wobei mich letztlich dann aber nur die Arbeiten von
Norbert Wiener wirklich tiefer beeindruckten, Wenn ich ihn (bei dem sich
übrigens auch hochinteressante Überlegungen zu Musikinstrumenten finden lassen)
richtig verstehe, so lassen sich kybernetische Problemlösungen nicht auf die
Anwendung/Nutzung von Schaltbildern reduzieren, sondern zielen vor allem auf
eine konsequente Mathematisierung bzw. mathematische Durchdringung jeweiliger
Problemkonstellationen. Die meisten der damaligen kybernetischen Arbeiten in
der DDR haben dieses Niveau aber wohl nicht erreicht, oder gar angezielt. Auch
Stockmann folgte damals (aus meiner Sicht weitaus oberflächlicher als Heyde)
einem solchen, doch längere Zeit anhaltendem, Modetrend. Eine sachlichere (also
nicht nur, wie bei mir beispielsweise, von persönlicher Skepsis geleitete)
Beurteilung dieser Aspekte, wird wohl wieder nur im Zusammenhang mit einer
umfassenderen wissenschaftsgeschichtlichen Einschätzung der Kybernetik
innerhalb der Wissenschaftsentwicklung der DDR erfolgen können.
(22)
Curt Sachs. „Vergleichende
Musikwissenschaft / Musik der Fremdkulturen“, Heidelberg, 1959 S.19
(23)
Kurt Reinhard:„Beitrag zu einer Systematik der Musikinstrumente“ in: Die
Musikforschung.13 (1960)
(24)
Von besonderer Bedeutung war für mich damals auch die durchaus sachlich angemessene
und völlig undogmatische Darstellung dieser Problematik durch H. Zeraschi im
„Musiklexikon“ von H. Seeger, Leipzig 1966. Bedenkt man dazu analytisch- vergleichend
die Aussagen und Intentionen der 20 Jahre später erfolgenden Darstellungen
Stockmanns, so kann deutlich werden, dass es sich nun nicht nur um konservativ-
konservierenden Dogmatismus, sondern eigentlich um einen, von höchster
Wissenschaftsposition her forcierten, Versuch handelt, bereits gewonnene Erkenntnisse
(wie bei H. Zeraschi und auch anderen) „zurückzunehmen“ und eine entsprechend
falsche bzw. zunehmend verfälschendere Sicht offiziell „festzuschreiben“.
(25)
Siehe dazu beispielsweise:
Bernd H. J. Eichler: “Fragwürdiges und Bedenkenswertes zu Eigenart und Wesen von Musikinstrumenten“
und
Bernd H. J. Eichler. “Werkzeugverhalten und Sozialität im Meinungsstreit“ in: Rolf
Löther (hrsg.), Tiersozietäten und Menschengesellschaften, Jena 1988
(26)
Diese Unterstützung durch Prof. Herbert Hörz, möchte ich deswegen so ausdrücklich
hervorheben, weil es am gleichen Institut stets auch Kräfte gab, die einer solchen
Initiative durchaus feindlich gegenüberstanden. Die philosophische
Beschäftigung mit Musik und Musikinstrumenten war ohnehin eine
Ausnahmeerscheinung für den Philosophiebetrieb in der DDR.
Ich selbst, als jemand der ohnehin schon als Sonderling gelten musste, stieß mit
diesem Ansinnen zwar vielfach auf „belächelndes Unverständnis“, - wurde aber,
da meine musikbezüglichen, insbesondere audioorganologischen Spezialkenntnisse
dort schon seit vielen Jahren immer wieder in scheinbar musikferne philosophische
Diskussionen einfließen konnten, gerade in Hinsicht auf die grundsätzliche
philosophische und anthropologische Bedeutung der Frage nach einem „natürlichen
System“ musikinstrumenteller Technik, letztlich von den ernstzunehmenden
Philosophenkollegen aus diesem Bereich nie in Frage gestellt. Meine
’musikphilosophischen’ Forschungen erfolgten zunächst im Rahmen bereits
bestehender Forschungsprojekte zur Humanethologie, zu Fragen der Menschwerdung
und der Soziogenese- Problematik; - konnten später aber auch als Einzelprojekt
“Musikphilosophie“ / „Vergleichsanalytische Organologie“ fortgesetzt werden.
Dieses Projekt (eines der wenigen „Einzelpersonen-Projekte unseres Institutes)
wurde später nach dem Zusammenbruch der DDR und der dann erfolgenden
„Evaluierung unseres Institutes“ zwar deutlich positiv bewertet und als
förderungswürdig eingestuft; - damit war aber kein künftiger Arbeitsplatz
gesichert.
siehe dazu auch:
H. Hörz: „Brückenschlag zwischen zwei Kulturen. Helmholtz in der Korrespondenz mit
Geisteswissenschaftlern und Künstlern“, Marburg (Basilisken - Press) 1997, S.221-228
(27)
als
ein Beispiel aus der fortlaufenden Reihe dieser Handbücher:
B.
Bachmann-Geiser: „Die Volksmusikinstrumente in der Schweiz (Handbuch der
europäischen Volksmusikinstrumente I/4)“, herausgegeben von E. Stockmann,
Leipzig 1981
Siehe
dazu auch meine Position zum immer wieder in „weiterer Ferne“ geplanten Band
“Deutschland“ dieses Handbuches, sowie entsprechend zur Problematik der
Systematik, in:
Bernd H. J. Eichler: „Mutwillige Anmerkungen zum Schwirrholz“ (Vortrag aus dem Jahre 1990, gehalten am Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der
Wissenschaften der DDR)
(28)
Siehe dazu auch
Bernd H. J. Eichler: “Das Hümmelchen - ein altdeutscher Dudelsack“, Leipzig 1990
Auch in dieser größeren Abhandlung zu Dudelsäcken (die dem Verlag beim Zentralhaus
in Leipzig seit Anfang 1986 zum Druck vorlag) habe ich selbstverständlich
bestimmte Überlegungen über systematisch zu bedenkende Zusammenhänge bei
verschiedenen Tongeneratoren, auch hinsichtlich meiner Haltung zur Bedeutung
osteuropäischer Dudelsäcke, dargelegt (siehe dazu auch die Literaturangaben
weiter unten: z.B.: „Dudelsäcke im europäischen Spannungsfeld...), wobei ich
mir Mitte der 80er Jahre noch nicht völlig über die genaue Funktionsweise der
mir erst nach 1989 sachlich-gegenständlich bekannt und zugänglich gewordenen
(hier in der „Nebengeschichte zur Maultrommel“ erwähnten) „schalmeienartigen
asiatischen Blasinstrumente“ klar war. Ebenso wusste ich noch nichts über das
damals allerdings bereits seit Jahren existierende „membranophone
Blasinstrument“. (Die spätere, nach 1989 erfolgte genaue- gegenständliche
Bekanntschaft mit diesen beiden Tongeneratoren verdanke ich jeweils Frau Dr. M.
Dunkel aus Westberlin.) Auf Grund meiner Systematik-Auffassung war ich mir aber
schon lange zuvor völlig sicher, dass es eine solche Tongenerator-Möglichkeit
auch real geben könne. Bei vielen Experimenten mit dünnen, überlangen
„Röhrentrommeln“ im Physikalischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin
ist es mir dann auch gelungen, mittels speziell flach gestalteter und schräg an
der Membran-Seite der Röhre angebrachter Düsen (dann letztlich aber auch nur
mit Druck- & Pressluft) diese Membranen von oben bzw. von ihrer Außenseite
her so anzublasen, dass sich in der Röhre auch Töne hervorrufen ließen, die ich
als „sekundär- aerophon“ interpretieren wollte... Ein lautstarkes, unschönes
und durchaus unpraktikables Ergebnis, wenn man eher an eine Nutzung als
„normales Blasinstrument“ denken möchte. Insofern hat mich die spätere
Bekanntschaft mit diesem besser funktionierendem membranophonen Tongenerator,
bei dem der Atem-Luftstrom schließlich an die Innenseite der Membrane geleitet
wird, sowohl hocherfreut (Ich sah mich also bestätigt – ein solcher
Tongenerator ist auch als praktikables Blasinstrument möglich!), als auch
betrübt (Warum war ich nicht auf diese doch so nahe liegende Idee des Anblasens
derartiger ’röhrenverschließender Membranen’ an ihrer Innenseite gekommen;
warum musste ich stattdessen so verbissen und langwierig an überdimensional
langen Plaste- Röhren so viel Pressluft und so viel Membranmaterial vergeuden
und dabei so verzweifelt auf einigermaßen erträgliche Töne lauern...??). Ein anderer
von mir später beschrittener Untersuchungsweg, nämlich das Anblasen
flachgeformter, nur an der Anblasöffnung offener Gefäße mit membranartigen
Seitenflächen, zeigte dann ebenfalls, dass es sich dabei im Prinzip um
„membranophone Blasinstrumente“ handelte. Bei diesen „angeblasenen Gefäß- Membranophonen
“ (welche immer wieder in meinen Vorlesungen entsprechend vorgeführt und
erläutert wurden) kann die Höhe der durch Anblasen an der Öffnung des
okarinaartigen Gefäßes erzeugten Töne mittels Veränderung der Spannung dieser
„Membranflächen“ weitaus signifikanter verändert werden, als durch Veränderung
des Volumens der darin eingeschlossenen schwingenden Luft.
Aber
auch unabhängig von diesen ’spannungsgeladenen’ Hintergründen, hat sich der
Versuch der Veröffentlichung dieses Büchleins über deutsche Dudelsäcke beim
„Leipziger Zentralhaus für Kulturarbeit“ (einer letztlich hoffnungslos
menschenverachtend- kulturlosen und wesentlich auch durch ganz unübersehbare
Formen von tief verinnerlichter Ausländerverachtung geprägten Leit-Institution
des Kulturbetriebes der DDR) dann wie ein Kriminalfall entwickelt. Ich kann
dabei nicht davon absehen, dass auch dort der entsprechende Macht-Einfluss von
E. Stockmann (zumal in Kombination mit A. Michel) unübersehbar war und sich
gerade bezüglich der DDR-Folkloreszene überaus verheerend auswirkte. Jahrelang
wurde mir dort immer wieder offeriert, dass dieses Dudelsack-Buch sofort
erscheinen könne, wenn ich mich endlich entschließen würde „auf diese ganze
darin enthaltene ’Dudelsackphilosophie’ zu verzichten“...(Dabei handelte es
sich im wesentlichen um die entsprechend systematischen Darlegungen zu
verschiedenen Tongeneratoren sowie die damit verbundenen kulturellen
Zusammenhänge in Europa, insbesondere meine entsprechenden Ansichten und
Haltungen zu Osteuropa). An der in dieser Weise entsprechend vorgefärbten und
dann auch von dieser Institution her programmierten und letztlich intensiv
betriebenen mehrjährigen Hetzkampangne gegen meine Person (unter anderem als
“Feind des Zentralhauses und anderer staatlicher Institutionen“ und also auch
als „Staatsfeind“) und der letztlich von dortigen Funktionsträgern
programmatisch erhobenen und offensiv verbreiteten Forderung der „Entfernung
von Eichler aus der Folk-Szene“, besonders aber aus der von mir selbst dort vor
Jahren gegründeten “AG-Folkloristisches Musikinstrumentarium“, haben sich dann
auch einige prominente Vertreter aus der Reihe musikantisch aktiver
Neofolkloristen, insbesondere aus dem Kern und dem Umfeld der Leipziger „Folkländer-Szene“,
recht aktiv beteiligt. Dies bezog sich zuweilen auch unmittelbar auf meine
Sammlungsaktivitäten. Einerseits wurde meine Sammlung zunächst von den
verschiedensten Folklore-Gruppen (vor allem in Leipzig und Berlin) immer wieder
in geradezu selbstverständlicher Weise genutzt, da ich doch immer wieder bereit
war bestimmte Instrumente (für die ich niemals irgendwelche Gebühren verlangt
oder erhalten habe) zu verleihen und ich habe dann keineswegs alle wieder
zurückbekommen. Außerdem habe ich damals eigentlich ständig, bestimmte
kleinere Instrumente aus meinen Sammlungsbeständen (wie etwa Mundharmonikas
oder verschiedene Flöten) aber auch zunehmend selbst hergestellte, aus meiner
eigenen kleinen Experimental-Werkstatt (wie lateinamerikanische Kenas, Panflöten
und deutsche Schalmeien, Dudelsack-Melodiepfeifen, Brummtöpfe usw.) immer
wieder an aktive Musikanten (auch verschiedener ausländischer Musikgruppen)
verschenkt, was schon sehr bald auch zu üblen Stimmungen und gezielten
Verleumdungsaktivitäten seitens der dann, mit der auf diese Szene abzielenden
Herstellung und dem kommerziell orientiertem Verkauf ähnlicher Instrumente
befassten, „neofolkloristischen Instrumentenbauer Szene“ führte. Andererseits
wurde aber später, als auch Instrumentendiebstähle bei den zunächst nur in
Leipzig stattfindenden Folklorewerkstätten, immer häufiger auftraten, von dort
aus dann immer wieder ganz selbstverständlich „Der Dr. Eichler mit seiner
Instrumentensammlung“ als der nahe liegende Hauptverdächtige solcher Diebstähle
angegeben, so dass ich dann auch verschiedentlich aufgrund solcher
Verleumdungen aus Leipzig, von der Kriminalpolizei behelligt wurde. Außerdem
entwickelten sich damals auch in dieser Folk-Szene (eigentlich gänzlich
unvermeidbar bei den sich dafür ganz besonders anbietenden Verhältnissen in
einem Land wie der DDR) gerade auch diverse grenzüberschreitend- devisenbringende
Privatverkäufe bzw. entsprechende „Tauschgeschäfte“ von alten oder neuen
Musikinstrumenten aus diesem Land. Wenn ich an diese Zeit, in der auch Prof.
Stockmann bei nahezu jeder sich ihm bietenden Gelegenheit (sowohl gegenüber
Wissenschaftlern, als auch innerhalb der ’Folkloreszene’ oder gegenüber
bestimmten Kulturfunktionären) ambivalent-zynische, bis zur Abfälligkeit
reichende, Bemerkungen zu meinen diesbezüglichen Sammlungs-Aktivitäten machte,
so lässt sich doch klar sagen, dass entsprechende Verleumdungen und gezielt
ausgestreute Verdächtigungen, damals eigentlich nur von einem relativ kleinem
(vielleicht zwei oder drei Dutzend umfassenden) mir eben feindlich gesonnenem
oder auch gezielt aufgewiegeltem, Personenkreis ausgingen. Freilich ein
Personenkreis der nicht einfach spontan, sondern eben innerhalb bzw. auch
aufgrund, eines bestimmten, wohlorganisierten DDR-spezifischen Netzwerkes
agierte. Dies änderte sich grundsätzlich im Lauf der neunziger Jahren, wo
allein durch die allgemein politisch stimulierten und auch immer ungehemmteren
Medienaktivitäten gegen Arbeitslose und ,„Sozialschmarotzer“, nun für
eigentlich jeden „Normalbürger“ stets klar auf der Hand liegen konnte, dass
dieser so auffällig aktive Langzeitarbeitslose, mit seinen doch offensichtlich
wertvollen Musikinstrumenten, die er doch schon längst hätte alle verkaufen
müssen, doch auch ganz offensichtlich „Sozialbetrug“ betreibt, auch wenn er
dies mit dem Mantel der „Wissenschaft“ zu tarnen versucht...Das kann nur als
besonders arrogant und „umso verdächtiger“ bewertet werden, da er doch „arbeitslos“
ist... Jedenfalls musste ich, angesichts der vielen, mir seither immer wieder
in dieser Richtung gestellten „Nachfragen“ (zum Teil auch in Form offener
Provokationen oder entsprechender aggressiver ’Bemerkungen’) immer wieder den
Eindruck des Vorliegens derartiger Verdächtigungen (oder auch entsprechender
Vorwürfe sowie dementsprechender Meinungshintergründe) bekommen. Und insofern
bin ich auch hier - nun direkt in dieser Fußnotenzeile - sogleich gehalten,
mich unter den nunmehr offensichtlich für solche Eskalationenen „freieren
Gesellschaftsverhältnissen“ in einer, meine Würde als Mensch und
Wissenschaftler eigentlich antastenden Weise, wehren und verteidigen zu müssen:
Denn dieser, in dieser Weise auch gegen mich aufgewiegelte, und auch in dieser
Hinsicht fraglos „freier“ gewordene ’Normalbürger’ (ob ihm nun trotz oder
wegen des Medieneinflusses dem er unterliegt, der ’Status der Normalität’
wirklich zustehen mag) wird normalerweise weder die jeweils gerade noch
geltenden Gesetze für „Arbeitslose“ kennen (oder gar verstehen), noch die
ablösenden neuen. Denn da existiert immer noch diese, gewissermaßen
„althergebrachte“ Gesetzeslage, die auch einem bereits bis an den Rand der
Gesellschaft abgedrängtem Wissenschaftler, als ’Arbeitslosem’ doch immer noch
die Möglichkeit zugesteht, gegebenenfalls einen gewissen Rest von würdiger
Lebens-Aktivität, weiter leben zu können, indem seine „wissenschaftliche
Sammlung“ unangetastet bleiben soll. Wenn vor 1990 im Geltungsbereich solcher
Gesetze, sicher nur eine vergleichsweise Geringzahl von dementsprechenden
Fällen anlag, und diese auch durchaus noch als ’untypische Ausnahmen’
{inklusive vielleicht bestimmter, eher politisch motivierter, auch als
„Berufsverbote“ diskutierter Fälle} zur Bewältigung anstanden, so musste diese
Gesetzeslage dann aber später, im Verlaufe ihrer und anderer „Übertragungen“
auf Ostdeutschland (wo diese und entsprechend weiterführende juristische
Neuschöpfungen eben zur Bewältigung bzw. Umgestaltung dortiger politischer
Verhältnisse eingesetzt wurden) schlagartig in ganz andere, politisch
systematisch nun vieltausendfach zu bewältigende, Dimensionen geraten. Und so
gibt es eben auch die andere, in der Regel weit später aufgebaute Gesetzeslage,
die diese früher gesicherteren Möglichkeiten – in finanz- und spartechnisch
weitaus effektiverer Weise - zunehmend weiter verunsichern und letztlich auch
für Millionen von Menschen verunmöglichen kann. Solange der „Normalbürger“ aber
noch nicht selber in den Status eines solchen, zur willkürlichen Verleumdung
freigegebenen Entwürdigten geraten ist, wird ihm weder bekannt noch
verständlich sein, dass beispielsweise der eine Arbeitslose seine, auch als
‚Sicherheit’ und Kapitalanlage und weniger nach ’persönlichen
Erinnerungswerten’ aufgebaute, zweite Bierflaschensammlung, nun vielleicht
auflösen oder verkaufen muss, während der andere seine möglicherweise als
ebenso geldwert zu taxierende „wissenschaftliche Sammlung“ behalten darf. Er
wird dies eher als eine der vielen überdeutlichen Ungerechtigkeiten, die einem
ohnehin ständig begegnen, empfinden und sich für die wiederum „viele
öffentliche Mittel einsparende“ Abschaffung derartiger „Gesetzesreste“ zu
wissenschaftlichen Sammlungen, leicht als „Stimmungsträger“ gewinnen lassen.
Und dies nun auch noch umso leichter, wenn dann auch noch „Bildhaft“ gemacht
werden kann, dass etwa der Bierflaschensammler in seinem blauen Arbeitsanzug,
ohnehin immer schon viel härter und schwerer arbeiten musste, als der nun
offensichtlich unbeschadet davonkommende „Weißkittel“, der seine wertvolle
Sammlung einfach behaltende kann, wobei doch auf der Hand liegt, dass dieser
doch ohnehin nur studiert hat, um sich von vornherein, geschützt und
unbehelligt von den „schwereren und unangenehmeren“ Arbeiten, in aller
„akademisch gesicherten Gemütlichkeit“, seiner (eben doch - verdammt noch mal,
das muss hier doch Jeder sehen! - reichtumsvermehrenden) Sammelleidenschaft
ungestört und abgesichert nachgehen zu können... Als nahezu ebenso
unverständlich und vielleicht auch als ’ungerecht’ wird sich ihm dann aber
darstellen, dass beispielsweise diesem Arbeitslosen wiederum, bei Androhung der
sofortigen Beendigung der Zahlungen des Arbeitsamtes, strikt untersagt ist,
etwa mit dieser Sammlung nun mehr als 15 Stunden in der Woche wissenschaftlich
zu arbeiten – ganz egal ob bezahlt oder unbezahlt: Es darf da nicht mehr
gearbeitet werden, sonst verliert er eben den „leistungsberechtigten Status
als Arbeitsloser“! Ein von daher resultierendes Unverständnis unseres
„Normalbürgers“ kann dann wiederum leicht im Sinne der Zustimmung zu einer doch
offenbar viel ’vernünftigeren’ und dann wohl auch leicht bis zu weiter
greifender Popularität hochzutreibenden Forderung wie:„Mehr ’Ein Euro-Jobs’ für
Wissenschaftler“ (Die sollen ruhig auch mal richtig arbeiten!) umfunktioniert
werden...
