Zur
Problematik einer ‚systematisch-systemisch’ konzipierten
Exposition von Musikinstrumenten
(Entstanden
im Jahre 2010; vorgesehen als Vortrag an der Musikhochschule des
Saarlandes in Saarbrücken)
In meinem Vortrag zur
Eröffnung der nun in Ihrem Hause befindlichen
Musikinstrumentenausstellung(01) hatte ich bereits über
die Konzeption meiner zuvor in Berlin unternommenen Aktivitäten
zur Einrichtung einer kritisch-systematisch angelegten
Musikinstrumentenexposition, in welcher der Besucher, anhand eines
bestimmten Teilbereiches von Musikinstrumenten, auch mit der
Problematik einer naturwissenschaftlich exakt zu begründenden
Systematik bestimmter Musikinstrumente konfrontiert wurde,
gesprochen.
Und weiterführende
grundsätzliche Vorstellungen zu den Möglichkeiten einer
demgemäß umfassender angelegten systematik-orientierten
Ausstellung von Musikinstrumenten hatte ich bereits zuvor, im Jahre
2005, anlässlich einer internationalen musikwissenschaftlichen
Tagung, ausführlicher dargelegt.
(02)
Ich hebe dies hier
deswegen einleitend hervor, weil ich (wie ich schon zu anderen
Gelegenheiten betont habe) durchaus der Meinung bin, dass
wahrscheinlich beides, - also sowohl meine erste, entsprechend
kritisch angelegte Expositionsinitiative in Berlin, als auch die
damaligen ausführlicheren konzeptionellen Darlegungen zu einer
entsprechend „systematik-orientierten“, also
systematisch-systemisch strukturierten Musikinstrumentenexposition -
wohl weltweit die ersten Versuche waren, eine solche Konzeption
vorzustellen und dann auch in ersten Ansätzen expositionell zu
verwirklichen. Und insofern bin ich auch froh darüber, dass ich
nun auch hier an Ihrer Musikhochschule wieder die Möglichkeit
habe diese mich seit langem bewegende Problematik darzulegen und mir
auch die Möglichkeit gegeben ist Ihnen hier einen detaillierten
Vorschlag für eine kleine, entsprechend konzipierte
Teilausstellung innerhalb der von Ihnen exponierten
Musikinstrumentensammlung vorzutragen und dabei meine kritische
Position zu bestimmten damit zusammenhängende Problemen und
Überlegungen zu verdeutlichen.
Ich möchte dabei
aber auch noch – und dies ebenfalls wiederholend - auf eine
andere Problematik hinweisen. Nämlich auf die aus meiner Sicht
außerordentlich großen Schwierigkeiten, die einem
begegnen können, wenn man vorschnell versuchen wollte, nun etwa
entsprechend den von mir mehrfach dargelegten kritischen Einwänden
zur inzwischen gewiss überholten Vierklassen-Systematik der
Musikinstrumente, und etwa auch orientiert an meinen neuen
„Grundgerüst-Vorschlägen“ und meiner
Auffassung zur Bedeutung der jeweils „Wesentlichen Elemente
schallrelevanter Oszillation“ (WESO)(03) eines jeden
Instrumentes, einfach eine demgemäß neue
Gesamtsystematik, etwa in tabellarischer Form oder auch – wie
von Sachs und Hornbostel schließlich damals im Jahre 1914 in
einer zunächst für alle Welt höchst beeindruckenden
Weise vorgeführt - in einer Anordnung nach Deweys
Dezimal-System, fixieren zu wollen.
Ich meine eher, dass
eine modernere Darstellung einer solchen Gesamtsystematik kaum noch
in traditionell eindimensionaler bzw. „flächig
strukturierter“ Weise, sondern vielleicht eher unter sich
gegenseitig bedingenden verschiedenen Aspekten, in integrativ
mehrdimensional vernetzten, räumlichen Darstellungsformen,
sinnvoll möglich sein könnte und denke insofern auch, dass
vielleicht solche wie die hier von mir angezielten Vorhaben, die ja
darin bestehen, diese Problematik nun zunächst in Form von
bestimmten musikinstrumentellen Expositionsaktivitäten
anzugehen, erste Schritte und entsprechende Anregungen auf eine
solchen Richtung hin sein könnten. Einleitende Denkschritte und
Bewegungsanstrengungen, um uns vielleicht auf einem solchen Wege dann
doch auch allmählich aus dem musikwissenschaftlichen Dilemma
herauszuwinden, mit dem wir es hier schließlich zweifellos zu
tun haben.
Nämlich mit der
doch offensichtlichen Tatsache, dass es gegenwärtig in der
Musikwissenschaft einfach keine detailliert modernisierte und
musikwissenschaftlich solide ausgearbeitete, also
auch unter nunmehrigen Bedingungen wissenschaftlich zu akzeptierende
Gesamtsystematik der Musikinstrumente mehr gibt.
Bei dem nun von mir im
Sinne einer solchen „Überwindungsbewegung“
ausgewählten Teilbereich von Musikinstrumenten soll es zunächst
um ganz bestimmte Blasinstrumente gehen, denn, von meiner Erfahrung
her, lassen sich diese durchaus in einer besonders
anschaulich-systematisierten Weise präsentieren. Ich werde aber
nun keineswegs versuchen, Ihnen etwa vorzuschlagen einfach die
Anordnung von Instrumenten zu wiederholen, die ich damals in Berlin
installiert hatte, denn da hatte ich es in Hinsicht auf den mir zur
Verfügung stehenden Raum, in welchem schließlich meine
gesamte Sammlung exponiert war, mit durchaus anderen Voraussetzungen
zu tun.
Hier möchte ich
eher vorschlagen ein solches Vorhaben nur in Hinsicht auf einige
wenige, eigens dafür auszuwählende besondere
Blasinstrumenten anzugehen.
Für eine solche
Unternehmung muss dann aber auch exakt definiert werden, um welche
Blasinstrumente es hier nun genau zu gehen hat bzw. in welchem
Sinne dieser Begriff dabei genau zu verstehen sein soll. Denn dieser
eigentlich doch sehr vage Begriff „Blasinstrument“ kann
schließlich (worauf ich in meinen vorherigen Vorträgen
bereits hingewiesen hatte) sehr umfassend, und insofern auch recht
unterschiedlich, ausgelegt werden.
Wenn wir dabei nun –
wie zumeist üblich – zunächst an Instrumente in der
Art von Flöten, Trompeten, Oboen, Klarinetten, Saxophonen usw.
denken, also etwa solche Instrumente im Sinn haben, wie sie in der
Systematik von Sachs und Hornbostel unter der eigenwillig-seltsamen
Bezeichnung „Eigentliche Blasinstrumente“ angeführt
werden, dann könnte ja auch - um eben in dieser Richtung genauer
zu definieren - von „angeblasen-schallgebenden Gefäß-
und Röhrenkonstruktionen“ die Rede sein.
Dabei würden wir
mit der etwas umständlichen Wortkombination „Gefäß-
und Röhrenkonstruktionen“ eben die Tatsache
berücksichtigen, dass sich vor allem unter den Flöten
nicht nur zylindrische und konische Röhreninstrumente, sondern
eben auch bestimmte Gefäßformen finden lassen.
Freilich könnte
man hier auch versuchen, nur noch von „Gefäßkonstruktionen“
zu sprechen, indem dann vielleicht auch alle offenen Röhrenformen
als besondere „Gefäße“ definiert werden. Ich
neige aber doch eher dazu, hier die bei den nun ausgewählten
Blasinstrumenten akustisch so bedeutenden Unterschiedlichkeiten, wie
offene zylindrische und konische Formen, als „Röhrenkonstruktionen“,
und dann, differenziert dazu, eben andere akustisch relevante
Hohlformen als „Gefäßkonstruktionen“ zu
definieren. Näher zu bedenken wäre dann allerdings auch, ob
dabei nun einseitig geschlossenen Röhren weiterhin als Röhren
oder eben eher als Gefäße zu systematisieren wären.
Mit einer
dementsprechenden, wie ich denke, letztlich exakteren Definitions-
und Begriffsmöglichkeit wären dann zwar eine ganze Reihe
„anzublasender Instrumente“ ausgeschlossen, es werden
damit aber andererseits auch mehr als nur die zunächst
üblicherweise genannten Blasinstrumente erfasst. Und sobald wir
jetzt – mit Hilfe einer solchen, mehr Exaktheit anstrebenden
Begriffsfestlegung – genauer hinschauen, kann uns auch
auffallen, dass wir es nun also nicht nur mit mehr Blasinstrumenten
zu tun haben werden als wir bei Sachs und Hornbostel unter der
dortigen Rubrik „Eigentliche Blasinstrumente“ finden
können, sondern wir haben es auch mit mehr Blasinstrumenten zu
tun als überhaupt bislang in der „klassischen
Vierklassensystematik“ erfasst werden konnten.
So werden wir uns dann
auch mit der eingehenderen Systematisierung von zunächst sechs
ganz unterschiedlichen Bereichen derartiger angeblasener Instrumente
beschäftigen müssen:
erstens mit
Flöteninstrumenten, also angeblasenen Aerophonen, deren
primäres WESO aus Gas besteht,
zweitens mit so
genannten „Kesselmundstückinstrumenten“, oder
vielleicht besser gesagt, „Bläserlippeninstrumenten“,
deren primäres WESO aus den Lippen des Bläsers besteht,
drittens mit
Halbmembran-Tongenerator-Instrumenten, deren primäres WESO eben
aus Halbmembranen bzw. aus den oszillierenden Teilen von so
genannten „Doppelrohrblättern“ oder auch
Tongeneratoren mit nur einer entsprechenden Halbmembrane bestehen,
viertens mit
Ganzmembran-Tongenerator-Instrumenten, bei denen das primäre
WESO aus „Ganzmembranen“ besteht,
fünftens mit
Instrumenten, bei denen deren zungenförmiges primäres WESO
über einer an eine Röhre speziell
angepassten Rahmenkonstruktion schwingt und insofern als „oberhalb
schwingend“ charakterisiert werden kann
und sechstens mit
Instrumenten, deren primäres WESO ebenfalls aus einer
zungenförmigen Lamelle besteht, welche hier aber zu einem
Schwingungsvorgang angeregt wird, bei welchem die Zunge auch am
inneren Rand der hier entsprechend angepassten Rahmenkonstruktion
vorbei bzw. dort jeweils durchschwingt, und insofern dann von ihrem
Wesen her als „durchschwingend“ zu charakterisieren ist.
Eine solche Aufstellung dieser sechs hier zu unterscheidenden „Blasinstrumentenbereiche“
kann nun allerdings wieder überaus weitschweifig verwirrend und
zunächst auch keineswegs systematisch übersichtlicher als
das bislang Gewohnte anmuten, denn die Musikwissenschaft hatte sich
dies bislang ja viel einfacher gemacht, indem sie kurzerhand alle
„Eigentlichen Blasinstrumente“ in ganz undifferenzierter,
und wie ich meine, eben auch in durchaus unberechtigter und
systematisch verfehlter Art und Weise, also sozusagen einfach „nach
Gutdünken“, zu „Aerophonen“ erklärt
hatte, wogegen ich mich schließlich, wie Sie bereits wissen,
schon seit vielen Jahrzehnten immer wieder aufgelehnt habe.
Ich möchte nun die
genannten sechs Bereiche eingehender erläutern und dabei auch
deutlich machen, inwieweit wir uns dabei im Sinne eines – wie
ich meine - besseren und eben auch systematischeren
Musikinstrumentenverständnisses künftig vielleicht auch
umgewöhnen und dabei in ein anderes Denken eingewöhnen
sollten.
Hinsichtlich der ersten
beiden genannten Bereiche, also in Bezug auf Flöten und
„Bläserlippeninstrumente“, dürfte es wohl die
wenigsten Missverständnisse darüber geben, welche
Instrumente hier gemeint sind, denn bei diesen Bezeichnungen liegt
doch auf der Hand, um was es geht.
In Bezug auf die dabei
letztgenannten, also die „Bläserlippeninstrumente“,
möchte ich allerdings im Sinne eines besseren systemischen
Verständnisses solcher Instrumente vorschlagen, hier die Lippen
des Bläsers nicht wie bei Sachs und Hornbostel als
„Polsterzungen“ (was zweifellos eine ganz unzutreffende,
letztlich unberechtigte Bezeichnung ist), sondern diese eher als
„Polstermembranen“ aufzufassen, was ich aus verschiedenen
Gründen für zutreffender halten muss.
So betrachtet, wird
auch deutlich, dass diese „Bläserlippeninstrumente“
durchaus in einer systematischen Nähe zu dem dritten hier
genannten Bereich, dem Bereich von Blasinstrumenten mit
„Halbmembrantongeneratoren“, stehen, wozu natürlich
alle Blasinstrumente mit so genanntem „Doppelrohrblatt“,
also Oboen, Fagotte, Sarrussophone, Rankette, Dolzainas, Krummhörner
usw. sowie verschiedene andere Schalmeieninstrumente und bestimmte
Dudelsackpfeifen usw. gehören.
Hier sollten wir uns
nun unbedingt von der bei Sachs und Hornbostel festgeschriebenen
(aber eben auch wiederum durchaus falschen) Vorstellung trennen, dass
wir es bei dem für diese Instrumente zuständigen
Tongenerator etwa mit „Gegenschlagzungen“ zu tun hätten,
und eher akzeptieren, dass es sich dabei eben doch um gegeneinander
schwingende Halbmembranen handelt.
Und alle diese
Instrumente stehen nun wiederum in unmittelbarem, systematischen
Zusammenhang zu dem vierten genannten Bereich, nämlich den
Blasinstrumenten mit Ganzmembrantongenerator.
Ich möchte aber
nun noch einige Erklärungen zu den systemisch-systematischen
Zusammenhängen von „Bläserlippeninstrumenten“
(bzw. „Polstermembran-Instrumenten“) und Blasinstrumenten
mit „Halbmembrantongeneratoren“ einfügen.
