Zur Problematik einer ‚systematisch-systemisch’ konzipierten Exposition von Musikinstrumenten
(Entstanden im Jahre 2010; vorgesehen als Vortrag an der Musikhochschule des Saarlandes in Saarbrücken)

In meinem Vortrag zur Eröffnung der nun in Ihrem Hause befindlichen Musikinstrumentenausstellung(01) hatte ich bereits über die Konzeption meiner zuvor in Berlin unternommenen Aktivitäten zur Einrichtung einer kritisch-systematisch angelegten Musikinstrumentenexposition, in welcher der Besucher, anhand eines bestimmten Teilbereiches von Musikinstrumenten, auch mit der Problematik einer naturwissenschaftlich exakt zu begründenden Systematik bestimmter Musikinstrumente konfrontiert wurde, gesprochen.
Und weiterführende grundsätzliche Vorstellungen zu den Möglichkeiten einer demgemäß umfassender angelegten systematik-orientierten Ausstellung von Musikinstrumenten hatte ich bereits zuvor, im Jahre 2005, anlässlich einer internationalen musikwissenschaftlichen Tagung, ausführlicher dargelegt. (02) Ich hebe dies hier deswegen einleitend hervor, weil ich (wie ich schon zu anderen Gelegenheiten betont habe) durchaus der Meinung bin, dass wahrscheinlich beides, - also sowohl meine erste, entsprechend kritisch angelegte Expositionsinitiative in Berlin, als auch die damaligen ausführlicheren konzeptionellen Darlegungen zu einer entsprechend „systematik-orientierten“, also systematisch-systemisch strukturierten Musikinstrumentenexposition - wohl weltweit die ersten Versuche waren, eine solche Konzeption vorzustellen und dann auch in ersten Ansätzen expositionell zu verwirklichen. Und insofern bin ich auch froh darüber, dass ich nun auch hier an Ihrer Musikhochschule wieder die Möglichkeit habe diese mich seit langem bewegende Problematik darzulegen und mir auch die Möglichkeit gegeben ist Ihnen hier einen detaillierten Vorschlag für eine kleine, entsprechend konzipierte Teilausstellung innerhalb der von Ihnen exponierten Musikinstrumentensammlung vorzutragen und dabei meine kritische Position zu bestimmten damit zusammenhängende Problemen und Überlegungen zu verdeutlichen.
Ich möchte dabei aber auch noch – und dies ebenfalls wiederholend - auf eine andere Problematik hinweisen. Nämlich auf die aus meiner Sicht außerordentlich großen Schwierigkeiten, die einem begegnen können, wenn man vorschnell versuchen wollte, nun etwa entsprechend den von mir mehrfach dargelegten kritischen Einwänden zur inzwischen gewiss überholten Vierklassen-Systematik der Musikinstrumente, und etwa auch orientiert an meinen neuen „Grundgerüst-Vorschlägen“ und meiner Auffassung zur Bedeutung der jeweils „Wesentlichen Elemente schallrelevanter Oszillation“ (WESO)(03) eines jeden Instrumentes, einfach eine demgemäß neue Gesamtsystematik, etwa in tabellarischer Form oder auch – wie von Sachs und Hornbostel schließlich damals im Jahre 1914 in einer zunächst für alle Welt höchst beeindruckenden Weise vorgeführt - in einer Anordnung nach Deweys Dezimal-System, fixieren zu wollen.
Ich meine eher, dass eine modernere Darstellung einer solchen Gesamtsystematik kaum noch in traditionell eindimensionaler bzw. „flächig strukturierter“ Weise, sondern vielleicht eher unter sich gegenseitig bedingenden verschiedenen Aspekten, in integrativ mehrdimensional vernetzten, räumlichen Darstellungsformen, sinnvoll möglich sein könnte und denke insofern auch, dass vielleicht solche wie die hier von mir angezielten Vorhaben, die ja darin bestehen, diese Problematik nun zunächst in Form von bestimmten musikinstrumentellen Expositionsaktivitäten anzugehen, erste Schritte und entsprechende Anregungen auf eine solchen Richtung hin sein könnten. Einleitende Denkschritte und Bewegungsanstrengungen, um uns vielleicht auf einem solchen Wege dann doch auch allmählich aus dem musikwissenschaftlichen Dilemma herauszuwinden, mit dem wir es hier schließlich zweifellos zu tun haben.
Nämlich mit der doch offensichtlichen Tatsache, dass es gegenwärtig in der Musikwissenschaft einfach keine detailliert modernisierte und musikwissenschaftlich solide ausgearbeitete, also auch unter nunmehrigen Bedingungen wissenschaftlich zu akzeptierende Gesamtsystematik der Musikinstrumente mehr gibt.
Bei dem nun von mir im Sinne einer solchen „Überwindungsbewegung“ ausgewählten Teilbereich von Musikinstrumenten soll es zunächst um ganz bestimmte Blasinstrumente gehen, denn, von meiner Erfahrung her, lassen sich diese durchaus in einer besonders anschaulich-systematisierten Weise präsentieren. Ich werde aber nun keineswegs versuchen, Ihnen etwa vorzuschlagen einfach die Anordnung von Instrumenten zu wiederholen, die ich damals in Berlin installiert hatte, denn da hatte ich es in Hinsicht auf den mir zur Verfügung stehenden Raum, in welchem schließlich meine gesamte Sammlung exponiert war, mit durchaus anderen Voraussetzungen zu tun.
Hier möchte ich eher vorschlagen ein solches Vorhaben nur in Hinsicht auf einige wenige, eigens dafür auszuwählende besondere Blasinstrumenten anzugehen.
Für eine solche Unternehmung muss dann aber auch exakt definiert werden, um welche Blasinstrumente es hier nun genau zu gehen hat bzw. in welchem Sinne dieser Begriff dabei genau zu verstehen sein soll. Denn dieser eigentlich doch sehr vage Begriff „Blasinstrument“ kann schließlich (worauf ich in meinen vorherigen Vorträgen bereits hingewiesen hatte) sehr umfassend, und insofern auch recht unterschiedlich, ausgelegt werden.
Wenn wir dabei nun – wie zumeist üblich – zunächst an Instrumente in der Art von Flöten, Trompeten, Oboen, Klarinetten, Saxophonen usw. denken, also etwa solche Instrumente im Sinn haben, wie sie in der Systematik von Sachs und Hornbostel unter der eigenwillig-seltsamen Bezeichnung „Eigentliche Blasinstrumente“ angeführt werden, dann könnte ja auch - um eben in dieser Richtung genauer zu definieren - von „angeblasen-schallgebenden Gefäß- und Röhrenkonstruktionen“ die Rede sein.
Dabei würden wir mit der etwas umständlichen Wortkombination „Gefäß- und Röhrenkonstruktionen“ eben die Tatsache berücksichtigen, dass sich vor allem unter den Flöten nicht nur zylindrische und konische Röhreninstrumente, sondern eben auch bestimmte Gefäßformen finden lassen.
Freilich könnte man hier auch versuchen, nur noch von „Gefäßkonstruktionen“ zu sprechen, indem dann vielleicht auch alle offenen Röhrenformen als besondere „Gefäße“ definiert werden. Ich neige aber doch eher dazu, hier die bei den nun ausgewählten Blasinstrumenten akustisch so bedeutenden Unterschiedlichkeiten, wie offene zylindrische und konische Formen, als „Röhrenkonstruktionen“, und dann, differenziert dazu, eben andere akustisch relevante Hohlformen als „Gefäßkonstruktionen“ zu definieren. Näher zu bedenken wäre dann allerdings auch, ob dabei nun einseitig geschlossenen Röhren weiterhin als Röhren oder eben eher als Gefäße zu systematisieren wären.
Mit einer dementsprechenden, wie ich denke, letztlich exakteren Definitions- und Begriffsmöglichkeit wären dann zwar eine ganze Reihe „anzublasender Instrumente“ ausgeschlossen, es werden damit aber andererseits auch mehr als nur die zunächst üblicherweise genannten Blasinstrumente erfasst. Und sobald wir jetzt – mit Hilfe einer solchen, mehr Exaktheit anstrebenden Begriffsfestlegung – genauer hinschauen, kann uns auch auffallen, dass wir es nun also nicht nur mit mehr Blasinstrumenten zu tun haben werden als wir bei Sachs und Hornbostel unter der dortigen Rubrik „Eigentliche Blasinstrumente“ finden können, sondern wir haben es auch mit mehr Blasinstrumenten zu tun als überhaupt bislang in der „klassischen Vierklassensystematik“ erfasst werden konnten.
So werden wir uns dann auch mit der eingehenderen Systematisierung von zunächst sechs ganz unterschiedlichen Bereichen derartiger angeblasener Instrumente beschäftigen müssen:

  • erstens mit Flöteninstrumenten, also angeblasenen Aerophonen, deren primäres WESO aus Gas besteht,
  • zweitens mit so genannten „Kesselmundstückinstrumenten“, oder vielleicht besser gesagt, „Bläserlippeninstrumenten“, deren primäres WESO aus den Lippen des Bläsers besteht,
  • drittens mit Halbmembran-Tongenerator-Instrumenten, deren primäres WESO eben aus Halbmembranen bzw. aus den oszillierenden Teilen von so genannten „Doppelrohrblättern“ oder auch Tongeneratoren mit nur einer entsprechenden Halbmembrane bestehen,
  • viertens mit Ganzmembran-Tongenerator-Instrumenten, bei denen das primäre WESO aus „Ganzmembranen“ besteht,
  • fünftens mit Instrumenten, bei denen deren zungenförmiges primäres WESO über einer an eine Röhre speziell angepassten Rahmenkonstruktion schwingt und insofern als „oberhalb schwingend“ charakterisiert werden kann
  • und sechstens mit Instrumenten, deren primäres WESO ebenfalls aus einer zungenförmigen Lamelle besteht, welche hier aber zu einem Schwingungsvorgang angeregt wird, bei welchem die Zunge auch am inneren Rand der hier entsprechend angepassten Rahmenkonstruktion vorbei bzw. dort jeweils durchschwingt, und insofern dann von ihrem Wesen her als „durchschwingend“ zu charakterisieren ist.
    Eine solche Aufstellung dieser sechs hier zu unterscheidenden „Blasinstrumentenbereiche“ kann nun allerdings wieder überaus weitschweifig verwirrend und zunächst auch keineswegs systematisch übersichtlicher als das bislang Gewohnte anmuten, denn die Musikwissenschaft hatte sich dies bislang ja viel einfacher gemacht, indem sie kurzerhand alle „Eigentlichen Blasinstrumente“ in ganz undifferenzierter, und wie ich meine, eben auch in durchaus unberechtigter und systematisch verfehlter Art und Weise, also sozusagen einfach „nach Gutdünken“, zu „Aerophonen“ erklärt hatte, wogegen ich mich schließlich, wie Sie bereits wissen, schon seit vielen Jahrzehnten immer wieder aufgelehnt habe.
    Ich möchte nun die genannten sechs Bereiche eingehender erläutern und dabei auch deutlich machen, inwieweit wir uns dabei im Sinne eines – wie ich meine - besseren und eben auch systematischeren Musikinstrumentenverständnisses künftig vielleicht auch umgewöhnen und dabei in ein anderes Denken eingewöhnen sollten.
    Hinsichtlich der ersten beiden genannten Bereiche, also in Bezug auf Flöten und „Bläserlippeninstrumente“, dürfte es wohl die wenigsten Missverständnisse darüber geben, welche Instrumente hier gemeint sind, denn bei diesen Bezeichnungen liegt doch auf der Hand, um was es geht.
    In Bezug auf die dabei letztgenannten, also die „Bläserlippeninstrumente“, möchte ich allerdings im Sinne eines besseren systemischen Verständnisses solcher Instrumente vorschlagen, hier die Lippen des Bläsers nicht wie bei Sachs und Hornbostel als „Polsterzungen“ (was zweifellos eine ganz unzutreffende, letztlich unberechtigte Bezeichnung ist), sondern diese eher als „Polstermembranen“ aufzufassen, was ich aus verschiedenen Gründen für zutreffender halten muss.
    So betrachtet, wird auch deutlich, dass diese „Bläserlippeninstrumente“ durchaus in einer systematischen Nähe zu dem dritten hier genannten Bereich, dem Bereich von Blasinstrumenten mit „Halbmembrantongeneratoren“, stehen, wozu natürlich alle Blasinstrumente mit so genanntem „Doppelrohrblatt“, also Oboen, Fagotte, Sarrussophone, Rankette, Dolzainas, Krummhörner usw. sowie verschiedene andere Schalmeieninstrumente und bestimmte Dudelsackpfeifen usw. gehören.
    Hier sollten wir uns nun unbedingt von der bei Sachs und Hornbostel festgeschriebenen (aber eben auch wiederum durchaus falschen) Vorstellung trennen, dass wir es bei dem für diese Instrumente zuständigen Tongenerator etwa mit „Gegenschlagzungen“ zu tun hätten, und eher akzeptieren, dass es sich dabei eben doch um gegeneinander schwingende Halbmembranen handelt.
    Und alle diese Instrumente stehen nun wiederum in unmittelbarem, systematischen Zusammenhang zu dem vierten genannten Bereich, nämlich den Blasinstrumenten mit Ganzmembrantongenerator.
    Ich möchte aber nun noch einige Erklärungen zu den systemisch-systematischen Zusammenhängen von „Bläserlippeninstrumenten“ (bzw. „Polstermembran-Instrumenten“) und Blasinstrumenten mit „Halbmembrantongeneratoren“ einfügen.
    Wie ich bereits betont hatte, meine ich, dass wir die beiden luftbeströmt gegeneinander schwingenden Halbteile eines normalen einfachen Doppelrohrblattes, wie wir es von entsprechenden europäischen Blasinstrumenten kennen, in legitimer und wohl auch für jedermann zu akzeptierenden Weise als Halbmembranen auffassen und bezeichnen können und denke dabei auch, dass dies um so zwingender akzeptiert werden sollte, wenn wir diese – wie ich dies ja auch im ersten Teil meines Vortrages zur „Aerophon-Problematik“ ausdrücklich getan habe – im systematischen Zusammenhang mit dem unmittelbar am Gaumen angeblasenen Tongenerator mit einfacher, also „nicht gedoppelter“ Halbmembrane betrachten, den ich Ihnen damals akustisch vorgeführt und zur genaueren Ansicht auch durchgereicht hatte. Ein Blasinstrument, welches hinsichtlich seiner Wirkweise wiederum als Gefäßkonstruktion aufzufassen ist, da hier schließlich der kleine, zwischen Halbmembran und Gaumen gebildete Hohlraum, welcher das dabei sekundär mitwirkende aerophone WESO integriert, wesentlich für das Wirken dieses kleinen Musikinstrumentes ist.
    Wenn wir nun wieder auf entsprechende Röhrenkonstruktionen schauen und dabei außer den üblichen europäischen Doppelrohrblattinstrumenten auch entsprechende andere systematisch gleichsetzend-vergleichbare Schalmeieninstrumente, beispielsweise aus Asien, ins Auge fassen, so stoßen wir dabei auf ein anderes überraschendes Phänomen:
    Dort begegnen uns Instrumente mit durchaus vergleichbaren Tongeneratoren, deren entsprechend luftbeblasen gegeneinanderschwingende Halbmembranen jedoch jeweils noch durch weitere zusätzliche, jeweils auf beiden Seiten dieses Tongenerators in zusätzlichen Lagen locker angebrachten Schichten aus den (soweit ich das beurteilen kann) wohl gleichen Pflanzenmaterialien „abgepolstert“ sind. Mir persönlich sind derartige „mehrschichtige Tongeneratoren“ bis zu beidseitig dreifacher Schichtung begegnet.