Zu derartig zwickmühlenhaften Verhältnissen und Zusammenhängen, in denen sich
meine Sammlung und damit auch ich, über viele Jahre hin befanden, habe ich
also nun deutlich zu erklären, dass ich gegenüber dem mich stets besonders
gründlich und auch unverkennbar in „nicht-gutwilliger Absicht“, akribisch und
intensiv beobachtendem Arbeitsamt Templin, auch stets (d. h insbesondere zu
allen auch mit „Wertermittlungen“ befassten Antrags- und Überprüfungsvorgängen)
meine Sammlung angegeben habe, zumal diese ohnehin zu einem großen Teil mit
meinen ebenfalls stets genau nachzuweisenden, vielfältigen
Bewerbungsbemühungen, aber auch vielen anderen wissenschaftlichen Aktivitäten,
verbunden war. Und auch später, während meiner über fünf Jahre währenden,
unmittelbar mit der Nutzung dieser Sammlung verbundenen und immer unbezahlten,
Vorlesungsaktivitäten an der Humboldt-Universität, konnte ich (auch trotz der
extra dazu in Berlin durchgeführten, verdeckten Kontrolle des Templiner
Arbeitsamtes) nie bei einer solchen Überschreitung, dieser mir gesetzlich genau
limitierten unbezahlten Arbeitszeit, ertappt werden...
Da die erstgenannte Gesetzeslage in der Zeit meiner Arbeitslosigkeit unangetastet
erhalten geblieben ist, konnte auch meine Sammlung erhalten bleiben.
Mit dieser nun vielleicht allzu allegorisch von Blau- und Weiskitteln und damit
zwangsläufig auch von Geldkonflikten durchwirkten Darstellung zu ganz
realen, sammlungsrelevanten „Vorurteilen und Verdächtigungen“, die keineswegs
nur aus der von mir gerade geschilderten Zeit stammen, sondern auch jetzt noch,
wo ich nicht mehr Eigentümer dieser Instrumente bin, ab und an auftauchen,
könnte sich nun aber auch ein ganz anderes Vorurteil unterstützen lassen, dem
ich ebenfalls sofort entgegentreten möchte. Natürlich weis ich um die unter
bestimmten Verhältnissen und Umständen besonders kulturgefährdenden, und dann
auch im Detail menschenverachtend, faschistoiden Kräfte, die einer in
’entsprechend-medialer Weise’ geleiteten größeren Gruppe bestimmter, (etwa auch
mit Bierflaschen und Blaukitteln ausgestatteter) „Normalbürger“, (zumal
solcher, die aufgrund ihrer sozialen Blaukittelposition ständig den härtesten
Arbeiten und den schamlosesten Ungerechtigkeiten ausgeliefert werden) unter
bestimmten Umständen zufallen oder auch politisch ’verliehen’ werden können.
Dies unter anderem auch aus speziellen Erfahrungen aus dem so ’friedlichen’
Jahr 1989. In punkto Musikinstrumente, muss ich aber eher auf ein permanent
schwerwiegendes Versagen von „Weiskittel-Kultur“ verweisen, - zumal wenn es um das
konsequentere Durchdenken prinzipiell kulturgefährdender Zusammenhänge und
Tendenzen bezüglich der immer noch (oder auch zunehmend) bedenklicher zur
Wirkung kommenden Wissenschaftsdisproportionen geht. Dazu habe ich mich schon
verschiedentlich geäußert und möchte hier nur verkürzt zusammenfassend darauf
eingehen: Ich meine vor allem die immer noch, durch die sozialökonomischen
Verhältnisse wohlorganisiert aufrechterhaltene Trennung von Natur- und
Geisteswissenschaften. Aus dieser Lage aber wird wohl auch das anhaltende
Versagen der europäischen Philosophie in Bezug auf den fehlenden Blick auf die hier
in Rede stehende, eigentlich in besonderer Weise zu beachtende und anthropologisch-philosophisch
wohl auch besonders aufschlussreiche Technikentwicklung, herrühren. Und aus der
dadurch bedingten „Zeitgeist-Situation“ dann wohl auch der Umstand, dass selbst
die modernen Technikwissenschaften sich dieser besonderen Technikentwicklung
(die dort dann eben als ’Kunst’ abgetan, oder auch „herausgehoben“ bzw.
anderen Zuständigkeitsbereichen zugeschoben, werden kann), auch nicht widmen
werden, und so dann auch die ebenso separierten Musikwissenschaften, mit ihrem
stolz gehütetem, besonderen Methodenarsenal, schon gar nicht mehr in den Sinn
kommen wird, hier etwa natur- und technikwissenschaftlich exakt vorzugehen. Und
dies kann dann nicht nur hinsichtlich „musikinstrumenteller Systematik“ zu
weiteren signifikanten Wissenschafts- Disproportionen und auch anderen,
unweigerlich immer brisanter werdenden Fehlentwicklungen führen. So werden dort
eher die freilich überaus kulturnah und hochzivilisiert- human anmutenden,
kulturethnologischen und kunsthistorischen Betrachtungsweisen gepflegt, denen sich
(nicht nur in Bezug auf entsprechendes „Sponsoring“) in den geldorientierten
Fragwürdigkeiten der sich um Kunst entwickelnden Kunstmarktaktivitäten leicht
eine überaus hohe wissenschaftliche Bedeutung zuordnen lässt. Kein Wunder also auch,
dass diese dort ins Zentrum der Aufmerksamkeiten gelangen. und so auch als
„überaus hilfreich“ und zweifellos auch immer wieder als „sich bewährend“
gelten werden. Kein Wunder aber auch, dass sich dabei die Wissenschaftsdisziplin
„Kunstgeschichte“ letztlich als eine unverzichtbare theoretische Grundlage
aller dort, am „Kunstmarkt“ geldorientiert organisierten, oder auch
„sponsorisierten“, Kulturverfallsprozesse, erweisen wird. In diesen
Verkettungen lassen sich die, doch ebenfalls nur über geldorientiertes Denken
zustande gekommenen, zuweilen eben auch kulturbedrohend aufschäumenden Motivationen
oder auch daraus folgende, entsprechend menschenverachtend zu- und
zerschlagenden (vielleicht dann auch tatsächlich bestimmten
„bierflaschenbewaffneten Blaukitteln“ aufgetragenen oder zuzuordnenden)
Ausfälle, keineswegs einfach als gefährliche Gegenbewegung gegen die Kultur und
die Zivilisation aus der sie eigentlich herrühren, interpretieren, sondern eher
als eine der eben auch immer wieder konsequent aus Verhältnissen dieser Art von
Zivilisation adäquat, und nicht eigentlich widersprechend, hervorgehenden
Verständnis- und Verhaltensweisen bedenken. Die einen ebenso gelddesorientiert
wie die anderen. Hinsichtlich des nun zu erwartenden Zwischenrufs, dass mit
dieser Betrachtungsweise letztlich nur Entschuldigungen für derartig
kulturfeindliches Verhalten geliefert werden, werde ich dann wohl erwidern
müssen, dass mir letztlich eher manche der hier umrissenen
Wissenschaftsverhältnisse (die ich eben als zumindest „mitverursachend“
charakterisieren und bewerten muss) inzwischen schon längst nicht mehr als
irgendwie „entschuldbar“ gelten können, obwohl sie scheinbar allgemein
akzeptiert, doch zu den alles mitbeherrschenden gehören. Angesichts weiterer zu
erwartender Einwände, - etwa mit dem Vorwurf, dass mit derartigen, an
’ästhetischen Werten und wirklicher Kultur’ doch vorbeiredenden, primitiv
sozialkritisch-ökonomischen Betrachtungen wie diesen hier, welche ohnehin –
wie eben alle sozialkritischen Betrachtungen, die nicht gewillt waren den
besonders zu schützenden und in möglichst vielfältiger Weise herauszuhebenden
„wertvollen Eliten“ einer Zivilisation, den ihnen gebührenden Rang, als den
„eigentlichen Trägern“ der Entwicklung und Sicherung von „wirklich wertvoller
Kultur“ zuzugestehen, - in der geschichtlichen Entwicklung bisher „nichts Gutes
gebracht haben“, werde ich mir unter den gegenwärtigen geschichtlichen
Verhältnissen aber doch wohl jeden Hinweis darauf, dass gerade dieses, gerade
gegenwärtig wieder so deutlich betonte, „Lob der Eliten“, eines der
bestgeeignetsten Elemente frisch modernisierten, genuin faschistischen
Denkens sein kann, wohl vielleicht nun doch verkneifen müssen?
Siehe zu diesem gesamten Komplex auch:
Bernd H. J. Eichler: „Über den besonderen Bildungswert spielerisch in die Hand genommener und systematisch im Sinn bewahrter Musikinstrumente“, (Beitrag zur Diskussion 'Forum Bildung' vom Juli 2001; unwesentlich gekürzt)
Bernd H. J. Eichler: „Dudelsäcke
im europäischen Spannungsfeld zwischen Ost und West“ (Vortrag vom 4.12.2004 zur
Internationalen Arbeitstagung "Musikinstrumentenbau im interkulturellen
Diskurs" des Musikwissenschaftlichen Seminars der Universität Bonn.)
sowie:
Bernd H. J. Eichler: “Zur Position
der sogenannten ‘durchschlagenden Zunge’ im ‘natürlichen System der
Musikinstrumente’ (Vortrag vom 20.11.1999 zum 20 internationalen
Musikinstrumentenbau-Symposium vom 19. - 21.11.1999 im Kloster Michaelstein)
aber auch:
Bernd H. J. Eichler: “Zur
Systematischen Position der sogenannten ‘durchschlagenden Zunge’ (Abstract zum
Vortrag auf dem 20. Musik- Instrumentenbau-Symposium, vom 19.- 21.11.1999 im
Kloster Michaelstein)
Zu der in diesem „Abstract“ vorgestellten Möglichkeit einer
„Dudelsack-Melodiepfeife“ mit „rahmenjustiert- spaltgenau durchschwingender
Zunge“ (worauf ich auch an anderer Stelle eingegangen bin) möchte ich nun auch
Folgendes (wozu ich mich bislang noch nie schriftlich geäußert habe) anmerken:
Das erste Mal, dass mir eine solche „Zunge im Rahmen“ als ein im Dudelsack
verwendeter Tongenerator begegnete, war 1975 im Kulturhaus von Strakonice
(CSSR) während einer recht wilden, die ganze Nacht durchgehenden, Betriebsfeier
des dortigen Großbetriebes, mit vielen Böhmischen Böcken und viel Bier. Zu
dieser Feier waren von tschechoslowakischen Freunden auch einige ausländische
Gäste (so auch einige jüngere Dudelsack-Interessenten aus der DDR) eingeladen
worden. Diesen Besuch hatte Fridjhof Schulze, damals einer der ersten und
rührigsten Neo-Folkloreaktivisten der DDR, privat für uns vermittelt und
organisiert. Ich hatte damals schon mit der Herstellung von verschiedenen
Schalmeien und Flöten sowie anderen Klein-Instrumenten begonnen, auch bereits
verschiedene Dudelsäcke in verschiedenen Gruppen gespielt und zum Teil auch
„restauriert“, aber noch keinen Dudelsack selbst gebaut, - hatte es aber
bereits vor. Nachdem wir uns in Strakonice die Tongeneratoren verschiedener
Böhmischer Böcke genau angeschaut hatten (zumeist wurde es uns freundlich
erlaubt), gingen wir auch zu dem ebenfalls eingeladenen Dudelsackspieler aus
Estland, Herrn Taul senior, dessen estnischer Dudelsack uns zunächst nicht so
interessiert hatte. Dieser überaus freundliche und bescheidene Musiker, der
zudem offensichtlich besser Deutsch sprach als wir Berliner, und dem ich in den
folgenden anderthalb Jahrzehnten immer wieder zusammen mit seinem Sohn (der
dann professionell „original estnische“ Dudelsäcke herstellte) zu den verschiedensten
internationalen Dudelsackfestivals begegnen konnte, zeigte uns gerne seine
Melodiepfeife, wollte aber nicht den Bordun öffnen. Es war ihm offensichtlich
peinlich. Er sprach viel über die Schwierigkeiten bei der Revitalisierung des
estnischen Dudelsackes, insbesondere darüber, dass das besondere Problem
sicherer Borduntöne noch nicht ganz gelöst sei usw. Nachdem wir ihn doch
überredet hatten, zeigte er uns, dass am Grunde seines Bordunrohres eine kleine
Messingplatte mit durchschwingender Messingzunge, aus einer Harmonika,
eingelassen war. Er versicherte, dass sich auf diese Weise wirklich die
genauesten Borduntöne erzeugen lassen, denen allerdings der ansonsten –
beispielsweise bei den wunderbaren Böhmischen Böcken - so typische „leicht- schnarrende“
Klangcharakter, weitgehend fehlt. Jahre später lernte ich auch den ältesten und
damals noch einzigen authentisch-traditionellen sorbischen Dudelsackspieler mit
seinem Instrument, Herrn Schuster, bei verschiedenen privaten Besuchen, näher
kennen. Der erste Anlass dafür waren eine Reihe von Tonaufzeichnungen
sorbischer Stücke und Lieder (Dudelsack und kleine dreisaitige sorbische
Geige), die der Musikethnologe Dr. A. Hesse dort in den kleinen sorbischen
Häusern aufzeichnete, wobei er mich (ohnehin als notorischer
Dudelsack-Interessent bekannt) auch „zur besseren Kommunikation“ mitgenommen
hatte, da ich damals dort sowohl als Dudelsackspieler und Dudelsackbauer als
auch aus Fernsehen und Rundfunk mit verschiedenen anderen Instrumenten und eben
auch mit meiner Sammlung, bekannt war. Schuster erzählte bei diesen Besuchen
immer wieder, - auch ohne dass speziell danach gefragt wurde –, dass in seinem
Bordun vor vielen Jahrzehnten „von einem der Alten“ (also einem Angehörigen
früherer Generationen, die - wie er immer wieder betonte - „viel mehr gewusst
haben als die ganze Wissenschaft heute“) eine „Messingzunge aus einer
Harmonika“ eingebaut worden war, und sein Bordunton seit daher auch nie wieder
nachgestimmt werden musste... Er konnte aber nicht sagen, ob diese Messingzunge
nun mit Grundplatte und demgemäß entsprechendem Rahmen eingebaut wurde, oder
nur als einfache „oberständig schwingende“ Zunge über einer entsprechend
zubereiteten Hülse funktioniert.
Ich weiss nicht genau, inwieweit 1975 mein Bewusstsein, trotz meines bereits ganz
wilden Interesses an den verschiedenartigsten Dudelsäcken, vielleicht doch noch
teilweise von gewissen dumpfen Subalternitätsstrukturen gegenüber
„feststehenden Traditionswerten“ umgarnt war? Vielleicht war ich doch noch in
dieser Weise geneigt, etwa der erniedrigenden Kraft von „abstrakt festgelegten
höheren Werten“ nachgeben zu wollen, denen man bei „Folklore“- (sobald man die
damals plötzlich so übermäßig um sich greifenden und auch auf den
verschiedensten Ebenen intensiv verbreiteten Vorurteile dazu, ernst nehmen
wollte, oder ihnen etwa glaubenschenkend zuneigte - was ja in meinem Umfeld
allgemein geschah) eben doch in schicksalhaft kultureingebundener Weise
’verpflichtet’ sei und dem letztlich nicht ständig entweichen könne... Obwohl
ich freilich in der Realität, ständig gegen gerade diese Seite abstrakter
Werte, am liebsten und am heftigsten rebellierte. Jedenfalls habe ich damals
den mutigen Versuchs-Schritt der Familie Taul, tatsächlich nur für eine nicht
besonders ernstzunehmende Belanglosigkeit, jenseits der überaus
ernstzunehmenden Bedeutung der ’authentischen Tradition’ gehalten, - vielleicht
sogar für einen Fehltritt, der keines weiteren Nachdenkens Wert ist... Heute
ärgere ich mich, dass ich darauf nicht bereits in meinem Dudelsackbuch
eingegangen bin und mich so nicht schon eher in Richtung auf neue, konkrete
Werte weiterführenden Nachdenkens, eingelassen habe, - auch wenn ich mir damit
damals ganz gewiss, noch weitaus größere Schwierigkeiten und noch heftigere
Verleumdungen eingehandelt hätte.
Bei Schuster war ich dann aber bereits, aus ganz bestimmten Gründen, in höchstem
Maße interessiert genauestens zu erfahren, um was es sich wirklich handelt.
Aber sein Instrument, welches offenbar schon seit Jahrzehnten nicht mehr an der
Bordunfassung bewegt worden war, ließ sich wirklich nicht öffnen, und als ihm
mein deutliches Interesse klar wurde, nahm er mir das Ganze auch sofort aus der
Hand. Er hatte schließlich auch seine Erfahrungen mit Wissenschaftlern... Ich
hoffe aber, dass dieses spezielle Instrument von ihm noch erhalten ist, und
denke heute, dass es als echte musikethnologische Sensation angesehen werden
müsste, wenn sich vielleicht einmal, bei der letztlich doch irgendwann
anstehenden Analyse des Gerätes, erweisen sollte, dass auch bei den in
Deutschland lebenden Slawen Gleiches geschah wie in Estland: In ihrem
Bestreben, eine von werktätigen Menschen in früheren Zeiten selbstgeschaffene
Kultur auch in heutigen Zeiten fortführen zu wollen und der ihnen dabei
begegnenden Schwierigkeiten auf der Suche nach musikantisch sicheren
Borduntönen, greifen sie plötzlich auf ein eigentlich nur in Asien bekanntes
Prinzip der Tonerzeugung zu. Eine zutiefst eigenwillig-subjektive und zutiefst
menschliche Erscheinungsform von „Globalisierung“, welche in diesem Falle
vielleicht auch nicht einfach zufällig gerade innerhalb einer der wenigen noch
möglichen kulturellen Bereiche anzutreffen war, innerhalb derer man immer noch
die Möglichkeit hat, sich in einer menschlichen Weise, gegen deren sonst so
alles überwältigende Tendenzen zu kulturgefährdenden Unmenschlichkeiten, noch
selbst, kulturvoll zu wehren, selbst zu bewähren und zu bewahren. Wo mag es
Vergleichbares möglicherweise noch gegeben haben? Wenn ich wieder meine
Erfahrungen dazu überschaue, so wird die professionelle Musikethnologie in
Deutschland dem freilich kaum erkenntnissinnig gegenüber stehen. Aber ich denke
nicht, dass dort – auf den oberen Ebenen des Wissenschaftsgeschehens - die
eigentliche Gefahr in dieser vergleichsweise sehr punktuellen Angelegenheit
lauert. Dies wäre schließlich lediglich als ein vielleicht bedauerlicher
Verlust auf Grund bestimmter wissenschaftlicher Insuffizienz anzusehen; was
allenthalben – geradezu zur Normalität gehörend – dort vorkommt. Schwererwiegende
Gefahren lauern in diesem speziellen Falle wohl eher in der Praxis; und auch
nicht auf der oberen, sondern eher auf unteren Ebenen des Wissenschaftswirkens.
Wenn ich nur daran denke, dass das in Frage stehende Traditionsgerät Schusters,
einmal von einem auf hiesigem musikethnologischem Niveau ausgebildetem und auch
mit entsprechender Mentalität ausgestattetem, Museumsmitarbeiter, tatsächlich
gezielt geöffnet werden wird, und dieser dabei auf eine Harmonika-Zunge stößt,
so ist es das Allerwahrscheinlichste, dass diese sofort entfernt und zur Seite
gelegt wird und der Haushandwerker etc. oder vielleicht auch ein örtlicher
Dudelsackbauer, den Auftrag erhält, alsbald den auf Sachs / Hornbostelschen
oder auch Stockmannschen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden,
„musikethnologisch gesicherten Originalzustand“, dieses ethnisch so höchst
wertvollen Kulturgutes, in voller museologischer Verantwortlichkeit, auch mit
seinem ’originalen’ Tongenerator, ordentlich museumsgerecht wiederherzustellen
und dann frisch gereinigt und „authentisch restauriert“, dem Publikum in diesem
Sinne zu repräsentieren. Die dazu übliche Systematik, sowie weitere nötige
Fachliteratur, um sich bei all dem auch vollkommen sicher zu sein, wird man
auch in kleineren Institutionen zur Hand haben und die Autorität, des
vielleicht herbeigerufenen Dudelsackbauers, wäre in diesem Falle ohnehin nicht
zu übertreffen. Und dann bräuchte – da es schließlich um besondere ethnische
Werte geht – nur noch ein ganz kleiner Tropfen von Nationalismus oder
verbissenem Regionalpatriotismus hinzukommen, damit die schändliche
Harmonikazunge nicht einfach im Hausmeisterhandwerkskasten abgelegt, sondern
auch wirklich als Schandfleck übelster, aber nun doch glücklich verhinderter,
Verfälschungsbestrebungen, der endgültigen Vernichtung zugeführt wird, wobei
auch alle Spuren in Hinsicht auf den Museumsbestand, zur Beseitigung anstehen
werden. Derartige „Selbstreinigungsvorgänge“ werden in einer, in derartiger
Weise ’wissenschaftsgeleiteten’ Praxis, mit der gleichen Sicherheit ablaufen
können, wie die Selbststabilisierungsprozesse um das „Systematikparadoxon“ in
der wissenschaftsbetrieblich abgesicherten Theorie.