Wie ich bereits betont
hatte, meine ich, dass wir die beiden luftbeströmt gegeneinander
schwingenden Halbteile eines normalen einfachen Doppelrohrblattes,
wie wir es von entsprechenden europäischen Blasinstrumenten
kennen, in legitimer und wohl auch für jedermann zu
akzeptierenden Weise als Halbmembranen auffassen und bezeichnen
können und denke dabei auch, dass dies um so zwingender
akzeptiert werden sollte, wenn wir diese – wie ich dies ja auch
im ersten Teil meines Vortrages zur „Aerophon-Problematik“
ausdrücklich getan habe – im systematischen Zusammenhang
mit dem unmittelbar am Gaumen angeblasenen Tongenerator mit
einfacher, also „nicht gedoppelter“ Halbmembrane
betrachten, den ich Ihnen damals akustisch vorgeführt und zur
genaueren Ansicht auch durchgereicht hatte. Ein Blasinstrument,
welches hinsichtlich seiner Wirkweise wiederum als Gefäßkonstruktion
aufzufassen ist, da hier schließlich der kleine, zwischen
Halbmembran und Gaumen gebildete Hohlraum, welcher das dabei sekundär
mitwirkende aerophone WESO integriert, wesentlich für das Wirken
dieses kleinen Musikinstrumentes ist.
Wenn wir nun wieder auf
entsprechende Röhrenkonstruktionen schauen und dabei außer
den üblichen europäischen Doppelrohrblattinstrumenten auch
entsprechende andere systematisch gleichsetzend-vergleichbare
Schalmeieninstrumente, beispielsweise aus Asien, ins Auge fassen, so
stoßen wir dabei auf ein anderes überraschendes Phänomen:
Dort begegnen uns
Instrumente mit durchaus vergleichbaren Tongeneratoren, deren
entsprechend luftbeblasen gegeneinanderschwingende Halbmembranen
jedoch jeweils noch durch weitere zusätzliche, jeweils auf
beiden Seiten dieses Tongenerators in zusätzlichen Lagen locker
angebrachten Schichten aus den (soweit ich das beurteilen kann) wohl
gleichen Pflanzenmaterialien „abgepolstert“ sind. Mir
persönlich sind derartige „mehrschichtige Tongeneratoren“
bis zu beidseitig dreifacher Schichtung begegnet.
Ich halte es dabei
allerdings für einen Ausdruck fataler Gedankenlosigkeit, wenn
solche Instrumente dann zuweilen von Musikwissenschaftlern in Europa
den so genannten „Doppelrohrblattinstrumenten“ dann quasi
’systematisch erweiternd’ als Vierfach- oder eben auch
als „Mehrfachrohrblattinstrumente“ zur Seite gestellt
werden.
Hier meine ich wieder,
dass die weitgehend gedankenlos unangefochtene Akzeptanz der
Systematik von Sachs und Hornbostel wohl auch als eine Bedingung für
die dann auch mögliche Akzeptanz derartig scheinlogischer
Systematisierungsbestrebungen mitbedacht werden muss.
Für das
systemisch-systematische Verständnis derartiger Instrumente
scheint mir hier aber eher wichtig, Folgendes vorzuschlagen: Nur die
jeweils beiden inneren, also auch die tatsächlich gegenseitig
beidseitig „luftangeströmt gegeneinanderschwingenden“
Halbmembranen solcher Tongeneratoren, sollten bei diesen als das
tatsächlich primär wirkende WESO angesehen werden. Und die
jeweils weiteren dortigen „Anschichtungen“ sollten, zumal
diese, wie das offenbar in der Regel der Fall ist, nur mehr oder
weniger locker „anliegend“, aber nicht fest verbunden mit
dem Material der inneren Halbmembranteile des Tongenerators
mitschwingen, dann eher als „instrumentale Abpolsterungen“
dieses WESOs verstanden werden. Dabei ist eben auch vergleichend zu
bedenken, dass doch auch entsprechende „nichtinstrumentale
Abpolsterungen“ derartiger WESOs in vergleichbarer Weise bei
vielen der uns geläufigeren europäischen
Doppelrohrblattinstrumente üblich sind, was uns sofort deutlich
werden muss, sobald wir den unvermeidlichen, aber eben auch
notwendigen Einfluss der Bläserlippen eines jeden Spielers einer
modernen Oboe auf die Tonbildung und die Tongestaltung seines
Instrumentes bedenken. Und dabei sollten dessen Lippen, welche
schließlich ebenfalls an den Halbmembranen seines
„Doppelrohrblattes“ nur „anliegend mitschwingen“
und nicht fest mit diesem verwachsen oder verbunden sind, eben auch
keineswegs als WESO des Instrumentes anzusehen sein.
Ganz anders verhält
sich dies dann aber in Bezug auf das Lippenpaar des
Trompetenspielers, denn dessen Lippen wirken schließlich
tatsächlich als primäres WESO, zu welchem ich, wie bereits
gesagt, vorschlagen möchte, dafür den Begriff
„Polstermembranen“ zu verwenden.
Die Benutzung dieses
Begriffes möchte ich jedoch keinesfalls irgendwie als Referenz
gegenüber dem Sachs-Hornbostelschen Begriff der „Polsterzungen“,
den ich ja für gänzlich verfehlt halten muss, verstanden
wissen.
Es handelt sich hier
eher um eine bestimmte Art von Akzeptanz bezüglich der fatalen
Tatsache, dass die Musikwissenschaften tatsächlich bereits lange
mit diesem doch so offensichtlich schiefen Begriff arbeiten und
insofern zu hoffen sein kann, dass nun eine eher bescheiden
zurechtrückend angelegte „Begriffs-Reparatur“
vielleicht weniger aufwändig und vielleicht auch weniger „Unruhe
und Missbehagen stiftend“ ausfallen wird, als eine dann
vielleicht eher eitel-besserwisserisch und aggressiv aufgebauscht
vorgebrachte Begriffs-Neuschöpfung.
Und diese „Reparatur“
begründet sich eben vor allem aus den soeben dargestellten
vergleichsanalytischen Überlegungen zu anderen systematisch zu
bedenkenden Blasinstrumenten. Denn ich möchte dabei – um
es hier noch einmal deutlich zu sagen - eben doch den wesentlichen
Unterschied im Blick behalten, dass sich bei bestimmten anzublasenden
Röhrenkonstruktionen mit Halbmembrantongeneratoren außer
den instrumental mehrschichtig abpolsternd angelegten Tongeneratoren
auch nichtinstrumental instrumentenspezifische Abpolsterungen in
Form von Bläserlippen feststellen lassen. Einerseits – wie
etwa bei der Oboe - nichtinstrumentale Abpolsterungen, welche das
dortige instrumentenzugehörige primäre WESO zwar
beeinflussen mögen, aber eben nicht einfach mit diesem identisch
sind und andererseits (wie eben bei der Trompete usw.) auch quasi
„membrananaloge“ polsterförmige Oszillationselemente
nichtinstrumenteller Art, die aber dem Instrument vom Bläser
erst in Form seiner Lippen als primäres WESO zur Verfügung
gestellt werden.
Wenn ich nun schon
diese beiden, also etwa das primäre WESO einer Oboe und einer
Trompete analogsetzend vergleiche, so möchte ich sogleich auch
auf eine weitere Besonderheit zu sprechen kommen.
Halbmembrantongeneratoren
im Sinne der besprochenen Doppelrorblatttongeneratoren sind
natürlicherweise immer tendenziell symmetrisch konstruiert; - es
handelt sich in der Regel um zwei gleich gestaltete, gegeneinander
schwingende Halbmembranen. Es würde auch – nehmen wir
wieder das Beispiel eines „Oboenrohr-Mundstücks“ -
nicht viel Sinn und Zweck haben, etwa ein solches mit zwei ganz
unterschiedlich ausgeformten Halbmembranteilen herstellen zu wollen,
und gerade die Oboisten, die sich ihre Rohre selber gestalten,
versuchen da in der Regel Unsymmetrie weitgehend zu vermeiden.
Derartige
Symmetrieanforderungen werden wir nun aber bei dem ansonsten doch so
analogen „Bläserlippen-Tongenerator“ keineswegs
antreffen. Man kann zwar versuchen das Lippenpaar am Kesselmundstück
exakt symmetrisch zu formen, aber in der Regel passiert dort doch
etwas ganz anderes, und zumeist wird auch – so zumindest meine
persönlichen Kesselmundstückerfahrungen – ein
durchaus unsymmetrischer Lippenansatz angestrebt und bevorzugt. Man
kann dabei aber auch - und das ist es, worauf ich nun hier anhand
dieses Vergleichsbeispiels hinaus will – durchaus Töne
erzeugen, wenn es einem gelingt, nur noch eine Lippe am, oder eben
auch im, Kesselmundstück zum schallerzeugenden Schwingen kommen
zu lassen. Dies erwähne ich nun deswegen, weil sich eben auch
von daher sofort die analoge Möglichkeit denken lässt, dass
Gleiches doch auch in Hinsicht auf das Doppelrohrblatt möglich
sein müsste. Und wie ich bereits verschiedentlich dargelegt
habe, ist dies auch tatsächlich der Fall, - womit sich ein
weiterer Aspekt der membranophonen Verwandtschaftlichkeit dieser
beiden Tongeneratoren auftut. Um dies auch am konkreten Beispiel bzw.
mittels eines exakten vergleichsanalytisch konzipierten
Experimentalmodells zu verdeutlichen, habe ich hier ein
entsprechendes Exemplar aus meiner Werkstatt mitgebracht, welches ich
Ihnen nun akustisch vorführen und dann wiederum zur genaueren
Ansicht durchreichen möchte. Nachdem sie seinen Ton gehört
haben, können Sie dann auch erkennen um was es sich dabei
handelt. Dieser Tongenerator besteht hier einfach aus einem
ehemaligen Doppelrohrblatt, dessen eine Halbmembranenseite allerdings
nun in eine feste Auflage für die verbleibende andere Seite
umgewandelt wurde, so dass also tatsächlich nur noch diese eine
Halbmembrane schallrelevant oszillieren kann.
Was nun wiederum den
vierten Bereich, also die Instrumente mit Ganzmembrantongeneratoren
anbelangt, so müssen wir uns hier nun unbedingt daran gewöhnen,
dass es solche Blasinstrumente inzwischen einfach tatsächlich
gibt, auch wenn sie im Sinne der bisherigen Sachs/Hornbostelschen
Vierklassensystematik der Musikinstrumente doch eigentlich gar nicht
existieren können und sie dort bislang auch immer schon „per
definitionem“ von vornherein als völlig undenkbar gelten
mussten.
Um hier nun aber auch
systematisch exakt zwischen Halbmembranen und Ganzmembranen zu
unterscheiden und allerlei dabei mögliche Missverständnisse
zu vermeiden, macht sich noch eine entsprechend genauere
definitorische Zwischenbemerkung erforderlich.
Ich hatte im
Zusammenhang mit den von mir in meinen letzten Vorträgen
kritisch betrachteten so genannten „Freien Aerophonen“
aus der Systematik von Sachs und Hornbostel bereits zu der dort
angeführten so genannten „Bandzunge“ Stellung
bezogen und betont, dass dieses „ausgespannte Band“ wohl
doch besser als ein „Membransegment“ (oder vielleicht
auch als eine „Teilmembrane“), aber keinesfalls als
„Zunge“ begriffen werden kann. Wenn ich nun von
„Ganzmembranen“ und „Halbmembranen“ spreche,
so könnte unklar bleiben, ob letztere nicht doch auch als
Membransegment oder Teilmembranen aufgefasst werden könnten oder
sollten. Insofern muss ich diese für die hier angestrebte
vergleichende Systematisierung von Musikinstrumenten auch genauer
definieren und differenzieren. Dies möchte ich in folgender
Weise tun:
Eine Ganzmembrane muss
über eine geschlossene Membranfläche und einen diese
umschließenden Rahmen verfügen.
Eine Halbmembrane
besteht ebenfalls aus einer geschlossenen Membranfläche, welche
sich aber dadurch ergibt, dass sie nur über einen an ihr
anliegenden, nichtunterbrochenen Teilrahmen verfügt, welcher
sich zu einem Ganzrahmen gestalten würde, sobald man die
entsprechende Halbmembrane, an ihren Rahmenenden genommen,
spiegelbildlich-symmetrisch zu einer Ganzmembrane erweitern würde;
- eine Möglichkeit, die sich schließlich bei allen
entsprechend „teilgerahmten Halbmembranen“ denken lässt.
Insofern unterscheidet
sich diese dann von solchen „Teilmembranen“ oder auch
„Membransegmenten“, welche eben nicht über
entsprechend „nichtunterbrochene“ Teilrahmen - also
entsprechende Halbrahmenformen bzw. darauf zurückführend
ergänzbare Symmetrieeigenschaften - verfügen.
Und genau dies ist ja
bei dem Band der so genannten „Bandzunge“ der Fall.
Deren Membranfläche,
welche im Prinzip zwischen zwei getrennten „Rahmenteilen“
ausgespannt ist, ließe sich zwar durchaus symmetrisch
verdoppeln, brächte damit aber niemals einen umfassend
nichtunterbrochenen Rahmen zustande.
Wenn ich hier nun, auch
mit Bezug auf die so genannte „Bandzunge“, genauer, und
wie ich hoffe, auch unmissverständlich, differenziert habe, so
können sich in anderer Hinsicht wiederum weitere Fragen
ergeben.
Mir läge hier in
erster Linie die Frage am Herzen, ob sich nicht auch mittels der
Kombination eines solchen angeblasenen „ausgespannten Bandes“
und einer daran anzukoppelnden Röhren- oder auch
Gefäßkonstruktion wiederum ein völlig neuartiges,
effektiv schallgebendes Blasinstrument im oben definierten Sinne
konstruieren ließe, so dass wir es folglich nicht nur mit
sechs, sondern dann letztlich gar mit sieben verschiedenen Bereichen
der hier zu systematisierenden Blasinstrumente zu tun hätten.
Bei dieser Frage bin
ich mir in folgender Weise unsicher:
Ich sehe mich nicht in
der Lage, dies grundsätzlich zu bezweifeln, da es mir letztlich
durchaus vorstellbar und auch in verschiedener Weise konstruierbar,
also auch als reale Möglichkeit denkbar, erscheint. Und dies
allein schon insofern, als ich natürlich daran denken kann, dass
ich bereits als Kind immer wieder mit großem Vergnügen –
ebenso wie es manche Kinder sicherlich auch heute tun – einen
innerhalb der Außenseiten beider Daumen (also eben auch
innerhalb eines „Doppelspaltes“) straff eingespannten
Grashalm in Richtung der dabei gefäßbildend geformten
Handflächen angeblasen habe.