    Ich halte es dabei allerdings für einen Ausdruck fataler Gedankenlosigkeit, wenn solche Instrumente dann zuweilen von Musikwissenschaftlern in Europa den so genannten „Doppelrohrblattinstrumenten“ dann quasi ’systematisch erweiternd’ als Vierfach- oder eben auch als „Mehrfachrohrblattinstrumente“ zur Seite gestellt werden.
    Hier meine ich wieder, dass die weitgehend gedankenlos unangefochtene Akzeptanz der Systematik von Sachs und Hornbostel wohl auch als eine Bedingung für die dann auch mögliche Akzeptanz derartig scheinlogischer Systematisierungsbestrebungen mitbedacht werden muss.
    Für das systemisch-systematische Verständnis derartiger Instrumente scheint mir hier aber eher wichtig, Folgendes vorzuschlagen: Nur die jeweils beiden inneren, also auch die tatsächlich gegenseitig beidseitig „luftangeströmt gegeneinanderschwingenden“ Halbmembranen solcher Tongeneratoren, sollten bei diesen als das tatsächlich primär wirkende WESO angesehen werden. Und die jeweils weiteren dortigen „Anschichtungen“ sollten, zumal diese, wie das offenbar in der Regel der Fall ist, nur mehr oder weniger locker „anliegend“, aber nicht fest verbunden mit dem Material der inneren Halbmembranteile des Tongenerators mitschwingen, dann eher als „instrumentale Abpolsterungen“ dieses WESOs verstanden werden. Dabei ist eben auch vergleichend zu bedenken, dass doch auch entsprechende „nichtinstrumentale Abpolsterungen“ derartiger WESOs in vergleichbarer Weise bei vielen der uns geläufigeren europäischen Doppelrohrblattinstrumente üblich sind, was uns sofort deutlich werden muss, sobald wir den unvermeidlichen, aber eben auch notwendigen Einfluss der Bläserlippen eines jeden Spielers einer modernen Oboe auf die Tonbildung und die Tongestaltung seines Instrumentes bedenken. Und dabei sollten dessen Lippen, welche schließlich ebenfalls an den Halbmembranen seines „Doppelrohrblattes“ nur „anliegend mitschwingen“ und nicht fest mit diesem verwachsen oder verbunden sind, eben auch keineswegs als WESO des Instrumentes anzusehen sein.
    Ganz anders verhält sich dies dann aber in Bezug auf das Lippenpaar des Trompetenspielers, denn dessen Lippen wirken schließlich tatsächlich als primäres WESO, zu welchem ich, wie bereits gesagt, vorschlagen möchte, dafür den Begriff „Polstermembranen“ zu verwenden.
    Die Benutzung dieses Begriffes möchte ich jedoch keinesfalls irgendwie als Referenz gegenüber dem Sachs-Hornbostelschen Begriff der „Polsterzungen“, den ich ja für gänzlich verfehlt halten muss, verstanden wissen.
    Es handelt sich hier eher um eine bestimmte Art von Akzeptanz bezüglich der fatalen Tatsache, dass die Musikwissenschaften tatsächlich bereits lange mit diesem doch so offensichtlich schiefen Begriff arbeiten und insofern zu hoffen sein kann, dass nun eine eher bescheiden zurechtrückend angelegte „Begriffs-Reparatur“ vielleicht weniger aufwändig und vielleicht auch weniger „Unruhe und Missbehagen stiftend“ ausfallen wird, als eine dann vielleicht eher eitel-besserwisserisch und aggressiv aufgebauscht vorgebrachte Begriffs-Neuschöpfung.
    Und diese „Reparatur“ begründet sich eben vor allem aus den soeben dargestellten vergleichsanalytischen Überlegungen zu anderen systematisch zu bedenkenden Blasinstrumenten. Denn ich möchte dabei – um es hier noch einmal deutlich zu sagen - eben doch den wesentlichen Unterschied im Blick behalten, dass sich bei bestimmten anzublasenden Röhrenkonstruktionen mit Halbmembrantongeneratoren außer den instrumental mehrschichtig abpolsternd angelegten Tongeneratoren auch nichtinstrumental instrumentenspezifische Abpolsterungen in Form von Bläserlippen feststellen lassen. Einerseits – wie etwa bei der Oboe - nichtinstrumentale Abpolsterungen, welche das dortige instrumentenzugehörige primäre WESO zwar beeinflussen mögen, aber eben nicht einfach mit diesem identisch sind und andererseits (wie eben bei der Trompete usw.) auch quasi „membrananaloge“ polsterförmige Oszillationselemente nichtinstrumenteller Art, die aber dem Instrument vom Bläser erst in Form seiner Lippen als primäres WESO zur Verfügung gestellt werden.
    Wenn ich nun schon diese beiden, also etwa das primäre WESO einer Oboe und einer Trompete analogsetzend vergleiche, so möchte ich sogleich auch auf eine weitere Besonderheit zu sprechen kommen.
    Halbmembrantongeneratoren im Sinne der besprochenen Doppelrorblatttongeneratoren sind natürlicherweise immer tendenziell symmetrisch konstruiert; - es handelt sich in der Regel um zwei gleich gestaltete, gegeneinander schwingende Halbmembranen. Es würde auch – nehmen wir wieder das Beispiel eines „Oboenrohr-Mundstücks“ - nicht viel Sinn und Zweck haben, etwa ein solches mit zwei ganz unterschiedlich ausgeformten Halbmembranteilen herstellen zu wollen, und gerade die Oboisten, die sich ihre Rohre selber gestalten, versuchen da in der Regel Unsymmetrie weitgehend zu vermeiden.
    Derartige Symmetrieanforderungen werden wir nun aber bei dem ansonsten doch so analogen „Bläserlippen-Tongenerator“ keineswegs antreffen. Man kann zwar versuchen das Lippenpaar am Kesselmundstück exakt symmetrisch zu formen, aber in der Regel passiert dort doch etwas ganz anderes, und zumeist wird auch – so zumindest meine persönlichen Kesselmundstückerfahrungen – ein durchaus unsymmetrischer Lippenansatz angestrebt und bevorzugt. Man kann dabei aber auch - und das ist es, worauf ich nun hier anhand dieses Vergleichsbeispiels hinaus will – durchaus Töne erzeugen, wenn es einem gelingt, nur noch eine Lippe am, oder eben auch im, Kesselmundstück zum schallerzeugenden Schwingen kommen zu lassen. Dies erwähne ich nun deswegen, weil sich eben auch von daher sofort die analoge Möglichkeit denken lässt, dass Gleiches doch auch in Hinsicht auf das Doppelrohrblatt möglich sein müsste. Und wie ich bereits verschiedentlich dargelegt habe, ist dies auch tatsächlich der Fall, - womit sich ein weiterer Aspekt der membranophonen Verwandtschaftlichkeit dieser beiden Tongeneratoren auftut. Um dies auch am konkreten Beispiel bzw. mittels eines exakten vergleichsanalytisch konzipierten Experimentalmodells zu verdeutlichen, habe ich hier ein entsprechendes Exemplar aus meiner Werkstatt mitgebracht, welches ich Ihnen nun akustisch vorführen und dann wiederum zur genaueren Ansicht durchreichen möchte. Nachdem sie seinen Ton gehört haben, können Sie dann auch erkennen um was es sich dabei handelt. Dieser Tongenerator besteht hier einfach aus einem ehemaligen Doppelrohrblatt, dessen eine Halbmembranenseite allerdings nun in eine feste Auflage für die verbleibende andere Seite umgewandelt wurde, so dass also tatsächlich nur noch diese eine Halbmembrane schallrelevant oszillieren kann.
    Was nun wiederum den vierten Bereich, also die Instrumente mit Ganzmembrantongeneratoren anbelangt, so müssen wir uns hier nun unbedingt daran gewöhnen, dass es solche Blasinstrumente inzwischen einfach tatsächlich gibt, auch wenn sie im Sinne der bisherigen Sachs/Hornbostelschen Vierklassensystematik der Musikinstrumente doch eigentlich gar nicht existieren können und sie dort bislang auch immer schon „per definitionem“ von vornherein als völlig undenkbar gelten mussten.
    Um hier nun aber auch systematisch exakt zwischen Halbmembranen und Ganzmembranen zu unterscheiden und allerlei dabei mögliche Missverständnisse zu vermeiden, macht sich noch eine entsprechend genauere definitorische Zwischenbemerkung erforderlich.
    Ich hatte im Zusammenhang mit den von mir in meinen letzten Vorträgen kritisch betrachteten so genannten „Freien Aerophonen“ aus der Systematik von Sachs und Hornbostel bereits zu der dort angeführten so genannten „Bandzunge“ Stellung bezogen und betont, dass dieses „ausgespannte Band“ wohl doch besser als ein „Membransegment“ (oder vielleicht auch als eine „Teilmembrane“), aber keinesfalls als „Zunge“ begriffen werden kann. Wenn ich nun von „Ganzmembranen“ und „Halbmembranen“ spreche, so könnte unklar bleiben, ob letztere nicht doch auch als Membransegment oder Teilmembranen aufgefasst werden könnten oder sollten. Insofern muss ich diese für die hier angestrebte vergleichende Systematisierung von Musikinstrumenten auch genauer definieren und differenzieren. Dies möchte ich in folgender Weise tun:
    Eine Ganzmembrane muss über eine geschlossene Membranfläche und einen diese umschließenden Rahmen verfügen.
    Eine Halbmembrane besteht ebenfalls aus einer geschlossenen Membranfläche, welche sich aber dadurch ergibt, dass sie nur über einen an ihr anliegenden, nichtunterbrochenen Teilrahmen verfügt, welcher sich zu einem Ganzrahmen gestalten würde, sobald man die entsprechende Halbmembrane, an ihren Rahmenenden genommen, spiegelbildlich-symmetrisch zu einer Ganzmembrane erweitern würde; - eine Möglichkeit, die sich schließlich bei allen entsprechend „teilgerahmten Halbmembranen“ denken lässt.
    Insofern unterscheidet sich diese dann von solchen „Teilmembranen“ oder auch „Membransegmenten“, welche eben nicht über entsprechend „nichtunterbrochene“ Teilrahmen - also entsprechende Halbrahmenformen bzw. darauf zurückführend ergänzbare Symmetrieeigenschaften - verfügen.
    Und genau dies ist ja bei dem Band der so genannten „Bandzunge“ der Fall.
    Deren Membranfläche, welche im Prinzip zwischen zwei getrennten „Rahmenteilen“ ausgespannt ist, ließe sich zwar durchaus symmetrisch verdoppeln, brächte damit aber niemals einen umfassend nichtunterbrochenen Rahmen zustande.
    Wenn ich hier nun, auch mit Bezug auf die so genannte „Bandzunge“, genauer, und wie ich hoffe, auch unmissverständlich, differenziert habe, so können sich in anderer Hinsicht wiederum weitere Fragen ergeben.
    Mir läge hier in erster Linie die Frage am Herzen, ob sich nicht auch mittels der Kombination eines solchen angeblasenen „ausgespannten Bandes“ und einer daran anzukoppelnden Röhren- oder auch Gefäßkonstruktion wiederum ein völlig neuartiges, effektiv schallgebendes Blasinstrument im oben definierten Sinne konstruieren ließe, so dass wir es folglich nicht nur mit sechs, sondern dann letztlich gar mit sieben verschiedenen Bereichen der hier zu systematisierenden Blasinstrumente zu tun hätten.
    Bei dieser Frage bin ich mir in folgender Weise unsicher:
    Ich sehe mich nicht in der Lage, dies grundsätzlich zu bezweifeln, da es mir letztlich durchaus vorstellbar und auch in verschiedener Weise konstruierbar, also auch als reale Möglichkeit denkbar, erscheint. Und dies allein schon insofern, als ich natürlich daran denken kann, dass ich bereits als Kind immer wieder mit großem Vergnügen – ebenso wie es manche Kinder sicherlich auch heute tun – einen innerhalb der Außenseiten beider Daumen (also eben auch innerhalb eines „Doppelspaltes“) straff eingespannten Grashalm in Richtung der dabei gefäßbildend geformten Handflächen angeblasen habe.
    Eigentlich bereits eine reale Erscheinungsform einer entsprechend verkoppelten Instrumentalkonstruktion, von der ich denke, dass sie durchaus auch in technisch weiterentwickelter Form möglich sein müsste. Als angeblasenes Musikinstrument in Gefäßform liegt sie uns schließlich bereits vor, sobald wir dieses zwischen zwei Daumen eingespannte Band zusammen mit unseren hohlraumbildenden Handflächen als organische Einheit betrachten wollen. Und dass sich ein in derartiger (oder etwa auch in innerhalb eines Doppelspaltes maultrommelähnlich quergestellter) Weise angeblasenes Band auch akustisch an entsprechende andere Gefäß- und auch Röhrenkonstruktionen ankoppeln lassen könnte, scheint mir durchaus möglich.
    Dementsprechende musikinstrumentelle Entwicklungen erscheinen mir aber – im Unterschied zu der Sicherheit und Gewissheit, mit der ich auch schon lange vor meiner ersten tatsächlichen Bekanntschaft mit einem anzublasenden Ganzmembran-Tongenerator davon ausgegangen war, dass ein derartiges neuartiges Röhren-Blasinstrument sicherlich möglich sein müsste - letztlich doch weniger gewiss. Insofern möchte ich einen solchen siebten Bereich zwar weiterhin für möglich halten, ihn aber, da wir dazu bislang noch über keine eindeutig überzeugenden Belege in Form bestimmter Musikinstrumente oder von entsprechend vergleichsanalytisch konzipierten realen „Experimentalmodellen“ verfügen, auch noch nicht in das hier, immerhin im Sinne einer Exposition von realen Tongeneratoren, konzipierte Systematisierungsprojekt mit einbeziehen.
    Eine andere Frage wäre dann, ob da nicht noch weitere unterschiedliche Membranformen, etwa bestimmte regelmäßige und unregelmäßige sowie solche mit mehrfach unterbrochenen Rahmenformen oder auch mit durchbrochenen Membranflächen usw. zu differenzieren seien. Hier denke ich, dass dies sicherlich in Hinsicht auf andere Erregungsarten, wie eben Anschlagen oder etwa auch Zupfen und Streichen, wichtig sein wird,(04) wir es aber in Bezug auf die Blasinstrumente in den hier bislang relevanten sechs Bereichen nur mit den geschilderten Halb- und Ganz-Membranen zu tun haben, und dann im „möglicherweise möglichen“ siebten Bereich eben mit entsprechenden Teilmembranen in Form von Bändern konfrontiert wären. Bänder, die sicherlich sowohl in der soeben geschilderten „schmalgestellten“, als auch in einer entsprechend „quergestellten“ Weise, innerhalb einer entsprechend effektiven Spaltvorrichtung angeblasen werden könnten…
    Was nun aber wieder den hier als nächstes anstehenden fünften Bereich von Blasinstrumenten anbelangt, so sollten wir uns bei diesem vielleicht daran gewöhnen, hier auch von „Lamellophonen“ zu sprechen, um dann auch zu akzeptieren, dass diese mit einer über einem angepassten Rahmen einseitig justiert schwingenden Lamelle ausgerüsteten Blasinstrumente (also etwa Klarinetten, Saxophone, Tarogatos, Martinshörner und verschiedene andere entsprechend konstruierte Schalmeien und Dudelsackpfeifen usw.) sich insofern auch in einem systematischen Zusammenhang mit wieder solchen Lamellophonen befinden, die im sechsten der genannten Bereiche von Blasinstrumenten erfasst werden. Denn dort sind ja nun die Instrumente einzuordnen, bei denen eine solche Lamelle nicht nur oberhalb eines entsprechend dafür angepassten Rahmens, sondern eben wesentlich auch innerhalb eines dort dann entsprechend anders gestalteten Rahmens zum Oszillieren gebracht werden.