Wenn ich aus heutiger Sicht zu meiner Haltung aus dem Jahre 1975 angesichts des
„Taulschen Dudelsackes“ sowohl deutlich ärgerliche Zweifel über mich,
als auch fragende Zweifel zu mir bedenken kann und muss, so war ich und
mein Interesse an dem mir später begegnendem „Problem der Messingzunge“ im
Schusterschen Dudelsack, bereits durch ganz andere Erfahrungen vorgeprägt und
sensibilisiert: Die eigentlich unübersehbare (aber immer wieder allseits
verlogen verleugnete) Zunahme faschistoider Tendenzen, bis hin zu offen
profaschistischen Aktivitäten in der DDR, die einem keineswegs nur in Form
trivial-nationalistischen Gebarens, auf den Strassen Berlins, oder (und dort
weitaus häufiger und aggressiver) auf den Strassen Leipzigs, sondern ebenso
(wenn auch auf dieser Ebene zunächst viel subtiler) unmittelbar in der
Neofolkloreszene der DDR, zumal aber auch unübersehbar innerhalb der ZAG
Musikfolklore und dem Leipziger Zentralhaus, begegneten, mussten mich
aufmerksamer und auch in diesem Punkt immer nachdenklicher machen. Dabei meine
ich nicht einfach nur solche Tendenzen wie den dort zunehmenden Kult um die
„Führerpersönlichkeit der Folklorebewegung“ oder auch der so oft beschworenen
und vielfach umkulteten Ideologie einer „Folkfamilie“ mit ihren deutlich
ausgrenzenden Festlegungen darüber „wer dazugehört und wer nicht“ (begleitet
etwa auch durch solche „Folk-Gags“ wie „Jürgen spiel auf, wir folken Dir“) oder
die dortige, ganz unverhohlene, zuweilen auch ganz gezielte, und wohl auch
gezielt gelenkte, Zunahme der auch offen seitens des Zentralhauses oder in der
ZAG ausgesprochenen Verachtung und Missachtung bestimmter, in der DDR lebender
Ausländer. („Die Vietnamesen werden doch hoffentlich bald wieder aus der DDR
rausgeschmissen!“ {formuliert von einer Funktionärin des Zentralhauses auf
einer Arbeitssitzung der von dem ZAG Parteiverantwortlichem geleiteten
Arbeitsgruppe ’Feldforschung’}; „Zum Glück werden diese afrikanischen
Hilfsarbeiter jetzt endlich von der Polizei nachts in ihren Unterkünften
bewacht, um endlich unsere Töchter vor diesen ’sexuell unaufhaltbaren
Naturtalenten’ zu schützen...“ {verschiedentlich formuliert und variiert in den
Arbeitssitzungen der ZAG- Arbeitsgruppe Musikinstrumente vom Leiter des ASMW
Markneukirchen und anderen von ihm dominierten Mitgliedern der AG}). Letztlich
geht es dabei aber um eine weitaus komplexere Problematik, welche wohl auch alle
anderen damaligen Entwicklungen in der DDR deutlich mit beeinflusst und auch
mit geprägt hat, - hier aber unmöglich mit wenigen Worten charakterisiert
werden kann. Die dabei in der Folk-Szene am deutlichsten faschistoid agierenden
Funktionäre aus der ZAG Musikfolklore (ASMW; ZAG-Parteiverantwortlicher, ZAG-
Verantwortliche des Zentralhauses u. a.) brachten dann alsbald die
deutschtümelnd-orientierende Parole des „Kampfes gegen Traditionsverletzungen
(!?) bei der Pflege deutscher Dudelsäcke in der DDR“ auf, und einige Jahre
später wurde von dieser, inzwischen ebenfalls in den Status einer solchen
„Führerpersönlichkeit“ erhobenen Seite erklärt, dass nun endlich auch „die
exotische Phase in der Beschäftigung mit dem Dudelsack in der DDR überwunden
werden konnte und nun abgeschlossen sei.“ Und das wurde dann auch der Leitung
des Zentralhauses und den Funktionären des Kulturministeriums, als die „von
dieser ’ZAG- Arbeitsgruppe Musikinstrumente’ erarbeitete Einschätzung zum
„aktuellen Entwicklungsstand der Musikfolklore in der DDR“, angeboten. Prof.
Stockmann war (zusammensitzend mit Dr. A. Michel ) persönlich bei der
Verkündung und Propagierung dieser (aus meiner Sicht in mehrfacher Hinsicht
verheerenden) „Einschätzungen“ dabei, und verlegte sich bei dieser größeren
Zusammenkunft von verschiedenartigsten Funktionären und Musikanten, wieder auf
sein, von jeweils vielen bedeutungsvollen Lächel-Gesten begleitetem „Schweigen
des großen Weisen“. So sollte wohl nun auch kraftvoll und ungehindert, an das
Werk der Durchsetzung einer nun klar vorgegebenen ’deutschen Linie’ gegangen
werden. Damals wollte dann auch der ZAG Parteisekretär (der über viele Jahre
hinaus die Förderung durch Stockmann in ganz besonders demonstrativer Weise
erfuhr), - als ihm auf einer ZAG- Sitzung zur Vorbereitung der kommenden
DDR-Folklore-Werkstatt, die Liste der von den Kultur-Bezirkskabinetten zur
Teilnahme vorgeschlagenen Folk-Gruppen aus dem ganzen Land, vorgelegt wurden, -
sofort alle Gruppen mit englisch-irisch-amerikanischen oder sonstigen
nicht-deutschen Gruppen-Namen, persönlich von der Liste streichen... Ich kann
mich nicht entsinnen, dass – außer mir – auch andere ZAG- Mitglieder damals
sofort protestiert haben. Letztlich konnte aber eine solche politische Linie
dort doch nicht durchgesetzt werden, - vielleicht auch deswegen, weil es, neben
diesen Peinlichkeiten, auch noch ganz andere gab: Ganz offensichtlich bildeten
die „zu streichenden Gruppen“ einen sehr großen Teil dieser vorgeschlagenen
Liste, und wer auch nur einige dieser Gruppen kannte, konnte auch wissen (und
das traf doch noch auf manche ZAG- Mitglieder zu), dass gerade dort in der
Regel weitaus bessere, vielseitigere und sensiblere Musikanten zu finden waren,
als etwa in der quasi als „Leitkultur“ benutzten Leipziger „Vorbildgruppe“ des
Zentralhauses in Leipzig.
Generell kann bei der Betrachtung derartiger Entwicklungen aber nicht daran
vorbeigesehen werden, dass dies alles eben auch stets mit der sozialen
Ausrichtung bzw. der Zusammensetzung all der sozialen Gefüge zu tun hat, in
denen sich solche Taten und Tendenzen abzeichnen und auch verwirklichen. – Dies
gilt sowohl in Hinsicht auf die 'ganz großen Politik’, als auch in Bezug auf so
scheinbar ’lächerlich kleinen Dinge’ wie einem winzigen Stück Messingblech in
vielleicht nur einem einzigen estnischen Dudelsack, aus dem es sicher auch
schon sehr lange wieder herausgenommen worden ist...
In dieser ZAG, in welcher zunächst vor allem aktive Musikanten aus bestimmten
Amateur-Folkloregruppen der neu entstandenen Folk-Szene vertreten waren,
änderte sich die Zusammensetzung im Laufe der Jahre vor allem in der Weise,
dass zuletzt ein unsinniges Übergewicht an „nicht musikantisch-folkloristisch
tätigen“ Funktionären und Vertretern verschiedener anderer ausgewählter
staatlicher Institutionen zu verzeichnen war. Durch welche verschiedenartigen
Kräfte dies bedingt war, ist hier schwer zu sagen, aber sicher historisch zu
ermitteln... Und die erwähnten faschistoiden Tendenzen gingen dann auch vor
allem von derartigen Institutionsvertretern bzw. Funktionären aus, von denen
nahezu alle irgendwie in der Lage waren (und dies auch immer wieder aktiv und
gezielt unternommen haben), jedem einzelnem ZAG – Mitglied, aber auch jedem
sonstigen auserkorenen Musikanten aus der Szene, bestimmte (oft auch sehr
gefragte) Vorteile und besondere Möglichkeiten zu bieten, aber auch allzeit zu
jeweils erwünschtem ’Wohlverhalten’ zu veranlassen. Ein ganz charakteristisches
Beispiel aus diesen, schon in den ersten Jahren der ZAG wirksam werdenden
Strukturen scheint mir (auch wegen der damals dazu außerordentlich heftig
überkochend dampfenden „Gerüchteküche“) die offenbar als spezielles
„Stockmannsches Hintergundprojekt“ zustande gekommene, und dann auch als
solches entsprechend in bestimmten (aus meiner Sicht bereits stark
korrumpierten) Teilen der neofolkloristischen Szene bewunderte „Folks Tanz
Haus“ - LP aus dem Jahre 1985, mit einem vergleichsweise überaus
bemerkenswertem Plattentext von E. Stockmann selbst. Er liebte offenbar das
gezielte Lancieren ganz bestimmter, anfangs stets mit vielen
Verschwiegenheits-Festlegungen verknüpfter, aber doch sehr deutlich und auch
demonstrativ unter seiner „persönlichen Schutzherrschaft“ stehender
„Hintergrunds- bzw. Geheim-Projekte“, die jeweils auch unverkennbar mit dem
Wirken verschiedenartigster unter-, über- oder nebengeordneter Machtebenen
verknüpft waren. Letztlich aber hatten derartige Stockmann-Projekte, bzw. ihre
Ergebnisse, aber auch einen überdeutlich wissenschaftsschädigenden bzw.
wissenschaftskorrumpierenden Charakter. Dies trifft sicher sowohl auf die
scheinbar eher innerwissenschaftlich organisierten Vorgänge gegen Dr. A. Hesse
zu (um nur ein dortiges Beispiel zu nennen), als auch auf alle die, welche mehr
im Verbund mit der ZAG und der neueren Folk-Szene vonstatten gingen. Von meinen
konkreten Erfahrungen her kann ich dies mit Sicherheit zu all den von ihm
gezielt verschleiert eingeleiteten, mich jeweils auch unmittelbar betreffenden
Korruptions- und Verschleierungs-Versuchen und den dann nachfolgenden, organisiert
„geheimzuhaltenden“ Projekten und Unternehmungen zu den Themen Dudelsack,
Maultrommel und deutsche Cister sagen... Deren innere Tendenzen und die dabei
zustande gekommenen Ergebnisse haben tatsächlich zu jeweils deutlich
wissenschaftskorrumpierenden und erkenntnisbehindernden Tendenzen und
Ergebnissen geführt.
Was nun seinen Plattentext von 1985 betrifft, den ich soeben als „vergleichsweise
bemerkenswert“ bezeichnet habe, so möchte ich mich damit auf eine drei Jahre
später erschienene neofolkloristische Platte und deren Text beziehen, die
allerdings dann als ein in dieser ZAG doch in gewisser Weise ’öffentliches’ und
auch kollektiv beratenes Projekt erschienen ist und auch einen inhaltlich
gänzlich anderen Text zu dieser Geschichte aufweist (einen Text, welcher,
wiederum in bemerkenswerter Weise, von einem bekannten Kulturfunktionär aus
Leipzig verfasst wurde.)
Beide Platten sind dann alsbald in weiten Teilen der Szene als die „Stockmann LP“ und
die „ZAG-LP“ bezeichnet worden, wobei der Text der zweiten immer wieder als
„nicht so gut“ oder auch als „schlecht“ und der von Stockmann zumeist als „sehr
gut“ und „sehr wissenschaftlich“ sowie vor allem immer wieder als „sehr
verdienstvoll für die Folkbewegung“ eingeschätzt und hervorgehoben wurde. Ich halte
den Text der zweiten LP (abgesehen von einigen eher unerheblichen Druck-Fehlern
bzw. Fehlangaben zu bestimmten Musik-Titeln) für eine durchaus wissenschaftlich
solide und inhaltlich wahre Darstellung zu dieser Kulturentwicklung in der DDR.
Den fatalen Text von Stockmann, in dem sich ohne Weiteres eine Reihe von
eindeutigen und offenbar auch ganz gezielten Fehl- und Falschdarstellungen
finden und nachweisen lassen, halte ich hingegen für völlig
verantwortungslos... Er gehört zu der Vielzahl schändlicher Dokumente von
selbstdarstellerisch motivierten Verlogenheiten, die im Zusammenhang mit dieser
Geschichte der „Folk-Bewegung“ in der DDR entstanden sind. (Wobei ein großer
Teil davon, zumal beim ASMW in Markneukirchen, und wohl auch im Zentralhaus in
Leipzig, sicher ab 1989 wieder angstvoll vernichtet wurde; - als
Schallplattentext bleibt dieser jedoch verfügbar erhalten). Und die damals im
Hintergrund derartiger Projekte verschleierten Aktivitäten, waren
wahrscheinlich von gleicher Art wie dieser Text. Letztlich aber konnten solche
Aktivitäten, dann auch eine der Grundlagen dafür werden, dass bestimmte,
bereits zu DDR-Zeiten organisierte Verzerrungen der Geschichte dieser
besonderen ostdeutschen Kulturentwicklung, nach dem Untergang der DDR, nun umso
hemmungsloser betrieben wurden. Im Zusammenspiel all solcher Faktoren und
Tendenzen wäre dann auch der spezifische Beitrag des Journalisten Wolfgang Leyn
innerhalb der Vielzahl divergierender „Verzerrungsleistungen“ besonders zu
beachten. Dieser konnte zu DDR-Zeiten stets, in einer ganz besonderen,
eigentlich beispiellosen Doppelfunktion agieren - sowohl als hinreichend
willfähriger „offizieller Staatsjournalist“ bzw. Mitarbeiter des Rundfunks
der DDR (sowie für bestimmte Print- Medien der DDR) gewissermaßen „politisch
geleitet und gebunden“, aber auch als (zwar „nichtmusikantisches“, aber doch in
seiner obligatorischen Ansager- und Moderatoren-Funktion wesentlich mit- dominierendes
„Folkländer Mitglied“ der Leipziger Szene (also als dort ’an der Quelle sitzender’
allzeitbereiter, hofberichterstattender ’Hausjournalist einer speziellen
Szene’) immer wieder (hier vielleicht weniger „gebunden“) einen recht „beliebig
– freien“ und wahrheitsvergessend - willkürlichen, manchmal gänzlich subjektiv
gefärbten, Journalismus, zur neofolkloristischen Szene in der DDR (und danach),
betreiben. Besonders bei ihm zeigen sich dabei ganz bestimmte Schwerpunkte
„szenegemäßer“ Ignoranz, - beispielsweise hinsichtlich seiner demonstrativen
Missachtung gegenüber bestimmten, ihm mit Sicherheit bekannten,
wissenschaftlichen Arbeiten zur Entstehung und zur Geschichte dieser
Kulturerscheinung und entsprechenden, nicht unwesentlichen, Aktivitäten aus
dieser Entwicklung... Aber vor allem auch in Bezug auf ganz bestimmte, für
diese Kulturentwicklung in der DDR durchaus bedeutende Aspekte, wie z.B. (um
nur einige davon anzudeuten), hinsichtlich ganz bestimmter, auch deutlich
akzentuierter und also auch entsprechend unterschiedlicher kulturpolitischer
Ausrichtungen und Aktivitäten der verschiedenartigsten Gruppen aus dem ganzen
Lande, hinsichtlich ganz neuartiger, neofolkloristischer Rundfunkaktivitäten,
oder auch in Bezug auf ganz bestimmte musikinstrumentelle Aktivitäten auf ganz
unterschiedlichen organisatorischen Niveaus, oder auch bestimmter, damals in
der Gesamt-Szene durchaus heftig diskutierter, aber von bestimmten, eher
„zentralhausfixierten Folkloristen“ keineswegs aufgenommenen oder etwa
mitgetragenen (sondern eher gefürchteten) genuin-demokratischen Aktivitäten in
der ZAG (aber auch außerhalb dieser - also eben solchen, welche gerade auf der
Seite der von ihm besonders hervorgehobenen ’Teil-Szene’ nicht ausgeprägt bzw.
auch überhaupt nicht vorhanden waren und so vielleicht dort eher befürchtet
bzw. auch entsprechend permanent untergraben worden waren). Nach dem
Zusammenbruch der DDR (und insofern dann auch seiner dementsprechenden
„persönlichen Wende“), wurden seine spezifisch journalistischen
Einseitigkeiten nicht nur ungehindert weitergeführt, sondern konnten nun auch
noch in verstärkter Weise verzerrend, zur Wirkung kommen.
(29)
Dies wurde mir zunächst in bestimmten Gesprächen immer deutlicher, zeigte sich dann
aber überdeutlich, bis hin zu verschiedenen konkreten Peinlichkeiten, während
seines ersten Besuches meiner Instrumentensammlung, in meiner Ladenwohnung in
Berlin-Prenzlauer Berg.
(30)
Später war ich dann auch entsetzt über die wiederum vorurteilsgeleitete Art und Weise
des von ihm betriebenen „Wissenschaftsmanagements“ und seiner
„wissenschaftsorganisatorischen Geniestreiche“, für die sich in seinem sehr
subaltern ausgerichtetem Umfeld allerdings allenthalben begeisterungsfähige,
vor allem aber „zustimmungswillige“ Bewunderer fanden. Ebenso konnten dort auch
immer wieder genügend geeignete Personen von ihm aktiviert werden, wenn es
galt, Abstimmungsverhältnisse zu bestimmten wissenschaftlichen Versammlungen
und Beratungen oder das Festlegen von Forschungsschwerpunkten und Projekten
bzw. von wichtigen Weichenstellungen hinsichtlich des von ihm beeinflussten
Wissenschaftsbereiches entsprechend vorzubereiten. Mir musste dies alles als
eine besonders ausgeprägte Erscheinungsform von intensiv vernetzter
Intrigen-Kultur erscheinen, welche oft in kaum verschleierter Verkettung mit
höheren Machtebenen und dann auch in besonders stringenten bzw. durchaus
hinterhältig-zynischen Umgangsformen zelebriert wurde. Zuweilen sogar weitaus
exzessiver (hier denke ich wieder an den Umgang mit dem Musikwissenschaftler
Dr. A. Hesse), als vergleichsweise bestimmte, am Zentralinstitut für Philosophie
stattfindende Macht-Konfliktzuspitzungen um Dr. P. Ruben. Immerhin ist über die
letzteren (hier freilich weit deutlicher auf parteipolitisch tangierter Ebene
ablaufenden) Machtkämpfe am Zentralinstitut für Philosophie, schließlich nach
1989 eine ganz eigene, und auch reichlich eigenartig philosophisch gefärbte,
Skandalliteratur erstaunlichen Ausmaßes entstanden. In Richtung der „hohen
Verdienste“, die E. Stockmann zugeordnet wurden und werden, konnte man dann
auch weit in die 90er Jahre hinein, einen von seinen Anhängern in prinzipiell
gleicher Weise fortgesetzten Lobes-Kult erleben, was sich beispielsweise
anlässlich bestimmter späterer Rundfunksendungen zur Ehrung seiner Person
deutlich ablesen lässt.
Damit akzentuiere ich freilich nur meine persönlichen, also auch ganz subjektiven
Eindrücke, die natürlich nicht den Anspruch auf „umfassende Objektivität“
erheben können, und ich möchte nun auch nicht gleich eine rechtfertigende
Vielzahl von damals unübersehbaren akademisch-politischen Intrigenspielen und
entsprechend unbestreitbar unmittelbar miterlebter objektiver
Tatsachenbeispiele zur Verstärkung und Unterstreichung meiner Eindrücke
auflisten. Vielmehr habe ich im Rückblick auf derartige (freilich unübersehbar
bis in die Gegenwart hineinwirkende) Verhältnisse und entsprechende
wissenschaftsgeschichtliche Zusammenhänge eben doch die Hoffnung, dass es
künftigen wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchungen zu diesen sicher
aufschlussreichen Parteiungen - insbesondere in Hinsicht auf das in Deutschland
immer wieder in bestimmte Verklemmungen geratende organologische
Systematisierungsdenken - gelingen möge, bestimmte fatale Zusammenhänge doch
einmal sachgerecht aufzuhellen. Ich möchte dabei aber auch sogleich betonen,
dass eine solche, künftig zu erhoffende, sachlich orientierte
wissenschaftsgeschichtliche Aufarbeitung schließlich nicht nur verpflichtet
sein muss, dann bestimmte Fakten zur Kenntnis zu nehmen, sondern sich auch den
Anstrengungen akribischer Detailforschungen und entsprechender gedanklicher Mühen
möglichst inhaltsbezogener (und eben nicht nur beschreibender)
Erklärungsversuche zu stellen hat.