Eigentlich bereits eine
reale Erscheinungsform einer entsprechend verkoppelten
Instrumentalkonstruktion, von der ich denke, dass sie durchaus auch
in technisch weiterentwickelter Form möglich sein müsste.
Als angeblasenes Musikinstrument in Gefäßform liegt sie
uns schließlich bereits vor, sobald wir dieses zwischen zwei
Daumen eingespannte Band zusammen mit unseren hohlraumbildenden
Handflächen als organische Einheit betrachten wollen. Und dass
sich ein in derartiger (oder etwa auch in innerhalb eines
Doppelspaltes maultrommelähnlich quergestellter) Weise
angeblasenes Band auch akustisch an entsprechende andere Gefäß-
und auch Röhrenkonstruktionen ankoppeln lassen könnte,
scheint mir durchaus möglich.
Dementsprechende
musikinstrumentelle Entwicklungen erscheinen mir aber – im
Unterschied zu der Sicherheit und Gewissheit, mit der ich auch schon
lange vor meiner ersten tatsächlichen Bekanntschaft mit einem
anzublasenden Ganzmembran-Tongenerator davon ausgegangen war, dass
ein derartiges neuartiges Röhren-Blasinstrument sicherlich
möglich sein müsste - letztlich doch weniger gewiss.
Insofern möchte ich einen solchen siebten Bereich zwar weiterhin
für möglich halten, ihn aber, da wir dazu bislang noch über
keine eindeutig überzeugenden Belege in Form bestimmter
Musikinstrumente oder von entsprechend vergleichsanalytisch
konzipierten realen „Experimentalmodellen“ verfügen,
auch noch nicht in das hier, immerhin im Sinne einer Exposition von
realen Tongeneratoren, konzipierte Systematisierungsprojekt mit
einbeziehen.
Eine andere Frage wäre
dann, ob da nicht noch weitere unterschiedliche Membranformen, etwa
bestimmte regelmäßige und unregelmäßige sowie
solche mit mehrfach unterbrochenen Rahmenformen oder auch mit
durchbrochenen Membranflächen usw. zu differenzieren seien. Hier
denke ich, dass dies sicherlich in Hinsicht auf andere
Erregungsarten, wie eben Anschlagen oder etwa auch Zupfen und
Streichen, wichtig sein wird,(04) wir es aber in Bezug auf
die Blasinstrumente in den hier bislang relevanten sechs Bereichen
nur mit den geschilderten Halb- und Ganz-Membranen zu tun haben, und
dann im „möglicherweise möglichen“ siebten
Bereich eben mit entsprechenden Teilmembranen in Form von Bändern
konfrontiert wären. Bänder, die sicherlich sowohl in der
soeben geschilderten „schmalgestellten“, als auch in
einer entsprechend „quergestellten“ Weise, innerhalb
einer entsprechend effektiven Spaltvorrichtung angeblasen werden
könnten…
Was nun aber wieder den
hier als nächstes anstehenden fünften Bereich von
Blasinstrumenten anbelangt, so sollten wir uns bei diesem vielleicht
daran gewöhnen, hier auch von „Lamellophonen“ zu
sprechen, um dann auch zu akzeptieren, dass diese mit einer über
einem angepassten Rahmen einseitig justiert schwingenden Lamelle
ausgerüsteten Blasinstrumente (also etwa Klarinetten, Saxophone,
Tarogatos, Martinshörner und verschiedene andere entsprechend
konstruierte Schalmeien und Dudelsackpfeifen usw.) sich insofern
auch in einem systematischen Zusammenhang mit wieder solchen
Lamellophonen befinden, die im sechsten der genannten Bereiche von
Blasinstrumenten erfasst werden. Denn dort sind ja nun die
Instrumente einzuordnen, bei denen eine solche Lamelle nicht nur
oberhalb eines entsprechend dafür angepassten Rahmens, sondern
eben wesentlich auch innerhalb eines dort dann entsprechend anders
gestalteten Rahmens zum Oszillieren gebracht werden.
Hinsichtlich dieses
sechsten Bereiches aber sollten wir uns daran gewöhnen, nun die
dortigen asiatischen, Röhrenblasinstrumente, die schließlich
hinsichtlich ihrer musikinstrumentellen Funktionsmöglichkeiten
seitens der europäischen Musikwissenschaften jahrhundertelang
ganz unzutreffend interpretiert wurden und auch bis heute noch nicht
immer systematisch richtig erst genommen werden(05), nun
endlich auch im systematischen Zusammenhang mit allen anderen
„angeblasen-schallgebenden Gefäß- und
Röhrenkonstruktionen“ zu betrachten und damit nun auch in
einen Blickwinkel zu stellen, den uns die bisherige
Sachs-Hornbostelsche Systematik ja nicht nahe legen konnte. Und dabei
muss dann auch wieder berücksichtigt werden, dass auch für
diesen Bereich außer bestimmten traditionellen asiatischen
Blasinstrumenten, inzwischen ganz bestimmte moderne europäische
Musikinstrumenten-Novitäten zu bedenken sind und auch
entsprechend präsentiert werden sollten.
Ich denke dabei, dass
nun auch deutlich werden kann, dass eine solche, in diese sechs
Bereiche aufgegliederte systematische Zusammenstellung entsprechender
Blasinstrumente innerhalb einer größeren
Musikinstrumentenexposition doch ohne weiteres möglich ist und
im Prinzip auch mit einem relativ geringen Aufwand an spezifischem
Instrumental-Material realisiert werden kann.
Dabei kann bereits eine
derartig strukturierte Zusammenstellung der hier genannten
Blasinstrumente für jeden Besucher einer solchen Exposition auch
ein besonders intensives und letztlich auch völlig neues
„Verständnisangebot“ zu Musikinstrumenten
beinhalten, welches sich mit bisherigen
Musikinstrumentenausstellungen wohl kaum realisieren ließ.
Ich sehe hier aber auch
die Möglichkeit, nun - auch ohne allzu großen weiteren
Aufwand – noch einige Schritte weiter zu gehen, indem
innerhalb eines jeden dieser Bereiche dann noch weitere
Unterscheidungen verdeutlicht werden. Differenzierungen, die sich
dann allerdings von Bereich zu Bereich jeweils ganz unterschiedlich
gestalten werden.
Dabei möchte ich
jedoch zunächst von all den Differenzierungen, die sich in
Hinsicht auf jeweils unterschiedlich mögliche technische
Tonveränderungssysteme bei diesen Blasinstrumenten, wie eben
Grifflöcher und Klappen, Umschaltventile oder verschiebbare Züge
und Stempel usw. beziehen, weitgehend absehen, wobei in dieser
Hinsicht eben auch zu beachten ist, dass sich seit der Erfindung des
von mir gerne als „flexible Grifflochleiste“ bezeichneten
Tonveränderungssystems nun ohnehin die Verhältnisse völlig
geändert haben, da damit ohne Weiteres weitere neuartige
Blasinstrumente innerhalb aller hier genannten sechs Bereiche denkbar
sind und sich insofern nun ganz neue, bislang nicht zu erahnende
Entwicklungsmöglichkeiten bei allen diesen Instrumenten eröffnet
haben.
Und im Bereich der
Flöteninstrumente würde ich hier zunächst auch davon
absehen wollen, den Besucher nun etwa mit einer Systematik zur
Vielfalt unterschiedlichster Kopfstücke und
Anblaskantengestaltungen zu erstaunen, oder eben auch zu verwirren.
Solche Übersichten
sind schon oft, und oft auch sehr akribisch detailliert, erstellt
worden, wohingegen andere, mir letztlich grundsätzlicher
erscheinende Aspekte des wissenschaftlichen Systematisierens dieses
Musikinstrumentenbereiches, bislang eher vernachlässigt wurden.
Ich werde also nun noch
etwas detaillierter auf bestimmte weitere, jeweils ganz
unterschiedliche systematische Differenzierungen innerhalb aller
dieser sechs Bereiche eingehen.
Zum ersten Bereich,
also zu den Flöteninstrumenten, meine ich, dass es sich vor
allem erforderlich macht, nicht nur hinsichtlich unterschiedlicher
Gefäß- und Röhrenformen zu differenzieren, sondern
außer der notwendigen Unterscheidung hinsichtlich jeweils
zylindrischer und/oder konischer Röhren, auch auf die
Besonderheiten der erst in den letzten Jahrzehnten bekannt gewordenen
„zieharmonikaröhrenförmig gestalteten
Flöten-Instrumente“ näher hinzuweisen, welche
innerhalb dieses Bereiches wiederum eine grundsätzlich neue
Differenzierung in Bezug auf deren Besonderheiten im Vergleich zu
anderen Gefäß- und Röhrenflöten nach sich zieht.
Differenzierungen, die dann auch die eigentlich doch ganz
erstaunliche und zuvor geradezu unvorstellbare Tatsache verdeutlichen
können, dass es insofern eben auch röhrenförmige
Flöteninstrumente gibt, die quasi wie echte
Windkapselinstrumente angeblasen werden können, und dass
Derartiges insofern dann auch hinsichtlich bestimmter Gefäßflöten
- beispielsweise bei der von mir bereits in einem anderen
Zusammenhang dementsprechend erläuterten speziellen
Teekesselpfeife – zu vermerken ist.
Als instrumentelle
Belege für einen demgemäß ausgestalteten
Flöten-Bereich wären also sowohl zylindrische und konische
Röhrenflöten sowie die entsprechend unterschiedlichen
Gefäßflöten, als eben auch ein entsprechend
zieharmonikamäßig gestalteter, windkapselfähiger
„Flötenschlauch“ erforderlich. Und man kann dabei
dann (wie ich ebenfalls bereits angemerkt hatte) auch wieder
entscheiden, ob nun etwa die zweifellos zu den Flöten gehörenden
Panflöten tatsächlich immer zu den Röhrenflöten,
oder etwa im Falle von unten geschlossenen Röhren (was ja nicht
bei allen Panflöten der Fall ist) vielleicht doch eher zu den
Gefäßflöten zu stellen seien?
Und dabei wäre
vielleicht noch zu erwägen, ob der Besucher hier auch mit der
systemischen Konfliktsituation konfrontiert werden sollte, die sich
inzwischen auch in Hinsicht auf die möglicherweise als
spezielle Gefäßflöten zu interpretierende
„angeblasene Membranflasche“ ergeben kann.
Dabei wird sich dann
auch zeigen, dass mit diesen bereichsspezifisch
weiterdifferenzierenden Systematisierungsschritten wiederum ganz
neuartige Sichtweisen für das Verständnis von
Flöteninstrumenten eröffnet werden können.
Sichtweisen, die zuvor überhaupt noch keine Rolle in den
organologischen Forschungen zu Flöteninstrumenten spielen
konnten.
Ähnliches kann uns
nun auch in Hinsicht auf den zweiten Bereich bei den so genannten
Kesselmundstückinstrumenten begegnen, denn sobald wir da näher
hinschauen und die damit zunächst angezielten Instrumente
eingehender differenzieren, kann deutlich werden, dass dabei dieser
Terminus, der sich hier allzu leicht als „Oberbegriff“
für einen solchen Bereich anbietet, auch noch außer den
von mir dazu bereits geäußerten Bedenken, in Frage zu
stellen ist. In entsprechend skeptischer Hinsicht darauf, hatte ich
ja auch bereits das weniger übliche und insofern vielleicht
auch leicht anfechtbare Wortgebilde „Bläserlippeninstrumente“
verschiedentlich in meinen Text einfließen lassen.
Es geht dabei um
Folgendes: Wenn wir Blasinstrumente mit entsprechender
Bläserlippen-Tonerzeugung näher differenzieren wollen,
werden wir dabei natürlich auch wieder die akustischen
Unterschiede von konischen und zylindrischen Röhrenkonstruktionen
zu bedenken haben, dann aber auch auf unterschiedliche
„Mundstücksformen“ stoßen, wobei uns dann eben
auch Instrumente - wie beispielsweise das Didjeridoo –
begegnen können, welche genau genommen über gar kein
„Kesselmundstück“ verfügen. Denn der Bläser
an derartigen Instrumenten bringt seine Lippen lediglich am offenen
Rand der entsprechenden Röhrenkonstruktion zum Schwingen, und
die so erzeugten Schwingungen werden dann unmittelbar (eben ohne
zuvor in den verengenden Kessel einer besonderen
„Kesselmundstückkonstruktion“ geleitet worden zu
sein) direkt in das Rohr des Instrumentes geleitet.
Als für diesen
„Bläserlippeninstrumenten-Bereich“ auszustellende
Instrumente möchte ich also etwa einerseits einen konischen
Zinken und ein kleines „Alphorn“ – genauer gesagt
das „Original-Thüringer Hirtenhorn“ dieser Sammlung
- sowie andererseits ein zylindrisches Didjeridoo, aber eben
unbedingt auch ein entsprechend „problem-verdeutlichendes“
modernes Kesselmundstück (wie es ja normalerweise nun auch am
Thüringer Hirtenhorn verwendet wird) vorschlagen.
Dass ich dabei –
wie Sie vielleicht schon bemerkt haben – hier natürlich
nicht zufällig, sondern durchaus vorsätzlich und
absichtsvoll nur bestimmte hölzerne und eben keine metallenen
bzw. blechernen „Bläserlippen-Instrumente“ als
Repräsentanten für diesen Bereich auswähle,
geschieht, um eben auch in dieser Weise dem ansonsten allzu üblichen
Vorurteilsdenken der klassifizierenden Unterscheidung in „Holz-
und Blechblasinstrumente“ nicht nur keine weitere Nahrung zu
geben, sondern eben auch expositionell-demonstrativ deutlich entgegen
zu treten.
Denn schließlich
gehört (neben noch einigen anderen) doch gerade diese
Standardvorstellung archaisch-unwissenschaftlichen Systematisierens
nicht nur zu den wohl immer noch am meisten verbreiteten
„Bildungsvorurteilen“ über Musikinstrumente, sondern
wird hierzulande dummerweise auch immer noch massenhaft innerhalb
von Schulen und Musikschulen von Musiklehrern an Kinder und
Jugendliche weitergegeben.