    Hinsichtlich dieses sechsten Bereiches aber sollten wir uns daran gewöhnen, nun die dortigen asiatischen, Röhrenblasinstrumente, die schließlich hinsichtlich ihrer musikinstrumentellen Funktionsmöglichkeiten seitens der europäischen Musikwissenschaften jahrhundertelang ganz unzutreffend interpretiert wurden und auch bis heute noch nicht immer systematisch richtig erst genommen werden(05), nun endlich auch im systematischen Zusammenhang mit allen anderen „angeblasen-schallgebenden Gefäß- und Röhrenkonstruktionen“ zu betrachten und damit nun auch in einen Blickwinkel zu stellen, den uns die bisherige Sachs-Hornbostelsche Systematik ja nicht nahe legen konnte. Und dabei muss dann auch wieder berücksichtigt werden, dass auch für diesen Bereich außer bestimmten traditionellen asiatischen Blasinstrumenten, inzwischen ganz bestimmte moderne europäische Musikinstrumenten-Novitäten zu bedenken sind und auch entsprechend präsentiert werden sollten.
    Ich denke dabei, dass nun auch deutlich werden kann, dass eine solche, in diese sechs Bereiche aufgegliederte systematische Zusammenstellung entsprechender Blasinstrumente innerhalb einer größeren Musikinstrumentenexposition doch ohne weiteres möglich ist und im Prinzip auch mit einem relativ geringen Aufwand an spezifischem Instrumental-Material realisiert werden kann.
    Dabei kann bereits eine derartig strukturierte Zusammenstellung der hier genannten Blasinstrumente für jeden Besucher einer solchen Exposition auch ein besonders intensives und letztlich auch völlig neues „Verständnisangebot“ zu Musikinstrumenten beinhalten, welches sich mit bisherigen Musikinstrumentenausstellungen wohl kaum realisieren ließ.
    Ich sehe hier aber auch die Möglichkeit, nun - auch ohne allzu großen weiteren Aufwand – noch einige Schritte weiter zu gehen, indem innerhalb eines jeden dieser Bereiche dann noch weitere Unterscheidungen verdeutlicht werden. Differenzierungen, die sich dann allerdings von Bereich zu Bereich jeweils ganz unterschiedlich gestalten werden.
    Dabei möchte ich jedoch zunächst von all den Differenzierungen, die sich in Hinsicht auf jeweils unterschiedlich mögliche technische Tonveränderungssysteme bei diesen Blasinstrumenten, wie eben Grifflöcher und Klappen, Umschaltventile oder verschiebbare Züge und Stempel usw. beziehen, weitgehend absehen, wobei in dieser Hinsicht eben auch zu beachten ist, dass sich seit der Erfindung des von mir gerne als „flexible Grifflochleiste“ bezeichneten Tonveränderungssystems nun ohnehin die Verhältnisse völlig geändert haben, da damit ohne Weiteres weitere neuartige Blasinstrumente innerhalb aller hier genannten sechs Bereiche denkbar sind und sich insofern nun ganz neue, bislang nicht zu erahnende Entwicklungsmöglichkeiten bei allen diesen Instrumenten eröffnet haben.
    Und im Bereich der Flöteninstrumente würde ich hier zunächst auch davon absehen wollen, den Besucher nun etwa mit einer Systematik zur Vielfalt unterschiedlichster Kopfstücke und Anblaskantengestaltungen zu erstaunen, oder eben auch zu verwirren.
    Solche Übersichten sind schon oft, und oft auch sehr akribisch detailliert, erstellt worden, wohingegen andere, mir letztlich grundsätzlicher erscheinende Aspekte des wissenschaftlichen Systematisierens dieses Musikinstrumentenbereiches, bislang eher vernachlässigt wurden.
    Ich werde also nun noch etwas detaillierter auf bestimmte weitere, jeweils ganz unterschiedliche systematische Differenzierungen innerhalb aller dieser sechs Bereiche eingehen.
    Zum ersten Bereich, also zu den Flöteninstrumenten, meine ich, dass es sich vor allem erforderlich macht, nicht nur hinsichtlich unterschiedlicher Gefäß- und Röhrenformen zu differenzieren, sondern außer der notwendigen Unterscheidung hinsichtlich jeweils zylindrischer und/oder konischer Röhren, auch auf die Besonderheiten der erst in den letzten Jahrzehnten bekannt gewordenen „zieharmonikaröhrenförmig gestalteten Flöten-Instrumente“ näher hinzuweisen, welche innerhalb dieses Bereiches wiederum eine grundsätzlich neue Differenzierung in Bezug auf deren Besonderheiten im Vergleich zu anderen Gefäß- und Röhrenflöten nach sich zieht. Differenzierungen, die dann auch die eigentlich doch ganz erstaunliche und zuvor geradezu unvorstellbare Tatsache verdeutlichen können, dass es insofern eben auch röhrenförmige Flöteninstrumente gibt, die quasi wie echte Windkapselinstrumente angeblasen werden können, und dass Derartiges insofern dann auch hinsichtlich bestimmter Gefäßflöten - beispielsweise bei der von mir bereits in einem anderen Zusammenhang dementsprechend erläuterten speziellen Teekesselpfeife – zu vermerken ist.
    Als instrumentelle Belege für einen demgemäß ausgestalteten Flöten-Bereich wären also sowohl zylindrische und konische Röhrenflöten sowie die entsprechend unterschiedlichen Gefäßflöten, als eben auch ein entsprechend zieharmonikamäßig gestalteter, windkapselfähiger „Flötenschlauch“ erforderlich. Und man kann dabei dann (wie ich ebenfalls bereits angemerkt hatte) auch wieder entscheiden, ob nun etwa die zweifellos zu den Flöten gehörenden Panflöten tatsächlich immer zu den Röhrenflöten, oder etwa im Falle von unten geschlossenen Röhren (was ja nicht bei allen Panflöten der Fall ist) vielleicht doch eher zu den Gefäßflöten zu stellen seien?
    Und dabei wäre vielleicht noch zu erwägen, ob der Besucher hier auch mit der systemischen Konfliktsituation konfrontiert werden sollte, die sich inzwischen auch in Hinsicht auf die möglicherweise als spezielle Gefäßflöten zu interpretierende „angeblasene Membranflasche“ ergeben kann.
    Dabei wird sich dann auch zeigen, dass mit diesen bereichsspezifisch weiterdifferenzierenden Systematisierungsschritten wiederum ganz neuartige Sichtweisen für das Verständnis von Flöteninstrumenten eröffnet werden können. Sichtweisen, die zuvor überhaupt noch keine Rolle in den organologischen Forschungen zu Flöteninstrumenten spielen konnten.
    Ähnliches kann uns nun auch in Hinsicht auf den zweiten Bereich bei den so genannten Kesselmundstückinstrumenten begegnen, denn sobald wir da näher hinschauen und die damit zunächst angezielten Instrumente eingehender differenzieren, kann deutlich werden, dass dabei dieser Terminus, der sich hier allzu leicht als „Oberbegriff“ für einen solchen Bereich anbietet, auch noch außer den von mir dazu bereits geäußerten Bedenken, in Frage zu stellen ist. In entsprechend skeptischer Hinsicht darauf, hatte ich ja auch bereits das weniger übliche und insofern vielleicht auch leicht anfechtbare Wortgebilde „Bläserlippeninstrumente“ verschiedentlich in meinen Text einfließen lassen.
    Es geht dabei um Folgendes: Wenn wir Blasinstrumente mit entsprechender Bläserlippen-Tonerzeugung näher differenzieren wollen, werden wir dabei natürlich auch wieder die akustischen Unterschiede von konischen und zylindrischen Röhrenkonstruktionen zu bedenken haben, dann aber auch auf unterschiedliche „Mundstücksformen“ stoßen, wobei uns dann eben auch Instrumente - wie beispielsweise das Didjeridoo – begegnen können, welche genau genommen über gar kein „Kesselmundstück“ verfügen. Denn der Bläser an derartigen Instrumenten bringt seine Lippen lediglich am offenen Rand der entsprechenden Röhrenkonstruktion zum Schwingen, und die so erzeugten Schwingungen werden dann unmittelbar (eben ohne zuvor in den verengenden Kessel einer besonderen „Kesselmundstückkonstruktion“ geleitet worden zu sein) direkt in das Rohr des Instrumentes geleitet.
    Als für diesen „Bläserlippeninstrumenten-Bereich“ auszustellende Instrumente möchte ich also etwa einerseits einen konischen Zinken und ein kleines „Alphorn“ – genauer gesagt das „Original-Thüringer Hirtenhorn“ dieser Sammlung - sowie andererseits ein zylindrisches Didjeridoo, aber eben unbedingt auch ein entsprechend „problem-verdeutlichendes“ modernes Kesselmundstück (wie es ja normalerweise nun auch am Thüringer Hirtenhorn verwendet wird) vorschlagen.
    Dass ich dabei – wie Sie vielleicht schon bemerkt haben – hier natürlich nicht zufällig, sondern durchaus vorsätzlich und absichtsvoll nur bestimmte hölzerne und eben keine metallenen bzw. blechernen „Bläserlippen-Instrumente“ als Repräsentanten für diesen Bereich auswähle, geschieht, um eben auch in dieser Weise dem ansonsten allzu üblichen Vorurteilsdenken der klassifizierenden Unterscheidung in „Holz- und Blechblasinstrumente“ nicht nur keine weitere Nahrung zu geben, sondern eben auch expositionell-demonstrativ deutlich entgegen zu treten.
    Denn schließlich gehört (neben noch einigen anderen) doch gerade diese Standardvorstellung archaisch-unwissenschaftlichen Systematisierens nicht nur zu den wohl immer noch am meisten verbreiteten „Bildungsvorurteilen“ über Musikinstrumente, sondern wird hierzulande dummerweise auch immer noch massenhaft innerhalb von Schulen und Musikschulen von Musiklehrern an Kinder und Jugendliche weitergegeben.
    Ein Umstand, der in diesem Falle allerdings nicht so einfach auf die Fehlleistungen Sachs-Hornbostelschen Systematisierens zurückzuführen ist, da gerade diese beiden doch genau eine solche Auffassung bereits vor hundert Jahren mit eindringlichen Worten(06) als ganz unwissenschaftlich gekennzeichnet hatten.
    Vielmehr offenbart sich eben auch an diesem immer noch mit größter Zähigkeit in allgemeiner „Allgemeinbildung“ verankerten und inzwischen geradezu klassisch gewordenen Fehlverständnis-Beispiel bezüglich des Verhältnisses von Musikinstrumenten und Wissenschaft, der diesbezügliche Bildungszustand (oder vielleicht auch „Bildungsnotstand“ oder eben auch „Unbildungszustand“) unserer Zivilisation in Hinsicht auf Musikinstrumente und dabei eben auch deren immer noch ausgeprägter Uninteressiertheit an der Kultivierung eines wirklich wissenschaftlichen Verständnisses dieser besonderen, letztlich doch in besonders verbindlicher Weise humanisierten und in besonderer Weise human-relevanten Form von Technik.
    Und in dieser Situation voller entsprechend unsinnig tradierter, aber doch typischer Vorurteile sowie einer entsprechend spezifischen Uninteressiertheit, können eben auch die Fehlleistungen des Sachs-Hornbostelschen Systematisierens ihren entsprechend traditionell abgesicherten „Zähigkeitsstatus“ erlangen.
    Wenn wir uns nun dem dritten Blasinstrumentenbereich, also den Instrumenten mit Halbmembrantongeneratoren, zuwenden, so werden sich wieder ganz andere Probleme systematisch differenzierterer Darstellung ergeben.
    Natürlich müssten dort wiederum mindestens ein entsprechend konisches und ein entsprechend zylindrisches Instrument, also etwa eine Oboe und eine Dolzaina(07) mit ihren entsprechenden, aus gedoppelten Halbmembranen bestehenden Tongeneratoren, ausgestellt werden.
    Und auch dabei sollte meiner Ansicht nach – eben aus den gleichen Gründen wie bei den hier von mir bevorzugten „Holzinstrumenten“ aus dem zweiten Bereich - dort nun besser eine Oboe aus Metall, und nicht eine aus Holz, platziert werden.
    In Hinsicht auf die Tongeneratoren dieses dritten Bereiches ist dabei aber noch mehr zu bedenken.
    Ich hatte schon darauf hingewiesen, dass es durchaus möglich ist, auch einen im Prinzip in analoger Weise funktionsfähigen Tongenerator mit nur einer entsprechenden Halbmembrane zum Klingen zu bringen und Ihnen dies auch vorgeführt. Also müsste dort auch ein solcher präsentiert werden, denn immerhin handelt es sich bei einer solchen Präsentation doch um ein real vorliegendes „Experimentalmodell“, also um eine organologisch-technische Realität, auch wenn sich dazu wohl kaum ein in musikantischem Gebrauch befindliches, spezifisches Blasinstrument anführen lässt.
    Um diesen Bereich aber nun wirklich systematisch vollständig zu gestalten, wäre in diesem Sinne dann auch noch an eine entsprechende „Vogelstimme“, also an die entsprechend am Gaumen anzublasende Halbmembrane zu denken, bei welcher wiederum zu bedenken wäre, dass es sich dabei – im Unterschied zu den anderen Repräsentanten dieses Bereiches – im Prinzip um das WESO einer Gefäßkonstruktion handelt.
    Mit wieder ganz ähnlichen, aber letztlich weitaus vielgestaltigeren Problemen haben wir es dann innerhalb des vierten Bereiches, also bei der eingehender systematisierenden Betrachtung des angeblasenen „Ganzmembran-Tongenerators“, zu tun. Hier liegt nun auf der Hand, dass das, was hinsichtlich einer derartigen Tonerzeugungsmöglichkeit noch vor wenigen Jahrzehnten für jeden, der über die wissenschaftlich abgesegnete „Systematik der Musikinstrumente“ informiert war, als geradezu unmöglich gelten konnte, inzwischen musikinstrumentelle Realität ist.
    Und zu dieser Realität gehört nun auch, dass dieser Tongenerator wiederum über musikinstrumentelle Eigenschaften verfügt, welche bislang bei keinem anderen Blasinstrument denkbar waren. Ein Tongenerator, der von zwei Seiten seines WESOs, also der dort entsprechend wirkenden Ganzmembrane her, gleichzeitig nutzbar gemacht werden kann und allein von daher schon eine Vielzahl weiterer, unterschiedlichster und auch ganz neuartiger Blasinstrumentenmöglichkeiten eröffnet. Ob nun mit entsprechenden konischen oder zylindrischen Röhren oder auch mit anderen akustischen Hohlformen, welche an diesem Tongenerator dann eben auch jeweils beidseitig bzw. wechselseitig angekoppelt werden könnten; - hier ist eben Vielerlei gänzlich Neuartiges möglich.
    Es handelt sich dabei um Möglichkeiten, hinsichtlich deren Vielzahl gegenwärtig wohl weder völlig abzusehen sein wird, wie umfangreich diese wohl entwickelt werden könnte, noch ob künftig etwa überhaupt ein Interesse entstehen wird, derartige Möglichkeiten auch vollständig zu verwirklichen und umfassend auszuschöpfen. Dabei kann zu diesem Tongenerator eben auch gesagt werden, dass im Zusammenhang mit den ersten Versuchen der eingehenderen musikinstrumentellen Nutzung seiner ganz neuartigen organologischen Eigenschaften inzwischen auch ein völlig neues technisches Tonveränderungssystem für Blasinstrumente entstanden ist, so dass wir es nun neben Klappen und Grifflöchern, Umschaltventilen oder verschiebbaren Zügen und Stempeln auch mit der von Bernhard Schimpf erfundenen „flexiblen Grifflochleiste“ (08) zu tun haben, welche wiederum – wie bereits gesagt - die Entwicklungsmöglichkeiten von Röhrenblasinstrumenten aus allen hier besprochenen sechs Blasinstrumentenbereichen systematisch erweitert.