(31)
Die ’Gefährlichkeit’ eines derartigen ’Erzählens’ besteht eben auch darin, dass ich
mit der Erwähnung und Darstellung solcher zwar vielleicht aufschlussreicher,
typischer bzw. auch symbolträchtiger Ereignisse (von denen ich auch für die
nachfolgenden Jahre noch mit weiteren, jeweils viel Symbolik und dann auch im
Detail viel mehr unmittelbar ökonomisch-soziale Brutalität offenbarenden
Entwicklungen konfrontiert wurde) zwangsläufig auf bestimmte vorurteilsgeladene
Mauern im Denken vieler Menschen stoßen muss. Sofern es dabei auch noch um
Wissenschaft geht, werde ich, schon wenn nur ein einziges solches Beispiel
detaillierter dargestellt wird (wie es ja nun bereits geschehen ist),
zwangsläufig in die Nähe des üblen Geruchs eines offenbar eitlen, vielleicht
sogar beleidigt- neidischen, aber auf jeden Fall ’rechthaberisch- besserwisserischen
Bescheidwissers’ geraten und dazu noch für viele als ein unverkennbar typisches
Beispiel für diese verdammten, stets larmoyanten Ostdeutschen dastehen, die
immer wieder nur klagen, sich über das Glück der Einheit offenbar immer noch
nicht richtig freuen können und offenbar auch keinerlei Dankbarkeit für die
ihnen doch seit 1989 zuteil gewordene Freiheit aufzubringen vermögen, wo doch
täglich von uns allen so viel Geld in diese Richtung transferiert werden muss,
damit es ihnen, obwohl sie sich immer noch nicht richtig aufgerafft haben, um
in der ’neuen’ Gesellschaft anzukommen, auch dort gut gehen möge... Das alles
kenne, weiß und höre ich seit vielen Jahren sehr wohl.
(32)
Siehe dazu:
Bernd H. J. Eichler: “Über mögliche Konsequenzen zur Systematisierung von
Musikinstrumenten, angesichts eines inkonsequent gebrauchten Begriffs der
‘Systematik der Musikinstrumente’“
(33)
Siehe dazu
Bernd H. J. Eichler: “Die Maultrommel als Gegenstand des Musikunterrichts - Systematisches Musikinstrumentenverständnis und ‘fremde Musik’“
sowie
Bernd H. J. Eichler. “Über die Wechselseitigkeiten von Instrumentalkonstruktion und
Klangmöglichkeiten bei Maultrommeln“, in: Instrument und Umwelt -
Wechselbeziehungen zwischen der Beschaffenheit von Musikinstrumenten und ihren
kulturellen Rahmenbedingungen, hrsg. von M. Bröcker, Bamberg 1995
Die mögliche Symbolträchtigkeit meiner „Nebengeschichte zur Maultrommel“, auf die
ich hier nochmals hinweisen möchte, lässt sich – zumal in Hinsicht auf den
anschließend weiterführenden Text meines Vortrages - auch noch weiterreichend
bedenken: Zunächst hatte ich auf der dann erwähnten späteren Veranstaltung der
Musikethnologie in Westberlin (nachdem sich dies für mich aus der dortigen
Diskussion, in der es um mögliche Perspektiven und Aufgaben der Musikethnologie
und - wie zumeist bei solchen Diskussionen - auch um die vielbeschworene
Problematik der „Interdisziplinarität“ ging) auf die mir offensichtlich
erscheinenden Querverbindungen hingewiesen, die sich bezüglich der
Musikethnologie in der internationalen Wissenschaftsdiskussion um die
Soziobiologie von E. O. Wilson abzeichnen und ich versuchte dann auch, auf das
Beispiel der dort sehr intensiv von Humanethologen und Soziobiologen
diskutierten traditionellen Musikkultur bestimmter ’Selbstmord-Balladen’ bei
verschiedenen Eskimokulturen, als Beispiel für derartige fachübergreifende
Wissenschaftsentwicklungen, sowie entsprechende Problemvernetzungen einzugehen.
Dabei wurde ich allerdings von einigen, mir als reichlich rüde in Erinnerung
gebliebenen Einwürfen seitens jüngerer Musikethnologen aus Westberlin, welche
sich mit Zwischenrufen wie: “Wat denn nu? - Ethnologie oder Ethologie?“ hören
ließen, unterbrochen...Prof. Kuckertz (der mich damals in der Humboldt-Universität
angesprochen hatte und diesmal nicht im Publikum, sondern im Präsidium der
Veranstaltung saß - ich weiß nicht ob es sich hier vielleicht auch um
Studenten von ihm handelte), war nun bestrebt das Publikum umgehend vor meinem,
offenbar wieder als völlig verfehlt empfundenem Beitrag zu bewahren und
forderte mich auf, diese ’doch sehr speziellen Probleme’ besser nach der
Veranstaltung, persönlich mit ihm zu besprechen. Das war zwar deutlich diskriminierend,
- aber ich musste mich notgedrungen daran halten und konnte mir dann auch
seine ablehnende Position zu all den musikethnologischen Forschungsprojekten,
die sich auch auf die moderne Verhaltensforschung bzw. Soziobiologie beziehen
wollten, anhören. Mit einer für mich erstaunlichen Offenheit (E. Stockmann
hätte sich kaum in einer solch klaren Weise geäußert, sondern eher wortreiche,
zynisch- abwertende Andeutungen formuliert) verdeutlichte er seine
diesbezügliche Ablehnungshaltung und sagte dazu: „Ich habe als Gutachter für
die DFG laufend mit derartigen Anträgen, die sich auf Verhaltensforschung
berufen, zu tun, die ich aber ablehnen muss, weil sie einfach primitiv sind...“
(Ich verzichte hier darauf, nun all die Widersprüche und Fragen aufzuwerfen
oder zu verdeutlichen, die in diesem Zusammenhang zum Hornbostel - Vorwort von
Kaden deutlich werden müssten; -.vielleicht hatte Kuckertz dieses nicht
gelesen?) Jedenfalls fühlte ich mich damals geradezu in die siebziger Jahre der
DDR zurückversetzt, wo eine ähnlich grundsätzlich ablehnende (von mir als
Spezialist für Biologie und philosophischen Biologismus aber keineswegs
vertretene) Haltung unter Philosophen und Gesellschaftswissenschaftlern sehr
verbreitet war. Letztlich konnte ich ihm dann aber doch ein von mir
vorbereitetes Konvolut zur Maultrommel übergeben. Schließlich war ich damals
immer noch der Ansicht, dass gegen Vorurteile in der Wissenschaft nur solide
wissenschaftliche Argumente, in einer sachlich unterbreiteten Form, wirksam
sein können. Für die Übergabe dieses umfangreichen Ordners achtete ich sogar
darauf einen Zeugen (einer meiner Musikanten-Kollegen) dabei zu haben, da es
sich um noch unveröffentlichtes Forschungsmaterial handelte. Ich habe diesen
Ordner dann allerdings nie zurückerhalten, niemals eine Meinungsäußerung von Kuckertz
dazu erfahren, und auch nie wieder mit ihm Kontakt aufnehmen können. (Als ein
Beispiel seiner auch publizierten Position zur Systematik von Sachs &
Hornbostel möchte ich auf seine Darstellung in: Jahrbuch des staatlichen
Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz 1994, auf S.419
verweisen. Hinter seiner inhaltsleeren Formulierung, dass diese „ … aus
unserem Fach nicht mehr wegzudenken.“ sei, wird lediglich die Realität, dass
in diesem Fach dazu offenbar nicht mehr ‚hingedacht’ werden soll, verschleiert.)
Kurze Zeit später gelang mir jedoch die Veröffentlichung eines bestimmten Teils
dieser Ausarbeitungen. (Siehe: “Über die Wechselseitigkeiten von
Instrumentalkonstruktion und...) Allerdings nur auf mein unnachgiebiges Drängen
hin und trotz der deutlich demonstrierten Unwilligkeit der Herausgeberin, - was
wiederum dazu führte, dass dieser Text dann letztlich mit deutlich
diskriminierenden Druckfehlern veröffentlicht worden ist. Zudem wurde ich
damals auch ausdrücklich wegen meiner darin enthaltenen (beim Thema Maultrommel
eben nicht zu vermeidenden) Kritik an C. Sachs gerügt und nochmals, in einem
besonderem Schreiben von M. Bröcker, darauf hingewiesen, dass man doch mit C.
Sachs nicht in dieser Weise umgehen könne...(A. Michel sah sich zur gleichen
Zeit ebenfalls veranlasst, mir fast gleichlautende ’Hinweise’ in dieser
Richtung zu geben und sprach von „unberührbaren Heiligen“.) Die von M. Bröcker
in diesem Sinne in ihrem speziellen Brief angeführten „Argumente“, waren dabei
von hervorstechender Hilflosigkeit und ohne jede Substanz. Meine daraufhin in
ausführlichen Briefen eingehend begründeten Vorschläge zu weiterführenden
Veröffentlichungen über vorliegende aktuelle Ergebnisse aus meinen speziellen
Instrumentenforschungen, sowie zu weiteren laufenden Forschungsvorhaben der von
mir betriebenen „Vergleichsanalytischen Organologie“, wurden dann nicht mehr
beantwortet.
Im Nachhinein erscheint mir dabei folgender, vielleicht auch nur als zufällig
abzuwertender, aber eben doch inhaltlich-systematisch-thematisch und
zeitlich-objektiv zusammenhängender Sachverhalt, relevant: Mein (in der
vorliegend veröffentlichten Form freilich etwas verunstalteter) kritischer
Artikel zur Maultrommel erschien damals im gleichen Publikationsorgan des ICTM
wie ein Artikel der bereits erwähnten Vietnam-Spezialistin G. Jähnichen, zu
einem besonderen (gerade auch im Sinne des Systematikverständnisses
hochinteressant- aufschlussreichem) primär- aerophonem Instrument dieser
vietnamesischen Minderheit, aus der soeben in der „Nebengeschichte zur
Maultrommel“ geschilderten Veranstaltung mit meiner „Maultrommel-Frage“ in der
Humboldt Universität. Nimmt man in diesem „Systematik- und
Maultrommelzusammenhang“ dann noch die zur gleichen Zeit in Buchform vorgelegte
westdeutsche Publikation zur „Kulturgeschichte der Maultrommel“ von R. Plathe
hinzu, so könnte man alle diese Arbeiten, die sich letztlich sowohl zeitlich
als auch inhaltlich, deutlich in einem bestimmten Zusammenhang befinden, zum
Anlass einer wissenschaftshistorischen Vergleichung der zu diesen
hochaufschlussreichen „weichenstellenden Wendezeiten“ deutlich zu
unterscheidenden Tendenzen (oder auch methodologischen Niveaus?) der
Musikinstrumentenforschung im vereinigt- vereinheitlichten Deutschland (etwa
unter „besonderer Berücksichtigung der Problematik des
Systematisierungsdenkens“... oder auch „des damaligen Entwicklungsstandes eines
kritischen Bewusstseins zur „gültigen Systematik“) nehmen und in diesem Sinne
auch entsprechend weitere mögliche Fallbeispiele in Betracht ziehen.
Also: In Buchform die unbehelligt gebliebene Musikinstrumentenforschung
Westdeutschlands (wo die Autorin dieser Maultrommelarbeit – in einem mir
freilich völlig fremden Gestus - „für die Überlassung des Themas“ zu danken
hat{?}), und andererseits eine bestimmte repräsentative Vertreterin der soeben
'evaluierten' ostdeutschen Musikethnologen (denen nun das Glück der
Wiedervereinigung nicht nur in Form besserer Gehälter in einer attraktiveren
Währung, sondern auch - zweifellos ganz wesentlich und unverzichtbar für dieses
Fach - hinsichtlich endlich besserer Reisemöglichkeiten in alle Welt, zuteil
wird). Und dann noch ein überdeutliches Beispiel für einen – entsprechend einer
klar formulierten politischen Programmatik - bereits gezielt aus dem
Wissenschaftsbetrieb entfernten, und entsprechend der gleichen Programmatik,
systematisch weiter an den „sozialen Rand der Gesellschaft zu drängenden“
ostdeutschen „Rechtfertigungsphilosophen“ des untergegangenen
„Unrechtsregimes“, der immer noch glaubt ungebührliche Fragen gegenüber
professionell etabliert- eingebetteten Wissenschaftlern aufwerfen zu müssen...
(Meine jetzige ungebührliche Frage in dieser Richtung bezieht sich schließlich
– immer noch im gleichen Sinnzusammenhang – auf das mögliche Verhalten der
deutschen Musikwissenschaft im Jubeljahr 2014.)
Dass die Maultrommelarbeit von R. Plathe dabei eine eher
traditionell-kulturgeschichtliche, und die andere Arbeit zum gleichen
Instrument eine ganz anders konzipierte, vergleichsanalytisch und
systemisch-systematisch orientierte Untersuchung ist, kann der Vergleichbarkeit
dabei keinen Abbruch tun, sondern wäre vielmehr eine der erstlich
wahrzunehmenden Wesensunterschiedenheiten. Und dass diese eher „traditionell
kulturgeschichtliche“ Untersuchung offenbar auch aus einer geschichtlich eher
„traditionellen“, älteren, aber noch lebendig erhaltenen Wissenschaftskultur
kommt, wohingegen die „vergleichsanalytische“ Untersuchung aus einer weitaus
späteren, ganz anderen, inzwischen aber bereits wieder weitgehend vernichteten
Kultur, stammt, wäre wiederum Anlass, auch die entsprechend unterschiedlichen
Wissenschafts-Kulturen, analytisch eingehender zu vergleichen (soweit dies
jeweils noch möglich sein könnte) - und vielleicht dann auch etwas genauer
verstehen zu können, als dies zu Zeiten der in Ostdeutschland so verheerend
wirkenden ’Umgestaltungen’ und ’Evaluierungen’ der Fall war...
Außerdem muss ich - immer noch im inhaltlich gleichen Zusammenhang - darauf hinweisen,
dass es ein knappes Jahrzehnt später nochmals zu einer entsprechenden
„Vergleichbarkeitssituation“ gekommen ist, welche dann aber keineswegs
irgendwie als „zufällig entstanden“, sondern offenbar eher als absichtlich und
zielgerichtet zu dieser besonderen Gelegenheit eingerichteten, und wohl auch in
klar beabsichtigter Differenzierung zu meiner Position (also zweifelsfrei ganz
bewusst) installiert wurde. Hier beziehe ich mich auf die (bereits erwähnte)
Arbeit Zur Position der sogenannten ‘durchschlagenden Zunge’ im ‘natürlichen
System der Musikinstrumente’.
Diesen Vortrag, mit einer grundlegenden Darstellung meiner Konzeption zur
musikinstrumentellen Systematik, konnte ich am 20.11.1999 zum 20.
internationalen Musikinstrumentenbau-Symposium im Kloster Michaelstein halten.
Es gab dazu verschiedene Anfragen in der Diskussion, aber keinerlei kritische
Hinweise oder Einwände – was ich bedauert habe. Prof. Jobst Fricke (einer der
damaligen Veranstalter dieses Symposiums), der zu meinem Vortrag anwesend war,
äußerte sich (auch in einem anschließendem Gespräch, in welchem er sich selbst
ausdrücklich als „Systematiker“ bezeichnete) nicht dazu. Er sprach zu diesem
Symposium an einem anderen Tag über ein anderes Thema. Dies ist auch im später
dazu erschienenen „Symposiums-Band“ (zu dessen Herausgebern er ebenfalls
gehört) nachzulesen. Erstaunlich für mich war dann aber, dass in diesem Band
plötzlich auch ein damals überhaupt nicht vorgetragener, also auch gar nicht
zur Diskussion gestellter, Beitrag von ihm zur gleichen Problematik (wenn auch
mit der inhaltlich-systematisch ganz falschen Überschrift:„Systematik der
Klangerzeugung mit Zungen“) kommentarlos vor- und vorangestellt wurde. Von mir
weiß ich, dass ich über eine solche, quasi „Stockmannsche Macht“ in der
Wissenschaft niemals verfügen werde, ebenso wie ich von mir weiß, dass ich mich
in ’ähnlicher’ Lage niemals in einer derartigen Weise verhalten würde. Ich
denke aber auch, dass diese ’nachträglich eingeschobene’ Zusatzveröffentlichung
von J. P. Fricke, ein notwendigerweise zu beachtendes Vergleichsobjekt zum
damaligen Stand bzw. den entsprechenden Tendenzen des „musikinstrumentellen
Systematisierungsdenkens“ in Deutschland ist.
Allerdings, und das möchte ich auch deutlich aussprechen, habe ich mich bislang aus
bestimmten Gründen gehütet, etwa zu versuchen diese eigentlich überaus
kritikwürdigen Ausführungen von Fricke sogleich einer umfassenden Kritik zu
unterziehen. Wären sie damals dort vorgetragen worden, so hätte ich mich
sicherlich mit einer ganzen Reihe unterschiedlicher Fragen zur Diskussion
gemeldet.
Innerhalb der nun vorliegenden eigenartigen Form, kommt mir aber zu Vieles suspekt vor.
Nicht nur weil diese Arbeit zur Systematik dort unter einer offensichtlich
systematisch ganz verfehlten und irreleitenden Überschrift offeriert wird (Was
soll damit ausgedrückt werden? Wem ist vielleicht dieser sehr dumme Fehler
unterlaufen?) und auch gleich die ersten einleitenden Sätze mit unbelegten
(vielleicht auch unüberlegten?) Behauptungen daherkommen und dann auch im
Weiteren nicht eingelöste (und aus meiner Sicht auch nicht einlösbare, sondern
auf dilettantischen und illusionären Vorstellungen beruhende) Versprechungen
beinhalten, sondern auch deswegen, weil – durchaus ähnlich wie bei Stockmann –
hier offenbar mit einer gezielt verunklarenden Sprache gearbeitet wird. Allein
sein Umgang mit dem Wort ‚sogenannt’ macht dies überdeutlich. Diese Tendenz
findet sich aber auch hinsichtlich anderer Sprachlichkeiten seines ’Beitrages’
bzw. seines ’vorangestellten Nachtrages’. Was die Verwendung dieses Wörtchens
„sogenannt“ betrifft, so mag, (vergleichsweise gemessen an meiner entsprechend
dazu notwendigerweise ausführlich und ’penibel-akribisch’ in meinen damaligen
Konferenzbeiträgen dargelegten Position) die demonstrativ
flatterhaft-leichtfüßige Verwendung in Frickes Text vielleicht als „erholsam-unverbindliche“
und vielleicht auch „niveauvoll-kokett geistreichelnde Persiflage“ gegenüber
meiner, vielleicht als allzu dogmatisch empfundenen, deutlich erklärten
Sinnfestlegungen für meinen Text, verstanden werden, oder gar auch so gemeint sein.
Solche künstlich installierten Imponderabilien sind aber meine Sache nicht. Sie
sollten auch nicht Sache von 'Systematikern' sein; - so denke ich jedenfalls.
Ich weiß aber auch, dass ich in solchen Dingen wiederum ganz anders denke, als
andere. Mir erscheint das Ganze einfach nicht koscher. Falls ich mich aber mit
meiner Einschätzung hinsichtlich „gezielter Verunklarungen“ irren sollte, so
stünde ich dann mit meinem Ansinnen einer notwendigerweise ernsthaft
inhaltlich-sachlich orientierten Kritik, vor der Situation, mich hier erst
durch einen wirren Wust von zuvor aufzuklärenden und dann zur Seite zu legenden
Vieldeutigkeiten und Wort-Unklarheiten hindurch- entscheiden zu müssen, um so
vielleicht auf die „rationale Menge“ und letztlich die „Substanz“ der einer
Auseinandersetzung würdigen bzw. einer sachgemäßen Auseinandersetzung
angemessenen Argumente seines Textes, vordringen zu können, - ohne dabei jedoch
jeweils wirklich sicher sein zu können, ob ich mich auch tatsächlich mit seinen
Auffassungen und deren Inhalten, oder eher mit den Inhalten meiner Vermutungen
und Interpretationen dazu, auseinandersetze... Insofern habe ich auch Angst vor
einer solchen „vorverunklarten“ Auseinandersetzung in Form einer besonderen
„Angst vor mir selbst“: Da ich – wie bereits ausgesprochen – sofort ein Übermaß
von, mir offensichtlich erscheinenden Unsinnigkeiten, Widersprüchlichkeiten und
Falschaussagen, in seinem Text wahrzunehmen meine und gleichzeitig bemerken
kann, dass seine mir so eigenartigen Argumente, andere Spezialisten offenbar zu
beeindrucken vermögen (!?) (was ich mir inzwischen allerdings auch wieder
durchaus jeweils erklären kann), möchte ich lieber noch etwas länger an mir
selbst zweifeln dürfen, als mich mit meinen so schweren Zweifeln zum wirklichen
Inhalt und zum Wahrheitsgehalt seines doch nicht einfach nur zufällig
„nachgeschoben - vorangestellten“ Textes, allzu schnell auf das dünne Eis bzw.
das stark vernetzte Minenfeld einer sehr irrational durchwirkten
Auseinandersetzungssituation zu begeben. Und bislang haben seine Ansichten und
Argumente zur Systematisierung ja auch noch nicht den vergleichsweise weitaus
bedrohlicheren wissenschaftsbeherrschenden Status mancher (dabei noch weitaus
fragwürdiger gestalteter) Argumente und Verfahrensweisen von Stockmann erlangen
können (was mir vergleichsweise dazu, allerdings in der gegenwärtigen
wissenschaftlichen Diskussionskultur in Deutschland, nun auch nicht mehr als
’völlig auszuschließen’ erscheinen kann).