Ein Umstand, der in
diesem Falle allerdings nicht so einfach auf die Fehlleistungen
Sachs-Hornbostelschen Systematisierens zurückzuführen ist,
da gerade diese beiden doch genau eine solche Auffassung bereits vor
hundert Jahren mit eindringlichen Worten(06) als ganz
unwissenschaftlich gekennzeichnet hatten.
Vielmehr offenbart sich
eben auch an diesem immer noch mit größter Zähigkeit
in allgemeiner „Allgemeinbildung“ verankerten und
inzwischen geradezu klassisch gewordenen Fehlverständnis-Beispiel
bezüglich des Verhältnisses von Musikinstrumenten und
Wissenschaft, der diesbezügliche Bildungszustand (oder
vielleicht auch „Bildungsnotstand“ oder eben auch
„Unbildungszustand“) unserer Zivilisation in Hinsicht auf
Musikinstrumente und dabei eben auch deren immer noch ausgeprägter
Uninteressiertheit an der Kultivierung eines wirklich
wissenschaftlichen Verständnisses dieser besonderen, letztlich
doch in besonders verbindlicher Weise humanisierten und in besonderer
Weise human-relevanten Form von Technik.
Und in dieser Situation
voller entsprechend unsinnig tradierter, aber doch typischer
Vorurteile sowie einer entsprechend spezifischen Uninteressiertheit,
können eben auch die Fehlleistungen des Sachs-Hornbostelschen
Systematisierens ihren entsprechend traditionell abgesicherten
„Zähigkeitsstatus“ erlangen.
Wenn wir uns nun dem
dritten Blasinstrumentenbereich, also den Instrumenten mit
Halbmembrantongeneratoren, zuwenden, so werden sich wieder ganz
andere Probleme systematisch differenzierterer Darstellung ergeben.
Natürlich müssten
dort wiederum mindestens ein entsprechend konisches und ein
entsprechend zylindrisches Instrument, also etwa eine Oboe und eine
Dolzaina(07) mit ihren entsprechenden, aus gedoppelten Halbmembranen
bestehenden Tongeneratoren, ausgestellt werden.
Und auch dabei sollte
meiner Ansicht nach – eben aus den gleichen Gründen wie
bei den hier von mir bevorzugten „Holzinstrumenten“ aus
dem zweiten Bereich - dort nun besser eine Oboe aus Metall, und nicht
eine aus Holz, platziert werden.
In Hinsicht auf die
Tongeneratoren dieses dritten Bereiches ist dabei aber noch mehr zu
bedenken.
Ich hatte schon darauf
hingewiesen, dass es durchaus möglich ist, auch einen im Prinzip
in analoger Weise funktionsfähigen Tongenerator mit nur einer
entsprechenden Halbmembrane zum Klingen zu bringen und Ihnen dies
auch vorgeführt. Also müsste dort auch ein solcher
präsentiert werden, denn immerhin handelt es sich bei einer
solchen Präsentation doch um ein real vorliegendes
„Experimentalmodell“, also um eine
organologisch-technische Realität, auch wenn sich dazu wohl kaum
ein in musikantischem Gebrauch befindliches, spezifisches
Blasinstrument anführen lässt.
Um diesen Bereich aber
nun wirklich systematisch vollständig zu gestalten, wäre in
diesem Sinne dann auch noch an eine entsprechende „Vogelstimme“,
also an die entsprechend am Gaumen anzublasende Halbmembrane zu
denken, bei welcher wiederum zu bedenken wäre, dass es sich
dabei – im Unterschied zu den anderen Repräsentanten
dieses Bereiches – im Prinzip um das WESO einer
Gefäßkonstruktion handelt.
Mit wieder ganz
ähnlichen, aber letztlich weitaus vielgestaltigeren Problemen
haben wir es dann innerhalb des vierten Bereiches, also bei der
eingehender systematisierenden Betrachtung des angeblasenen
„Ganzmembran-Tongenerators“, zu tun. Hier liegt nun auf
der Hand, dass das, was hinsichtlich einer derartigen
Tonerzeugungsmöglichkeit noch vor wenigen Jahrzehnten für
jeden, der über die wissenschaftlich abgesegnete „Systematik
der Musikinstrumente“ informiert war, als geradezu unmöglich
gelten konnte, inzwischen musikinstrumentelle Realität ist.
Und zu dieser Realität
gehört nun auch, dass dieser Tongenerator wiederum über
musikinstrumentelle Eigenschaften verfügt, welche bislang bei
keinem anderen Blasinstrument denkbar waren. Ein Tongenerator, der
von zwei Seiten seines WESOs, also der dort entsprechend wirkenden
Ganzmembrane her, gleichzeitig nutzbar gemacht werden kann und allein
von daher schon eine Vielzahl weiterer, unterschiedlichster und auch
ganz neuartiger Blasinstrumentenmöglichkeiten eröffnet. Ob
nun mit entsprechenden konischen oder zylindrischen Röhren oder
auch mit anderen akustischen Hohlformen, welche an diesem
Tongenerator dann eben auch jeweils beidseitig bzw. wechselseitig
angekoppelt werden könnten; - hier ist eben Vielerlei gänzlich
Neuartiges möglich.
Es handelt sich dabei
um Möglichkeiten, hinsichtlich deren Vielzahl gegenwärtig
wohl weder völlig abzusehen sein wird, wie umfangreich diese
wohl entwickelt werden könnte, noch ob künftig etwa
überhaupt ein Interesse entstehen wird, derartige Möglichkeiten
auch vollständig zu verwirklichen und umfassend auszuschöpfen.
Dabei kann zu diesem Tongenerator eben auch gesagt werden, dass im
Zusammenhang mit den ersten Versuchen der eingehenderen
musikinstrumentellen Nutzung seiner ganz neuartigen organologischen
Eigenschaften inzwischen auch ein völlig neues technisches
Tonveränderungssystem für Blasinstrumente entstanden ist,
so dass wir es nun neben Klappen und Grifflöchern,
Umschaltventilen oder verschiebbaren Zügen und Stempeln auch mit
der von Bernhard Schimpf erfundenen „flexiblen Grifflochleiste“
(08) zu tun haben, welche wiederum – wie bereits gesagt -
die Entwicklungsmöglichkeiten von Röhrenblasinstrumenten
aus allen hier besprochenen sechs Blasinstrumentenbereichen
systematisch erweitert.
Da ich leider keines
der von Bernhard Schimpf mit diesem Tongenerator und seiner
spezifischen „Grifflochleiste“ ausgerüstetes
Instrument erwerben konnte,(09) sollten dem Besucher als
instrumentelle Belege für diesen vierten Bereich - neben den
entsprechenden, bereits im Handel befindlichen „Party- und
Fußballplatz –Krawallinstrumenten“ - auch weitere
entsprechende Experimentalmodelle zur Verdeutlichung der besonderen
Funktionsweise dieses Tongenerators präsentiert werden.
Innerhalb des fünften
Bereiches ergeben sich dann wiederum ganz andere Probleme weiteren
systematischen Differenzierens.
Natürlich sind
hier zunächst wieder entsprechende zylindrische und konische
Lamellophone, wie etwa Klarinette, Saxophon und Tarogato sowie auch
„Martinshörner“, zu unterscheiden, aber hinsichtlich
des hier zu bedenkenden Tongenerators sollte noch eine andere, gerade
auch aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht hoch bedeutsame
Differenzierung ernst genommen werden, welche vor allem mit Blick auf
historisch frühere Instrumente und letztlich auch in Hinsicht
auf die Bedeutung biotischer Materialien in der Evolution dieser
Lamellophone zu beachten ist, auch - oder vielleicht gerade
deswegen - weil diese Differenzierung in Hinsicht auf sonstige
modernere Lamellophone zunächst als gar nicht vorstellbar oder
zumindest als nicht sinnvoll erscheinen mag.
Ich meine hier die
jeweilige Ausrichtung der angeblasenen Lamelle innerhalb des
Instrumentes, welche entweder mit der „Zungenwurzel“ in
Richtung zum Bläser, so wie bei vielen Dudelsackpfeifen und
manchen einfacheren folkloristischen Schalmeien, oder eben –
wie vor allem bei den bereits genannten moderneren Lamellophonen –
genau umgekehrt, in Richtung des Instrumentes, angelegt sein kann.
Wenn man davon ausgeht, dass derartige Tongeneratoren natürlich
zunächst aus entsprechenden Pflanzenhalmen, so z.B. aus
Schilfrohr hergestellt wurden, so lag es stets nahe, die
entsprechenden Lamellen auch in der Nähe eines jeweiligen
Wachstumsknoten aus dem Schilfrohr herauszuspalten. Und um die Länge
der herauszuspaltenden Lamelle auch sicher begrenzen zu können,
lag es nahe diese Einspaltung dann auch in Richtung auf diesen
Wachstumsknoten hin vorzunehmen, da das Einspalten in umgekehrter
Richtung weitaus schwieriger zu beherrschen und zu begrenzen ist.
Der Wachstumsknoten an
der „Zungenwurzel“ der Lamelle diente dann auch als
oberer Verschluss der Röhre eines solchen Tongenerators und
musste, falls er doch nicht ganz luftdicht war, noch zusätzlich
abgedichtet werden, damit ein solcher Tongenerator auch effektiv
wirken kann. Interessant ist nun, dass sich mittels einer solchen
Röhren-Lamellen-Konstruktion bei entsprechend flexibel
angelegter Lamelle, auch ein angeblasener Ton erzeugen lässt,
wenn die Schilfröhre am Wachstumsknoten nicht verschlossen,
sondern völlig offen ist. Dieser Ton ist in der Regel deutlich
leiser, aber immer signifikant höher, als der mit
verschlossener Röhre erzeugte „Normalton“. Ein
Schalmeienspieler der sein Instrument ohne Windkapsel und mit einem
solchen „oben offenen Tongenerator“ anbläst, hat
also die Möglichkeit diesen Tongenerator jeweils während
des Melodiespiels „umzuschalten“, in dem er diesen
entweder mit seiner eigenen Zunge innerhalb seiner Mundhöhle
oben abdichtet oder eben offen lässt. Mit aufgesetzter eigener
Zunge ist es ihm dabei möglich den so konzipierten Tongenerator
quasi „normal“ zu nutzen und entsprechende Melodien auf
einer dafür entsprechend mensurierten Griffloch- Schalmei zu
spielen. Außerdem aber kann er einen so angelegten Tongenerator
eben auch immer wieder zwischendurch jeweils kurz mit seiner Zunge
öffnen, wodurch sich der Effekt ergibt, dass damit auch immer
wieder bestimmte höher liegende „Zwitschertöne“
in sein Melodiespiel eingeblendet werden können.
Dabei muss ich freilich
gestehen, dass mir aus der bisherigen Geschichte der
Musikinstrumentenentwicklung zwar kein derart konzipiertes
Schalmeieninstrument bekannt ist, ich mir aber auch nicht vorstellen
kann, dass dieser, von mir schon vor vielen Jahren ganz spielerisch
und sozusagen „nebenbei“ entdeckte Tongeneratoreneffekt,
nicht auch schon in der bisherigen Geschichte irgendeinem, oder auch
schon vielen anderen, ähnlich experimentierfreudig agierenden
Herstellern solcher Tongeneratoren begegnet ist. Und ich kann dazu
nun natürlich auch das entsprechend real existierende
Experimentalmodell einer solchen „offenen“
Tongeneratorenvariante vorlegen, welchem also auch ein entsprechender
Platz innerhalb des fünften Bereiches zuzuweisen sein wird(10)
Denn schließlich musste ja auch dem „halben
Doppelrohrblatt“ im dritten Bereich ein entsprechender Platz
eingeräumt werden.
In diesem Sinne könnten
für diesen fünften Bereich also nun die bereits genannten
konischen und zylindrischen Instrumente, aber eben unbedingt auch
eine Schalmei mit entgegengesetzt ausgerichteter Lamelle sowie ein
solcher „oben offener Tongenerator“ präsentiert
werden. Und hinsichtlich der erstgenannten Repräsentanten denke
ich nun wieder eher an eine Metallklarinette als etwa an ein
entsprechendes Instrument aus Holz und möchte in gleichem Sinne
auch gerne ein Tarogato, also gewissermaßen ein
„Holz-Saxophon“, auswählen, um damit auch hier,
ebenso wie in den Bereichen zwei und drei, wiederum die Zähigkeit
bestimmter unbegründeter Systematisierungsvorstellungen
aufzuweichen und somit vielleicht andere, sachlicher begründete
Vorstellungen, besser einfließen lassen zu können.
Auf dieses besondere
„Expositions-Problem“ instrumentenspezifischer
Materialien möchte ich aber später noch einmal gesondert
zurückkommen.
Nun haben wir letztlich
noch den sechsten zu behandelnden Bereich vor uns.
Dieser hängt mit
dem vorher geschilderten wiederum insofern systematisch zusammen, als
es auch da um Lamellophone geht, deren Lamellen hier allerdings in
ganz anderer Weise zur Wirkung kommen. Hier scheint mir die
Ausrichtung der Lamelle innerhalb des Instrumentes weniger von
Bedeutung für eine entsprechende weitere systematische
Unterteilung solcher Instrumente zu sein; - eher wird da wohl deren
„Feinpositionierung“ bzw. deren „Anbringung“
am, oder im Rahmen differenzierend zu bedenken sein. Zunächst
aber wird wohl wesentlich von der Spezifik des Anblasens und der
insofern akustisch unterschiedlichen Funktionsweise solcher
Instrumente her zu differenzieren sein.