    Da ich leider keines der von Bernhard Schimpf mit diesem Tongenerator und seiner spezifischen „Grifflochleiste“ ausgerüstetes Instrument erwerben konnte,(09) sollten dem Besucher als instrumentelle Belege für diesen vierten Bereich - neben den entsprechenden, bereits im Handel befindlichen „Party- und Fußballplatz –Krawallinstrumenten“ - auch weitere entsprechende Experimentalmodelle zur Verdeutlichung der besonderen Funktionsweise dieses Tongenerators präsentiert werden.
    Innerhalb des fünften Bereiches ergeben sich dann wiederum ganz andere Probleme weiteren systematischen Differenzierens.
    Natürlich sind hier zunächst wieder entsprechende zylindrische und konische Lamellophone, wie etwa Klarinette, Saxophon und Tarogato sowie auch „Martinshörner“, zu unterscheiden, aber hinsichtlich des hier zu bedenkenden Tongenerators sollte noch eine andere, gerade auch aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht hoch bedeutsame Differenzierung ernst genommen werden, welche vor allem mit Blick auf historisch frühere Instrumente und letztlich auch in Hinsicht auf die Bedeutung biotischer Materialien in der Evolution dieser Lamellophone zu beachten ist, auch - oder vielleicht gerade deswegen - weil diese Differenzierung in Hinsicht auf sonstige modernere Lamellophone zunächst als gar nicht vorstellbar oder zumindest als nicht sinnvoll erscheinen mag.
    Ich meine hier die jeweilige Ausrichtung der angeblasenen Lamelle innerhalb des Instrumentes, welche entweder mit der „Zungenwurzel“ in Richtung zum Bläser, so wie bei vielen Dudelsackpfeifen und manchen einfacheren folkloristischen Schalmeien, oder eben – wie vor allem bei den bereits genannten moderneren Lamellophonen – genau umgekehrt, in Richtung des Instrumentes, angelegt sein kann. Wenn man davon ausgeht, dass derartige Tongeneratoren natürlich zunächst aus entsprechenden Pflanzenhalmen, so z.B. aus Schilfrohr hergestellt wurden, so lag es stets nahe, die entsprechenden Lamellen auch in der Nähe eines jeweiligen Wachstumsknoten aus dem Schilfrohr herauszuspalten. Und um die Länge der herauszuspaltenden Lamelle auch sicher begrenzen zu können, lag es nahe diese Einspaltung dann auch in Richtung auf diesen Wachstumsknoten hin vorzunehmen, da das Einspalten in umgekehrter Richtung weitaus schwieriger zu beherrschen und zu begrenzen ist.
    Der Wachstumsknoten an der „Zungenwurzel“ der Lamelle diente dann auch als oberer Verschluss der Röhre eines solchen Tongenerators und musste, falls er doch nicht ganz luftdicht war, noch zusätzlich abgedichtet werden, damit ein solcher Tongenerator auch effektiv wirken kann. Interessant ist nun, dass sich mittels einer solchen Röhren-Lamellen-Konstruktion bei entsprechend flexibel angelegter Lamelle, auch ein angeblasener Ton erzeugen lässt, wenn die Schilfröhre am Wachstumsknoten nicht verschlossen, sondern völlig offen ist. Dieser Ton ist in der Regel deutlich leiser, aber immer signifikant höher, als der mit verschlossener Röhre erzeugte „Normalton“. Ein Schalmeienspieler der sein Instrument ohne Windkapsel und mit einem solchen „oben offenen Tongenerator“ anbläst, hat also die Möglichkeit diesen Tongenerator jeweils während des Melodiespiels „umzuschalten“, in dem er diesen entweder mit seiner eigenen Zunge innerhalb seiner Mundhöhle oben abdichtet oder eben offen lässt. Mit aufgesetzter eigener Zunge ist es ihm dabei möglich den so konzipierten Tongenerator quasi „normal“ zu nutzen und entsprechende Melodien auf einer dafür entsprechend mensurierten Griffloch- Schalmei zu spielen. Außerdem aber kann er einen so angelegten Tongenerator eben auch immer wieder zwischendurch jeweils kurz mit seiner Zunge öffnen, wodurch sich der Effekt ergibt, dass damit auch immer wieder bestimmte höher liegende „Zwitschertöne“ in sein Melodiespiel eingeblendet werden können.
    Dabei muss ich freilich gestehen, dass mir aus der bisherigen Geschichte der Musikinstrumentenentwicklung zwar kein derart konzipiertes Schalmeieninstrument bekannt ist, ich mir aber auch nicht vorstellen kann, dass dieser, von mir schon vor vielen Jahren ganz spielerisch und sozusagen „nebenbei“ entdeckte Tongeneratoreneffekt, nicht auch schon in der bisherigen Geschichte irgendeinem, oder auch schon vielen anderen, ähnlich experimentierfreudig agierenden Herstellern solcher Tongeneratoren begegnet ist. Und ich kann dazu nun natürlich auch das entsprechend real existierende Experimentalmodell einer solchen „offenen“ Tongeneratorenvariante vorlegen, welchem also auch ein entsprechender Platz innerhalb des fünften Bereiches zuzuweisen sein wird(10) Denn schließlich musste ja auch dem „halben Doppelrohrblatt“ im dritten Bereich ein entsprechender Platz eingeräumt werden.
    In diesem Sinne könnten für diesen fünften Bereich also nun die bereits genannten konischen und zylindrischen Instrumente, aber eben unbedingt auch eine Schalmei mit entgegengesetzt ausgerichteter Lamelle sowie ein solcher „oben offener Tongenerator“ präsentiert werden. Und hinsichtlich der erstgenannten Repräsentanten denke ich nun wieder eher an eine Metallklarinette als etwa an ein entsprechendes Instrument aus Holz und möchte in gleichem Sinne auch gerne ein Tarogato, also gewissermaßen ein „Holz-Saxophon“, auswählen, um damit auch hier, ebenso wie in den Bereichen zwei und drei, wiederum die Zähigkeit bestimmter unbegründeter Systematisierungsvorstellungen aufzuweichen und somit vielleicht andere, sachlicher begründete Vorstellungen, besser einfließen lassen zu können.
    Auf dieses besondere „Expositions-Problem“ instrumentenspezifischer Materialien möchte ich aber später noch einmal gesondert zurückkommen.
    Nun haben wir letztlich noch den sechsten zu behandelnden Bereich vor uns.
    Dieser hängt mit dem vorher geschilderten wiederum insofern systematisch zusammen, als es auch da um Lamellophone geht, deren Lamellen hier allerdings in ganz anderer Weise zur Wirkung kommen. Hier scheint mir die Ausrichtung der Lamelle innerhalb des Instrumentes weniger von Bedeutung für eine entsprechende weitere systematische Unterteilung solcher Instrumente zu sein; - eher wird da wohl deren „Feinpositionierung“ bzw. deren „Anbringung“ am, oder im Rahmen differenzierend zu bedenken sein. Zunächst aber wird wohl wesentlich von der Spezifik des Anblasens und der insofern akustisch unterschiedlichen Funktionsweise solcher Instrumente her zu differenzieren sein.
    Insofern sind also entsprechende orgelartige Röhrenkonstruktionen, bei denen jeweils mit Hilfe eines „Resonanz-Schaltloches“ nur ein Ton an jeweils einer mit einem solchen Tongenerator ausgerüsteten Röhre „ein- und ausgeschaltet“ werden kann, von Tongeneratorkombinationen zu unterscheiden, bei denen mittels der Nutzung einer größeren Anzahl von Grifflöchern an nur einer Röhre, auf dieser dann auch viele Töne bzw. ganze Tonleitern, mittels wiederum nur einem Tongenerator erzeugt werden können. Zudem unterscheiden sich diese Instrumente noch dadurch, dass bei den Tongeneratoren der „vielröhrig-orgelartigen“ Instrumenten sowohl auf Blasen, als auch auf Saugen hin die gleichen Töne zum Klingen gebracht werden können, wohingegen die Funktionsweise des entsprechenden einzigen Tongenerators an den Einzelröhreninstrumenten vornehmlich auf Anblasen hin ausgelegt ist. Und die zu präsentierenden orgelartig kombinierten Instrumente sollten wiederum nach der jeweils unterschiedlich möglichen Position des entsprechenden „Rahmenspalttongenerators“ differenziert werden, welcher sich entweder am Fuße von unten geschlossenen Röhren (wie bei der chinesischen Mundorgel meiner Sammlung), oder eher im akustisch abgestimmten „Mittelbereich“ einer jeweils beidseitig offenen Röhrenkonstruktion (wie bei den entsprechenden philippinischen Instrumenten) befindet.
    Dieser sechste Bereich sollte also zumindest mittels zweier unterschiedlicher asiatischer Mundorgeln und dann einem entsprechend schalmeienartigen Einzelröhren-Instrument in der geschilderten Art präsentiert werden. Also mit spezifisch asiatischen Blasinstrumenten welche aus einer bereits jahrhundertealten Tradition stammen. Er kann nun aber auch noch durch die von Ernst Zacharias erst in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland erfundenen neuartigen Orgelpfeifen ergänzt werden, welche – ebenso wie auch andere von mir bereits hervorgehobene musikinstrumentelle Neuentwicklungen – in der Sachs-Hornsbostelschen Systematik ja gar nicht erfasst sind. Mit diesen neuartigen Orgelpfeifen kann dann wiederum auch die in diesem sechsten Bereich nun notwendigerweise zu berücksichtigende Unterscheidung von entsprechenden zylindrischen und konischen Röhrenkonstruktionen exemplarisch deutlich gemacht werden. Und um nun gerade auch diese europäische Neuentwicklung noch eingehender zu interpretieren und auch entsprechend genau einzuordnen, könnten dann dazu auch noch die unterschiedlichen Möglichkeiten der jeweiligen „Fein-Positionierung“ bzw. genauen „Anbringung“ (oder auch „Konstruktionsposition“) solcher, an derartigen Röhrenkonstruktionen entsprechend anzublasenden Lamellen eingehender bedacht und differenziert werden. Also jeweils danach, ob deren Zungenwurzel sich nun eher oberhalb, unterhalb oder innerhalb, der von ihnen jeweils durchschwungenen Rahmenkanten befinden. Und dabei kann wiederum deutlich werden, dass alle diese Positionierungen nun auch wieder hinsichtlich ihrer möglicherweise wiederum unterschiedlichen Eigenschaften in Bezug auf Ansaugen oder Anblasen bedacht und untersucht werden müssten und insofern möglicherweise auch künftig im Sinne weiterer musikinstrumenteller Nutzungsmöglichkeiten wiederum weitergehend zu differenzieren wären.
    Dies alles wird dann natürlich, neben der Präsentation der verschiedensten hier genannten „Instrumentalexemplare“, auch ein entsprechendes Angebot an dazugehörigen Kommentaren und Erklärungen für den eingehender interessierten Besucher erforderlich machen.
    Im Zusammenhang mit den dazu im Expositionsraum ebenfalls vorzustellenden schematischen Darstellungen des von mir alternativ zur bisherigen Vierklassensystematik entwickelten „Zweiklassen-Grundgerüstes“ einer naturwissenschaftlich begründeten, musikinstrumentellen Gesamt-Systematik sowie einer Auflistung der dafür wesentlichen methodologischen Grundsätze,(11) kann dem Besucher dann auch deutlich werden, dass er es hier, in Hinblick auf den ersten Bereich entsprechender Blasinstrumente, jeweils mit einem Teilbereich der Aerophone, hinsichtlich des zweiten, dritten und vierten Bereiches jeweils mit speziellen Teilbereichen der Membranophone und mit Blick auf den fünften und sechsten Blasinstrumentenbereich jeweils mit einem speziellen Teilbereich von Lamellophonen zu tun hat.
    Er kann von daher auch in nahe liegender Weise angeregt werden, nun vielleicht auch ergänzend weiterführend darüber nachzudenken, welche Musikinstrumente denn wohl über die hier exponierte systematische Darstellung von angeblasenen schallgebenden Gefäß- und Röhrenkonstruktionen hinaus, noch hinsichtlich weiterer Aerophone, weiterer Membranophone und weiterer Lamellophone, bedacht werden sollten und könnten. Und er könnte des Weiteren nun auch motiviert sein, ein in dieser Weise systematisierend angeregtes „Zusammenhangs- und Querverbindungsdenken“ dann auch beim Blick auf ganz andere Musikinstrumentenbereiche, die ihm ja dann auch an ganz anderen Stellen der hier installierten Gesamtexposition begegnen werden, stets neu zu entwickeln und wiederum in neuartiger Weise im Sinn zu behalten.
    Ich gehe dabei aber nicht davon aus, dass der Besucher nun vielleicht bereits beim Betreten der Ausstellung angehalten werden sollte, sich hier etwa aufgrund „museumspädagogisch begründeter Leitlinien“ oder Ähnlichem „vernünftigerweise“ zunächst den ausgehängten Texten und schematischen Darstellungen zu meiner Konzeption eines „Natürlichen Systems musikinstrumenteller Technik“ zuzuwenden, um dann, nach deren Studium, auch um so besser in der Lage zu sein, die erst danach zu betrachtende systemisch-systematische Installation einiger Blasinstrumente auch wirklich richtig in ihrer tieferen Sinnhaftigkeit zu verstehen. Eher umgekehrt meine ich, dass er durchaus die Freiheit haben sollte zunächst die ausgestellten Objekte zur Kenntnis zu nehmen und dabei auch stets die Freiheit behalten sollte, aufgrund selbst entwickelter Gedanken und Fragen dann vielleicht auch solche weiterführenden Texte und Strukturmodelle zur Systematik eingehender zur Kenntnis zu nehmen. Denn ich denke, dass museologisch konzipierte Expositionen keineswegs vorrangig als Orte der Lehre, sondern vielmehr als Orte der Bildung begriffen werden sollten. Orte, in denen die Freiheit des Erwerbs und die Freiheit der Form von Bildung für jeden Besucher das Wesentliche bleiben sollten und eben keine vorgegebenen Lern-Regeln oder gar verpflichtende „Lehrplankonzeptionen“ im Vordergrund zu stehen haben. Dabei meine ich hier, dass es bei Bildungserwerb in diesem Sinne (also durchaus im Unterschied zu vorverordnetem und per pädagogisch vorstrukturiertem Angebot angeeignetem und vielleicht auch verinnerlichtem Wissen), in diesem Sinne eher darauf ankommen sollte, auf der Grundlage eines bereits erarbeiteten Fundus an Wissen die stets weitergehende Fähigkeit zu entwickeln, auch selbst gezielte Fragen zur Erlangung weiteren Wissens zu verinnerlichen. Und an eine möglichst in diesem Sinne in entsprechender Weise strukturierte Bildungsmöglichkeit denke ich hier eben in erster Linie. So besteht meiner Meinung nach eben auch das wesentliche Ziel und der wesentliche Wert von Bildung – ob nun etwa für Schüler und Studenten oder auch für museumsbesuchend-bildungsinteressierte Erwachsene - nicht einfach in der erlernbaren Fähigkeit, richtige Antworten zu vorgegebenen Fragen geben zu können, sondern vielmehr darin, auf der Grundlage eines möglichst bereits wesentlich fragend angeeigneten Wissens, weiterhin die besondere Fähigkeit auszuprägen, eben auch selbst weiterführende Fragen aufzuwerfen und zu bewahren. Fragen in Richtung auf andere Wissensträger, Fragen in Richtung auf die Wirklichkeit, aber eben letztlich stets auch Fragen in Richtung auf uns und sich selbst.