Da aber gerade Prof. J. P. Fricke auch als bedeutender und international bekannter
Spezialist für asiatische Instrumente mit „rahmenjustiert- spaltgenau
durchschwingenden Zungen“ gilt, (was ich mir früher, angesichts seiner heutigen
Argumentationsweise, hätte kaum vorstellen und erklären können, - mir nun aber
- angesichts bestimmter realer Wissenschaftskonstellationen, doch erklärlich
und vorstellbar wird) bin ich in einem späteren Vortrag („Dudelsäcke im
europäischen Spannungsfeld zwischen Ost und West“ aus dem Jahre 2004), mit
Bezug auf einen mir besonders wichtigen Aspekt, sowie mit Bezug auf bestimmte
Forschungsaktivitäten im Zusammenhang mit meiner Sammlung, doch einmal kurz auf
seinen Text eingegangen. Es ging dabei immer noch um dieses nun schon mehrfach
erwähnte „schalmeienartige asiatische Blasinstrument mit maultrommelartigem
Tongenerator“. Ich greife dazu (mit leichten Textveränderungen) auf meine
entsprechenden Kurzkritik aus dem Jahre 2004 zurück, in welcher ich zunächst
auf meine Beiträge aus dem Jahr 1999 in Michaelstein Bezug nehme. Damals war
mir die Betonung der Tatsache, dass die Ankopplung der rahmenjustiert- spaltgenau
durchschwingenden Zunge auch an flötenartig grifflochbespielte Röhren schon
seit Langem in Asien zu finden ist, sowie der Hinweis auf die von mir
experimentell erprobte Möglichkeit, ein solches grifflochbespieltes asiatisches
Instrument, auch wie eine Schalmei, als Melodiepfeife am europäischem Dudelsack
betreiben zu können, wichtig. Ganz anders bei J. P. Fricke, der hier auf eine
diesbezügliche europäische Erfindung von Ernst Zacharias verweist...
Was nun die erwähnte Erfindung von E. Zacharias betrifft (mit dem ich seit vielen
Jahren verschiedentlich bestimmte akustische Erfindungen von mir bzw. aus
meiner Sammlung, gegen verschiedene Erfindungen von ihm getauscht habe, die
dann auch in meine Sammlung sowie entsprechende Expositionen systematisch
eingereiht wurden) so hat er mir (bei Vorlage entsprechender asiatischer
Orginal- Teile aus meiner Sammlung, welche ganz genauso wie eine seiner
’Erfindungen’ funktionieren) bestätigt, dass er diese nun erstmals ’original’
erleben konnte und sie ihm zuvor noch nicht bekannt waren. Dies geschah auch
lange nach dem Erscheinen der im Kloster Michaelstein „nachgeschobenen“
Publikation. Wie ist J. P. Fricke also dann mit E. Zacharias hinsichtlich
seiner „Durchschlagzungen-Erfindung“ und also seinem damit doch zweifellos
untrennbar verbundenem Interesse an entsprechend analytisch zu vergleichenden
„originalen Instrumenten“ umgegangen? So wie Frau Jähnichen damals mit den
vietnamesischen Musikern in der Humboldt Universität?
Die hinsichtlich der Systematik aber viel wichtigere Frage wäre hier für mich,
inwieweit auch J. P. Fricke damals diese asiatischen Instrumente wirklich
bekannt waren, bzw. in welcher Weise er sie systematisch verstanden hat oder zu
interpretieren gedenkt. Oder auch: Warum er diese historisch viel älteren
asiatischen Originale (wenn er sie schon Herrn Zacharias nicht zeigen und
erläutern mochte) nicht wenigstens wechselseitig vergleichend zu dessen
historisch ganz junger „Erfindung“ in dieser so dringlich von
ihm „nachgeschobenen“ Arbeit genauer vorgestellt bzw. gründlicher behandelt
hat? Insbesondere aber wären dabei eben doch auch Fragen zu dem
„schalmeienartigen asiatischen“ Instrument zu stellen...
Vielleicht wird er sich in diesem Sinne doch darauf einlassen, die ihm nun auch aus der
ihm vorliegenden Publikation, bekannte „vergleichsanalytische Systematik“ von
mir, und die dortigen jeweils genau möglichen Positionierungen all dieser
Instrumente genauer zu bedenken, um dann auch dazu Stellung zu nehmen?
In Asien, insbesondere in China, ließen sich mit Sicherheit Millionen Menschen
finden, denen dieses in meiner Kurzkritik nun zum wiederholten Male genannte
’schalmeienartige’ Instrument bekannt ist (auch wenn dort vielleicht noch
niemand damit jemals an einem Dudelsack experimentiert haben wird!?!). Und
unter den asiatischen Kennern dieses Instrumentes gibt es sicher auch viele
tausende, die eine sinnvoll kommunizierbare Meinung zu dessen
audioorganologisch- physikalisch begründeter, systematischer Position
entwickeln und auch vertreten können. In Deutschland aber wird beides, auf eine
irgendwie rätselhafte Weise, immer wieder durch ’geheimnisvoll-mystische’,
schwer zu verstehende und kaum zu durchschauende, aber spezifisch
’wissenschaftsinterne’ Verschleierungsmechanismen verunsichert und behindert.
Und dies offenbar gerade bei (oder eher ’von’?) professionellen
Wissenschafts-Spezialisten für Musikinstrumente....
Was nun die Vergleichbarkeits-Problematik betrifft, so bleibt hier festzuhalten,
dass sich damals in Michaelstein doch unmittelbar zwei ganz unterschiedliche
Wissenschafts-Positionen bzw. unterschiedliche ’Konzeptionen’ begegnet sind,
die dann auch mittels spezifischer Möglichkeiten des etablierten Wissenschaftsbetriebes
in wohlorganisierter und bewusster Weise „gegeneinander gestellt“ wurden. Und
beide sind, zwar in jeweils eigenartiger Weise, aber letztlich doch - in einer
Publikation (wenn auch eigenartig platziert) veröffentlicht worden. (Was
meinerseits freilich nur sehr selten gelingt...)
Also: Zwei unterschiedliche Positionen, von zwei unterschiedlichen Personen, mit ganz
unterschiedlichen Verhaltensweisen, die aus zwei ganz unterschiedlichen, zuvor
getrennten Welten stammen und inzwischen auch in jeweils noch weitaus
unterschiedlicheren, und auch weitaus schärfer getrennten Welten, existieren.
Ein professionell agierender westdeutscher Musikprofessor auf der einen Seite
und ein (freilich nicht einfach zufällig) deklassierter ostdeutscher
Langzeitarbeitsloser auf der anderen. Die aber beide doch innerhalb eines
Landes leben und wirken wollten – wenn auch dort mit strukturell ganz
unterschiedlich fixierten Möglichkeiten. Wobei es sich um ein Land handelt,
dem, unter allen Ländern dieser Erde, wohl doch die größte Verantwortung
hinsichtlich dieser immer wieder verunglückenden Entwicklung des von dorther
weltweit verbreiteten bzw. dominant beeinflussten musikinstrumentellen
Systematisierungsdenkens zuzuordnen sein wird, - und welches also vielleicht
doch einmal seiner daraus resultierenden, besonderen Verantwortung auch
entsprechend ’gerecht’ werden müsste. Und vielleicht spielt zur Verwirklichung
eines so verstandenen „Gerechtwerdens“ auch ein besseres Verständnis der
möglichen Zusammenhänge von Gerechtigkeitskultur und Wissenschaftskultur eine
Rolle?
Ich kann in diesem weitgehend verwestdeutschten Gesellschaftssystem
Gesamtdeutschlands, welches auch in dieser Weise unvermeidlich immer weitere,
trennende „Unterschiedlichkeiten und Selbstverschärfungen“ von Gegensätzen,
sowohl in der umfassenderen sozialen Wirklichkeit, als auch in jeweils sozial
unterschiedlich geprägten Verhaltens- und Denkweisen, hervorbringen wird, zwar
bestimmte Vergangenheits-Geheimdienst-Akten zu meiner Person einsehen, und die
entsprechende geheimdienstliche Behörde teilt mir auch sogleich mit, dass sie
lediglich über eine ´Opferakte’ von mir verfügt, über deren Inhalt wiederum ich
verfügen kann. So lächerlich aber deren Inhalt letztlich auch ist, so werden
mir doch - schon nach dem ersten Blick auf diese Papiere - sofort bestimmte
Personen aus meinem früheren Arbeits- und Lebensumfeld als „zu entlarvende
Unrechts-Repräsentanten“ offeriert... Und mir wird sogleich auch mein Recht
erläutert, dies alles auf Kosten des Steuerzahlers, gebührenfrei, als
Privat-Kopie, mit nach Hause nehmen zu können usw...
Aber in Bezug auf den professionell agierenden Wissenschaftsbetrieb und
entsprechende Vernetzungen werden sich weder die Hintergründe, noch die
genaueren Inhalte derartiger dort organisierter Vorgänge jemals von mir zu
meinen Lebzeiten erfahren lassen. Ebenso wie mir auch die näheren Umstände zu
den im Umkreise von Stockmann bzw. durch Stockmann selbst so unverkennbar
erfolgten Wissenschaftsmanipulationen zu deutschen Cistern, zu Maultrommeln und
zu Dudelsäcken (als ganz bestimmten Projekt-Beispielen) etc., oder auch zum
später erschienenen, überaus verlogenem und gezielt geschichtsverfälschendem
Liederbuch der neueren DDR-Folkszene (alles Zusammenhänge die mich, und das zu
DDR-Zeiten von dorther über mich verbreitete Intrigen- und Lügennetz,
unmittelbar betreffen), stets weitgehend verschlossen bleiben werden. Und diese
Verschlossenheiten erstrecken sich eben auch auf all die Aktivitäten von
Personen, die - deutlich von ihm protegiert - eilfertig diverse „Beurteilungen“
und „Einschätzungen“ zu meiner Person (auch in Verbindung mit dabei genau zu
beachtenden Handlungs- und Verschwiegenheits-Anweisungen – so z.B. der Leiter
der Gruppe „Feldforschung“ bzw. der Parteisekretär der ZAG, der Leiter des
erwähnten „Leipziger Zentralhauses“ oder der Chef des ASMW in Markneukirchen,
usw. – alles Personen, die sich diesem hochrangigen Wissenschaftsmachthaber
gegenüber auch unübersehbar subaltern-hörig verhielten) angefertigt und in
Verbindung mit geheimhaltungsabsichernden „Ehrenworterklärungen“ gezielt in
bestimmten Institutionen und ausgewählten Personenkreisen verteilt wurden. Ich
werde weder deren Inhalte, noch deren Reichweite innerhalb des
Wissenschaftsbetriebes (von dem sie wahrscheinlich primär induziert worden
sind) jemals persönlich erfahren können...
Und wie habe ich mir all solche, dann auch später, in den 90er Jahren, von
Stockmann oder anderen sich gestört oder auch konzeptions- gefährdet fühlenden
Wissenschaftlern oder entsprechend allzeitbereiten ’willigen Helfern’
zweifellos weiterhin beherrschten und entsprechend gestalteten (also von mir
auch stets kritisch zu bedenkenden) Zusammenhänge und Strukturvernetzungen,
etwa hinsichtlich meines, dann von der DFG umgehend abgelehnten Antrages zu dieser
ganzen, bereits damals von mir als wissenschaftsgefährdend charakterisierten
Situation um diese, sich doch so deutlich abzeichnende
„Systematisierungsproblematik in Deutschland“, vorzustellen? Werde ich je
erfahren, vom wem und mit welchen wirklichen Begründungen, dieser Antrag aus
dem Jahre 1998 von dieser doch zur Kompetenz verpflichteten
Wissenschaftsinstitution, abgelehnt wurde? Eigentlich stand mir damals, als
einem aus politischen Gründen auf den Weg der Arbeitslosigkeit abgedrängten
Wissenschaftler, gar nicht mehr zu, dort derartige Anträge überhaupt noch
stellen zu können; - ich habe aber (wie überhaupt in der ganzen Zeit meiner
’Arbeitslosigkeit’) neben der Weiterführung meiner wissenschaftlichen
Arbeiten, auch ständig einen ungeheuren Arbeitsaufwand zur Überwindung aller
möglicher bürokratischer Hürden, im Sinne des Erhalts wenigstens einiger
wissenschaftlicher Wirk-Möglichkeiten, betrieben und letztlich doch auch
(allerdings nur in einer sehr komplizierten Verbindung mit einer entsprechend ’offiziellen’
Wissenschaftseinrichtung, deren ’Vorantrag’ bei der DFG das Geschäftszeichen We
2336 / 1-1 und 1-2 trug) einen solchen Antrag, mit all den, für Fachleute
verstehbaren Hinweisen zur „Brisanz“ dieser Situation in Deutschland, auf den „amtlich
offiziellen Weg“ bringen können.
Was ich mir nun dabei - entsprechend meiner vielfältigen und konkreten ’Erfahrungen
mit derartigen „Besonderheiten“ des amtlich organisierten Wissenschaftsbetriebes’
(also auch unter Berücksichtigung meiner Erfahrungen zu den entsprechenden
Wissenschafts-Manipulationen Stockmanns - aber eben auch
hinsichtlich sonstiger bürokratieverstrickter Macht-Institutionen) wiederum
denken und gut vorstellen kann, sieht in etwa folgendermaßen aus, - und wird
sich hoffentlich doch als übertrieben erweisen:
Vielleicht wurde dieser Antrag von diesbezüglich fachinkompetent-verantwortungslosen und
vielleicht auch entsprechend „beauftragten“ bzw. demgemäß beeinflussten „Gutachtern“ sofort
auf den Stapel der unverzüglich abzulehnenden Anträge, gelegt? Er könnte aber
auch, durch die Hände ganz anderer Wissenschaftsakteure gegangen sein, um dann
auf einen Stapel mit zwar ebenfalls dringend abzulehnender, aber doch ihrer
Thematik wegen noch anderweitig zu überdenkender bzw. “im Auge zu behaltender“
Unterlagen zu gelangen. Und da könnte die Sache nun spannend werden und sich in
folgender Weise weiter bedenken lassen: Da es sich bereits damals um ein
eigentlich unübersehbar unvermeidliches Thema handelte, dessen künftig weiter zunehmende
Brisanz auch auffallen konnte, wäre dann wohl auch kaum völlig auszuschließen,
dass sich fernerhin eine willige Wissenschaftskraft (etwa in ebenso
„schlicht-traditioneller Weise“ wie anlässlich einer „Kulturgeschichte zur
Maultrommel“) wiederum artig „für die Überlassung dieses Themas“ zu bedanken
haben wird, und auf diesem Wege auch eine, vielleicht ebenso brave, inzwischen
vielleicht längst von bestimmten akademischen Instanzen ordentlich abgesegnete
(mir aber bislang nicht zugängliche, gegebenenfalls vielleicht auch gezielt
vorenthaltene) „ganz aktuelle“ und abgesichert zurechtgeschliffene Bearbeitung
dieser Problematik zustande gekommen ist. Mir drängen sich bei solchen
Überlegungen sofort ganz bestimmte Erinnerungen auf. Erinnerungen an - aus
meiner Sicht geradezu grauenvoll inkompetenten – aber mit Stockmann verbundenen
(bzw. von ihm betreuten) „musikwissenschaftlichen Darstellungen“ zur
neofolkloristischen Szene der DDR, die in bestimmten Fällen auch deutlich
lügenhaft durchwebt, - zum Teil auch von Personen die jahrelang vor aller
Augen, von Stockmann, in ganz besonderer Weise protegiert worden sind und als
Ergebnis dessen, später wohl als wissenschaftlich „authentische“ Zeitzeugen
der DDR-Folkszene, oder inzwischen vielleicht sogar als Musikethnologen
gelten. Wenn ich derartige handfeste Mechanismen und dazu die zuvor bedachten
Manipulationsmöglichkeiten bedenke, so kann dies, egal welche und wie viele
„Stockmänner“ dazu dann wirksam werden mussten, auch die Grundlage dafür
werden, dass all das, was ich nun am 22.10.08 zur Systematik vorzutragen
gedenke, mit einer einzigen, ganz einfachen Bemerkung, vom Tisch, bzw. aus dem
Sichtfeld eines möglichen Interesses an der von mir geschilderten Problemlage,
gefegt werden könnte. Etwa in der Form:„Aber übertreiben sie doch bitte
nicht so haltlos, - diese Probleme sind doch schon alle längst bekannt und
viel genauer erforscht und auch wissenschaftlich exakt bearbeitet worden, -
werden allerdings von den wirklichen Fachleuten, die eben auch die neuere
Literatur dazu kennen, etwas anders beurteilt... Wenn sie bitte einmal folgende
Literatur zur Kenntnis nehmen würden usw...“
Sowohl die von mir seit Jahrzehnten betonte Brisanz des Problems, als auch das Problem
selbst, könnten auf eine solche Weise auch nun wieder mit den größtmöglichen
Formhöflichkeiten und auf die aller unverschämteste und verlogendste Weise –
erneut für „irrelevant und überholt“ erklärt werden. Denn gerade derartig
eingreifende und scheinbar „alles wieder klarstellende Informations-Bemerkungen“,
in Verbindung mit plötzlich und überraschend dazu vorgewiesener „neuester
Spezialliteratur“, habe ich, vor allem von Stockmann selbst, aber auch von
anderen, dann in gegebener Öffentlichkeit sehr eindrucksvoll agierenden
Wissenschaftsprominenzen, mehrfach in Erinnerung. Und solche Situationen wurden
in der Regel auch überaus perfekt organisatorisch abgesichert. Dem damit dann
so „wunderbar und elegant in die Parade gefahrenem“ ’kritisch und anders
Denkendem’, verbleibt am Ort einer solchen Inszenierung, kaum noch eine
Möglichkeit sich weiterer Unverschämtheiten zu erwehren. Bei Stockmann war für
die „wissenschaftsorganisatorische Vorbereitung“ derartiger (wie er es einmal –
fein dazu lächelnd - nannte) „klärender Ereignisse“, die jeweils von ihm
bevorzugte, vorherige „Geheimhaltung“ entsprechend vorzubereitender
„Wissenschafts-Projekte“, überaus charakteristisch. Dazu habe ich bereits
angemerkt, dass dies jeweils auch zu sehr deutlich wissenschaftskorrumpierenden
Effekten führen musste.
Soweit dazu meine, aus konkreten Erfahrungen rührenden Fragen, Vermutungen und
Bedenken, die zwar selbst fragwürdig bleiben werden, - die ich mir aber
unweigerlich stellen und vorhalten muss, sobald ich auch selbstbewusst mit-bedenke,
dass bestimmte Vermittlungen von Erfahrungen, wohl auch immer dazu tendieren
werden, bestimmte daraus erwachsende Vorstellungen wiederum gehörig zu
verzerren oder auch die Wirklichkeit dabei um ein Vielfaches zu „untertreffen“.
Denn, ob ich mit meinen, zwar aus konkreten Erfahrungen erwachsenden Bedenken und
Vermutungen, dann auch der konkreten Wirklichkeit in diesem Falle tatsächlich
näher gekommen bin, weis ich nicht. Und ich ziehe es vor, dies jeweils lieber doch
anzuzweifeln. Denn für ein wahrhaftiges Verständnis derartiger Verklemmungen
innerhalb der Geschichte des Systematisierungsdenkens in Deutschland, wäre,
gerade bei dieser wichtigen, konkret weichenstellenden Situation, eben auch die
konkrete, auf ihre wirkliche Realität bezogene Analyse, der in solchen Vorgängen
ablaufenden Eingriffe und Mitwirkungen etc., erforderlich. Die zwar auf
Erfahrungen beruhenden, sich aber dann doch eher „scientfictionartig“
gestaltenden Vermutungen, werden hingegen subjektiv bleiben.
Wie wurde also letztlich tatsächlich mit diesen damaligen „Forschungsinformationen“
zum „musikinstrumentellen Systematisierungsdenken in Deutschland“, die auf dem
Wege meines damaligen Antrages, doch bereits im Jahre 1997 bis auf diese Ebene
des Wissenschaftsbetriebes geleitet werden konnten, dort umgegangen?
Möglicherweise eine dort (also ’auf dieser Ebene’) immer noch sehr genau zu
beantwortende Frage, zu der ich aber wohl niemals eine Antwort erhalten werde.
Ebensowenig wie ich auf die Frage, ob ich etwa der einzige Wissenschaftler in
Deutschland war, von dem damals derartige, die deutsche Wissenschaftskultur
betreffende, Signale in Verbindung mit ganz bestimmten, zuvor schon in
wissenschaftlichen Körperschaften vorgetragenen, also schon lange zur
Diskussion gestellten, Alternativ-Konzeptionen, ausgingen? Jedenfalls vertrete
ich mit Blick auf meine dann folgenden Vorlesungsaktivitäten zur „Systematik
und Physik“ immer noch – entsprechend meines bisherigen Kenntnisstandes – die
Meinung, dass diese Vorlesungen damals wohl doch die einzigen dieser Art in
ganz Deutschland waren. Eine in diesen Zeiten aber auch stets gefährdete
Aktivität eines ohnehin ’fragwürdigen’ ostdeutschen Langzeitarbeitslosen,
welche doch wohl auch ’nicht ohne Grund’ und ‚leicht erklärlich’, dann auch
niemals von den Musikwissenschaftlern oder auch Studenten aus dem
Wirkungskreise von Stockmann, Kaden, Kuckertz, Jähnichen usw. (um nur die hier
bereits erwähnten, in dieser Weise freilich zum Teil willkürlich bleibenden
Beispiele, auch konkret zu nennen) aber auch anderer musikethnologisch
ausbildender Wissenschaftseinrichtungen in Berlin, besucht wurden, obwohl
gerade alle diese (aber eben auch viele andere - von denen dann aber auch
Zuhörer erschienen) mehrere Jahre lang, sowohl über das jährliche
Vorlesungsverzeichnis der Humboldt-Universität, als auch durch ein Vielzahl von
detaillierten, jährlich aktualisiert wiederholten, offiziellen Informations-
und Einladungsschreiben dieser Universität, genauestens über diese (eben
auch demonstrativ im Sinne einer bestimmten Systematik, systematisch aufgebaute
musikinstrumentelle Veranstaltungsreihe informiert worden waren. (Oder gab es
da doch gewisse „Inkognito-Fälle“, wie etwa bei der Kontrolle meiner
Vorlesungsaktivitäten seitens des Arbeitsamtes Templin?)