Insofern sind also
entsprechende orgelartige Röhrenkonstruktionen, bei denen
jeweils mit Hilfe eines „Resonanz-Schaltloches“ nur ein
Ton an jeweils einer mit einem solchen Tongenerator ausgerüsteten
Röhre „ein- und ausgeschaltet“ werden kann, von
Tongeneratorkombinationen zu unterscheiden, bei denen mittels der
Nutzung einer größeren Anzahl von Grifflöchern an nur
einer Röhre, auf dieser dann auch viele Töne bzw. ganze
Tonleitern, mittels wiederum nur einem Tongenerator erzeugt werden
können. Zudem unterscheiden sich diese Instrumente noch dadurch,
dass bei den Tongeneratoren der „vielröhrig-orgelartigen“
Instrumenten sowohl auf Blasen, als auch auf Saugen hin die gleichen
Töne zum Klingen gebracht werden können, wohingegen die
Funktionsweise des entsprechenden einzigen Tongenerators an den
Einzelröhreninstrumenten vornehmlich auf Anblasen hin ausgelegt
ist. Und die zu präsentierenden orgelartig kombinierten
Instrumente sollten wiederum nach der jeweils unterschiedlich
möglichen Position des entsprechenden „Rahmenspalttongenerators“
differenziert werden, welcher sich entweder am Fuße von unten
geschlossenen Röhren (wie bei der chinesischen Mundorgel meiner
Sammlung), oder eher im akustisch abgestimmten „Mittelbereich“
einer jeweils beidseitig offenen Röhrenkonstruktion (wie bei den
entsprechenden philippinischen Instrumenten) befindet.
Dieser sechste Bereich
sollte also zumindest mittels zweier unterschiedlicher asiatischer
Mundorgeln und dann einem entsprechend schalmeienartigen
Einzelröhren-Instrument in der geschilderten Art präsentiert
werden. Also mit spezifisch asiatischen Blasinstrumenten welche aus
einer bereits jahrhundertealten Tradition stammen. Er kann nun aber
auch noch durch die von Ernst Zacharias erst in der zweiten Hälfte
des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland erfundenen neuartigen
Orgelpfeifen ergänzt werden, welche – ebenso wie auch
andere von mir bereits hervorgehobene musikinstrumentelle
Neuentwicklungen – in der Sachs-Hornsbostelschen Systematik ja
gar nicht erfasst sind. Mit diesen neuartigen Orgelpfeifen kann dann
wiederum auch die in diesem sechsten Bereich nun notwendigerweise zu
berücksichtigende Unterscheidung von entsprechenden
zylindrischen und konischen Röhrenkonstruktionen exemplarisch
deutlich gemacht werden. Und um nun gerade auch diese europäische
Neuentwicklung noch eingehender zu interpretieren und auch
entsprechend genau einzuordnen, könnten dann dazu auch noch die
unterschiedlichen Möglichkeiten der jeweiligen
„Fein-Positionierung“ bzw. genauen „Anbringung“
(oder auch „Konstruktionsposition“) solcher, an
derartigen Röhrenkonstruktionen entsprechend anzublasenden
Lamellen eingehender bedacht und differenziert werden. Also jeweils
danach, ob deren Zungenwurzel sich nun eher oberhalb, unterhalb oder
innerhalb, der von ihnen jeweils durchschwungenen Rahmenkanten
befinden. Und dabei kann wiederum deutlich werden, dass alle diese
Positionierungen nun auch wieder hinsichtlich ihrer möglicherweise
wiederum unterschiedlichen Eigenschaften in Bezug auf Ansaugen oder
Anblasen bedacht und untersucht werden müssten und insofern
möglicherweise auch künftig im Sinne weiterer
musikinstrumenteller Nutzungsmöglichkeiten wiederum weitergehend
zu differenzieren wären.
Dies alles wird dann
natürlich, neben der Präsentation der verschiedensten hier
genannten „Instrumentalexemplare“, auch ein
entsprechendes Angebot an dazugehörigen Kommentaren und
Erklärungen für den eingehender interessierten Besucher
erforderlich machen.
Im Zusammenhang mit den
dazu im Expositionsraum ebenfalls vorzustellenden schematischen
Darstellungen des von mir alternativ zur bisherigen
Vierklassensystematik entwickelten „Zweiklassen-Grundgerüstes“
einer naturwissenschaftlich begründeten, musikinstrumentellen
Gesamt-Systematik sowie einer Auflistung der dafür wesentlichen
methodologischen Grundsätze,(11) kann dem Besucher dann
auch deutlich werden, dass er es hier, in Hinblick auf den ersten
Bereich entsprechender Blasinstrumente, jeweils mit einem
Teilbereich der Aerophone, hinsichtlich des zweiten, dritten und
vierten Bereiches jeweils mit speziellen Teilbereichen der
Membranophone und mit Blick auf den fünften und sechsten
Blasinstrumentenbereich jeweils mit einem speziellen Teilbereich von
Lamellophonen zu tun hat.
Er kann von daher auch
in nahe liegender Weise angeregt werden, nun vielleicht auch
ergänzend weiterführend darüber nachzudenken, welche
Musikinstrumente denn wohl über die hier exponierte
systematische Darstellung von angeblasenen schallgebenden Gefäß-
und Röhrenkonstruktionen hinaus, noch hinsichtlich weiterer
Aerophone, weiterer Membranophone und weiterer Lamellophone, bedacht
werden sollten und könnten. Und er könnte des Weiteren nun
auch motiviert sein, ein in dieser Weise systematisierend angeregtes
„Zusammenhangs- und Querverbindungsdenken“ dann auch beim
Blick auf ganz andere Musikinstrumentenbereiche, die ihm ja dann auch
an ganz anderen Stellen der hier installierten Gesamtexposition
begegnen werden, stets neu zu entwickeln und wiederum in neuartiger
Weise im Sinn zu behalten.
Ich gehe dabei aber
nicht davon aus, dass der Besucher nun vielleicht bereits beim
Betreten der Ausstellung angehalten werden sollte, sich hier etwa
aufgrund „museumspädagogisch begründeter Leitlinien“
oder Ähnlichem „vernünftigerweise“ zunächst
den ausgehängten Texten und schematischen Darstellungen zu
meiner Konzeption eines „Natürlichen Systems
musikinstrumenteller Technik“ zuzuwenden, um dann, nach deren
Studium, auch um so besser in der Lage zu sein, die erst danach zu
betrachtende systemisch-systematische Installation einiger
Blasinstrumente auch wirklich richtig in ihrer tieferen
Sinnhaftigkeit zu verstehen. Eher umgekehrt meine ich, dass er
durchaus die Freiheit haben sollte zunächst die ausgestellten
Objekte zur Kenntnis zu nehmen und dabei auch stets die Freiheit
behalten sollte, aufgrund selbst entwickelter Gedanken und Fragen
dann vielleicht auch solche weiterführenden Texte und
Strukturmodelle zur Systematik eingehender zur Kenntnis zu nehmen.
Denn ich denke, dass museologisch konzipierte Expositionen keineswegs
vorrangig als Orte der Lehre, sondern vielmehr als Orte der Bildung
begriffen werden sollten. Orte, in denen die Freiheit des Erwerbs und
die Freiheit der Form von Bildung für jeden Besucher das
Wesentliche bleiben sollten und eben keine vorgegebenen Lern-Regeln
oder gar verpflichtende „Lehrplankonzeptionen“ im
Vordergrund zu stehen haben. Dabei meine ich hier, dass es bei
Bildungserwerb in diesem Sinne (also durchaus im Unterschied zu
vorverordnetem und per pädagogisch vorstrukturiertem Angebot
angeeignetem und vielleicht auch verinnerlichtem Wissen), in diesem
Sinne eher darauf ankommen sollte, auf der Grundlage eines bereits
erarbeiteten Fundus an Wissen die stets weitergehende Fähigkeit
zu entwickeln, auch selbst gezielte Fragen zur Erlangung weiteren
Wissens zu verinnerlichen. Und an eine möglichst in diesem Sinne
in entsprechender Weise strukturierte Bildungsmöglichkeit denke
ich hier eben in erster Linie. So besteht meiner Meinung nach eben
auch das wesentliche Ziel und der wesentliche Wert von Bildung –
ob nun etwa für Schüler und Studenten oder auch für
museumsbesuchend-bildungsinteressierte Erwachsene - nicht einfach in
der erlernbaren Fähigkeit, richtige Antworten zu vorgegebenen
Fragen geben zu können, sondern vielmehr darin, auf der
Grundlage eines möglichst bereits wesentlich fragend
angeeigneten Wissens, weiterhin die besondere Fähigkeit
auszuprägen, eben auch selbst weiterführende Fragen
aufzuwerfen und zu bewahren. Fragen in Richtung auf andere
Wissensträger, Fragen in Richtung auf die Wirklichkeit, aber
eben letztlich stets auch Fragen in Richtung auf uns und sich
selbst.
Als nunmehriger
Eigentümer dieser Sammlung und als Hochschule, also als eine
Lehreinrichtung, haben Sie natürlich auch die Freiheit, oder
eben – so wie ich Ihre Absichten im Umgang mit diesem Ihrem
Eigentum verstanden habe – nun auch die dabei selbstauferlegte
Verantwortung, dieses Kulturgut-Eigentum als Bildungsmöglichkeit
in Ihre Lehrpläne zu integrieren und darüber bin ich ja
auch in besonderer Weise froh.
Meine hier dargelegte
Konzeption bezieht sich aber im museologischen Sinne auch auf
mögliche Besucher aus der Öffentlichkeit und soll insofern
eben eher bildungs-museologischer, als etwa hochschuldidaktischer Art
sein. Denn gegen eine Interpretation meiner
Systematisierungs-Konzeption als offiziell vorgegebener „Lehr-
und Lerngegenstand“ würde ich mich nicht nur deswegen
verwahren wollen, weil ich mich ja davor hüten möchte Ihnen
irgendwie in Ihre Lehraktivitäten hineinzureden, sondern weil
ich es auch für ausgesprochen bedenklich halten müsste,
wenn meine hier dargelegten Auffassungen bereits hierzulande als
„institutionalisierter Lehrstoff“ Verwendung fänden,
bevor sie innerhalb des dafür eigentlich verantwortlich
zuständigen Wissenschaftsbetriebes einer filternden Diskussion
und der vergleichenden, kulturvoll-wissenschaftlichen
Auseinandersetzung, mit möglichst vielfältigen anderen dazu
wissenschaftlich entwickelten Hypothesen, ausgesetzt waren.
Und ich betone dabei –
wie schließlich mein ganzer Text hier ohnehin deutlich machen
soll - dass gerade dies, nämlich einen solchen
wissenschaftlichen Prozess einzufordern, eines meiner wichtigsten
Anliegen ist.
Vorschnelle Verwendung
etwa als bereits ’obligatorischer Lernstoff’ könnte
diesem Anliegen durchaus im Wege stehen.
Damit möchte ich
keineswegs irgendwelche, etwa noch „Bescheidenheit“
suggerierende Zweifel oder etwa „innere Unsicherheit“
über den Wahrheitsgehalt der von mir zu vertretenden
Forschungsergebnisse oder zur Solidität meiner hier
vorgestellten konzeptionellen Überlegungen akzentuieren, sondern
vielmehr darauf aufmerksam machen, dass eben genau das, was ich
soeben als Wissenschaftler von diesem – wie ich soeben
formuliert hatte – „verantwortlich zuständigen
Wissenschaftsbetrieb“ in durchaus ganz unbescheidener Art und
Weise einfordern möchte, in Hinsicht auf die Systematik von
Sachs und Hornbostel bislang eben gerade nicht oder letztlich nur
ganz ungenügend, stattgefunden hat.
Wir haben es da mit
einer besonderen historischen Entwicklung zu tun, die natürlich
in der Vergangenheit unter ganz anderen Bedingungen als den heutigen
Möglichkeiten und Erfordernissen von Wissenschaftsorganisation
und Wissenschaftswirken zustande gekommen ist. Und wir haben es dabei
freilich auch mit zwei Wissenschaftlerpersönlichkeiten zu tun,
die wohl keineswegs etwa solche Auffassungen in Bezug auf die
„Partei der Wahrheit in der Wissenschaft“(12)
hatten, wie ich sie vertrete.
Dabei muss allerdings
deutlich betont werden, dass das damalige Ausbleiben des von mir
heute eingeforderten Wissenschaftsverhaltens keineswegs einfach
allein als deren persönliche Schuld, oder dieser spezielle Fall
von (wie aus meiner Sicht bereits betont) „verunglückter
Wissenschaftsentwicklung“ auch keineswegs einfach nur als
vielleicht typische allgemeine Schuld und Schwäche bürgerlicher
Wissenschaftskultur allein angesehen werden kann.
Vielmehr muss dies
alles eben auch im Zusammenhang mit der Verbrechensliste des
deutschen Faschismus und dessen spezieller Schuld gegenüber der
Wissenschaftsentwicklung in Deutschland gesehen werden.
(13)
*
Nun muss ich mich aber
noch einer Problematik stellen, auf die ich angekündigterweise
zurückkommen wollte.
Ich meine die von mir
hier systemisch-systematisch bevorzugte Platzierung von
„holzgewohnten“ Instrumenten, wie Klarinette und Oboe in
metallner Form, wie ebenso umgekehrt von „metallgewohnten“
Instrumenten, also etwa Saxophon oder Horn und Trompete in hölzerner
Form. Ich möchte dies natürlich als Konsequenz verstanden
wissen, von der ich allerdings weiß, dass dabei Vieles auch
einfach nur als Provokation oder auch als eher unfachliche
Fehlentscheidung missverstanden werden kann.
Denn entsprechend
meiner diesbezüglichen Diskussionserfahrungen kann ich mir nun
gut vorstellen, dass eine derartige Bevorzugung dessen, was gerade
als doch eher „untypisch“ für bestimmte
Musikinstrumente und also auch nicht so recht „systematisch“
anmuten mag, sowohl bei den Anhängern und Vertretern bestimmter
„zäher Vorurteile“, als auch bei solider gesinnten
und derartigen Vorurteilen eher fern stehenden Fachleuten und
Museologen auf Bedenken und Nichtakzeptanz stoßen kann.
Bei den ersteren
vielleicht eher von der Motivation der „Bescheid- und
Besserwisserei“ her und bei den zuletzt genannten vielleicht
eher aus der Position der Sorge und des Bewusstseins der
Verantwortung gegenüber den Besuchern, denen doch in einer
Ausstellung von Kulturgütern nicht einfach das doch zweifellos
„Typische“ und vielleicht auch das „eigentlich
Charakteristische“ bestimmter Musikinstrumente ’vorenthalten’
werden kann, sondern eher mitgeteilt werden sollte…
Mit beiden würde
ich gerne streiten und dabei auch gerne auf meiner Position beharren
wollen. Denn gerade angesichts der Tatsache, dass ein solcher,
speziell auf Systematikverständnis abzielender Bereich der
hiesigen Gesamtausstellung, eben nur ein Ausschnitt, also ein
bestimmter systematisierter Teilbereich aus dem Gesamtgebiet
musikinstrumenteller Technik ist, kann ich hier auch meine Position,
dabei zuweilen eben gerade gezielt das „untypisch Erscheinende“
ausgewählt zu präsentieren, sicherer verteidigen.