    Als nunmehriger Eigentümer dieser Sammlung und als Hochschule, also als eine Lehreinrichtung, haben Sie natürlich auch die Freiheit, oder eben – so wie ich Ihre Absichten im Umgang mit diesem Ihrem Eigentum verstanden habe – nun auch die dabei selbstauferlegte Verantwortung, dieses Kulturgut-Eigentum als Bildungsmöglichkeit in Ihre Lehrpläne zu integrieren und darüber bin ich ja auch in besonderer Weise froh.
    Meine hier dargelegte Konzeption bezieht sich aber im museologischen Sinne auch auf mögliche Besucher aus der Öffentlichkeit und soll insofern eben eher bildungs-museologischer, als etwa hochschuldidaktischer Art sein. Denn gegen eine Interpretation meiner Systematisierungs-Konzeption als offiziell vorgegebener „Lehr- und Lerngegenstand“ würde ich mich nicht nur deswegen verwahren wollen, weil ich mich ja davor hüten möchte Ihnen irgendwie in Ihre Lehraktivitäten hineinzureden, sondern weil ich es auch für ausgesprochen bedenklich halten müsste, wenn meine hier dargelegten Auffassungen bereits hierzulande als „institutionalisierter Lehrstoff“ Verwendung fänden, bevor sie innerhalb des dafür eigentlich verantwortlich zuständigen Wissenschaftsbetriebes einer filternden Diskussion und der vergleichenden, kulturvoll-wissenschaftlichen Auseinandersetzung, mit möglichst vielfältigen anderen dazu wissenschaftlich entwickelten Hypothesen, ausgesetzt waren.
    Und ich betone dabei – wie schließlich mein ganzer Text hier ohnehin deutlich machen soll - dass gerade dies, nämlich einen solchen wissenschaftlichen Prozess einzufordern, eines meiner wichtigsten Anliegen ist.
    Vorschnelle Verwendung etwa als bereits ’obligatorischer Lernstoff’ könnte diesem Anliegen durchaus im Wege stehen.
    Damit möchte ich keineswegs irgendwelche, etwa noch „Bescheidenheit“ suggerierende Zweifel oder etwa „innere Unsicherheit“ über den Wahrheitsgehalt der von mir zu vertretenden Forschungsergebnisse oder zur Solidität meiner hier vorgestellten konzeptionellen Überlegungen akzentuieren, sondern vielmehr darauf aufmerksam machen, dass eben genau das, was ich soeben als Wissenschaftler von diesem – wie ich soeben formuliert hatte – „verantwortlich zuständigen Wissenschaftsbetrieb“ in durchaus ganz unbescheidener Art und Weise einfordern möchte, in Hinsicht auf die Systematik von Sachs und Hornbostel bislang eben gerade nicht oder letztlich nur ganz ungenügend, stattgefunden hat.
    Wir haben es da mit einer besonderen historischen Entwicklung zu tun, die natürlich in der Vergangenheit unter ganz anderen Bedingungen als den heutigen Möglichkeiten und Erfordernissen von Wissenschaftsorganisation und Wissenschaftswirken zustande gekommen ist. Und wir haben es dabei freilich auch mit zwei Wissenschaftlerpersönlichkeiten zu tun, die wohl keineswegs etwa solche Auffassungen in Bezug auf die „Partei der Wahrheit in der Wissenschaft“(12) hatten, wie ich sie vertrete.
    Dabei muss allerdings deutlich betont werden, dass das damalige Ausbleiben des von mir heute eingeforderten Wissenschaftsverhaltens keineswegs einfach allein als deren persönliche Schuld, oder dieser spezielle Fall von (wie aus meiner Sicht bereits betont) „verunglückter Wissenschaftsentwicklung“ auch keineswegs einfach nur als vielleicht typische allgemeine Schuld und Schwäche bürgerlicher Wissenschaftskultur allein angesehen werden kann.
    Vielmehr muss dies alles eben auch im Zusammenhang mit der Verbrechensliste des deutschen Faschismus und dessen spezieller Schuld gegenüber der Wissenschaftsentwicklung in Deutschland gesehen werden. (13)
    *
    Nun muss ich mich aber noch einer Problematik stellen, auf die ich angekündigterweise zurückkommen wollte.
    Ich meine die von mir hier systemisch-systematisch bevorzugte Platzierung von „holzgewohnten“ Instrumenten, wie Klarinette und Oboe in metallner Form, wie ebenso umgekehrt von „metallgewohnten“ Instrumenten, also etwa Saxophon oder Horn und Trompete in hölzerner Form. Ich möchte dies natürlich als Konsequenz verstanden wissen, von der ich allerdings weiß, dass dabei Vieles auch einfach nur als Provokation oder auch als eher unfachliche Fehlentscheidung missverstanden werden kann.
    Denn entsprechend meiner diesbezüglichen Diskussionserfahrungen kann ich mir nun gut vorstellen, dass eine derartige Bevorzugung dessen, was gerade als doch eher „untypisch“ für bestimmte Musikinstrumente und also auch nicht so recht „systematisch“ anmuten mag, sowohl bei den Anhängern und Vertretern bestimmter „zäher Vorurteile“, als auch bei solider gesinnten und derartigen Vorurteilen eher fern stehenden Fachleuten und Museologen auf Bedenken und Nichtakzeptanz stoßen kann.
    Bei den ersteren vielleicht eher von der Motivation der „Bescheid- und Besserwisserei“ her und bei den zuletzt genannten vielleicht eher aus der Position der Sorge und des Bewusstseins der Verantwortung gegenüber den Besuchern, denen doch in einer Ausstellung von Kulturgütern nicht einfach das doch zweifellos „Typische“ und vielleicht auch das „eigentlich Charakteristische“ bestimmter Musikinstrumente ’vorenthalten’ werden kann, sondern eher mitgeteilt werden sollte…
    Mit beiden würde ich gerne streiten und dabei auch gerne auf meiner Position beharren wollen. Denn gerade angesichts der Tatsache, dass ein solcher, speziell auf Systematikverständnis abzielender Bereich der hiesigen Gesamtausstellung, eben nur ein Ausschnitt, also ein bestimmter systematisierter Teilbereich aus dem Gesamtgebiet musikinstrumenteller Technik ist, kann ich hier auch meine Position, dabei zuweilen eben gerade gezielt das „untypisch Erscheinende“ ausgewählt zu präsentieren, sicherer verteidigen.
    Wenn man diese Angelegenheit ganz allgemein und in gewisser Weise auch „voraussetzungslos“ angehen möchte, so könnte man es freilich als legitim oder eben auch als erforderlich betrachten, etwa bei einer Ausstellung zu den hier behandelten Blasinstrumenten gerade deutlich zu machen, welche von diesen Instrumenten typischerweise aus bestimmten Materialien hergestellt werden. Wo es aber speziell darum geht, ein wissenschaftlich begründetes, Systematik-Verständnis musikinstrumenteller Technik zu vermitteln – und darum geht es hier schließlich – , da würde das Beharren auf der hervorhebenden Exposition von „in instrumententypischer Weise“ aus Holz hergestellten Klarinetten und Oboen nicht nur zur letztlich doch unangebrachten Hervorhebung einer in diesem Zusammenhang dann doch zunächst eher als Nebensächlichkeit zu bewertenden Besonderheit geraten können, sondern eben auch in wiederum fataler Weise ein bestimmtes trivialisierendes Vorurteil wissenschaftlich eigentlich längst überholten Systematisierungsdenkens unterstützen können. Die in unserem Zusammenhang entsprechend platzierten Metallinstrumente hingegen sind (hier nun durchaus auch im Sinne einer keineswegs zu verhehlenden Besonderheit) eben eher geeignet, sowohl jedem Besucher, als auch jedem erklärenden Begleiter, ein entsprechendes „Aufmerken und Aufmerkenlassen“ nahe zulegen und damit eben auch zum Weiterdenken, über die üblichen Vorurteile hinaus, anzuregen.
    Da ich nun soeben von „Nebensächlichkeit in bestimmten Zusammenhängen“ gesprochen habe, muss ich sogleich aber auch eine wichtige Zwischenbemerkung machen.
    Ich muss nun wieder verdeutlichen, dass gerade die Beachtung von Herstellungsmaterialien für bestimmte Musikinstrumente ansonsten überaus wesentlich für das Verständnis der geschichtlichen Entwicklung musikinstrumenteller Technik ist. Und die dabei unvermeidlich anzutreffende Tatsache, dass wir es hier sowohl mit biotischen Sustanzen (wie eben auch dem Holz von Oboen und Klarinetten), als auch mit eher abiotischen Herstellungsmaterialien, wie etwa Stein, Glas, Metall oder auch den wiederum spezieller zu bedenkenden moderneren Plastewerkstoffen etc. zu tun haben können, ist dabei – in wieder anderer Sicht – gerade auch für ein systematisches Verständnis der Entwicklung dieser besonderen Technik grundlegend. In Hinsicht darauf habe ich schon oft darauf hingewiesen, welche spezielle Bedeutung gerade hier dem Verständnis der Besonderheiten biogener Ausgangsmaterialien bei der Entstehung bestimmter, und der Weiterentwicklung vieler anderer Musikinstrumente zukommt. Und gerade in diesem Sinne habe ich ja auch hier bereits auf bestimmte zu beachtende Besonderheiten innerhalb des fünften Bereiches, also der Lamellophone mit „oberhalb“ schwingenden Zungen, aufmerksam gemacht und dabei im Sinne weitergehend systematisierender Differenzierungen auch besonderen Wert auf die Beachtung bestimmter biotischer Besonderheiten gelegt.
    Meine hier vorgenommene „Nebensächlichkeits-Zwischenbemerkung“ impliziert nun aber keineswegs einfach eine Relativierung meiner hier zu verteidigenden Position zur Systematisierung. Viel eher fühle ich mich auch auf Grund der hier dargelegten Bedeutung von musikinstrumentellen Materialien wiederum motiviert, gerade diese ansonsten untypischen Metall- und Holz-Instrumente vorzustellen, da auf diese Weise dem Besucher schließlich wiederum mehr über die reale Entwicklung und auch die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten von Musikinstrumenten mitgeteilt, und so auch mehrweiterführendes Nachdenken dazu angeregt werden. kann, als bei der ansonsten doch recht gedankenarmen, aber vielleicht pflichtbewusst-gewissenhaft und „verantwortungsvoll“ brav auf „das bislang authentisch-Typische“ orientierenden Exposition entsprechender üblicher „Holz- und Metallinstrumente“.
    So kann eben gerade das Exponieren von hölzernem Horn und Holztrompete sowie „hölzernem Saxophon“, neben Klarinette und Oboe aus Metall, sowohl bestimmte wichtige Besonderheiten und Wandlungen in der Entwicklung musikinstrumenteller Technik, als auch die schon insofern völlige wissenschaftliche Ungeeignetheit bestimmter, immer wieder zäh verteidigter Systematisierungsvorurteile verdeutlichen. Gerade solche, wie die hier in spezieller Weise systematisch exponierten Instrumente, können dabei besonders aufschlussreich sein, sofern es gelingt, dies dann auch im Zusammenhang mit den anderen in dieser Sammlung ausgestellten Blasinstrumenten (aber durchaus auch in Hinsicht auf noch weitere andere Instrumente) deutlich werden zu lassen.
    Ich möchte dies nun noch - ausgehend zunächst von der hier vorliegenden speziellen „Metalloboe“ – weitergehend verdeutlichen, denn da handelt es sich doch wohl um ein ganz besonderes Instrument.
    Natürlich gibt es auch normale Oboen aus Metall - also entsprechend konische Metallinstrumente mit üblicher Oboenmechanik. Aber das hier vorliegende Instrument wurde mir in einer An- und-Verkauf-Abteilung des staatlichen Musikhandels in der DDR als „Metalloboe mit Saxophonmechanik“ verkauft.(14) Und so habe ich das Instrument auch in der Regel – einfach der besseren Verständlichkeit halber – immer bezeichnet und vorgestellt, obwohl ich natürlich weiß, dass es vielleicht eher ein „Sarussophon“ sein könnte.
    Ich muss zugeben, dass ich gerade dieses Instrument immer besonders geliebt habe, denn damit konnte ich als Saxophonist auch sofort ein bisschen Oboe spielen, was mir ansonsten auf den üblichen Holzinstrumenten mit Oboenmechanik nie so recht gelingen wollte.
    Aber ich liebe es natürlich noch aus anderen Gründen, die genau mit der von mir hier systematisch -systemisch beabsichtigten Exponierung und den dabei nahe liegenden weiteren Möglichkeiten, sich (ob nun mit Hilfe von weiterführenden „Begleit-Erklärungen“ oder auch ohne diese, - also durch eigenes fragenstellendes Weiterdenken) mit bestimmten, hochbemerkenswerten Besonderheiten musikinstrumenteller Technikentwicklung zu konfrontieren und vertraut zu machen, zusammenhängen.
    So könnte eine erste konfliktreiche Frage lauten: Gibt es auch (und wenn nein, warum nicht?) Holzoboen mit Saxophonmechanik?
    Ich kann diese Frage zwar stellen, aber eben nicht beantworten, - würde sie aber sofort noch dadurch verstärken wollen, dass es doch wohl auch - obwohl offensichtlich doch sehr selten(15) - Tarogatos mit spezieller „Saxophongriffweise“ gibt. Und damit stehen wir bereits vor dem nächsten Instrumental-Konflikt und weiteren daraus abzuleitenden Fragen.
    Das oft (so auch von mir in meinem Text hier) als „Holz-Saxophon“ bezeichnete Tarogato, also eine Erfindung des Ungaren Wenzel Schunda, hat in seiner Originalform keineswegs ’Saxophongriffe’ sondern ein Klappensystem welches eher von der Klarinette abgeleitet wurde und verdient eigentlich auch keineswegs den Namen „Holzsaxophon“.
    Denn schließlich hatte sowohl Wenzel Schunda, als auch der Belgier Adolphe Sax – der eine in Paris und der andere später in Budapest - die gleiche Ambition: Ein Klarinettenmundstück an einer konischen Röhre anzublasen. Und auch A. Sax dachten dabei (schon lange vor W. Schunda) anfänglich natürlich ebenfalls an ein Instrument aus Holz.
    Für Wenzel Schunda, dem es offenbar nur um ein Sopran-Instrument im Sinne ungarischer National-Musik ging, erwuchs daraus kein Problem, aber für Adolphe Sax, der wohl mehr an Militärmusik dachte, und dem es dabei letztlich doch um die Konzeption einer ganzen „Instrumentenfamilie“ ging, die dann letztlich nur aus Metall zu verwirklichen war.
    Was nun solche konischen Lamellophone betrifft, so hat es noch weitere Aktivitäten, vor allem von professionellen Klarinettenbauern, gegeben, entsprechende Instrumente aus Holz herzustellen, wobei das historisch bemerkenswerteste dabei wohl das in Sachsen entstandene Oktavin ist.
    Nach der so erfolgreichen Initiative von Sax in Paris ist dann aber bei dem französischen Militär-Kapellmeister Sarrus die Idee entstanden, auch eine ganze Familie entsprechender konischer Metallinstrumente mit „Doppelrohrblatt“ und Saxophonmechanik, also ein entsprechendes Membranophon aus Metall, zu entwickeln, welche alsbald auch von einer Pariser Instrumentenfabrik verwirklicht wurde. Dabei wurde nun überhaupt nicht mehr an Holz, sondern konsequent an metallene Militärinstrumente gedacht. Diese, eigentlich überaus bemerkenswerten Instrumente, konnten sich dann aber leider nicht so durchsetzen wie das Saxophon, obwohl auch das Sarrussophon, außer in Militär- und Freiluft-Musik, eine gewisse Rolle im Jazz gespielt hat.