Eine auf Objektivität orientierte Wissenschaftsgeschichte wird künftig nicht
umhinkommen, sowohl alle derartigen, Initiativen als auch gerade bestimmte
gegensätzlich konzipierte Arbeiten und Auffassungen, wie eben beispielsweise
die von mir entwickelte Systematikkonzeption, und die dann dazu etwas später
nachgeschobene von J.P. Fricke, sowie auch vorherige und später nach folgende
„Vergleichbarkeitskonstellationen“ und ihre entsprechend mit-bedingenden
Hintergrundstrukturen usw., als historische Belege unterschiedlicher Tendenzen
und Auffassungen und vielleicht auch unterschiedlicher Denkweisen,
unterschiedlicher Wissenschaftshaltungen und gegensätzlicher Kulturen, zur
Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu interpretieren.
Allerdings kann der hierbei eigentlich verantwortliche Wissenschaftsbetrieb in Deutschland, der sich
hinsichtlich seiner Verantwortlichkeiten in traditionell bewährter Weise stets
gerne hinter der Politik (inzwischen aber auch hinter der “Globalisierung“ - wo
freilich bereits die Politik ausgeklügelte Versteck-Spielchen treibt)
verstecken möchte, letztlich auch ohne Weiteres ’umhinkommen’ eine
solche wissenschaftsgeschichtliche Forschung künftig auch tatsächlich gezielt
zu unternehmen und solide zu betreiben. So sind beispielsweise die beiden hier
in Frage stehenden Vorwörter von Stockmann und Kaden, die nicht nur mit
gewiefter Eleganz an wissenschaftsgeschichtlichen Grundfragen und Realitäten
’vorbeiberichten’, sondern diese Geschichte in bestimmten Aspekten auch gezielt
verzerren und geradezu verfälschen, dabei aber innerhalb gegenwärtiger
Wissenschaftsverhältnisse doch durchaus die Anmutungskraft „solider
wissenschaftshistorischer Darstellungen“ erlangen können (oder bereits erlangt
haben?), auch durchaus als sinnfällige Beispiele, oder auch vorbildhaft- brillante
Modelle bzw. empfehlenswert-effektive Verfahrensweisen, für ein solches, auch
künftig sicherlich angestrebtes „Umhinkommen“, überaus geeignet.
(34)
Auf Grund meiner persönlichen Erfahrungen mit bestimmten Wissenschaftlern kann ich
nicht anders, als diese Begebenheiten (bei denen diese Wissenschaftler sich
freilich auch auf ihre persönlichen Erfahrungen mit einem sehr leicht als
„Außenseiter“ oder auch „Spinner“ abzustempelndem „Störenfried“ berufen
können) eben doch als ganz typische und durchaus symbolträchtige Beispiele für
eine bestimmte, mir doch allzu häufig begegnete Wissenschaftsunkultur zu
empfinden. Aber möglicherweise hat sich bei mir, mit dieser verallgemeinernden
Empfindung, auch eine letztlich doch 'übertreibende Erfahrung' herausgebildet:
Vielleicht handelte es sich doch eher um eine einfach nur sehr häufige und
insofern dann auch auf allen ’Ebenen’ anzutreffende, typisch deutsche
Erscheinungsform von allzu fest eingewöhnter Missachtung gegenüber bestimmten
Ausländern und bestimmten Außenseitern und sollte schon insofern vielleicht
eher einer allgemeineren Unkultur von menschenverachtendem schlechtem Benehmen,
und nicht so übereilt einer speziell musikethnologischen Mentalität angelastet
werden? Ich weis nicht... Vielleicht sollte ich mich tatsächlich aus Gründen
der „Wahrscheinlichkeitsrechnung“ besser auf diese zweite Interpretation
festlegen lassen? Nach meinen allzu deutlichen bisherigen Erfahrungen und
meinem dabei auch immer wieder befragtem Gewissen, liegt die Wahrheit aber doch
wohl eher in Richtung des belastenden Übergewichts von entsprechend peinlichen
Erlebnissen mit Vertretern gerade dieser Fachrichtung.
(35)
Auf internen wissenschaftlichen Veranstaltungen, wo sowohl bestimmte Instrumente,
als auch bestimmte Personen allzu leicht übergangen, oder auch von vornherein
ausgeschlossen werden können und Fach-Experten stets darauf aus sein werden,
ihre Positionen (ob nun in theoretischer Hinsicht oder auch - was freilich
nicht immer so leicht auseinander zu halten sein wird - hinsichtlich ihrer
Macht-Positionierung im realen Wissenschaftsbetrieb) weiterhin zu verteidigen
oder auszubauen, wird so etwas immer wieder anders aussehen und auch anders
ausgehen können, als vor Ort entsprechend systematisch exponierter Instrumentalmaterialien.
(36)
Siehe dazu auch die genauere Beschreibung dieses neuartigen Tongenerators in:
Bernd H .J. Eichler: “Über mögliche Konsequenzen zur Systematisierung von
Musikinstrumenten angesichts eines inkonsequent gebrauchten Begriffs der
‘Systematik der Musikinstrumente’“
(37)
Diese Blasinstrumente, die in einer Reihe von aufgestellten Fächer-Schränken mit
Glasscheiben (quasi als Mittellinie des zur Verfügung stehenden Raumes)
ausgestellt waren, wurden wie folgt unterteilt:
1. alle Arten von Flöten (aus den verschiedensten Kulturen und Materialien) als
’echte Aerophone’ bzw. ’primär aerophone Blasinstrumente’ (die von diesen
Instrumenten ’instrumentalintegrierte’ Luft bildet das primäre WESO);
2. Kesselmundstückinstrumente
(aus den verschiedensten Kulturen und Materialien) als eine bestimmte Form von
sekundär-aerophonen Blasinstrumenten (die Lippen des Bläsers am Kesselmundstück
sind das primäre WESO);
3. Klarinetten, Saxophone, Tarogatos, Martinshörner etc. (ebenfalls aus den
verschiedensten Materialien und Kulturen) als weitere Form sekundär- aerophoner
Blasinstrumente (die jeweils oberständig am Tongenerator / Mundstückbereich aufgebrachte
Zunge, aus den verschiedensten Materialien, ist das primäre WESO);
4. Oboen, Fagotte, Englisch Horn, Rankett, Schalmeien konischer und zylindrischer
Art (also alle Arten von sogenannten „Doppelrohrbblatt- Instrumenten“ aus den
verschiedensten Kulturen und Materialien) etc. als weitere Form
sekundär-aerophoner Blasinstrumente (die beiden Halbmembranen [gegebenenfalls
auch eine jeweils einzelne Halbmembrane] des sogenannten „Doppelrohrblattes“
[also gegebenenfalls des „Einzelhalbmembranen-Tongenerators], ebenfalls aus den
verschiedensten Materialien herstellbar, sind das jeweils primäre WESO);
5. Neuartige „membranophone Blasinstrumente“ verschiedenster Bauart und aus den
verschiedensten Materialien, als die neueste Form sekundär- aerophoner
Blasinstrumente... (die angeblasene Ganz-Membrane des Instrumentes ist das primäre
WESO).
6. An der Fensterseite des Raumes begann zudem eine „Entwicklungslinie“ zu
Musikinstrumenten mit Zungen, in der letztlich (da diese Linie wiederum bis zur
Vielzahl von Harmonikainstrumenten auf der Oberseite dieser Schranklinie
geführt werden konnte) auch alle weiteren „Blasinstrumente“ unter
entwicklungstheoretischen und systematischen Aspekten eingeordnet werden
konnten...
Mit dieser Expositionsform, in der all diese (und noch viele hundert andere – dann
an den Wänden dieses Raumes ausgestellten) Instrumente untergebracht werden
konnten, wurde mir etwa drei Jahre lang in einer Berliner Musikschule
ermöglicht im Sinne meines Systematikverständnisses zu wirken. Es ist die Form,
die damals auch der Öffentlichkeit zugänglich war und in der sie auch Dr. A.
Markmiller und Prof. T. Duis, sowie viele andere Vertreter des Saarlandes
damals kennenlernen konnten. Im Zusammenhang mit der Übergabe eines Großteils
dieser Instrumente wurde dann auch in diesem Raum eine exakte Bilddokumentation
über jedes einzelne bisher übergebene Instrument sowie eine Videoaufzeichnung
dieser damaligen Gesamt-Ausstellung, mit Kommentaren von mir, übergeben.
Siehe dazu wiederum:
Bernd H. J. Eichler, Statement zur Podiumsdiskussion: Transformationen-
Translokationen-Dispersionen: Sammlungen im Kontext gesellschaftlichen und
machtpolitischen Wandels; in : Musik- Sammlungen- Speicher interkultureller
Prozesse, Erik Fischer (Hrsg.) Stuttgart 2007, Teilband B S.614-616 , sowie
Bernd H. J. Eichler, „Museologische Erwägungen zur Systematisierung und Präsentation
einer Privatsammlung“. in: ebenda, Teilband B S.641-649
(38)
Die kürzere der beiden Röhren müsste dabei etwa folgende Merkmale tragen: Sie
müsste über den größeren Durchmesser verfügen, so dass sie auf die längere auf-
bzw. über- geschoben werden kann. Sie könnte an ihrem oberen Ende über
Einkerbungen zum Festbinden der Membrane verfügen. Außerdem müsste sie über
eine seitliche Einblasöffnung (Loch oder Schlitz an der Seite; oder eine
entsprechend öffnende Einkerbung im unteren Röhrenrand) verfügen. Abgesehen vom
zu vergleichendem Durchmesser beider Röhren, welche nur zusammen einen solchen
Tongenerator ermöglichen, würde die kürzere (d.h. die ’obere’), falls sie über
eine entsprechende seitliche ’Einblasöffnung’ verfügt, bereits alleine
genommen, genügend ’verdächtig’ sein können, um damit auch akustisch zu
experimentieren.
(39)
Dies ist sicherlich vielfach geschehen; und mir beispielsweise wiederholt in überaus
unsachlichen Argumentationen gegen das Konzept von H. Heyde begegnet.
(40)
Erich von Hornbostel und Curt Sachs. “Systematik der Musikinstrumente / Ein Versuch“
(1914); in: Erich Moritz von Hornbostel/Tonart und Ethos/Aufsätze zur
Musikethnologie und Musikpsychologie; herausgegeben von Christian Kaden und
Erich Stockmann, Leipzig 1986, S. 151 - 206
(41)
Siehe dazu:
Bernd H. J. Eichler:, Statement zur Podiumsdiskussion: Transformationen- Translokationen-
Dispersionen: Sammlungen im Kontext gesellschaftlichen und machtpolitischen
Wandels; in : Musik- Sammlungen- Speicher interkultureller Prozesse, Erik
Fischer (Hrsg.) Stuttgart 2007,Teilband B S.614-616
sowie
Bernd H. J. Eichler, „Museologische Erwägungen zur Systematisierung und Präsentation
einer Privatsammlung“. in: ebenda, Teilband B S. 641-649
(42)
Siehe dazu auch:
Bernd H. J. Eichler: „Mutwillige Anmerkungen zum Schwirrholz“ (Vortrag aus dem Jahre 1990, gehalten am Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der
Wissenschaften der DDR)
(43)
Siehe dazu die Themen zur Vorlesungsreihe:
Bernd H. J. Eichler: “Vorlesungsreihe zur 'Systematik und Physik der Musikinstrumente'“
sowie
Bernd H. J. Eichler: “Ausgewählte Thesen und Anmerkungen zur ‘Vergleichsanalytischen Musikinstrumentenforschung’
(VAO)„ (Vorgetragen und erläutert am 14.5.1997 im Interdisziplinären Institut
für Wissenschaftsphilosophie und Humanontogenetik an der Humboldt-Universität
zu Berlin)
(44)
Erich von Hornbostel und Curt Sachs. “Systematik der Musikinstrumente / Ein Versuch“
(1914); in: Erich Moritz von Hornbostel / Tonart und Ethos / Aufsätze zur
Musikethnologie und Musikpsychologie; herausgegeben von Christian Kaden und
Erich Stockmann, Leipzig 1986, S.13
(45)
ebenda S.28
(46)
ebenda S.21
(47)
ebenda S.21
Auf meine, einst auch an Stockmann gerichtete, Frage/Bemerkung nach der doch
seltsamen Bezugslosigkeit dieses immerhin von einem promovierten Chemiker
mitverantworteten Textes in Richtung auf die damalige konkrete Situation in der
Chemie (System der Elemente; klassifikatorische Aktivitäten, systematische
Reihen etc...) antwortete er in seiner typisch eloquent-wortreichen, häufig
aber auch sehr herablassenden Art, dass dazu aber doch bereits in den ersten
Sätzen dieser klassischen Arbeit deutlich Stellung genommen worden sei und
somit für den gebildeten Leser eigentlich alles gesagt wäre – man müsse sich
diesen bedeutungsvollen Text eben nur gründlicher anschauen...
(48)
Ich habe hier nicht etwa einfach meine Meinung über v. Hornbostel formuliert,
sondern möchte vielmehr, und vor allem, auf Gefahren hinweisen, die sich aus
den vielfältigen Widersprüchen innerhalb dieser beiden Vorwörter, aber auch
zwischen diesen und der damaligen, sowie der jetzigen Wirklichkeit ergeben.
(49)
In dieser Frage ist mir von verschiedenen Musikwissenschaftlern desöfteren
entgegengehalten worden, dass v. Hornbostel doch offenbar in Berlin alsbald
seine „Erfüllung“ als Wissenschaftler in den Musikwissenschaften gefunden habe
und sich dann für Chemie eben überhaupt nicht mehr interessieren mochte, was
doch für einen wirklichen Musikfreund nur allzu verständlich sei... Diese
einseitig „symphathiegeleitete“ Betrachtung mag zwar zuweilen „einleuchtend“
erscheinen, muss auch nicht direkt allen meinen angeführten Bedenken
widersprechen, steht aber doch allzu deutlich den speziellen Darstellungen,
Behauptungen und Argumentationen von Stockmann und Kaden entgegen. Diese laufen
schließlich darauf hinaus, dass damals, mit v. Hornbostel, gerade ein allseits
interessierter und vielseitiger Naturwissenschaftler das Gebiet der
Musikwissenschaft betreten hatte, dabei größte naturwissenschaftliche Übersicht
mitbringt und stets eine Vielfalt von musikbezüglichen Naturwissenschaften im Sinn
hat, in besonderer Weise über die Gabe der Interdisziplinarität und der
Wissenschaftsorganisation verfügt, dabei in wegweisender Art ganz neue Sichten
auf anstehende musikologische Fragen und Sachverhalte aufwirft, und so auch
ständig ’seiner Zeit weit voraus eilt’... Und in einer derart euphorischen, und
in vielen Punkten auch nur behaupteten und keineswegs wirklich sachlich
belegten oder auch nur irgendwie belegbaren Darstellung, müssen sie – ob immer
klar bewusst oder oft auch eher unbewusst – doch ständig an der Tatsache vorbei
manövrieren, dass gerade durch die ihm nun auch noch „erstrangig“
zugeschriebene „Systematik“, bereits damals durchaus gegenteilige, d.h.
einengende und engstirnig fehlorientierende Tendenzen und Wirkungen in der
Musikwissenschaft zum Tragen gekommen sind.
Die oben geschilderte „chemieverleugnende“ Sicht bzw. eine dementsprechende
Vermutung über einen solchen „Sinneswandel“, wäre jedenfalls in Hinsicht auf
den doch stets vorausgesetzten „Systematiker“ und Naturwissenschaftler v.
Hornbostel, ziemlich unhistorisch und ganz untauglich. Selbst wenn man einer
solchen - für manchen Musikwissenschaftler sicher attraktiv und beeindruckend
überzeugend wirkenden - Vorstellung anhängen möchte, dass also v. Hornbostel
sich alsbald auch wirklich in keiner Weise mehr für Erkenntnisse und
Entwicklungen der Chemie interessieren wollte, so können doch bestimmte
sensationelle Wissenschaftsereignisse, die damals keineswegs nur ’chemieintern’
zur Kenntnis genommen wurden, unmöglich unbemerkt an ihm vorbeigegangen sein.
Etwa zwei Jahre vor Entstehung der „Hornbostelschen Systematik“ wurde einer der
ersten Nobelpreise für Chemie an eine Frau vergeben, die diesen Preis
allerdings wiederum drei Jahre zuvor bereits – und damals als erste
Nobelpreisträgerin überhaupt - für das Fach Physik erhalten hatte. Also jeweils
– wie Stockmann ausdrücklich betont - die beiden bevorzugten Studienfächer von
Hornbostel. Und das Zusammentreffen dieser beiden Fachrichtungen hat hier
wiederum mit dem berühmten „Periodensystem der chemischen Elemente“ zu tun.
Denn der zweite Nobelpreis wurde für die Entdeckung bzw. den
’Wirklichkeits-Nachweis’ zweier vorher in diesem ‚Natürlichen System’ nur als
„weiße Flecken“ verzeichneter „Elemente- Platzierungen“ vergeben: für die auf
neue systemisch-systematische Art neuentdeckten Elemente Uran und Polonium.
Wie ich schon betont habe, werden derartige Fakten und Zusammenhänge, auch im
speziell naturwissenschaftlich ausgestalteten Text von Kaden, weder berührt
noch bedacht. Da, wo er in Hornbostelschen Texten naturwissenschaftliche Bezüge
zu erkennen glaubt, geht er entsprechend interpretierintensiv darauf ein,
und letztlich erfahren wir dabei durch seine teilweise sehr ausführlichen und
zumeist überaus blumigen Darstellungen zu bestimmten Naturwissenschaften wohl
so ziemlich alles, was ihm selbst so in etwa über Naturwissenschaften bekannt
sein mag. Wir erfahren aber nichts Näheres über die tatsächlichen und
eigentlich relevanten Wissenschaftsbezüglichkeiten hinsichtlich des damals möglichen
Nachdenkens über Chemie und Systematik beim Chemiker und Systematiker v.
Hornbostel. Auch der ganz besondere „Systematiker-Heiligenschein“, der mit
Hilfe Stockmannscher und Kadenscher Argumentationen über dem Kopf dieses Mannes
errichtet wurde, wirft kein Licht in die Denkwerkstatt dieses Kopfes; - es
ergibt sich keinerlei Antwort auf die Frage, ob und inwieweit, sich dieser Kopf
überhaupt jemals wirklich systematisch zum Problem einer 'Systematik'
angestrengt hat. ?
Und so steht für mich immer noch diese ganz offene, aber vielleicht doch einmal
eingehender zu beantwortende Frage. Eine Frage, die ich seinerzeit auch
Stockmann gestellt hatte, dazu aber - wie bei fast allen Fragen an ihn - nur
ausweichende oder aber diffus-ambivalente Antworten erhielt, die sich in diesem
speziellen Falle wiederum auf die bekannte Formulierung von Sachs bezogen.
In welcher Art bzw. mit welchem „Anteil“ wäre wohl der wirkliche, hoffentlich dann
auch tatsächlich belegbare Beitrag v. Hornbostels am Zustandekommen dieser
Systematik zu veranschlagen? Ohne Antwort bleibt die mögliche, und für mich
auch aus vielen Gründen durchaus nahe liegende Vermutung bestehen, dass sein
Beitrag letztlich doch ziemlich unerheblich bzw. ohne weiterreichende
inhaltliche oder sonst irgendwie wesentliche Bedeutung war. Ich würde dies
durchaus für eine, wenn nun auch nicht mehr so „ruhmreiche“, so doch wiederum
in gewisser Weise „entlastende“ Möglichkeit halten.
Denn falls er tatsächlich wesentlich verantwortlich beteiligt war, so möchte ich
auch weiterhin auf meiner demgemäß sehr kritischen Einschätzung dazu, bestehen
bleiben.
Meine weiterreichenden kritischen Einwände und Bedenken zu diesem Text von Kaden,
insbesondere hinsichtlich seiner oft fragwürdigen Darstellung bestimmter
Naturwissenschaften, möchte ich hier nicht weiter ausführen oder wiederholen.