Wenn man diese
Angelegenheit ganz allgemein und in gewisser Weise auch
„voraussetzungslos“ angehen möchte, so könnte
man es freilich als legitim oder eben auch als erforderlich
betrachten, etwa bei einer Ausstellung zu den hier behandelten
Blasinstrumenten gerade deutlich zu machen, welche von diesen
Instrumenten typischerweise aus bestimmten Materialien hergestellt
werden. Wo es aber speziell darum geht, ein wissenschaftlich
begründetes, Systematik-Verständnis musikinstrumenteller
Technik zu vermitteln – und darum geht es hier schließlich
– , da würde das Beharren auf der hervorhebenden
Exposition von „in instrumententypischer Weise“ aus Holz
hergestellten Klarinetten und Oboen nicht nur zur letztlich doch
unangebrachten Hervorhebung einer in diesem Zusammenhang dann doch
zunächst eher als Nebensächlichkeit zu bewertenden
Besonderheit geraten können, sondern eben auch in wiederum
fataler Weise ein bestimmtes trivialisierendes Vorurteil
wissenschaftlich eigentlich längst überholten
Systematisierungsdenkens unterstützen können. Die in
unserem Zusammenhang entsprechend platzierten Metallinstrumente
hingegen sind (hier nun durchaus auch im Sinne einer keineswegs zu
verhehlenden Besonderheit) eben eher geeignet, sowohl jedem Besucher,
als auch jedem erklärenden Begleiter, ein entsprechendes
„Aufmerken und Aufmerkenlassen“ nahe zulegen und damit
eben auch zum Weiterdenken, über die üblichen Vorurteile
hinaus, anzuregen.
Da ich nun soeben von
„Nebensächlichkeit in bestimmten Zusammenhängen“
gesprochen habe, muss ich sogleich aber auch eine wichtige
Zwischenbemerkung machen.
Ich muss nun wieder
verdeutlichen, dass gerade die Beachtung von Herstellungsmaterialien
für bestimmte Musikinstrumente ansonsten überaus wesentlich
für das Verständnis der geschichtlichen Entwicklung
musikinstrumenteller Technik ist. Und die dabei unvermeidlich
anzutreffende Tatsache, dass wir es hier sowohl mit biotischen
Sustanzen (wie eben auch dem Holz von Oboen und Klarinetten), als
auch mit eher abiotischen Herstellungsmaterialien, wie etwa Stein,
Glas, Metall oder auch den wiederum spezieller zu bedenkenden
moderneren Plastewerkstoffen etc. zu tun haben können, ist
dabei – in wieder anderer Sicht – gerade auch für
ein systematisches Verständnis der Entwicklung dieser besonderen
Technik grundlegend. In Hinsicht darauf habe ich schon oft darauf
hingewiesen, welche spezielle Bedeutung gerade hier dem Verständnis
der Besonderheiten biogener Ausgangsmaterialien bei der Entstehung
bestimmter, und der Weiterentwicklung vieler anderer Musikinstrumente
zukommt. Und gerade in diesem Sinne habe ich ja auch hier bereits auf
bestimmte zu beachtende Besonderheiten innerhalb des fünften
Bereiches, also der Lamellophone mit „oberhalb“
schwingenden Zungen, aufmerksam gemacht und dabei im Sinne
weitergehend systematisierender Differenzierungen auch besonderen
Wert auf die Beachtung bestimmter biotischer Besonderheiten gelegt.
Meine hier vorgenommene
„Nebensächlichkeits-Zwischenbemerkung“ impliziert
nun aber keineswegs einfach eine Relativierung meiner hier zu
verteidigenden Position zur Systematisierung. Viel eher fühle
ich mich auch auf Grund der hier dargelegten Bedeutung von
musikinstrumentellen Materialien wiederum motiviert, gerade diese
ansonsten untypischen Metall- und Holz-Instrumente vorzustellen, da
auf diese Weise dem Besucher schließlich wiederum mehr über
die reale Entwicklung und auch die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten
von Musikinstrumenten mitgeteilt, und so auch mehrweiterführendes Nachdenken dazu angeregt werden. kann,
als bei der ansonsten doch recht gedankenarmen, aber vielleicht
pflichtbewusst-gewissenhaft und „verantwortungsvoll“ brav
auf „das bislang authentisch-Typische“ orientierenden
Exposition entsprechender üblicher „Holz- und
Metallinstrumente“.
So kann eben gerade das
Exponieren von hölzernem Horn und Holztrompete sowie „hölzernem
Saxophon“, neben Klarinette und Oboe aus Metall, sowohl
bestimmte wichtige Besonderheiten und Wandlungen in der Entwicklung
musikinstrumenteller Technik, als auch die schon insofern völlige
wissenschaftliche Ungeeignetheit bestimmter, immer wieder zäh
verteidigter Systematisierungsvorurteile verdeutlichen. Gerade
solche, wie die hier in spezieller Weise systematisch exponierten
Instrumente, können dabei besonders aufschlussreich sein, sofern
es gelingt, dies dann auch im Zusammenhang mit den anderen in dieser
Sammlung ausgestellten Blasinstrumenten (aber durchaus auch in
Hinsicht auf noch weitere andere Instrumente) deutlich werden zu
lassen.
Ich möchte dies
nun noch - ausgehend zunächst von der hier vorliegenden
speziellen „Metalloboe“ – weitergehend
verdeutlichen, denn da handelt es sich doch wohl um ein ganz
besonderes Instrument.
Natürlich gibt es
auch normale Oboen aus Metall - also entsprechend konische
Metallinstrumente mit üblicher Oboenmechanik. Aber das hier
vorliegende Instrument wurde mir in einer An- und-Verkauf-Abteilung
des staatlichen Musikhandels in der DDR als „Metalloboe mit
Saxophonmechanik“ verkauft.(14) Und so habe ich das
Instrument auch in der Regel – einfach der besseren
Verständlichkeit halber – immer bezeichnet und
vorgestellt, obwohl ich natürlich weiß, dass es vielleicht
eher ein „Sarussophon“ sein könnte.
Ich muss zugeben, dass
ich gerade dieses Instrument immer besonders geliebt habe, denn damit
konnte ich als Saxophonist auch sofort ein bisschen Oboe spielen, was
mir ansonsten auf den üblichen Holzinstrumenten mit
Oboenmechanik nie so recht gelingen wollte.
Aber ich liebe es
natürlich noch aus anderen Gründen, die genau mit der von
mir hier systematisch -systemisch beabsichtigten Exponierung und den
dabei nahe liegenden weiteren Möglichkeiten, sich (ob nun mit
Hilfe von weiterführenden „Begleit-Erklärungen“
oder auch ohne diese, - also durch eigenes fragenstellendes
Weiterdenken) mit bestimmten, hochbemerkenswerten Besonderheiten
musikinstrumenteller Technikentwicklung zu konfrontieren und vertraut
zu machen, zusammenhängen.
So könnte eine
erste konfliktreiche Frage lauten: Gibt es auch (und wenn nein, warum
nicht?) Holzoboen mit Saxophonmechanik?
Ich kann diese Frage
zwar stellen, aber eben nicht beantworten, - würde sie aber
sofort noch dadurch verstärken wollen, dass es doch wohl auch -
obwohl offensichtlich doch sehr selten(15) - Tarogatos mit
spezieller „Saxophongriffweise“ gibt. Und damit stehen
wir bereits vor dem nächsten Instrumental-Konflikt und weiteren
daraus abzuleitenden Fragen.
Das oft (so auch von
mir in meinem Text hier) als „Holz-Saxophon“ bezeichnete
Tarogato, also eine Erfindung des Ungaren Wenzel Schunda, hat in
seiner Originalform keineswegs ’Saxophongriffe’ sondern
ein Klappensystem welches eher von der Klarinette abgeleitet wurde
und verdient eigentlich auch keineswegs den Namen „Holzsaxophon“.
Denn schließlich
hatte sowohl Wenzel Schunda, als auch der Belgier Adolphe Sax –
der eine in Paris und der andere später in Budapest - die
gleiche Ambition: Ein Klarinettenmundstück an einer konischen
Röhre anzublasen. Und auch A. Sax dachten dabei (schon lange
vor W. Schunda) anfänglich natürlich ebenfalls an ein
Instrument aus Holz.
Für Wenzel
Schunda, dem es offenbar nur um ein Sopran-Instrument im Sinne
ungarischer National-Musik ging, erwuchs daraus kein Problem, aber
für Adolphe Sax, der wohl mehr an Militärmusik dachte,
und dem es dabei letztlich doch um die Konzeption einer ganzen
„Instrumentenfamilie“ ging, die dann letztlich nur aus
Metall zu verwirklichen war.
Was nun solche
konischen Lamellophone betrifft, so hat es noch weitere Aktivitäten,
vor allem von professionellen Klarinettenbauern, gegeben,
entsprechende Instrumente aus Holz herzustellen, wobei das historisch
bemerkenswerteste dabei wohl das in Sachsen entstandene Oktavin ist.
Nach der so
erfolgreichen Initiative von Sax in Paris ist dann aber bei dem
französischen Militär-Kapellmeister Sarrus die Idee
entstanden, auch eine ganze Familie entsprechender konischer
Metallinstrumente mit „Doppelrohrblatt“ und
Saxophonmechanik, also ein entsprechendes Membranophon aus Metall, zu
entwickeln, welche alsbald auch von einer Pariser Instrumentenfabrik
verwirklicht wurde. Dabei wurde nun überhaupt nicht mehr an
Holz, sondern konsequent an metallene Militärinstrumente
gedacht. Diese, eigentlich überaus bemerkenswerten Instrumente,
konnten sich dann aber leider nicht so durchsetzen wie das Saxophon,
obwohl auch das Sarrussophon, außer in Militär- und
Freiluft-Musik, eine gewisse Rolle im Jazz gespielt hat.
Ganz anders begegnen
uns aber wieder entsprechende Entwicklungen von unterschiedlicher
Materialverwendung in der Abteilung von „Bläserlippeninstrumenten“,
bei denen wir bereits gegenwärtig, aber sicherlich auch künftig
noch zunehmend, beobachten können, dass zuweilen bislang
obligatorisch aus Blech gefertigte Teile nun durch moderne
Plastematerialien etc. ersetzt werden. Eine Tendenz, die bislang wohl
am deutlichsten hinsichtlich der riesigen Schalltrichter
amerikanischer Sousaphone zu vermerken ist, sich aber auch bei
anderen „blechernen“ Blasinstrumenten – bis hin
wiederum zum Saxophon - finden lässt.
Sarrusophone sind nun
– vor allem in tieferen Tonlagen - wohl auch heute noch in
Frankreich, aber eigentlich kaum in Deutschland, anzutreffen. Ob es
sich aber bei dem von mir in Berlin erworbenen metallenen
Doppelrohrblatt-Instrument tatsächlich um ein
Original-Instrument aus der Tradition der französischen
Produktion von Sarrusophonen handelt, kann ich selbst nicht
beurteilen. Das wäre wieder eine musikhistorische
Forschungsaufgabe ganz anderer, aber doch keineswegs unüblicher
Art.
Aber auch diese Frage
möchte ich nun gerne im Zusammenhang mit meinem Projekt einer
systematisch-systemisch
zu konzipierenden Blasinstrumenten Exposition betrachten und in
wiederum bestimmter Weise bedenken wollen.
Eines der bereits vor
der hiesigen Eröffnung Ihrer Ausstellung mehrfach besonders
hervorgehobenen Instrumente dieser Sammlung ist zweifellos das darin
enthaltene Exemplar eines Sopransaxophons, welches noch den
Original-Stempel der Firma A. Sax in Paris trägt.
Freilich kann man –
sobald man die darauf eingestanzte Jahreszahl bedenkt – wissen,
dass dieses Instrument erst nach dem Tode des Erfinders in Paris
entstanden ist. Aber immerhin – doch ein „Original
Sax-Saxophon“ aus dieser Fabrikationsstätte . Allerdings
denke ich, dass das ebenfalls in Paris hergestellte historische
Alt-Saxophon aus dieser Sammlung, welches von einer ganz anderen,
damals konkurrierenden Firma hergestellt wurde und auch eine Reihe
von historisch früheren Merkmalen und Besonderheiten aufweist,
durchaus als seltener und insofern wohl auch als
musikwissenschaftlich wertvoller, gelten kann.
Aber (so denke ich)
letztlich handelt es sich doch bei beiden um keine so erstaunliche
Seltenheit wie bei dem hier möglicherweise vorliegenden
Sarrussophon.
Und falls sich an
diesem Instrument einmal erweisen würde, dass es doch nicht aus
dieser Herstellungstradition stammt, so denke ich, dass es gerade
dadurch vielleicht als noch seltener, als noch untersuchenswerter und
als noch bedenkenswerter zu gelten hätte.
Also besteht meine
Ansicht zu diesem Instrument (welche aufgrund meiner besonderen
Liebesbeziehung freilich nicht ganz frei von entsprechenden
Vorurteilsneigungen sein wird) hier darin, dass es doch wohl auch als
ein besonderes Kleinod dieser Sammlung gelten kann.
Ein Instrument, welches
– ganz unabhängig von dem profanen Geldwert, der ihm in
letztlich eher entwürdigender Weise wohl irgendwann einmal als
museale Besonderheit zugemessen werden mag – doch vor allem
wert ist, jedem Besucher als eine solche spezielle Besonderheit aus
der Entwicklung musikinstrumenteller Technik nahe gebracht zu werden,
und welches manchem Besucher – ob nun Fachspezialist oder eher
Sachliebhaber - wohl auch als entsprechende Besonderheit auffallen
mag. Und es kann dabei jedem klar sein, oder auch mit wenigen
Hinweisen klargemacht werden, dass es sich gerade bei diesem
besonderen Kleinod um genau das handelt, was für die meisten
Museumsbesucher doch zunächst das eigentlich Faszinierende und
Anziehende ist was sie an entsprechende Ausstellungsorte führt:
Die besondere museale Attraktion, deren Anmutungskraft sich sowohl
aus dem Seltenheitswert bestimmter Objekte, als auch aus der
Gewissheit ihrer gegenständlichen Authentizität als
Repräsentanten bestimmter, uns vorhergegangener
Entwicklungsprozesse, ergibt. Denn in der Regel werden sich
Ausstellungs- und vielmehr noch Museums-Besucher natürlich nicht
in erster Linie an solche Orte begeben, um dann etwa nur
wissenschaftlich und systematisch-systematisierend belehrt zu
werden, sondern sie möchten dort, neben allgemein Interessantem,
eben auch die Begegnung mit ganz besonders Authentischem, speziell
Seltenem und vielleicht auch Einmaligem erleben.