    Ganz anders begegnen uns aber wieder entsprechende Entwicklungen von unterschiedlicher Materialverwendung in der Abteilung von „Bläserlippeninstrumenten“, bei denen wir bereits gegenwärtig, aber sicherlich auch künftig noch zunehmend, beobachten können, dass zuweilen bislang obligatorisch aus Blech gefertigte Teile nun durch moderne Plastematerialien etc. ersetzt werden. Eine Tendenz, die bislang wohl am deutlichsten hinsichtlich der riesigen Schalltrichter amerikanischer Sousaphone zu vermerken ist, sich aber auch bei anderen „blechernen“ Blasinstrumenten – bis hin wiederum zum Saxophon - finden lässt.
    Sarrusophone sind nun – vor allem in tieferen Tonlagen - wohl auch heute noch in Frankreich, aber eigentlich kaum in Deutschland, anzutreffen. Ob es sich aber bei dem von mir in Berlin erworbenen metallenen Doppelrohrblatt-Instrument tatsächlich um ein Original-Instrument aus der Tradition der französischen Produktion von Sarrusophonen handelt, kann ich selbst nicht beurteilen. Das wäre wieder eine musikhistorische Forschungsaufgabe ganz anderer, aber doch keineswegs unüblicher Art.
    Aber auch diese Frage möchte ich nun gerne im Zusammenhang mit meinem Projekt einer
    systematisch-systemisch zu konzipierenden Blasinstrumenten Exposition betrachten und in wiederum bestimmter Weise bedenken wollen.
    Eines der bereits vor der hiesigen Eröffnung Ihrer Ausstellung mehrfach besonders hervorgehobenen Instrumente dieser Sammlung ist zweifellos das darin enthaltene Exemplar eines Sopransaxophons, welches noch den Original-Stempel der Firma A. Sax in Paris trägt.
    Freilich kann man – sobald man die darauf eingestanzte Jahreszahl bedenkt – wissen, dass dieses Instrument erst nach dem Tode des Erfinders in Paris entstanden ist. Aber immerhin – doch ein „Original Sax-Saxophon“ aus dieser Fabrikationsstätte . Allerdings denke ich, dass das ebenfalls in Paris hergestellte historische Alt-Saxophon aus dieser Sammlung, welches von einer ganz anderen, damals konkurrierenden Firma hergestellt wurde und auch eine Reihe von historisch früheren Merkmalen und Besonderheiten aufweist, durchaus als seltener und insofern wohl auch als musikwissenschaftlich wertvoller, gelten kann.
    Aber (so denke ich) letztlich handelt es sich doch bei beiden um keine so erstaunliche Seltenheit wie bei dem hier möglicherweise vorliegenden Sarrussophon.
    Und falls sich an diesem Instrument einmal erweisen würde, dass es doch nicht aus dieser Herstellungstradition stammt, so denke ich, dass es gerade dadurch vielleicht als noch seltener, als noch untersuchenswerter und als noch bedenkenswerter zu gelten hätte.
    Also besteht meine Ansicht zu diesem Instrument (welche aufgrund meiner besonderen Liebesbeziehung freilich nicht ganz frei von entsprechenden Vorurteilsneigungen sein wird) hier darin, dass es doch wohl auch als ein besonderes Kleinod dieser Sammlung gelten kann.
    Ein Instrument, welches – ganz unabhängig von dem profanen Geldwert, der ihm in letztlich eher entwürdigender Weise wohl irgendwann einmal als museale Besonderheit zugemessen werden mag – doch vor allem wert ist, jedem Besucher als eine solche spezielle Besonderheit aus der Entwicklung musikinstrumenteller Technik nahe gebracht zu werden, und welches manchem Besucher – ob nun Fachspezialist oder eher Sachliebhaber - wohl auch als entsprechende Besonderheit auffallen mag. Und es kann dabei jedem klar sein, oder auch mit wenigen Hinweisen klargemacht werden, dass es sich gerade bei diesem besonderen Kleinod um genau das handelt, was für die meisten Museumsbesucher doch zunächst das eigentlich Faszinierende und Anziehende ist was sie an entsprechende Ausstellungsorte führt: Die besondere museale Attraktion, deren Anmutungskraft sich sowohl aus dem Seltenheitswert bestimmter Objekte, als auch aus der Gewissheit ihrer gegenständlichen Authentizität als Repräsentanten bestimmter, uns vorhergegangener Entwicklungsprozesse, ergibt. Denn in der Regel werden sich Ausstellungs- und vielmehr noch Museums-Besucher natürlich nicht in erster Linie an solche Orte begeben, um dann etwa nur wissenschaftlich und systematisch-systematisierend belehrt zu werden, sondern sie möchten dort, neben allgemein Interessantem, eben auch die Begegnung mit ganz besonders Authentischem, speziell Seltenem und vielleicht auch Einmaligem erleben.
    Und dass mit diesem Instrument nun eine solche museale Besonderheit, die genau all dem entgegenkommt, meiner Absicht nach auch genau an dem Ort und in dem Zusammenhang exponiert werden soll, der mir in besonderer Weise wissenschaftliches Anliegen ist, resultiert in gleicher Weise aus meiner Liebe zu diesem wissenschaftlichen Anliegen, wie zu den technischen Kunst- und Kulturgegenständen, die in diesem Anliegen bedacht werden sollen. Dass ich mir dabei aber – wohl wissend, dass Liebe eben auch blind machen kann – doch recht sicher bin, es gerade hier in einer solchen, auf Systematik abzielenden Exposition auch an der richtigen Stelle zu platzieren, resultiert wiederum aus der oben letztlich nur grob umrissenen Vielfalt von Bedeutungen, die es aus meiner Sicht für ein wissenschaftliches Verständnis musikinstrumenteller Systematik und musikinstrumenteller Technikentwicklung grundsätzlich haben kann. Und es kann diese Bedeutungen dann eben auch aus der Seltenheits-Kraft seiner möglichen Faszinationswirkungen im Sinne ganz normaler Eingangserwartungen von ganz normalen Museums-Besuchern hinsichtlich dann eben keineswegs „normaler“, sondern eben eher „ganz besonderer, exquisiter“ Ausstellungsobjekte schöpfen.
    Mittels einer in dieser Weise installierten Exposition bestimmter Musikinstrumente würden sich jedenfalls derartige, ganz konkrete „Ausstellungserlebnisse“ sowie das Aufnehmen besonderer Denk-Angebote, welche sich ansonsten eben kaum einfach von selbst ergeben könnten, immer wieder anstoßen, und auch immer wieder aufs Neue fördern lassen können.
    Und insofern scheint es mir nun auch angebracht, einige weitere Überlegungen über den Sinn und den vorteilhaften Nutzen, aber auch die möglichen Perspektiven einer in dieser Weise strukturierten Expositionskonzeption darzulegen.
    Der Besucher würde hier mit einer dezidiert kritischen Sicht gegenüber einer bislang in gedankenloser Weise allgemein anerkannten, aber inzwischen wohl kaum noch integer aufrecht zu erhaltenden Wissenschaftskonzeption konfrontiert, er würde diese Konfrontation dabei insbesondere auch in Hinsicht auf die ansonsten ohnehin überaus fragwürdige „Aerophon-Problematik“ des bisherigen Systematisierens von Musikinstrumenten erfahren und dabei - zumal im Falle seines eigenen „Weiterdenkens“ - eben auch unmittelbar selbst miterleben können.
    Er würde dies auch im Zusammenhang mit dem Erlebnis der Konfrontation mit völlig neuen, aktuellen musikinstrumentellen Entwicklungsprozessen wahrnehmen können, wobei ihm in dieser Wahrnehmung auch deutlich werden kann, dass er sich dabei hier zweifellos an einem ganz besonderen Ort und letztlich auch innerhalb eines besonderen Geschehens befindet. Denn, aus dieser Sicht betrachtet, hat ihn sein Weg in eine solche Ausstellung hier nicht nur zu dem geführt, was er dort erwartete, nämlich zur Begegnung mit bewundernswerten Objekten aus der Vergangenheit, sondern es werden ihm in einer solchen Exposition nun auch, gerade angesichts der Erhabenheit bestimmter historischer Objekte, ganz aktuelle, hochlebendige und spannende Vorgänge hinsichtlich eines notwendigen Umdenkens zu diesen Objekten in der Gegenwart begegnen. Und dabei könnte er auch erkennen, dass sich innerhalb all dieser historisch wertvollen Einzelobjekte eben auch ein besonderes, systematisch mit Hilfe dieser Einzelobjekte zusammengesetztes komplexes Ausstellungsobjekt befindet -, nämlich das hier von mir vorgeschlagene „Komplex-Objekt“ einer systematisch-systemisch vorgestellten Anordnung bestimmter Blasinstrumente.
    Keineswegs einfach nur ein Ausstellungsobjekt zur geschichtlichen Vergangenheit, sondern in dieser „Ausstellungs-Aufstellung“ eher Objekt einer bestimmten, eigentlich brennend aktuellen und vielleicht auch beunruhigenden Gegenwartsproblematik.
    Und mehr noch: Je mehr ihm dies deutlich werden mag, um so mehr kann er auch selbst beunruhigter Teil dieser Gegenwart werden und letztlich eigentlich auch bereits Teil von Zukünftigkeit sein, denn mit dem, was er hier erfahren und erkennen konnte, kann er nun durchaus auch, wie man so schön sagt „seiner Zeit weit voraus sein“. Zumindest aber - und dies möchte ich ganz deutlich gesagt haben – kann er mit einem solchen, dann in diesen Ausstellungsräumen angeregten Problembewusstsein dem gegenwärtigen Stand des diesbezüglichen Problembewusstseins der Musikwissenschaften weit voraus sein.
    Da ich nun hier als Philosoph immer von bestimmten Objekten – sowohl in Hinsicht auf einzelne Musikinstrumente, als auch in Hinsicht auf meinen Vorschlag eines solchen systematisch-systemisch konzipierten Expositionsprojektes – gesprochen habe, möchte ich sogleich auch deutlich sagen, dass mir dabei der Besucher über den ich hier spreche, aber eben gerade nicht als „Belehrungsobjekt“, sondern eher als – so aphoristisch dieser Begriff nun auch sein mag – „Bildungssubjekt“ am Herzen liegt.
    Weniger aphoristisch, dafür aber vielleicht etwas übertrieben philosophisch, möchte ich eher formulieren, dass er natürlich in einem solchen Bildungsvorgang auch zum mitverändernden Subjekt bei der Überwindung des von mir beklagten Verhältnisses unserer Zivilisation zu musikinstrumenteller Technik werden kann.
    Ich möchte dies alles nun vielleicht auch noch in anderer Weise verdeutlichen.
    Im Unterschied zu dem, was man ansonsten beim Besuch einer wissenschaftlich fundierten Exposition erwarten kann, wo einem die Begegnung mit bestimmten, generell abgesicherten Ergebnissen etablierter wissenschaftlicher Forschung in „museumspädagogisch aufbereiteter Form“ ermöglicht werden soll, erwartet den Besucher an diesem Ort letztlich doch eine Begegnung ganz anderer Art. Sowohl er selbst, als auch das Stückchen Musikwissenschaft, mit dem er sich hier konfrontieren kann, befinden sich mitten in einem notwendig gewordenen Prozess des Umdenkens, also innerhalb einer entsprechenden Umwälzung, - in einem wissenschaftlichen Paradigmenwechsel.
    Diese besondere Situation können wir uns - aber ebenso vielleicht auch jedem interessierten Besucher - vielleicht an folgendem Vergleichsbeispiel verdeutlichen.
    Normalerweise wird jeder Besucher eines Museums oder auch einer sonstigen Ausstellung, zu der die Organisatoren und Veranstalter entsprechender Expositionen ja stets auch irgendwie die Vermittlung bestimmter Erkenntnisse, bestimmter Wissenschaftsergebnisse sowie bestimmter Bildungswerte im Sinn haben sollten, dann auch die Möglichkeit haben, sich im Anschluss an seinen Besuch noch weitergehender und ausführlicher zu seinen dortigen Besuchserlebnissen zu informieren. Manche „Ausstellungsinstitutionen“ werden dies - also die Anregung zu einem solchen „Weitergehen“ - ja sicherlich auch gerne als eines ihrer Anliegen, als eine der Zielstellungen ihrer Bemühungen an- oder auch ausgeben.
    Und entsprechend der dazu in Bibliotheken oder auch diesbezüglichen Wissenschaftsinstitutionen vorliegenden Fachliteratur, kann man sich dies normalerweise auch ermöglichen und sich dabei dann wohl auch einen durchaus weitergehenden Wissensstand aneignen, der dann auch über den Stand des Wissens, welcher in der ihn zuvor anregenden Exposition repräsentiert und vermittelt werden sollte, hinausgehen kann.
    Im Unterschied dazu befände sich der Besucher einer solchen, hier anzustrebenden Exposition, welcher sich dabei mit der Problematik einer eingehender bedachten Systematisierung musikinstrumenteller Technik konfrontiert sieht und dann im oben geschilderten Sinne, vielleicht auch anhand weiterer wissenschaftlicher Literatur, weiterführend informieren und bilden möchte, jedoch in einer ganz anderen Lage.
    Alle Bibliotheken des Landes, aber auch alle Musikwissenschaft in aller Welt, würden ihn hier im Stich lassen, und mit jedem Blick in die offizielle oder auch die allerneueste und modernste musikinstrumentenkundliche Literatur, würde er unweigerlich immer wieder auf das Niveau der klassischen, aber eben inhaltlich ganz falschen Vierklassensystematik zurückgeworfen werden.
    Die damit vorliegende Problemsituation lässt sich vielleicht auch mit Hilfe eines etwas anders gearteten Vergleichs verdeutlichen:
    In der Regel kann jedermann das Wissen und die Erkenntnisse, welche ihm mittels einer entsprechend spezifisch strukturierten Ausstellung vermittelt und nahe gelegt werden sollen, sich auch selbst – wenn vielleicht dann auch eher sehr mühselig – mit Hilfe der dazu vorliegenden Fachliteratur aneignen, dort alles nachlesen und/oder auch bestätigt bekommen.
    In unserem Falle aber könnte der entsprechend weitergehend interessierte Besucher sich eher darin bestätigt finden, dass genau das Wissen, welches er hier an diesem Ort erwerben kann, bislang in keinem einzigen der üblichen Fachbücher zu diesem Wissensgebiet nachlesbar wäre.
    In dieser Erkenntnis würde sich dann gegebenenfalls nicht nur eine andere Sicht auf musikinstrumentelle Technik, sondern eben auch eine andere Sicht und vielleicht auch eine besondere Achtung gegenüber dem besonderen Ort und der Institution, die ihm dies hier in ganz außergewöhnlicher Weise ermöglicht, nämlich einer ganz besonderen Musikinstrumentenausstellung der saarländischen Hochschule für Musik, ergeben können.
    Denn schließlich war er mit seinem Besuch nicht nur an einem Ort, wo er die Begegnung mit seltenen und möglicherweise auch zunehmend als immer wertvoller und vielleicht dann auch als irgendwie immer „heiliger“ anzusehenden Kunst- und Kulturgegenständen erleben und genießen konnte, sondern eben auch an einem Expositions-Ort, wo in ganz besonderer Weise, und hier wohl auch erstmalig in der Welt überhaupt, ein Umdenken zu diesen Gegenständen eingeleitet wird. Ein Umdenken, innerhalb dessen all diese Gegenstände auch in einer systematischen Weise als Technik verstanden werden, - dabei aber keineswegs einer Tendenz der Abwertung und Entheiligung ihres Status als besondere Kulturrepräsentanten unterworfen sind. Vielmehr kann eben dabei auch deutlich werden, dass gerade ein gründlicheres Verständnis dieser Technik – so wir gewillt sind dieses auch anzustreben - uns in besonderer Weise und in besonderer Würde hilfreich zur Seite stehen wird, wo es darauf ankommt, auch ein immer notwendiger werdendes Umdenken in Richtung auf ein besseres Verständnis dessen, was letztlich doch durch uns mit Technik und durch Technik doch mit uns, eigentlich alles bewerkstelligt werden und geschehen kann, und was dabei sowohl frohen Mutes hilfreich, als auch angsterzeugend bedrohlich, aus- und angerichtet werden kann.