(50)
Erich von Hornbostel und Curt Sachs. “Systematik der Musikinstrumente / Ein Versuch“
(1914); in: Erich Moritz von Hornbostel / Tonart und Ethos / Aufsätze zur
Musikethnologie und Musikpsychologie; herausgegeben von Christian Kaden und
Erich Stockmann, Leipzig 1986, S.13
(51)
Hierzu möchte ich nur folgende Anmerkung machen: Auch eine noch weniger durchdachte
Systematik mit noch größeren Mängeln und ausgeprägteren Gefahren für
uneingeschränkte Forschungsansätze, hätte, wenn es ihr gelungen oder auch
’widerfahren’ wäre, damals die Rolle der Sachs / Hornbostelschen Systematik in
der Musikethnologie einzunehmen (und eine derartig ’offene Situation’ bestand
damals doch wohl?), später problemlos mit einer ebensolchen `lobenden
Formulierung´ bedacht werden können. - Und dies auch weitgehend unabhängig
davon, ob ihr spezifischer ’Schadens-Faktor’ dann kleiner oder größer als der
der Sachs / Hornbostelschen ausgefallen wäre. Dass ein solcher (immer noch wirkender)
„Schadens-Faktor“ für die Wissenschaftsentwicklung bezüglich der
Sachs/Hornbostelschen Systematik von Anfang an eine Rolle gespielt hat, scheint
mir jedenfalls offensichtlich.
(52)
Erich von Hornbostel und Curt Sachs. “Systematik der Musikinstrumente / Ein Versuch“
(1914); in: Erich Moritz von Hornbostel / Tonart und Ethos / Aufsätze zur
Musikethnologie und Musikpsychologie; herausgegeben von Christian Kaden und
Erich Stockmann, Leipzig 1986, S.13
(53)
Diese überaus unklaren Begrifflichkeiten lassen sich zwar auch in der
wissenschaftlichen Literatur zuweilen aufspüren, werden aber wohl nicht
von den klarsichtigeren Autoren bevorzugt. Mahillon sprach beispielsweise - und
das ist einer der Punkte, den gerade auch Sachs & Hornbostel in der Einleitung
ihrer „Systematik“ demgemäß würdigend hervorheben - von der „Art des
schwingenden Körpers“. Insofern kann es als überaus rätselhaft (und natürlich
’bemerkenswert’) angesehen werden, dass Stockmann hier auf ganz anders
orientierende Begrifflichkeiten zurückgreift. Denn sowohl „Konstruktionsart“
als auch „Spielart“ ist eben etwas ganz anderes, als beispielsweise der Begriff
der „Erregungsart“ der sich eben auch auf die „Art des schwingenden Körpers“
bezieht. Und wenn man mit diesen weitaus zielgerichteteren wissenschaftlichen
Begriffen erst einmal ausgerüstet ist und denkerisch damit umgehen kann, so
wird auch deutlich werden, was da entsprechend schallrelevant erregt werden
soll, nach welchen wirklichen Kriterien diese „Grundkonstruktion“ (nämlich als Vierklassen-Systematik)
tatsächlich „aufgebaut“ ist, woraus deren Inhalt eigentlich besteht. Ebenso
führt auch der Begriff „Konstruktionsart“ nicht in Richtung auf diese
Viergeteiltheit und damit auch nicht auf die gefährliche Ebene des dann dort
lauernden logischen Dilemmas. Mit der von Stockmann gezielt absichernden
„Begriffsrüstung“ kann man sowohl vor der Kritik von Backhaus (die er offenbar
ganz bewusst niemals erwähnt), als auch vor der Gefahr, dass beim Leser
vielleicht ähnliche Fragen in dieser Richtung entstehen könnten, prinzipiell
sicher sein. Seine für diesen apologetischen Text hier speziell eingeführten
Begrifflichkeiten führen in ganz andere Assoziationsbereiche... Wir stoßen
damit auf eine zusätzliche, ganz eigenartige Tendenz: Man kann den Eindruck
gewinnen, dass hier, im Taumel überschwänglichster Lobpreisungen zur Sachs /
Hornbostelschen Systematik, nicht nur sachliche Hinweise von Kritikern und
deren Namen, sondern auch die eigentlich viel grundlegenderen Denkansätze von
Mahillon, ebenfalls nicht mehr genannt werden sollen. Diese sind allerdings
tatsächlich (worauf ich bereits mehrfach hingewiesen habe) nicht deckungsgleich
mit denen von Sachs und Hornbostel. Das Werk Mahillons und auch seine Leistung
in der Wissenschaft, kommen jedenfalls in beiden Vorwörtern dieser
Neuherausgabe nicht zur Sprache. Ich bin natürlich der Meinung, dass in diesem
Falle Sachs & Hornbostel eher zuzustimmen ist als Stockmann, denke dabei
aber auch, dass das unsolide Fundament ihrer Systematik keinesfalls irgendwie „ausgebessert“
oder etwa zurechtgerückt werden kann. Da ist eine ganz andersartige
Fundamentierung für ein anders konzipiertes System erforderlich, und in dessen
theoretischer Substanz müssten dann auch die grundlegenden Gedanken von
Mahillon wieder ernsthaftere Berücksichtigung finden...
(54)
Erich von Hornbostel und Curt Sachs. “Systematik der Musikinstrumente / Ein Versuch“
(1914); in: Erich Moritz von Hornbostel / Tonart und Ethos / Aufsätze zur
Musikethnologie und Musikpsychologie; herausgegeben von Christian Kaden und
Erich Stockmann, Leipzig 1986, S.13
(55)
Erich M. von Hornbostel / Curt Sachs. „Systematik der Musikinstrumente: Ein Versuch“.
Zeitschrift für Ethnologie 46 (1914). S.533-590...
sowie
Curt Sachs. „Vergleichende
Musikwissenschaft / Musik der Fremdkulturen“, Heidelberg, 1959
(56)
Bernd H. J. Eichler: „Mutwillige Anmerkungen zum Schwirrholz“ (Vortrag aus dem Jahre 1990, gehalten am Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR)
sowie
Bernd H. J. Eichler. “Das Schwirrholz - Tongenerator zwischen Natur und Geist (Teil
I)“, in: Probleme der Pflege und Aufführungspraxis traditioneller Musik, hrsg.
Von M. Bröcker, Bamberg 1993
und
Bernd H .J. Eichler:“ Das
Schwirrholz - Tongenerator zwischen Natur und Geist (Teil II)“ (entstanden in
Fortsetzung von Teil I; 1992/1993);
(57)
Gerade in diesem letzteren Sinne, also als eine mögliche wissenschaftliche Grundlage
für ein sachgerechtes Verstehen der weiterhin entsprechend systematisch zu
analysierenden und dann auch systematisch einzuordnenden Untersuchungsobjekte,
möchte ich mein seit Jahren vorgestelltes, vergleichsanalytisch begründetes
System natürlich-akustischer Musikinstrumente konzipiert haben und dieses dabei
stets als ein für laufende detaillierte Konkretisierungen und auch
Verbesserungen weiterhin offenes System verstanden wissen. So wären dabei
sicherlich immer wieder - entsprechend dem weiteren Gang der in diesem Sinne
erfolgenden, aber eben auch konkret erforderlichen, Forschungen – in allen
seinen Verzweigungen bestimmte Besonderheiten berücksichtigende
Konkretisierungen fortlaufend einzuarbeiten..
(58)
Erich von Hornbostel und Curt Sachs. “Systematik der Musikinstrumente / Ein Versuch“
(1914); in: Erich Moritz von Hornbostel / Tonart und Ethos / Aufsätze zur
Musikethnologie und Musikpsychologie; herausgegeben von Christian Kaden
und Erich Stockmann, Leipzig 1986, S.13
(59)
So als ob diese etwa durch einen fortlaufenden Vorgang ständiger
’Ersetzungsversuche’ der verschiedenartigsten Klassifikationen, und in diesen
Vorgang auch eingebundener ‚Phasen ihrer jeweiligen Bewährungsproben’ zu
kennzeichnen sei, und dabei dann auch alle anderen Klassifikationen tatsächlich
„versagt“ hätten usw... Die wirkliche (aber eben erst noch eingehender zu
erforschende) Geschichte ist wohl eher dadurch gekennzeichnet, dass doch immer
wieder ganz bestimmte und auch verschiedenartig ausgerichtete Kritiken an der
herrschenden bzw. „gültigen“ Systematik vorgebracht wurden, - es dabei aber
über einen erstaunlich langen historischen Zeitraum hinweg gelungen ist,
derartige Kritiken im Wissenschaftsbetrieb nicht zur Geltung kommen zu lassen;
- offenbar auch unabhängig von ihrem jeweiligen Wahrheitsgehalt. Die
Verfestigung der vielfältigsten Formen derartiger offenbar überaus effektiver
und sicher auch „akademisch bewährter“ Mechanismen dieser nun schon sehr lang andauernden,
und insofern auch als „erfolgreich und bewährt“ aufzufassenden Abweisungen
derartiger Kritiken sind dabei das eigentliche Problem für
erkenntnisorientierte Wissenschaftsentwicklung. Wir haben es dabei im Falle der
Musikinstrumentenforschung mit einem letztlich eben nur noch als paradox zu
bezeichnenden Vorgang in dieser Entwicklung zu tun: Nicht diese Systematik, die
sich letztlich als zunehmend untauglich erweist, hat sich dabei „bewährt“,
sondern lediglich (freilich in schändlicher Weise) die akademisch eingespielten
Mechanismen ihrer Verteidigung, bzw. weiter perfektionierter Abweisung jeglicher
Kritik
Wobei das von mir hier bewusst verwendete Wort „eingespielt“ auch in seiner möglichen
Mehrdeutigkeit zu verstehen ist: Zu ihrer Verteidigung gehört sowohl ein
breiter und akademisch traditionell fest verankerter Fundus an bis zur
Reibungslosigkeit ’eingespielten’ und schon länger funktionierenden Ritualen,
Gepflogenheiten, eingewöhnten Autoritätsbeweisen, Mechanismen der Unterordnung,
eingeübter Respekterweisungen gegenüber Personen und Argumenten usw. Aber
außerdem und andererseits werden auch auf allen diesen Ebenen und Kanälen des
akademischen Betriebes immer wieder entsprechende Novitäten „eingespielt“,
indem neue Schein-Argumente ins Spiel gebracht werden, neue Rituale und
Autoritäten installiert werden usw. Innerhalb der hier betrachteten
Zusammenhänge von „Vorwort-Zitaten“ möchte ich dies auch als das „Stockmann-Paradoxon
der Musikethnologie“ bezeichnen. So paradox dies aber auch sein mag, es
bleibt doch ein realer Vorgang in der Geschichte dieser Wissenschaft und wird
als solcher auch irgendwann einmal zum Gegenstand wissenschaftsgeschichtlicher
Untersuchungen gemacht werden müssen. Ich denke, dass sich dabei auch
verdeutlichen lassen wird, in welchem Maße dieser Vorgang - als dessen Ergebnis
’Bewährtheit’ unterstellt werden kann - von ’akademischen Stockmännern’ nicht
nur theoretisch behauptet, sondern eben auch aktiv mitorganisiert und dann
(wiederum mittels permanenter, zum Teil auch in Form überaus trickreicher -
oder auch intrigendurchwirkter – Umgehungen von Wahrheit, als wesentliches
Moment solch organisierter Aktivitäten) zu schlechter Letzt auch tatsächlich
als ’Realität von Bewährtheit’ darstellbar wird. In der allgemeinen Praxis des
Wissenschaftsgeschehens, kann dies dann von verschiedenen anderen Seite her,
sogar „reinen Gewissens“ als solche ’wahrgenommen’, und für ’objektiv’ gehalten
werden.
Solchen Trugschlusskonstellationen wird man aber nur durch ausreichende Beachtung, des
bei solchen Prozessen letztlich doch aufspürbaren kritischen Denkens entgehen
können – letztlich auch da, wo dieses bereits weitgehend akademisch liquidiert
wurde und also kaum noch etwas davon im offiziellen Wissenschaftsbetrieb
vorhanden zu sein scheint. Stockmann verhält sich in dieser Hinsicht zur Sachs
/ Hornbostelschen Systematik gerade so, wie Sachs und Hornbostel sich teilweise
in der Einleitung ihrer Systematik zu Mahillons Systematik verhalten haben. Er
agiert ebenso mit Aussagen wider die Wahrheit. Allerdings gibt es da auch feine
Unterschiede. Für die Zeit von Sachs und Hornbostel könnte man vielleicht noch
unterstellen, dass dies auch auf Grund mangelnden Veständnisses zu erklären
sei. In Hinsicht auf Stockmanns Formulierungen verhält es sich jedoch gänzlich
anders. Nicht nur, weil ich aus eigenem Erleben sicher weiß, dass ihm nicht nur
die Kritik von Backhaus, sondern darüber hinaus - keinesfalls nur von meiner
Seite her – auch andere kritische Einwände zu dieser Systematik, bekannt waren.
Ich denke, dass er hier bewusst und wider besseren Wissens (aber entsprechend bestimmter
Positions- und Status-relevanter Funktions-und Projektgebundenheiten), lieber
weiterhin auf der Fixierung der Unwahrheit bestehen bleiben wollte - denn dafür
hatte er schließlich eine leicht zu handhabende und beachtlich überwiegend
große Anzahl von inhaltlich gleichsinnigen und auch außerordentlich prominenten
Zitaten der wissenschaftlichen Literatur auf seiner Seite. Schließlich gehört
das unreflektierte, oft gedankenlose, „Lob der Systematik“ schon lange zu den
obligatorischen Pflichtübungen der gegenwärtigen Musikethnologie und findet
sich insofern auch bei nahezu allen ihren „prominenteren“ Vertretern.
(60)
ebenda
S,13
Um es hier deutlich zu sagen: Die als geradezu unanfechtbar geltende
„Wissenschaftsautorität Prof. E. Stockmann“ bringt es auch in diesem schwarz
auf weiß nachlesbar- gedrucktem Text ohne Weiteres fertig, eine schon sehr
lange und sehr deutlich kritisierte Schwachstelle der ganzen „Systematik“,
nämlich die von ihm favorisierte 'Grundordnung' mit ihrer folgenschweren
Unlogik, skrupellos in eine besonders lobend hervorzuhebende
Argumentationsbasis ihrer 'wissenschaftlichen Stärke', d.h. ihres 'ganz
besonderen jahrzehntelangen wissenschaftlichen Erfolges', umzuwandeln. In „nur
mündlich“ stattfindenden Auseinandersetzungen des von ihm dominierten
'wissenschaftlichen Alltags' innerhalb kleinerer Kreise, war man derartig
paradoxen „Argumentationsvorgängen“ ständig ausgeliefert. Anlässlich größerer
wissenschaftlicher Veranstaltungen aber (wo er sich auch oft auf ’feines
Lächeln’, Kopfschütteln oder Nicken beschränkte – was stets allerseits mit viel
Aufmerksamkeit bedacht und beobachtet wurde), war man ihnen in der Regel dann
um so mehr ausgesetzt, je sicherer er sich angesichts eines entsprechend
autoritätsprogrammierten Publikums bzw. entsprechend des zuvor organisierten
'Personals' oder eben auch der ’Knalleffekte’ gut vorbereiteter „klärender
Ereignisse“ jeweils sein konnte. Ich muss dabei wieder an die geradezu perfekte
Inszenierung seiner dann auch „vom Kollektiv getragenen Kritik“ an Dr. A.
Hesse denken, die letztlich ganz unübersehbar, auf ein von Stockmann
erlassenes, „akademisch verordnetes Auftritts- und Äußerungs-Verbot“ für diesen
Wissenschaftler hinauslief.
(61)
ebenda S.13/14
Erstens muss zu diesem abschließenden Satz von
Stockmann kritisch- korrigierend angemerkt werden, dass die in der Sachs /
Hornbostelschen Systematik vorliegende „Grundordnung“, also die
Vierklassenteilung der Instrumente (deren exakte Nennung - ich hatte bereits
darauf hingewiesen - in diesem gesamten Vorwort-Text zur Systematik
bemerkenswerter Weise stets vermieden wurde), keineswegs von Sachs und
Hornbostel „vorgenommen“, sondern von diesen beiden lediglich aus dem
Vierklassensystem Mahillons ’übernommen’ wurde, also keineswegs von ihnen
stammt. Zweitens, dass diese Grundordnung (so unlogisch sie auch
aufgebaut ist) seither, also bereits seit 1888, eigentlich von allen
wichtigeren Klassifikationssystemen, die überhaupt nach Mahillon entstanden
sind, ebenfalls einfach übernommen wurden. In meinen ersten Arbeiten zum
Schwirrholz liegt dann einer der wenigen Versuche eines völlig anders
strukturierten Entwurfes für eine solche Grundordnung, seit 1888, vor. Dabei
war ich natürlich bestrebt, sowohl bestimmte grundlegende Prinzipien von
Mahillon ’beizubehalten’, als auch die logischen Unstimmigkeiten seiner
’Katalog-Grundordnung’ zu vermeiden. Mit der von Stockmann nun aber gerade
betonten „Beibehaltung“ dieser „Grundordnung“ durch Dräger, musste er aber auch
auf diesen Unstimmigkeiten weiterhin bestehen bleiben, was spätestens jetzt,
wieder mit Blick auf diesen ’Zwanzig-Zeilen-Text’ zur Sachs / Hornbostelschen
Systematik, - wiederum und ebenfalls - als dritter, inzwischen aber
schon zum wiederholten Male angemerkter ’logischer Mangel’ der gelobten
Systematik bzw. als entsprechende Fehlbewertung und Falschdarstellung dieser
Systematik durch Stockmann, gekennzeichnet werden muss. Und viertens
muss dann auch die bereits aus vielen Gründen umso erstaunlichere Behauptung
über die angeblich ’uneingeschränkte Geltung der Substanz dieses Ergebnisses
der Gesellschaftswissenschaften’, zumindest auch aus den von mir
ebenfalls bereits gekennzeichneten ’praktischen Gründen’ zur wissenschaftlichen
Untauglichkeit dieser Systematik, deutlich zurückgewiesen werden. (62) Und fünftens
sollte dann (um auch in diesem Punkt ’logisch’ und konsequent nachfragend zu
bleiben) – auch mit Blick auf die schließlich nicht erst von Sachs und
Hornbostel im Jahre 1914, sondern bereits jeweils vom Mahillonschen Original
aus dem Jahre 1888 übernommenen „Grundordnung“ - letztlich auch die von
Stockmann so eigenartig als „seltener Fall“ behauptete ’Zeitspannenangabe’
(auf der ja schließlich die ganze Konstruktion dieses abenteuerlich- abschließend,
zusammenfassenden Lobliedes wesentlich aufgebaut ist), ebenfalls kritisch
korrigiert und erneut überdacht werden; - dann aber vor allem doch wohl mit
fragendem Blick auf die tatsächliche Sinnhaftigkeit einer derartigen Aussage
überhaupt.
Außerdem meine ich zu dieser Textstelle, dass die hier vorliegende spezifische
Verbündelung unterschiedlichster Tendenzen, deren Interpretationsbreite ohne
weiteres von fahnenumkränztem Jubellob bis zu nacktem Zynismus verächtlichster
Art, sowie von zurückhaltend distanzierter Ambivalenz bis zu aufdringlichster Anbiederung
in Form von „wissenschaftlich ausstaffierter“ Biederkeit reicht (und in der
Realität der Jahre nach 1986 in der DDR auch noch weitaus ’vielfächriger’
bedacht und interpretiert werden könnte), nur unter eingehenderer
Berücksichtigung eines tieferen Verständnisses der damaligen besonderen
’geistigen Situation in der DDR’, in welche dieses apologetische Lob- und Lügenkonstrukt
damals schließlich direkt hineingeschrieben worden ist, erwogen und
tiefergehend beurteilt werden könnte, und ich habe in diesem Sinne auch eine
ausgeprägte Meinung dazu. Hier wollte ich mich allerdings, in den kritischen
Anmerkungen, auf bestimmte, ausgewählt musikethnologisch-systemische Aspekte
beschränken, um dabei auch darauf aufmerksam zu machen, in welch fragwürdiger (und
eigentlich doch empörender) Weise er hier selbst eine so deutlich von einer
ganz anderen Position her entstandene Arbeit wie die von Dräger, als ein
Element seiner Lobesargumentation zur „gültigen Systematik“ einsetzt. Das
Hervorheben der Systematik von Dräger geschieht bei Stockmann natürlich ohne
dabei auf deren eigentlich kritische Substanz einzugehen und auch ohne darauf
einzugehen, dass gerade diese Arbeit (allein schon wegen des darin enthaltenen
Hinweises in Richtung auf ein „Natürliches System der Musikinstrumente“)
durchaus eine neue Etappe und auch eine ‚neue kritische Qualität’ in der
internationalen Diskussion zum „Systematikdenken“ ermöglicht hat. Er vermeidet
dabei auch jeglichen Hinweis auf den prinzipiellen Unterschied von
’Ordnungssystemen’ (wie etwa die Sachs / Hornbostelsche Systematik) und
’Natürlichen Systemen’ (wie etwa das ‚Periodensystem der chemischen Elemente’
oder die Dräger nachfolgenden theoretischen Ansätze von Heyde und anderen
Autoren usw.). Er hebt einfach nur einen bestimmten Aspekt - und dabei
bemerkenswerterweise auch noch den für diese Systematik nun eigentlich
unerheblichsten (da Dräger, mit den von ihm neu hinzu gefügten „Elektrophonen“
inzwischen natürlich nicht mehr auf die allgemein üblichen vier, sondern auf
fünf Klassen verweist) willkürlich hervor (bzw. „heraus“) und verarbeitet
diesen dann nach Belieben im Sinne seiner apologetischen Darstellung. Nur im
diffusen Lichte widerstreitender Mentalitäten zur herausgehobenen Bedeutung der
„Gesellschaftswissenschaften“ im DDR-Wissenschaftsbetrieb konnte dann eine
solche, ansonsten eigentlich völlig unwürdige ’Argumentationsweise’, diesen
besonderen Anschein von Anmutungskraft erlangen, der ihr Niederschreiben und
Gedrucktwerden überhaupt erst möglich machen konnte. Und bestimmte Ambivalenzen
dieser Argumentationsweise sind auch nur auf dem Hintergrund eines tieferen
Verständnisses der damaligen geistig-ideologischen Verhältnisse in der Mitte
der achtziger Jahre der DDR gründlicher zu verstehen. Dabei muss ich aber auch anmerken,
dass mir diese seine Behauptung ohnehin - also nicht nur mit Blick auf seine
verlogene Behauptung zur angeblichen „Substanz einer musikinstrumentellen
Grundordnung“, sondern auch in Hinsicht auf die eigentliche „Substanz der
Gesellschaftswissenschaften“ - als überaus fragwürdig erscheinen muss.