Und dass mit diesem
Instrument nun eine solche museale Besonderheit, die genau all dem
entgegenkommt, meiner Absicht nach auch genau an dem Ort und in dem
Zusammenhang exponiert werden soll, der mir in besonderer Weise
wissenschaftliches Anliegen ist, resultiert in gleicher Weise aus
meiner Liebe zu diesem wissenschaftlichen Anliegen, wie zu den
technischen Kunst- und Kulturgegenständen, die in diesem
Anliegen bedacht werden sollen. Dass ich mir dabei aber – wohl
wissend, dass Liebe eben auch blind machen kann – doch recht
sicher bin, es gerade hier in einer solchen, auf Systematik
abzielenden Exposition auch an der richtigen Stelle zu platzieren,
resultiert wiederum aus der oben letztlich nur grob umrissenen
Vielfalt von Bedeutungen, die es aus meiner Sicht für ein
wissenschaftliches Verständnis musikinstrumenteller Systematik
und musikinstrumenteller Technikentwicklung grundsätzlich haben
kann. Und es kann diese Bedeutungen dann eben auch aus der
Seltenheits-Kraft seiner möglichen Faszinationswirkungen im
Sinne ganz normaler Eingangserwartungen von ganz normalen
Museums-Besuchern hinsichtlich dann eben keineswegs „normaler“,
sondern eben eher „ganz besonderer, exquisiter“
Ausstellungsobjekte schöpfen.
Mittels einer in dieser
Weise installierten Exposition bestimmter Musikinstrumente würden
sich jedenfalls derartige, ganz konkrete „Ausstellungserlebnisse“
sowie das Aufnehmen besonderer Denk-Angebote, welche sich ansonsten
eben kaum einfach von selbst ergeben könnten, immer wieder
anstoßen, und auch immer wieder aufs Neue fördern lassen
können.
Und insofern scheint es
mir nun auch angebracht, einige weitere Überlegungen über
den Sinn und den vorteilhaften Nutzen, aber auch die möglichen
Perspektiven einer in dieser Weise strukturierten
Expositionskonzeption darzulegen.
Der Besucher würde
hier mit einer dezidiert kritischen Sicht gegenüber einer
bislang in gedankenloser Weise allgemein anerkannten, aber inzwischen
wohl kaum noch integer aufrecht zu erhaltenden
Wissenschaftskonzeption konfrontiert, er würde diese
Konfrontation dabei insbesondere auch in Hinsicht auf die ansonsten
ohnehin überaus fragwürdige „Aerophon-Problematik“
des bisherigen Systematisierens von Musikinstrumenten erfahren und
dabei - zumal im Falle seines eigenen „Weiterdenkens“ -
eben auch unmittelbar selbst miterleben können.
Er würde dies auch
im Zusammenhang mit dem Erlebnis der Konfrontation mit völlig
neuen, aktuellen musikinstrumentellen Entwicklungsprozessen
wahrnehmen können, wobei ihm in dieser Wahrnehmung auch deutlich
werden kann, dass er sich dabei hier zweifellos an einem ganz
besonderen Ort und letztlich auch innerhalb eines besonderen
Geschehens befindet. Denn, aus dieser Sicht betrachtet, hat ihn sein
Weg in eine solche Ausstellung hier nicht nur zu dem geführt,
was er dort erwartete, nämlich zur Begegnung mit
bewundernswerten Objekten aus der Vergangenheit, sondern es werden
ihm in einer solchen Exposition nun auch, gerade angesichts der
Erhabenheit bestimmter historischer Objekte, ganz aktuelle,
hochlebendige und spannende Vorgänge hinsichtlich eines
notwendigen Umdenkens zu diesen Objekten in der Gegenwart begegnen.
Und dabei könnte er auch erkennen, dass sich innerhalb all
dieser historisch wertvollen Einzelobjekte eben auch ein besonderes,
systematisch mit Hilfe dieser Einzelobjekte zusammengesetztes
komplexes Ausstellungsobjekt befindet -, nämlich das hier von
mir vorgeschlagene „Komplex-Objekt“ einer
systematisch-systemisch vorgestellten Anordnung bestimmter
Blasinstrumente.
Keineswegs einfach nur
ein Ausstellungsobjekt zur geschichtlichen Vergangenheit, sondern in
dieser „Ausstellungs-Aufstellung“ eher Objekt einer
bestimmten, eigentlich brennend aktuellen und vielleicht auch
beunruhigenden Gegenwartsproblematik.
Und mehr noch: Je mehr
ihm dies deutlich werden mag, um so mehr kann er auch selbst
beunruhigter Teil dieser Gegenwart werden und letztlich eigentlich
auch bereits Teil von Zukünftigkeit sein, denn mit dem, was er
hier erfahren und erkennen konnte, kann er nun durchaus auch, wie man
so schön sagt „seiner Zeit weit voraus sein“.
Zumindest aber - und dies möchte ich ganz deutlich gesagt haben
– kann er mit einem solchen, dann in diesen Ausstellungsräumen
angeregten Problembewusstsein dem gegenwärtigen Stand des
diesbezüglichen Problembewusstseins der Musikwissenschaften weit
voraus sein.
Da ich nun hier als
Philosoph immer von bestimmten Objekten – sowohl in Hinsicht
auf einzelne Musikinstrumente, als auch in Hinsicht auf meinen
Vorschlag eines solchen systematisch-systemisch konzipierten
Expositionsprojektes – gesprochen habe, möchte ich
sogleich auch deutlich sagen, dass mir dabei der Besucher über
den ich hier spreche, aber eben gerade nicht als „Belehrungsobjekt“,
sondern eher als – so aphoristisch dieser Begriff nun auch sein
mag – „Bildungssubjekt“ am Herzen liegt.
Weniger aphoristisch,
dafür aber vielleicht etwas übertrieben philosophisch,
möchte ich eher formulieren, dass er natürlich in einem
solchen Bildungsvorgang auch zum mitverändernden Subjekt bei der
Überwindung des von mir beklagten Verhältnisses unserer
Zivilisation zu musikinstrumenteller Technik werden kann.
Ich möchte dies
alles nun vielleicht auch noch in anderer Weise verdeutlichen.
Im Unterschied zu dem,
was man ansonsten beim Besuch einer wissenschaftlich fundierten
Exposition erwarten kann, wo einem die Begegnung mit bestimmten,
generell abgesicherten Ergebnissen etablierter wissenschaftlicher
Forschung in „museumspädagogisch aufbereiteter Form“
ermöglicht werden soll, erwartet den Besucher an diesem Ort
letztlich doch eine Begegnung ganz anderer Art. Sowohl er selbst, als
auch das Stückchen Musikwissenschaft, mit dem er sich hier
konfrontieren kann, befinden sich mitten in einem notwendig
gewordenen Prozess des Umdenkens, also innerhalb einer entsprechenden
Umwälzung, - in einem wissenschaftlichen Paradigmenwechsel.
Diese besondere
Situation können wir uns - aber ebenso vielleicht auch jedem
interessierten Besucher - vielleicht an folgendem
Vergleichsbeispiel verdeutlichen.
Normalerweise wird
jeder Besucher eines Museums oder auch einer sonstigen Ausstellung,
zu der die Organisatoren und Veranstalter entsprechender Expositionen
ja stets auch irgendwie die Vermittlung bestimmter Erkenntnisse,
bestimmter Wissenschaftsergebnisse sowie bestimmter Bildungswerte im
Sinn haben sollten, dann auch die Möglichkeit haben, sich im
Anschluss an seinen Besuch noch weitergehender und ausführlicher
zu seinen dortigen Besuchserlebnissen zu informieren. Manche
„Ausstellungsinstitutionen“ werden dies - also die
Anregung zu einem solchen „Weitergehen“ - ja sicherlich
auch gerne als eines ihrer Anliegen, als eine der Zielstellungen
ihrer Bemühungen an- oder auch ausgeben.
Und entsprechend der
dazu in Bibliotheken oder auch diesbezüglichen
Wissenschaftsinstitutionen vorliegenden Fachliteratur, kann man sich
dies normalerweise auch ermöglichen und sich dabei dann wohl
auch einen durchaus weitergehenden Wissensstand aneignen, der dann
auch über den Stand des Wissens, welcher in der ihn zuvor
anregenden Exposition repräsentiert und vermittelt werden
sollte, hinausgehen kann.
Im Unterschied dazu
befände sich der Besucher einer solchen, hier anzustrebenden
Exposition, welcher sich dabei mit der Problematik einer eingehender
bedachten Systematisierung musikinstrumenteller Technik konfrontiert
sieht und dann im oben geschilderten Sinne, vielleicht auch anhand
weiterer wissenschaftlicher Literatur, weiterführend informieren
und bilden möchte, jedoch in einer ganz anderen Lage.
Alle Bibliotheken des
Landes, aber auch alle Musikwissenschaft in aller Welt, würden
ihn hier im Stich lassen, und mit jedem Blick in die offizielle oder
auch die allerneueste und modernste musikinstrumentenkundliche
Literatur, würde er unweigerlich immer wieder auf das Niveau der
klassischen, aber eben inhaltlich ganz falschen Vierklassensystematik
zurückgeworfen werden.
Die damit vorliegende
Problemsituation lässt sich vielleicht auch mit Hilfe eines
etwas anders gearteten Vergleichs verdeutlichen:
In der Regel kann
jedermann das Wissen und die Erkenntnisse, welche ihm mittels einer
entsprechend spezifisch strukturierten Ausstellung vermittelt und
nahe gelegt werden sollen, sich auch selbst – wenn vielleicht
dann auch eher sehr mühselig – mit Hilfe der dazu
vorliegenden Fachliteratur aneignen, dort alles nachlesen und/oder
auch bestätigt bekommen.
In unserem Falle aber
könnte der entsprechend weitergehend interessierte Besucher sich
eher darin bestätigt finden, dass genau das Wissen, welches er
hier an diesem Ort erwerben kann, bislang in keinem einzigen der
üblichen Fachbücher zu diesem Wissensgebiet nachlesbar
wäre.
In dieser Erkenntnis
würde sich dann gegebenenfalls nicht nur eine andere Sicht auf
musikinstrumentelle Technik, sondern eben auch eine andere Sicht und
vielleicht auch eine besondere Achtung gegenüber dem besonderen
Ort und der Institution, die ihm dies hier in ganz außergewöhnlicher
Weise ermöglicht, nämlich einer ganz besonderen
Musikinstrumentenausstellung der saarländischen Hochschule für
Musik, ergeben können.
Denn schließlich
war er mit seinem Besuch nicht nur an einem Ort, wo er die Begegnung
mit seltenen und möglicherweise auch zunehmend als immer
wertvoller und vielleicht dann auch als irgendwie immer „heiliger“
anzusehenden Kunst- und Kulturgegenständen erleben und genießen
konnte, sondern eben auch an einem Expositions-Ort, wo in ganz
besonderer Weise, und hier wohl auch erstmalig in der Welt überhaupt,
ein Umdenken zu diesen Gegenständen eingeleitet wird. Ein
Umdenken, innerhalb dessen all diese Gegenstände auch in einer
systematischen Weise als Technik verstanden werden, - dabei aber
keineswegs einer Tendenz der Abwertung und Entheiligung ihres Status
als besondere Kulturrepräsentanten unterworfen sind. Vielmehr
kann eben dabei auch deutlich werden, dass gerade ein gründlicheres
Verständnis dieser Technik – so wir gewillt sind dieses
auch anzustreben - uns in besonderer Weise und in besonderer Würde
hilfreich zur Seite stehen wird, wo es darauf ankommt, auch ein immer
notwendiger werdendes Umdenken in Richtung auf ein besseres
Verständnis dessen, was letztlich doch durch uns mit Technik und
durch Technik doch mit uns, eigentlich alles bewerkstelligt werden
und geschehen kann, und was dabei sowohl frohen Mutes hilfreich, als
auch angsterzeugend bedrohlich, aus- und angerichtet werden kann.
Und letztlich können
wir damit, so meine wichtigste These in all diesen Zusammenhängen,
eben auch ein besseres Verständnis über uns selbst
erlangen, - ein besseres Verständnis über unsere
spezifischen Fähigkeiten, sowohl verheerend Falsches und
unbedeutend Belang- und Wertloses, als auch in der Tat Gutes und
sinnvoll Wertvolles zustande zu bringen.
Freilich kann eine
solche, nun sehr allgemeine, aber eben grundsätzlich von mir als
eigentlich sinngebend unverzichtbar betonte These nun auch als
krasser Gegensatz zu dem erscheinen, was ich zuvor in so spezieller
Weise – bis hin etwa zu den haarspalterischsten Einzelheiten
verschiedenster Membranformen oder Zungenpositionen usw. -
hinsichtlich der Unverzichtbarkeiten ganz konkreter und dann eben
auch penibel-detailorientierter Systematisierungsbemühungen
betont habe. Ich möchte dazu nun nicht nur anmerken, dass
letztlich doch beides irgendwie zusammengehört und dabei die
akribischen Mühen systematisch vorgehender Detailuntersuchungen
von Dingen, die wir hervorgebracht haben, letztlich zu den
wissenschaftlichen Voraussetzungen für ein tieferes Verständnis
von uns selbst gehören, sondern auch, dass sich unsere
Zivilisation in diesem Spannungsfeld von vergleichsanalytisch
akribisch erforderlichen Detailuntersuchungen und eher allgemeineren
Bedeutungs-Statements sowie philosophischen Thesen und Ansichten in
Bezug auf Musik und wiederum auch die Technik, mittels derer wir
diese hervorzubringen vermögen, eben doch irgendwie seltsam und
fragwürdig verhält:
Den allgemeinen Thesen
zur fundamentalen Bedeutung von Musik und insbesondere deren
besonderem Kultur- und Bildungswert wird wohl kaum ernstlich
widersprochen, aber die im Sinne dieser Bedeutung konkret und eben
auch systematisch „bis ins Detail“ erforderlichen
Wissenschaftsanstrengungen werden doch nicht ernsthaft unternommen.