    Und letztlich können wir damit, so meine wichtigste These in all diesen Zusammenhängen, eben auch ein besseres Verständnis über uns selbst erlangen, - ein besseres Verständnis über unsere spezifischen Fähigkeiten, sowohl verheerend Falsches und unbedeutend Belang- und Wertloses, als auch in der Tat Gutes und sinnvoll Wertvolles zustande zu bringen.
    Freilich kann eine solche, nun sehr allgemeine, aber eben grundsätzlich von mir als eigentlich sinngebend unverzichtbar betonte These nun auch als krasser Gegensatz zu dem erscheinen, was ich zuvor in so spezieller Weise – bis hin etwa zu den haarspalterischsten Einzelheiten verschiedenster Membranformen oder Zungenpositionen usw. - hinsichtlich der Unverzichtbarkeiten ganz konkreter und dann eben auch penibel-detailorientierter Systematisierungsbemühungen betont habe. Ich möchte dazu nun nicht nur anmerken, dass letztlich doch beides irgendwie zusammengehört und dabei die akribischen Mühen systematisch vorgehender Detailuntersuchungen von Dingen, die wir hervorgebracht haben, letztlich zu den wissenschaftlichen Voraussetzungen für ein tieferes Verständnis von uns selbst gehören, sondern auch, dass sich unsere Zivilisation in diesem Spannungsfeld von vergleichsanalytisch akribisch erforderlichen Detailuntersuchungen und eher allgemeineren Bedeutungs-Statements sowie philosophischen Thesen und Ansichten in Bezug auf Musik und wiederum auch die Technik, mittels derer wir diese hervorzubringen vermögen, eben doch irgendwie seltsam und fragwürdig verhält:
    Den allgemeinen Thesen zur fundamentalen Bedeutung von Musik und insbesondere deren besonderem Kultur- und Bildungswert wird wohl kaum ernstlich widersprochen, aber die im Sinne dieser Bedeutung konkret und eben auch systematisch „bis ins Detail“ erforderlichen Wissenschaftsanstrengungen werden doch nicht ernsthaft unternommen.
    Ich kann mir kaum einen Menschen mit einigermaßen vernunft- und kultur- geleiteter Biographie vorstellen, der ernsthaft die These vertreten könnte, dass zum besseren Verständnis unseres Wesens, also auch dessen, woher wir kommen, was wir sind und was mit uns und aus uns noch werden kann, das Verständnis des Zustandekommens und der Bedeutung von Musik und musikinstrumenteller Technik letztlich doch ziemlich unwichtig sei.
    Aber ich lebe in einer Zivilisation, innerhalb der zwar durchaus vielgestaltige Verständnisdemonstrationen in Richtung solcher, soeben genannter Fragestellungen zu vermerken sind und auch immer wieder intellektuell akzentuiert werden, in deren Wirklichkeit aber letztlich keine wesentlichen wissenschaftlichen Ansätze zum Verständnis der diesbezüglichen Bedeutung musikinstrumenteller Technik zu erkennen sind. Das erscheint mir höchst bedenklich und das Insistieren auf der Kritik an diesem Mangel gehört zu meinen grundsätzlichen Kritikansätzen gegenüber dieser Wirklichkeit.
    Ich kann mir aber wiederum auch kaum vorstellen, dass ein solcher Wissenschaftszustand auf ewig unverändert aufrechterhalten werden kann.
    In diesem Sinne möchte ich - wie ich das bereits in meinem Vortrag zur Eröffnung Ihrer Musikinstrumentenausstellung im Jahre 2008 getan habe – nochmals darauf zu sprechen kommen, dass wir es demnächst mit einem wohl weltweit zu bedenkenden Wissenschaftsjubiläum zu tun haben werden.
    Aus Sicht meiner Erfahrungen als Wissenschaftler gehört das feierliche Begehen solcher Jubiläumsgelegenheiten zu den fest eingespielten und abgesicherten Ritualen des Wissenschaftsbetriebes. Also Anstandsregeln und Regelmäßigkeiten, die kaum durchbrochen werden und Rituale die gesichert ablaufen und so eben auch kaum versäumt werden.
    Innerhalb deutscher Wissenschaftsgeschichte ist versäumendes Durchbrechen dieser Regelmäßigkeiten - dass also bestimmte Jahrestage gerade nicht bedacht wurden - wohl am ehesten im Zusammenhang mit dezidiert politischen oder eben auch entsprechend antisemitischen Motivationen zu sehen.
    In Hinsicht auf die weltberühmte Systematik von Sachs und Hornbostel sind nun aber eigentlich eher genau gegenteilige Motivationen in Richtung keinesfalls zu vergessender Würdigung eines solchen zweifellos wichtigen Jubiläums zu erwarten, zumal diese beiden bedeutenden Wissenschaftler ja als Juden von den deutschen Faschisten aus Deutschland vertrieben wurden.
    Im Zusammenhang mit dem 100sten Jahrestag des Erscheinens dieser doch immer noch weitgehend unangefochten dastehenden Sachs-Hornbostelschen Systematik denke ich, dass dabei - gerade auch im diesbezüglichen Rückblick auf die entsprechenden Besonderheiten der deutschen Wissenschaftsgeschichte – die Gelegenheit besteht, nun auch entsprechende Fragen in Richtung ernsthaft anzustrebender Wissenschaftskonsequenzen schärfer zu bedenken.
    Dabei denke ich, dass wir es in diesem Zusammenhang inzwischen doch auch mit einer bestimmten, letztlich entlarvenden, Entwicklungsumkehrung zu tun haben.
    1914 schrieben Sachs und Hornbostel zur Begründung der Bedeutung ihrer Systematisierungsbemühungen noch, dass „…eine systematische Ordnung und Nomenklatur ein dringendes Erfordernis …“ sei, und fahren dann wie folgt fort:
    „Denn wer ein Musikinstrument bloß nach Gutdünken benennt, oder es beschreibt, ohne zu wissen, worauf es ankommt, wird mehr Verwirrung stiften, als wenn er es ganz unbeachtet gelassen hätte.“ (16) Ich möchte betonen, dass ich diese Formulierung für deutlich überzeichnet halte, da keineswegs einfach alles, was bei Musikinstrumenten bislang, auch „ohne dass gewusst wurde, worauf es ankommt“, beschrieben wurde, nur zu „mehr Verwirrung“ führen musste, und möchte auf dieses Problem noch zurückkommen.
    Bei aller prinzipiellen Kritik, die ich zu dieser Systematik schon seit langem (d.h. schon seit mehreren Jahrzehnten) vorzubringen habe - und dabei auch stets bedenken kann, dass einiges, oder auch vieles von dieser Kritik bereits ebenso im Jahre 1914 möglich und eigentlich auch notwendig gewesen wäre -, kann ich vielleicht doch wenigstens einen kleinen Teil des großen Lobes, welches die Musikwissenschaften seither dazu immer wieder vorgetragen haben, akzeptieren und diese Systematik insofern vielleicht doch irgendwie auch als einen damalig nützlichen (wenn auch aus meiner Sicht durchaus ambivalenten und eben dann auch durchaus wieder verheerend wirkenden) Wissenschaftsimpuls im Zusammenhang mit der Entwicklung anderer Wissenschaftsdisziplinen ansehen.
    Nun meine ich aber, dass von wirklich fruchtbarer wissenschaftlicher Nützlichkeit dieser Systematik schon lange keine Rede mehr sein kann und – wie ich bereits vielfach dargelegt habe - gerade diese Systematik auf Grund ihrer Struktur, aber eben auch ihrer Nomenklatur, durchaus Verwirrung stiftend wirken kann und es sich beispielsweise auch bei solchen Wortbildungen wie „Polsterzungen“, „Bandzunge“ oder auch „Gegenschlagzungen“ u.v.a.m. zwar um inzwischen im Wissenschaftsbetrieb mehr oder weniger etablierte Begriffsfestlegungen handelt, diese Benennungen aber damals letztlich doch auch nur nach einem ebenfalls zu kritisierenden „Gutdünken“, ohne wirkliches Wissen darüber „worauf es wirklich ankommt“, erfolgt sind.
    Keinesfalls jedoch sollte die Vielzahl von amateurisch-dilletantischen oder sonstigen unprofessionellen Beschreibungen von bestimmten Musikinstrumenten, bei denen nicht gewusst wurde, „worauf es ankommt“, immer nur als gefährlich „Verwirrung stiftend“ angesehen werden.
    Weitaus gefährlicher, und nicht nur verwirrend, sondern eher schwerwiegend fehlorientierend, scheinen mir hingegen oftmals eher bestimmte „professionell und institutionell autorisiert-abgesicherte“ Beschreibungen zu wirken, bei denen letztlich auch nicht wirklich gewusst wurde, worauf es ankommt. Dass Derartiges wohl auch bei Sachs selbst anzutreffen war, habe ich ja verschiedentlich, in durchaus mühsamer Weise – so insbesondere am Beispiel der Maultrommel oder auch des Schwirrholzes (aber eben auch gelegentlich vieler anderer, von mir kritisierter Instrumentalbeispiele aus seiner ’Systematik’) - bei meinen entsprechenden Untersuchungen zu all diesen Instrumenten deutlich machen müssen. Und gerade seine Beschreibungen zur Maultrommel haben nicht nur zu entsprechender Verwirrung, sondern eben auch zu demonstrativ autoritär-dogmatischen Positionierungen im Wissenschaftsbetrieb geführt, - was ich ebenfalls mehrfach erlebt habe und verschiedentlich deutlich machen musste.
    Ich denke also – und möchte dies hier nochmals unterstreichen – , dass das Jahr 2014 hoffentlich genutzt werden kann, um auf dem Wege der Besinnung zur Wissenschaftsgeschichte dann doch zu beginnen, ein anderes Verhältnis der Wissenschaften zu den inzwischen anstehenden Problemen der Bearbeitung musikinstrumenteller Technikentwicklung einzuleiten.
    Den hier von mir gemachten Vorschlag zur Einrichtung einer entsprechend systematisch-systemisch konzipierten Teil-Exposition bestimmter Blasinstrumente innerhalb Ihrer Musikinstrumentenausstellung möchte ich insofern als eine besondere Initiative in diesem Sinne verstanden wissen.
    *
    Anmerkungen/Quellen:
    (01)
    Siehe dazu den Vortrag vom 22.10.2008 an der Musikhochschule in Saarbrücken
    (02)
    Siehe dazu: Bernd H. J. Eichler, Statement zur Podiumsdiskussion: Transformationen - Translokationen -Dispersionen: Sammlungen im Kontext gesellschaftlichen und machtpolitischen Wandels; in : Musik- Sammlungen- Speicher interkultureller Prozesse, Erik Fischer (Hrsg.) Stuttgart 2oo7, Teilband B S.614-616 , sowie
    Bernd H. J. Eichler, „Museologische Erwägungen zur Systematisierung und Präsentation einer Privatsammlung“. in: ebenda, Teilband B S.641-649)
    (03)
    Siehe dazu: Bernd H. J. Eichler: „Zur Position der sogenannten ’durchschlagenden Zunge’ im ’natürlichen System der Musikinstrumente’(Vortrag vom 20.11.1999 zum 20. internationalen Musikinstrumentenbau-Symposium vom 19.- 21.11.1999 im Kloster Michaelstein)
    sowie: Bernd H. J. Eichler: “Zur systematischen Position der sogenannten ’durchschlagenden Zunge’(Abstract zum Vortrag auf dem 20 internationalen Musikinstrumentenbau-Symposium vom 19.- 21.11.1999 im Kloster Michaelstein)
    (04)
    In meinen Vorlesungen zur Systematik und Physik der Musikinstrumente wurden natürlich auch weitere, dann eben eher für Anzupfen, Anschlagen sowie Reiben bzw. Streichen usw. speziell geeignete Membranformen weitergehend systematisch differenziert.
    (05)
    Siehe dazu wiederum die entsprechenden Ausführungen in meinem Vortrag vom 22.10.2008 an der Musikhochschule in Saarbrücken sowie den dort kommentierten Artikel von J. P. Fricke („Systematik der Klangerzeugung mit Zungen“) aus der Publikation zu den Vorträgen vom 20. internationalen Musikinstrumentenbau-Symposium vom 19.- 21.11.1999 im Kloster Michaelstein.
    (06)
    Siehe dazu die entsprechenden Ausführungen von C. Sachs und E. M. von Hornbostel in ihrem Vorwort zu ihrer Systematik, in:
    Erich M. von Hornbostel / Curt Sachs. „Systematik der Musikinstrumente: Ein Versuch“. Zeitschrift für Ethnologie 46 (1914). S.533-590
    (07)
    Siehe dazu: „Allgemeine ’Hintergrund-Anmerkungen’ zu den Dudelsackpfeifen aus meiner Werkstatt“
    (08)
    Diese bemerkenswerte Erfindung habe ich immer in der Weise beschrieben, dass man sich ein an einer Längsseite mit einem etwa ‚grifflochbreiten’ Schlitz versehenes Rohr vorstellen möge, welches wiederum mit einer diesen Schlitz luftdicht verschließenden, aber an einer Längsseite wiederum flexibel zu öffnenden Gummileiste versehen ist. Die Flexibilität dieser Leiste ermöglicht dabei unseren Fingern ein quasi „grifflochbildendes“ Anheben des Gummis an jeder Stelle des Schlitzbereiches, so dass sich ein solches durch Anheben gebildetes „Tongriffloch“ an einer derart geschlitzten Röhre sowohl mit einer Fingerkuppe glissandoartig rauf und runter bewegen lässt, als auch - ohne Glissando - an jeder beliebigen Stelle dieses Tonschlitzes öffnen und wieder schließen lässt.