(62)
Damitm befinde ich mich zwangsläufig wieder, in einem besonderen Konflikt zwischen
Hoffnung und Glaube; - ähnlich dem, den ich zu Beginn meines Vortrages bereits,
mit Blick auf meine ’museologische Systematik - Initiative’, geschildert hatte.
Allerdings bezog sich der erstere Konflikt nur auf eine Frage an die ohnehin
bereits entschiedene, wenn auch noch nicht ganz geklärte Vergangenheit, -
während sich der nunmehrige auf die noch zu entscheidende, bislang immer noch
offene Zukunft richtet.
Zwar wünsche und hoffe ich sehr stark, dass vielleicht doch inzwischen (aber
hoffentlich wenigstens noch im Laufe der kommenden fünf Jahre) genügend
kritische Vernunft in den Musikwissenschaften zur Geltung gelangen möge, um
diesen Termin nicht zu einem heillosen Fiasko im Sinne peinlichster
Wiederholungsrituale bisheriger Lobesgepflogenheiten werden zu lassen. Ich kann
aber kaum glauben, dass die hier geschilderten und gegenwärtig doch noch
keineswegs überwundenen apologetischen Tendenzen bis dahin überhaupt keine
Rolle mehr in der Musikethnologie und der Instrumentenkunde spielen werden. Wie
wird sich ein solcher Zustand dann aber auf die konkrete Gestaltung dieser
Jubiläumsveranstaltungen in Deutschland auswirken?
Es wird immer wichtiger, hier ein wohlbegründetes kritisches Bewusstsein zu
entwickeln, sonst können beispielsweise allein solche Veranstaltungen, an deren
Vorbereitung vielleicht jetzt schon in manchen deutschen
Wissenschaftsinstitutionen gedacht wird, zu weiteren Triumphen gegen die
Vernunft geraten. Der Blick in die Vergangenheit kann die bereits lange
andauernde und sich zunehmend auswachsende Problematik solch schmählicher
Triumphe deutlich machen, die - wenn man in die Zukunft blickt - nun auch zu noch
katastrophaleren Zuspitzungen führen können: Jubelfeiern voller unklar
bleibender Lobes-Pflichtlügen auf der einen Seite und das scheinbar sachlich- besonnene
Aufgreifen dieser Problematik seitens eines ’zeitgemäß intellektuell’ und
„wissenschaftsverbündet“ daherkommenden Antisemitismus spezifisch
faschistischer, kulturkämpferisch konservativ-deutscher Art, auf der anderen.
Auf welcher Seite (oder wo eigentlich überhaupt?) befindet sich dann aber die
Wissenschaft? Und wo steht sie in dieser Frage gegenwärtig?
Die deutsche Musikethnologie hat nahezu ein Jahrhundert lang eine internationale
Renommee-Position usurpiert, zu der sie offensichtlich nicht entsprechend kompetent war.
Und ein halbes Jahrhundert davon hat sie es offenbar, wenn auch offensichtlich
differenziert, sowohl ostdeutscher- als auch westdeutscherseits getan. Allein diese
„innerdeutschen“ Unterschiede zu untersuchen, müsste wissenschaftsgeschichtlich
hochinteressant, aber auch vielfach weiterführend aufschlussreich sein.
Das vielleicht Interessanteste wäre hier möglicherweise die Tatsache, dass sie zumal
ostdeutscherseits, dabei in einer historisch relativ kurzen Zeitspanne,
nahezu von dem einen (aus meiner Sicht freilich als eher fruchtbare Tendenz
zu bewertendem) Extrem, in das andere (eben das ’stockmannsche’) geraten ist.
Dieser Vorgang lässt sich wohl auch mit Fakten belegen und beschreiben, aber
doch nicht so leicht „DDR-geschichtlich erklären“.
Vielleicht wäre das zweite Extrem dann auch eher als spezieller Ausdruck einer damals
in der DDR auf vielen Ebenen wirkenden Tendenz eines lediglich „normalisierenden
Zurückkehrens“ auf die, eben doch ständig eher westlich-, als etwa östlich- orientierte,
„gesamtdeutsche Werte-Normalität“ zu interpretieren?
Ein „normalisierendes Zurückkehren“ allein schon in dem deutschen Sinne, dass
offenbar „Bewährtes“ und schon lange als „gültig“ Erklärtes, allemal mehr
Gewissheit und auch mehr Sicherheit in Hinsicht auf bestimmte geisteswissenschaftlich
zu stützende, kulturelle Grundwerte (oder eben auch „Wissenschaftserrungenschaften“)
zu vermitteln vermag, als die letztlich unabgeschlossen- ungeklärt bleibenden
Zwischenergebnisse eines unsicheren und offenbar nur zeitweiligen „ostdeutschen
Kybernetisierens“ in Richtung auf ein letztlich doch wohl nur ’materialistisch-naturwissenschaftlich’
zu begründendes „natürliches System von Kulturobjekten“, - also einer ohne hin
vielerseits als fragwürdig angesehenen Angelegenheit, bei der sich die meisten
kulturengagierten Geister aus deutscher Dichter- und Denkertradition,
sicherlich lieber für Kultur im Sinne vorwiegend ideeller Geistes Werte, also
schon a priori eher gegen die Möglichkeit der Existenz eines so unterstellten
„Natürlichen Systems“ von menschgemachten, also doch ideell begründet zustande
gekommenen Kultur- und Kunstobjekten, aussprechen werden?. Mir scheint
jedenfalls, dass angesichts der bevorstehend zu erwartenden
Entwicklungstendenzen hiesiger Gesellschaftsverhältnisse, die Gefahr der auch
künftig möglichen Unterschlagung einer solchen DDR - Spezifik in dieser
Entwicklung, weiterhin bestehen und vielleicht auch weiterhin zunehmen wird.
Wenn man aber (also eher abstrakt und weniger konkret) die „deutsche
Musikethnologie“ in dieser von ihr weltweit usurpierten Position betrachtet,
so hat sie dort lange (oft sehr betont selbstbewusst) gewirkt, ohne die schon
früher möglichen, erkennbar-nötigen Korrekturen einzuleiten, die erforderlich
gewesen wären, um der Entwicklung eines unvoreingenommenen
Systematisierungsdenkens freieren Raum zu geben. Und in der dann schier
endlosen Verteidigung dieser als gültig ausgerufenen Systematik, hat sie
offenbar immer wieder auch mit hässlichen, für Wissenschaft eigentlich
illegitimen, inzwischen aber auch dort zunehmend üblicher werdenden
Macht-Mitteln, agiert. Vielleicht hängt dies (wie unterschiedlich es auch in
jedem speziellem Falle etwa vermittelt und ’en detail gewesen’ sein mag)
letztlich auch damit zusammen, dass in bestimmten Wissenschaftsvernetzungen
globaler und medialer Art offenbar Tendenzen deutlich werden, die bestimmte
kritisch gesinnte Politologen bzw. Philosophen, aber eben gerade auch
Systemtheoretiker, dazu veranlasst haben, bei der Analyse manch gefährlicher
Entwicklungen der Gegenwart, nicht mehr nur (wie zu seiner Zeit Präsident
Eisenhower) vor dem bedenklich wachsendem Einfluss eines
„militärisch-industriellen Komplexes“ zu warnen, sondern nun auch immer
deutlicher von den Gefahren seitens eines „militärisch- industriell- akademischen-
Komplexes“ sprechen. Damit kann, oder soll nun keinesfalls suggeriert werden,
dass etwa die hier anstehende musikinstrumentelle Systematisierungsproblematik
bereits bis in die Interessenbereiche dieser machtstrukturiert- politorientierten
Komplexität (also etwa schon auf die gemeinsamen Konferenztische allerhöchster
Militärs und führender Industriekapitäne, denen natürlich sowohl ganze
Akademien, als auch Heerscharen einzeln gespaltener Akademikerpersönlichkeiten,
alleweil willig zuarbeiten) geraten sein könnte. Davon kann sicherlich so keine
Rede sein. Es verhält sich wohl eher umgekehrt: Die in vielfacher Weise
derartigen Komplexitäten immer näher geratenden und sich dort auch verheddernd
einhakenden und selbst- vernetzend weiter entfaltenden akademischen Strukturen,
werden in derartigem Zusammenwirken, zwangsläufig auch aus sich selbst heraus
(und auch in anderen Vernetzungen und Bereichen) entsprechende Strukturen
entwickeln können. Strukturen die etwa bestimmten, politikbestimmenden
Kriegswaffenlügen, ebenso wie bestimmten entwicklungsbestimmenden Atom- oder
Energieprogrammlügen, ebenso entgegenkommen, wie etwa einer gegebenenfalls
dann ebenso perfekt durchorganisierbaren Aufrechterhaltung bestimmter
verlogener Disproportionen in bestimmten, scheinbar politikfernen akademischen
Spezialdisziplinen. Und als ein nur scheinbar irrelevantes kleines Beispiel
dazu, könnte dabei auch dieses „Systematik Paradoxon“ ins Blickfeld derartiger
Bedenken geraten. Die nun aber doch nicht einfach als „politikfern“ zu
bedenkende Relevanz dieses Beispiels, besteht eben in der letztlich doch
aufschlussreichen Tatsache, dass es sich in allen hier genannten Fällen, um
zwar ganz unterschiedliche, aber doch immer um menschbedingte und
menschbestimmende, Technik handelt! Freilich um Technik in Form jeweils
gänzlich unterschiedlicher Humanqualitäten. Und meine, dabei vielleicht allzu
leicht als „unbegründet“, „utopisch“ und „völlig unrealistisch“ abzuweisende,
aber eben – wie ich denke – doch philosophisch handfest begründbare Hoffnung,
besteht letztlich darin, dass in der konkreten,
vergleichsanalytisch-naturwissenschaftlich-philosophisch begründeten Aufhellung
dieser unterschiedlichen Qualitäten, letztlich doch neue Einsichten und
Hoffnungen im Sinne der Überwindung von historisch so fest eingefahrenen
Unmenschlichkeiten bisheriger Technik-Entwicklungen (zumal der ersteren beiden
hier genannten) gewinnen lassen werden. Letztlich geht es im Sinne von humaner
Zukunftsgestaltung immer wieder darum, ein zunehmend besseres Verständnis darüber
zu gewinnen, wozu Menschen sich auch in diesem Sinne, selbst in die Lage zu
bringen vermögen. Und genau dabei wäre auch eine wissenschaftlich solide
begründete, neue musikologische Systematik dieser in besonders verbindlicher
Weise humanisierten Erscheinungsform von Technik, einer der ersten wesentlichen
Schritte, - unter vielen anderen.
Ich habe aber nun - auch aus der Sicht ganz verschieden gelagerter Betrachtungsebenen -
Anlass zu der Befürchtung, dass der zweifellos im Gestus akademischer Würde anzuzielende
100ste Jahrestag dieser bislang „gültigen“ Systematik, der nun in wenigen
Jahren gerade in diesem Lande anstehen wird, doch zu einem Fest der Lüge und
des ’bewährten Lobens’ dieser ’bewährten Systematik’ geraten könnte. Die
akademischen Konstellationen, wie sie mir, zumal aus Berlin - da freilich
vorwiegend aus DDR-Zeiten - aber dann auch aus den ersten dortigen
bundesweit-gesamtdeutschen Sitzungen des ICTM Nationalkomitees Deutschland‚ von
damals in Erinnerung sind (welche auf mich – ich kann es nicht verhehlen – in
ganz besonderer Weise abstoßend gewirkt haben), werden dazu sicher genügend
willige Kräfte aktivieren können. Möglicherweise sehen auch bereits einige, die
sich vielleicht auch insonderheit als Schüler von E. Stockmann empfinden mögen,
einem solchen, wiederum akademisches Renommee sicherndem Ereignis, diensteifrig
entgegen.
Angesichts der dazu offenbar immer noch weitgehend unqualifizierten und (soweit ich dies
gegenwärtig noch überblicken kann) bislang wenig entwickelten Diskussion in Deutschland,
besteht hier auch die Gefahr, dass im Falle antisemitisch motivierter/orientierter
Anfechtungen wiederum bestimmte, überaus peinliche Tendenzen unqualifizierter
Zurückweisungen und auch ’pflichtgemäß’ auf den Weg gebrachter ‚politisch
korrekter’ Zurechtweisungen, den Gang und das Erscheinungsbild der dann
freilich unvermeidlich werdenden Diskussionen und Auseinandersetzungen,
dominieren oder auch in ungewisser Weise verfärben könnten.
Insofern geht es hier auch um eine deutliche Überwindung der bislang
wissenschaftsorganisatorisch so überaus fest abgesicherten
Diskussionsunwilligkeit zu bestimmten Fragen und Problemen innerhalb einer
Fachrichtung. Und dabei auch um die Überwindung einer bestimmten
wissenschaftsbetrieblichen Unkultur von demonstrativer Missachtung gegenüber
bestimmten Argumenten und Forschungsergebnissen, - deren in der Wissenschaft
zweifellos höchst erfolgreiche Vorbilder hier fatalerweise vielleicht zunächst
C. Sachs und später dann etwa Apologeten wie Stockmann, Kaden und andere sind.
Denn diese haben offenbar in beeindruckend erfolgreicher Weise vorgemacht, dass
sich der Sieg des angeblich Bewährten in einer Weise behaupten und hochloben
lässt, dass dementsprechend erlassene Festlegungen dann auch ermöglichen, jedes
weitere Interesse an zuwiderlaufenden Wahrheiten oder wissenschaftlichen
Aktivitäten in nicht genehme Richtungen, leichthin als ’ohnehin irrelevant,
grundsätzlich schädlich und gefährlich verwirrungsstiftend’ zu denunzieren und
generell abzuweisen...
In einer völlig anderen, viel früheren philosophischen Untersuchung habe ich
einmal betont, dass im Kampf zwischen Lüge und Wahrheit in der Regel die Lüge
die ersten Schlachten gewinnt, aber die Wahrheit gewinnt schließlich doch die
letzte.(Siehe dazu: Parteilichkeit - Zur Entwicklung des Wortgebrauchs und des
Prinzips. In: DZfPh 31 (1983) 1, S. 72-80). Das ist freilich eine Vorstellung,
die leicht mit bestimmten traditionell-kommunistischen Hoffnungen einhergehen
kann: Wie ein denkbarer Vers aus der ’Internationale’ oder ein dem
’Kommunistischen Manifest’ unterstellter Satz... Etwas näher an der niemals
lügenfreien Realität von kommunikativer Sozialität orientiert, muss dem
allerdings sofort hinzugefügt werden, dass die Siege der Lüge zumeist geradezu
feiertäglich mit Glanz und Gloria und als prächtig ausgestattete, zuweilen auch
ekstatische Feste gefeiert werden, welche auch schamlos unter das Motto großer
Worte und Ideale gestellt und manchmal sogar im Gewande großer
Geschichtsereignisse oder prächtig hergerichteter, immer wieder hervorgehobener
Kulturleistungen in Erscheinung treten. Auf der anderen Seite gehen die
wirklichen Siege der Wahrheit in der Regel im Trubel vieler anderer Spektakel
und den allgemeinen Anstrengungen und Geschehnissen vieler Alltage, oft
weitgehend unbemerkt, vonstatten – gehen aber doch nicht einfach vorüber. Sie
können allerdings auch immer wieder untergehen und erneut geleugnet werden. Und
noch ein Aber: Um nicht allzu sehr in unscharfen Aphorismen zu verlottern,
möchte ich gerade hier doch noch etwas genauer sein: Es geht schließlich in der
Wissenschaft (so oft uns solche wie die geschilderten Konfrontationen auch dort
immer wieder begegnen mögen) letztlich nicht einfach um Lüge und Wahrheit,
sondern vielfach eher – ich bleibe bei meinem zunächst unscharf umrissenen
Begriff vom Anfang meines Vortrages – um ein Überwinden und ein Hinterunslassen
von störenden Vergehens-Wirkungen auf der Suche nach Wegen, die uns vielleicht
doch zu wahren Erkenntnissen über uns und die Welt führen können. Das mutige
und hoffnungsfrohe Beschreiten solcher Wege, kann dann allerdings auch
jederzeit (und in manchen Zeiten eben besonders leicht) durch fatale
Lügensteine behindert werden. Als noch fataler für Wissenschaft wirken sich
aber die Wege aus, die bereits gezielt angelegt in einladender Weise mit
solchen Steinen gepflastert und ausgebaut worden sind, - auch wenn sich dort
schnell und bequem, sowie mit hoher Sicherheit ’vorwärts und nach oben’
gelangen lässt.
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Allerdings handelt es sich gerade bei diesem Bestand an Cistern und cisternartigen Instrumenten
meiner Sammlung um eine besonders verzwickte Angelegenheit. Eigentlich um einen
Fall auf dem Niveau „sehr hoher, sowie ’hochorganisierter’, quasi-krimineller
Energie im Wissenschaftsbetrieb der DDR“. Denn sobald man hier die wiederum
vornehmlich „wissenschaftsbetriebenen“ oder auch ’wissenschaftsgetarnten’,
Hintergründe ins Auge fasst, wird ein letztlich schwer zu übersehender, aber
auch schwer zu überschauender und kaum gänzlich zu durchschauender
„Stockmann-Vorgang“ von institutionell abgesicherter
’Verhinderungs-Geheim-Diplomatie’ (Zentralhaus für Kulturarbeit Leipzig, ASMW
Markneukirchen, Kulturministerium Berlin...) aus der Wissenschafts- und
Kulturgeschichte der DDR deutlich.
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Und von daher liegt dann auch die gezielte Entwicklung spezieller, stets auch
’wissenschaftlich drapierter’ Abwehrmechanismen nahe, die dann auch weiteren
und erweiterten Formen noch offensiveren Missbrauchs, einschließlich der Abwehr
und Diskriminierung wissenschaftlicher Konkurrenten bzw. entsprechend abzuwehrender
Konzeptionen und Sichtweisen, zur Verfügung stehen. Wenn solche Methoden aber
erst einmal in das Betriebsgeschehen der Wissenschaften hineingespült bzw.
dort immer wieder „eingespielt“, d.h. „ins Spiel gebracht werden“ und sich des
weiteren im wiederholten Gebrauch bewährend, selbst immer reibungsloser
„einspielen“, und auch die dazu erforderlichen Teams aus ähnlich gesinnten bzw.
gleich orientierten „Mitarbeitern“ und Team-Mitspielern zu immer perfekterem
spielerischem Zusammenwirken gelangen, so werden sie in m manchen Bereichen
kaum noch zur gelegentlichen Abwehr eventuell möglicher ’Wirrköpfe’ oder
„engstirnig festgelegter Liebhaber“, sondern eher gezielt und systematisch
regelmäßig gegen kritische bzw. anders gesinnte Spezialisten, die vielleicht
auch andere Wege der Forschung gehen möchten, eingesetzt und zur Wirkung
kommen...Und aus diesem Status „wissenschaftlicher Bewährtheit“ heraus wird
sich für sie alsbald auch die Chance ergeben, selbstverständlich auch in vielen
anderen Problem- und Konfliktfeldern der Wissenschaft abwehrhaft und siegreich
zum Einsatz kommen zu können.
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Dabei neige ich auch zu der (natürlich ebenfalls mit kritischem Augenmerk zu
begleitenden) viel weiterreichenden Vermutung, dass die eigentlich wesentlichen
und tiefergreifend zivilisationssichernden Bildungs- und Erkenntniswerte einer
humanistisch orientierten Wissenschaftskultur, des Mitwirkens derartig
beseelter, letztlich eben individuell (also in ’persönlich - humanisierter’
Weise) zustande gekommener (und also auch entsprechend persönlich fundierter)
Bindungsvoraussetzungen, welche eben auch zu den Grundlagen der Herausbildung
und Entwicklung humanistisch orientierter Persönlichkeiten gehören,
grundsätzlich und notwendigerweise bedürfen.
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