    (09)
    Natürlich hatte ich, bereits unmittelbar nachdem ich ihn persönlich kennen lernte, bei B. Schimpf sofort ein einfaches solches Instrument für meine Sammlung bestellt, aber dann doch leider nie erhalten; - wobei seine Instrumente alsbald auch unbezahlbar teuer für mich wurden. Ich habe B. Schimpf damals immer wieder zu meinen Vorlesungsveranstaltungen zum Thema „Membranophone“ eingeladen, um den Vorlesungsbesuchern Gelegenheit zu geben sein Instrument kennenzulernen, und also auch ihm Gelegenheit zu geben, es vorzustellen, und er hat dies auch mehrfach wahrgenommen, wofür ich ihm zu Dank verpflichtetet bin. Es konnte allerdings schwierig werden, wenn es dabei um die Erklärung der ganz neuartigen Eigenschaften des von Ihm nur in ganz bestimmter Weise verwendeten Tongenerators ging, da er dabei immer wieder dazu neigte – eben aus der Position des bewunderten Erfinders und entsprechend „unanfechtbaren Spezialisten“ und mit dem Gestus demonstrativer „Bescheidwisserei“ - einfach bestimmte akustische Möglichkeiten dieses Tongenerators (die ich dann später wiederholend erklären und vorführen musste) zu leugnen…
    Ein ganz ähnliches Spannungsverhältnis zu dem, was ich in Bezug auf bestimmte musikinstrumentelle Möglichkeiten und besondere Eigenschaften von Tongeneratoren deutlich machen und auch bestimmten Interessenten immer wieder nahe legen wollte, hatte ich bereits zuvor in Bezug auf Klaus Stecker, dem ersten quasi professionell agierenden Schäferpfeifen- und Schalmeienhersteller in der DDR, erlebt. Nach einer - von mir an anderer Stelle beschriebenen - plötzlichen Änderung seines Auftretens begann er sich in ähnlicher Weise distanziert „bescheidwisserisch“, aber dabei eben auch demonstrativ geringschätzig-abwertend gegenüber den zuvor eher vom Geist der Kollektivität und der gegenseitigen bastlerischen Hilfe getragenen Neo-Folklore- und Dudelsackselbstbau-Initiativen, die in der DDR zunächst recht ausgeprägt und verbreitet waren, zu verhalten…
    (10)
    Das hier beschriebene „Umschalten“ eines solchen Tongenerators mag für jeden der dies erstmals probiert, alsbald als unrealistisch erscheinen, denn die Überempfindlichkeit unserer Zungenspitze lässt sich wohl nur schwerlich „abtrainieren“. Die Sache sieht aber schon anders aus, sobald man diese abzudeckende Tongeneratorenöffnung in Form eines „Schrägschnittes“, und also eher oval gestaltet, und damit auch unserer Zunge ein freieres „Abdeckverhalten“ ermöglicht. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf meine grundsätzliche Auffassung zur Bedeutung unterschiedlicher Tongeneratoren von Schalmeien und Dudelsackmelodiepfeifen verweisen. Siehe dazu: „Dudelsäcke im europäischen Spannungsfeld zwischen Ost und West“ (Vortrag vom 4.12.2004 zur Internationalen Arbeitstagung „Musikinstrumentenbau im interkulturellen Diskurs“ des Musikwissenschaftlichen Seminars der Universität Bonn)
    (11)
    Siehe dazu wiederum meinen Vortrag „Zur Position der sogenannten ’durchschlagenden Zunge’ im ’natürlichen System der Musikinstrumente’(zum 20.internationalen Musikinstrumentenbau-Symposium vom 19.- 21.11.1999 im Kloster Michaelstein) - insbesondere das dabei vorgestellte „Grundgerüst“.
    (12)
    Ich beziehe mich hier auf eine Formulierung, die mir während meiner Studentenzeit in den Schriften von J. G. Fichte begegnet ist und mir, gerade im Zusammenhang mit meinem bereits damals ausgeprägten philosophischen Grundinteresse an der Problematik der „Parteilichkeit in der Wissenschaft“, als bemerkenswert erschien; - zu der ich aber nun, nach Jahrzehnten voller mit vielen Wirrnissen und schwierigsten Veränderungen meiner Lebensverhältnisse befrachteter politischer Veränderungen sowie auch (zweifellos damit zusammenhängender) mehrfacher Einbrüche in meiner „Forschungsstelle für Vergleichsanalytische Organologie“ sowie entsprechender Zerstörungen meiner Arbeitsunterlagen und meiner mir vormals so hilfreichen technischen Einrichtungen zur Herstellung audioorganischer Experimentalmodelle, nicht mehr in der Lage bin, auf ein entsprechend „genaues Zitat“ dieses Denkers zurückzugreifen und in bibliographisch exakter Form darauf zu verweisen.
    Ich meine aber, dass doch wohl jedem Spezialisten zu Werk und Leben dieses so bemerkenswerten deutschen Wissenschaftstheoretikers und oftmals leidenschaftlich argumentierenden Philosophen die entsprechende Formulierung geläufig oder doch zumindest auffindbar sein müsste.
    Ich selbst kann aber hier nur noch aus meiner Erinnerung zitieren, dass Fichte (dabei auf sich selbst bezogen) „…die Zugehörigkeit zur Partei der Wahrheit in der Wissenschaft als das stete Bestreben des Autors…“ hervorgehoben hatte.
    Als schon eher im Sinne einer wissenschaftsmethodologisch relevanten „philosophischen Kategorie“ zu interpretieren, findet sich das Wort „Parteilichkeit“ dann in den Arbeiten Hegels, später aber keineswegs bei Marx und Engels (so jedenfalls meine Erfahrung bei meinen dabei auch auf Gesamtübersicht abzielenden Studien zu deren Schriften), was ich als „Tatsachenhintergrund“ bei dieser philosophischen Problematik freilich stets mitbedacht haben möchte. Siehe dazu auch: B. H. J. Eichler, „Parteilichkeit - Zur Entwicklung des Wortgebrauchs und des Prinzips“. In: DZfPh 31 (1983) 1, S. 72-80).
    (13)
    Wenn ich hier, angesichts dieser so offensichtlich in spezifisch deutscher Weise „verunglückten Wissenschaftsentwicklung“, davon spreche, dass wir es dabei auch mit einer „spezifischen Schuld des deutschen Faschismus“ zu tun haben (was - wie ich denke - wohl unbestreitbar ist), so muss ich auch auf eine Bemerkung aus meinem Vortrag zur Eröffnung dieser Instrumentenausstellung zurückkommen, mit der ich wiederum damals auf die Tatsache der deutlichen Beschädigung der bereits existierenden Möglichkeiten zur Überwindung dieses ’Verunglückungszustandes’ innerhalb der nach 1989 erfolgenden politischen Entwicklungen in Deutschland hingewiesen hatte.
    Um es innerhalb des nunmehr nahe liegenden Vergleichszusammenhanges deutlich zu sagen, kann ich auch betonen, dass insofern auch innerhalb dieses Prozesses nun ganz fraglos von einer spezifischen Schuld innerhalb der notorisch deutschen Traditionen von Antikommunismus - insbesondere speziell politisch-westdeutscher Prägung – die Rede sein muss.
    Dass ich damit nun aber auch Gefahr laufe, in die Nähe eines ganz bestimmten, groß und einladend aufgemachten Fettnapfes der Verdächtigung des ’illegitimen Vergleichens’ oder gar noch des ungehörig-ungeziemten Gleichsetzens von westdeutscher Rechtsstaatlichkeit und unrechtsstaatlicher Hitlerdiktatur, und möglicherweise auch noch der unverschämt-anmaßenden, geradezu ’Gleichsetzung’ suggerierenden Vergleichung meiner Person mit solchen Heroen der Wissenschaftsgeschichte wie Sachs und Hornbostel, zu geraten drohe, sollte mir dabei natürlich klar sein und mich hier vielleicht lieber „politisch korrekter“ und auch bedenklicher zurückhaltend gesinnt sein lassen.
    In Sinne der Wahrheit und der also aus meiner Sicht auch hier angebrachten Beibehaltung eines bestimmten vergleichsanalytischen Denkens muss ich aber darauf bestehen Folgendes zu betonen:
    Da ich nicht zu denen gehöre, die so gerne, und oft auch so demonstrativ vorschnell, ablehnen wollen, etwa „Äpfel mit Birnen“ zu vergleichen, sondern eher meine, dass man gerade auch die Unterschiede solcher Früchte, und dann eben auch deren wesentliche Besonderheiten, eben nur mittels vieler analytischer Vergleichungen systematisch gründlicher zu erkennen vermag, kann ich auch souverän darauf bestehen, was ich bereits deutlich zu machen versucht habe: Dass nämlich sowohl meine Wissenschaftskonzeption, als auch meine Methoden und letztlich gewiss auch meine Person, innerhalb der Wissenschaftsgeschichte ganz fraglos gänzlich anderer Natur als die der hier zur möglichen Vergleichung anstehenden, sind. Die eingehendere Ermittlung der jeweiligen Eigenarten und unterschiedlichen Qualitäten sowie auch die möglichen Bewertungen all dieser ’Früchte’ sollten aber letztlich der weiteren Entwicklung, und also auch den künftigen Bewertungen der Wissenschaftsgeschichte überlassen bleiben. Aber die reale Wissenschaftsentwicklung zu unserer Fragestellung (und das ist eben der Kern meiner Aussage, auf der ich hier bestehen möchte) ist eben innerhalb des deutschen Vereinigungsprozesses in einer fraglos sündhaften Dimension und auf eine spezifisch durch Antikommunismus motivierten Art und Weise beschädigt worden. Und wenn ich dabei nun diese einmal aufgemachte Vergleichsoptik jetzt auch weiterführend ausleuchte, kann ich nicht anders, als eben auch darauf hinzuweisen, dass derartiges innerhalb der deutschen Wissenschaftsgeschichte des vergangenen Jahrhunderts in markanter Weise zweimal geschehen ist: Einmal ab 1933 und dann eben ab 1990.
    Dabei geht es, was nun 1990 und die damit zusammenhängenden Wissenschaftsbeschädigungen betrifft, keinesfalls etwa einfach nur um meine Person.
    Da ich, sowohl mit meiner besonderen Biographie, als auch mit meiner besonderen Lebenskonzeption sowie meiner speziellen Wissenschaftskonzeption (die sich freilich alle unvermeidbar gegenseitig bedingten und beeinflusst haben werden und eben letztlich doch wesentlich „ostdeutsch“ geraten sind) unverkennbar in einer prokommunistischen Tradition und auf prokommunistischer Seite stehend, ab 1990 geradezu unvermeidlich in politisch und geschichtlich letztlich durchaus „verständlicher“ Weise, bestimmten traditionell-antikommunistischen Tendenzen deutscher Politik in nunmehr besonders stringenter Weise, und gewisslich auch mehr als manch anderer meiner ostdeutschen Kollegen, ausgeliefert sein musste und also auch den Tendenzen beabsichtigter de-facto-Eliminierung meiner Wissenschaftskonzeption und meiner Person aus dem Wissenschaftsbetrieb in Deutschland in besonderer Weise unterliegen musste, könnte es sich in meinem Falle von Selektion bestenfalls um einen gewissen „symbolischen“, aber wohl keineswegs einfach allgemein typischen Fall handeln. Wobei dann – was die vielleicht näher zu betrachtenden Details dieses „Einzelfalles“ betrifft – auch alles wiederum in einem geradezu irrationalen Wust von Imponderabilien verwirbelt vorzufinden sein wird, innerhalb dessen letztlich doch wohl einige damals besonders heftig denunziatorisch-verleumderisch eifernde ostdeutsche „Philosophen-Kollegen“, welche die damaligen Wendeverhältnisse (ob nun auch damit oder eben auch ansonsten irgendwie?) doch eher als „Karrieresprung“ nutzen wollten, hier sicherlich eine aktivere und treibendere Rolle gespielt haben, als die dann lediglich mit wenigen, letztlich einfach gewissenlos-kaltblütig festlegenden Amtshandlungen agierenden politisch beauftragten westdeutschen Vollzugsbeamten mich betreffender Eliminierungsentscheidungen. Und insofern würde man sich, im Versuch des Auftröselns derartiger, wohl nicht nur zufällig schwerlich entwirrbarer Verknotungen, ja gerade nicht dem Kern des Problems von Schuldhaftigkeit, über welchen hier zu reden ist, nähern.
    Denn dieser Kern besteht letztlich doch vielmehr darin, dass die Größe und Schwere dieser Schuld gegenüber der Wissenschaft eben auch daran zu ermessen sein wird, in welcher Weise und in welchem Maße sich die politische Administration damals, in ihrem spezifisch antikommunistischen Sieges-Eifer, unter das Niveau ihrer eigentlich selbstverpflichtenden eigenen Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit begeben hat. Dabei zeichnete sich meinem Eindruck nach in damaligen und weiteren Eliminierungs- und Vertreibungsvorgängen wohl auch die generelle Verletzung und Missachtung von grundsätzlichen bürgerlichen Rechtsnormen ab. So denke ich, dass es hinsichtlich der von mir in diesem Zusammenhang ab 1990 zu konstatierenden spezifischen Beschädigungen von bestimmten, damals bereits angelegten und durchaus möglichen weiteren Wissenschaftsentwicklungen, wohl kaum Zweifel geben kann.
    Künftige Wissenschaftsgeschichte wird dazu wohl im Grunde das Gleiche zu konstatieren haben, was ich in meinem Vortrag aus dem Jahre 2008 dazu gesagt habe.
    Für das eingehendere Verständnis entsprechender Beschädigungen und der konkreten Verständnisvertiefungen hinsichtlich ihres Zustandekommens sollten dann aber wohl auch bestimmte weitergehende Fragestellungen bedacht werden. Und da denke ich, dass dabei sowohl das spezifische Maß des Kerns dieser Schuld, aber eben auch die Tatsache des Herkommens der dabei von mir eingebrachten Wissenschaftskonzeption aus einer eben offensichtlich spezifisch prokommunistischen Denktradition, bedacht und vielleicht auch eingehender analytisch bewertet werden könnte. Vielleicht auch unter gelegentlicher Absehung von der dabei zwar stets möglichen, aber eben doch nur oberflächlich bleibenden Streitfrage, ob diese Konzeption nun etwa als ganz spezifisch „DDR-konform“ (und also damals gewissermaßen auch als „ganz unerträglich und unentschuldbar und also auch ’in naheliegend unvermeidlicher Weise’ zur Abwicklung anstehend interpretierbar) oder doch als eher „DDR-untypisch“ (und insofern vielleicht auch als damals eher „entschuldbar“ und etwa auch „nachsichtiger zu bewertend“) einzuschätzen gewesen sei…
    Ich traue ehrbarer bürgerlicher Wissenschaftsgeschichte durchaus eine künftige solide wissenschaftliche Antwort auf die hier aufgeworfene erste Fragestellung zum Kern dieser Schuldhaftigkeit zu, - ohne freilich sicher sein zu können, dass sie sich um eine solche auch tatsächlich intensiv bemühen wird.
    Weitaus geringer ist mein Vertrauen hingegen hinsichtlich der anderen von mir hier aufgeworfenen Fragestellungen zum tieferen Verständnis des Entstehens von Wissenschaftskonzeptionen im Zusammenhang mit sozialen Bewegungen und ihrer eben auch von daher erfolgenden Herleitung aus dementsprechenden Tendenzen bestimmter progressiver Wissenschaftsentwicklungen, denen hier der bürgerliche Wissenschaftsbetrieb meiner Erfahrung nach entsprechend seiner Prinzipien eher gewillt ist, gezielt auszuweichen und sich dabei auch eher demonstrativ-genügsam, nichtbedenkend und deutlich zurückhaltend zu verhalten geneigt sein wird.
    (14)
    Beim Erwerb dieses Instrumentes wurde mir vom Verkäufer versichert, dass es sich um ein „Musikinstrument aus deutscher Produktion handelt, welches im Auftrage der deutschen Wehrmacht eigens für das Spiel von Militärmusik unter den Kältebedingungen Sibiriens“ hergestellt worden sei...
    Eine meiner Meinung nach in mehrfacher Hinsicht irgendwie typisch deutsche „Musikinstrumenten-Legende“.
    Ebenso begegnete mir auch angesichts der aus Kautschuk hergestellten sowjetischen Oboe dieser Sammlung einmal die Meinung, dass dieses Material „doch wohl wegen der russischen Kälte, zur Vermeidung von Rissen“ gewählt worden sei…
    (15)
    Der Hinweis, dass es auch (ebenfalls aus Holz hergestellte) Tarogatos mit Saxophongriffweise gibt, ist mir mehrfach in Rumänien begegnet; - freilich ohne dass mir jemals ein solches Instrument begegnete.
    Dabei kann vielleicht auch bedacht werden, das zuweilen – bis hin zu bestimmten Firmenkatalogen – auch von Klarinetten mit besonderen „Saxophongriffen“ die Rede ist.
    (16)
    Siehe dazu wiederum C. Sachs und E. M. von Hornbostel in ihrem Vorwort zu ihrer Systematik, in:
    Erich M. von Hornbostel / Curt Sachs. „Systematik der Musikinstrumente: Ein Versuch“. Zeitschrift für Ethnologie 46 (1914).
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