Ich kann mir kaum einen
Menschen mit einigermaßen vernunft- und kultur- geleiteter
Biographie vorstellen, der ernsthaft die These vertreten könnte,
dass zum besseren Verständnis unseres Wesens, also auch dessen,
woher wir kommen, was wir sind und was mit uns und aus uns noch
werden kann, das Verständnis des Zustandekommens und der
Bedeutung von Musik und musikinstrumenteller Technik letztlich doch
ziemlich unwichtig sei.
Aber ich lebe in einer
Zivilisation, innerhalb der zwar durchaus vielgestaltige
Verständnisdemonstrationen in Richtung solcher, soeben
genannter Fragestellungen zu vermerken sind und auch immer wieder
intellektuell akzentuiert werden, in deren Wirklichkeit aber
letztlich keine wesentlichen wissenschaftlichen Ansätze zum
Verständnis der diesbezüglichen Bedeutung
musikinstrumenteller Technik zu erkennen sind. Das erscheint mir
höchst bedenklich und das Insistieren auf der Kritik an diesem
Mangel gehört zu meinen grundsätzlichen Kritikansätzen
gegenüber dieser Wirklichkeit.
Ich kann mir aber
wiederum auch kaum vorstellen, dass ein solcher Wissenschaftszustand
auf ewig unverändert aufrechterhalten werden kann.
In diesem Sinne möchte
ich - wie ich das bereits in meinem Vortrag zur Eröffnung Ihrer
Musikinstrumentenausstellung im Jahre 2008 getan habe –
nochmals darauf zu sprechen kommen, dass wir es demnächst mit
einem wohl weltweit zu bedenkenden Wissenschaftsjubiläum zu tun
haben werden.
Aus Sicht meiner
Erfahrungen als Wissenschaftler gehört das feierliche Begehen
solcher Jubiläumsgelegenheiten zu den fest eingespielten und
abgesicherten Ritualen des Wissenschaftsbetriebes. Also
Anstandsregeln und Regelmäßigkeiten, die kaum durchbrochen
werden und Rituale die gesichert ablaufen und so eben auch kaum
versäumt werden.
Innerhalb deutscher
Wissenschaftsgeschichte ist versäumendes Durchbrechen dieser
Regelmäßigkeiten - dass also bestimmte Jahrestage gerade
nicht bedacht wurden - wohl am ehesten im Zusammenhang mit dezidiert
politischen oder eben auch entsprechend antisemitischen Motivationen
zu sehen.
In Hinsicht auf die
weltberühmte Systematik von Sachs und Hornbostel sind nun aber
eigentlich eher genau gegenteilige Motivationen in Richtung
keinesfalls zu vergessender Würdigung eines solchen zweifellos
wichtigen Jubiläums zu erwarten, zumal diese beiden bedeutenden
Wissenschaftler ja als Juden von den deutschen Faschisten aus
Deutschland vertrieben wurden.
Im Zusammenhang mit dem
100sten Jahrestag des Erscheinens dieser doch immer noch weitgehend
unangefochten dastehenden Sachs-Hornbostelschen Systematik denke ich,
dass dabei - gerade auch im diesbezüglichen Rückblick auf
die entsprechenden Besonderheiten der deutschen
Wissenschaftsgeschichte – die Gelegenheit besteht, nun auch
entsprechende Fragen in Richtung ernsthaft anzustrebender
Wissenschaftskonsequenzen schärfer zu bedenken.
Dabei denke ich, dass
wir es in diesem Zusammenhang inzwischen doch auch mit einer
bestimmten, letztlich entlarvenden, Entwicklungsumkehrung zu tun
haben.
1914 schrieben Sachs
und Hornbostel zur Begründung der Bedeutung ihrer
Systematisierungsbemühungen noch, dass „…eine
systematische Ordnung und Nomenklatur ein dringendes Erfordernis …“
sei, und fahren dann wie folgt fort:
„Denn wer ein
Musikinstrument bloß nach Gutdünken benennt, oder es
beschreibt, ohne zu wissen, worauf es ankommt, wird mehr Verwirrung
stiften, als wenn er es ganz unbeachtet gelassen hätte.“
(16)
Ich möchte betonen, dass ich diese Formulierung für deutlich überzeichnet
halte, da keineswegs einfach alles, was bei Musikinstrumenten
bislang, auch „ohne dass gewusst wurde, worauf es ankommt“,
beschrieben wurde, nur zu „mehr Verwirrung“ führen
musste, und möchte auf dieses Problem noch zurückkommen.
Bei aller prinzipiellen
Kritik, die ich zu dieser Systematik schon seit langem (d.h. schon
seit mehreren Jahrzehnten) vorzubringen habe - und dabei auch stets
bedenken kann, dass einiges, oder auch vieles von dieser Kritik
bereits ebenso im Jahre 1914 möglich und eigentlich auch
notwendig gewesen wäre -, kann ich vielleicht doch wenigstens
einen kleinen Teil des großen Lobes, welches die
Musikwissenschaften seither dazu immer wieder vorgetragen haben,
akzeptieren und diese Systematik insofern vielleicht doch irgendwie
auch als einen damalig nützlichen (wenn auch aus meiner Sicht
durchaus ambivalenten und eben dann auch durchaus wieder verheerend
wirkenden) Wissenschaftsimpuls im Zusammenhang mit der Entwicklung
anderer Wissenschaftsdisziplinen ansehen.
Nun meine ich aber,
dass von wirklich fruchtbarer wissenschaftlicher Nützlichkeit
dieser Systematik schon lange keine Rede mehr sein kann und –
wie ich bereits vielfach dargelegt habe - gerade diese Systematik auf
Grund ihrer Struktur, aber eben auch ihrer Nomenklatur, durchaus
Verwirrung stiftend wirken kann und es sich beispielsweise auch bei
solchen Wortbildungen wie „Polsterzungen“, „Bandzunge“
oder auch „Gegenschlagzungen“ u.v.a.m. zwar um
inzwischen im Wissenschaftsbetrieb mehr oder weniger etablierte
Begriffsfestlegungen handelt, diese Benennungen aber damals letztlich
doch auch nur nach einem ebenfalls zu kritisierenden „Gutdünken“,
ohne wirkliches Wissen darüber „worauf es wirklich
ankommt“, erfolgt sind.
Keinesfalls jedoch
sollte die Vielzahl von amateurisch-dilletantischen oder sonstigen
unprofessionellen Beschreibungen von bestimmten Musikinstrumenten,
bei denen nicht gewusst wurde, „worauf es ankommt“, immer
nur als gefährlich „Verwirrung stiftend“ angesehen
werden.
Weitaus gefährlicher,
und nicht nur verwirrend, sondern eher schwerwiegend
fehlorientierend, scheinen mir hingegen oftmals eher bestimmte
„professionell und institutionell autorisiert-abgesicherte“
Beschreibungen zu wirken, bei denen letztlich auch nicht wirklich
gewusst wurde, worauf es ankommt. Dass
Derartiges wohl auch bei Sachs selbst anzutreffen war, habe ich ja
verschiedentlich, in durchaus mühsamer Weise – so
insbesondere am Beispiel der Maultrommel oder auch des Schwirrholzes
(aber eben auch gelegentlich vieler anderer, von mir kritisierter
Instrumentalbeispiele aus seiner ’Systematik’) - bei
meinen entsprechenden Untersuchungen zu all diesen Instrumenten
deutlich machen müssen. Und gerade seine Beschreibungen zur
Maultrommel haben nicht nur zu entsprechender Verwirrung, sondern
eben auch zu demonstrativ autoritär-dogmatischen
Positionierungen im Wissenschaftsbetrieb geführt, - was ich
ebenfalls mehrfach erlebt habe und verschiedentlich deutlich machen
musste.
Ich denke also –
und möchte dies hier nochmals unterstreichen – , dass das
Jahr 2014 hoffentlich genutzt werden kann, um auf dem Wege der
Besinnung zur Wissenschaftsgeschichte dann doch zu beginnen, ein
anderes Verhältnis der Wissenschaften zu den inzwischen
anstehenden Problemen der Bearbeitung musikinstrumenteller
Technikentwicklung einzuleiten.
Den hier von mir
gemachten Vorschlag zur Einrichtung einer entsprechend
systematisch-systemisch konzipierten Teil-Exposition bestimmter
Blasinstrumente innerhalb Ihrer Musikinstrumentenausstellung möchte
ich insofern als eine besondere Initiative in diesem Sinne verstanden
wissen.
*
Anmerkungen/Quellen:
(01)
Siehe dazu den Vortrag vom 22.10.2008 an
der Musikhochschule in Saarbrücken
(02)
Siehe dazu: Bernd H. J. Eichler,
Statement zur Podiumsdiskussion: Transformationen - Translokationen
-Dispersionen: Sammlungen im Kontext gesellschaftlichen und
machtpolitischen Wandels; in : Musik- Sammlungen- Speicher
interkultureller Prozesse, Erik Fischer (Hrsg.) Stuttgart 2oo7,
Teilband B S.614-616 , sowie
Bernd H. J. Eichler, „Museologische Erwägungen zur
Systematisierung und Präsentation einer Privatsammlung“.
in: ebenda, Teilband B S.641-649)
(03)
Siehe dazu: Bernd H. J.
Eichler: „Zur Position der sogenannten ’durchschlagenden
Zunge’ im ’natürlichen System der
Musikinstrumente’(Vortrag vom 20.11.1999 zum 20.
internationalen Musikinstrumentenbau-Symposium vom 19.- 21.11.1999 im
Kloster Michaelstein)
sowie: Bernd H. J.
Eichler: “Zur systematischen Position der sogenannten
’durchschlagenden Zunge’(Abstract zum Vortrag auf dem 20
internationalen Musikinstrumentenbau-Symposium vom 19.- 21.11.1999
im Kloster Michaelstein)
(04)
In meinen Vorlesungen
zur Systematik und Physik der Musikinstrumente wurden natürlich
auch weitere, dann eben eher für Anzupfen, Anschlagen sowie
Reiben bzw. Streichen usw. speziell geeignete Membranformen
weitergehend systematisch differenziert.
(05)
Siehe dazu wiederum die
entsprechenden Ausführungen in meinem Vortrag vom 22.10.2008 an
der Musikhochschule in Saarbrücken sowie den dort kommentierten
Artikel von J. P. Fricke („Systematik der Klangerzeugung mit
Zungen“) aus der Publikation zu den Vorträgen vom 20.
internationalen Musikinstrumentenbau-Symposium vom 19.- 21.11.1999
im Kloster Michaelstein.
(06)
Siehe dazu die entsprechenden Ausführungen von C. Sachs und E. M. von
Hornbostel in ihrem Vorwort zu ihrer Systematik, in:
Erich M. von Hornbostel
/ Curt Sachs. „Systematik der Musikinstrumente: Ein Versuch“.
Zeitschrift für Ethnologie 46 (1914). S.533-590
(07)
Siehe dazu: „Allgemeine ’Hintergrund-Anmerkungen’ zu den
Dudelsackpfeifen aus meiner Werkstatt“
(08)
Diese bemerkenswerte
Erfindung habe ich immer in der Weise beschrieben, dass man sich ein
an einer Längsseite mit einem etwa ‚grifflochbreiten’
Schlitz versehenes Rohr vorstellen möge, welches wiederum mit
einer diesen Schlitz luftdicht verschließenden, aber an einer
Längsseite wiederum flexibel zu öffnenden Gummileiste
versehen ist. Die Flexibilität dieser Leiste ermöglicht
dabei unseren Fingern ein quasi „grifflochbildendes“
Anheben des Gummis an jeder Stelle des Schlitzbereiches, so dass
sich ein solches durch Anheben gebildetes „Tongriffloch“
an einer derart geschlitzten Röhre sowohl mit einer Fingerkuppe
glissandoartig rauf und runter bewegen lässt, als auch - ohne
Glissando - an jeder beliebigen Stelle dieses Tonschlitzes öffnen
und wieder schließen lässt.
(09)
Natürlich hatte
ich, bereits unmittelbar nachdem ich ihn persönlich kennen
lernte, bei B. Schimpf sofort ein einfaches solches Instrument für
meine Sammlung bestellt, aber dann doch leider nie erhalten; - wobei
seine Instrumente alsbald auch unbezahlbar teuer für mich
wurden. Ich habe B. Schimpf damals immer wieder zu meinen
Vorlesungsveranstaltungen zum Thema „Membranophone“
eingeladen, um den Vorlesungsbesuchern Gelegenheit zu geben sein
Instrument kennenzulernen, und also auch ihm Gelegenheit zu geben, es
vorzustellen, und er hat dies auch mehrfach wahrgenommen, wofür
ich ihm zu Dank verpflichtetet bin. Es konnte allerdings schwierig
werden, wenn es dabei um die Erklärung der ganz neuartigen
Eigenschaften des von Ihm nur in ganz bestimmter Weise verwendeten
Tongenerators ging, da er dabei immer wieder dazu neigte – eben
aus der Position des bewunderten Erfinders und entsprechend
„unanfechtbaren Spezialisten“ und mit dem Gestus
demonstrativer „Bescheidwisserei“ - einfach bestimmte
akustische Möglichkeiten dieses Tongenerators (die ich dann
später wiederholend erklären und vorführen musste) zu
leugnen…
Ein ganz ähnliches
Spannungsverhältnis zu dem, was ich in Bezug auf bestimmte
musikinstrumentelle Möglichkeiten und besondere Eigenschaften
von Tongeneratoren deutlich machen und auch bestimmten Interessenten
immer wieder nahe legen wollte, hatte ich bereits zuvor in Bezug auf
Klaus Stecker, dem ersten quasi professionell agierenden
Schäferpfeifen- und Schalmeienhersteller in der DDR, erlebt.
Nach einer - von mir an anderer Stelle beschriebenen - plötzlichen
Änderung seines Auftretens begann er sich in ähnlicher
Weise distanziert „bescheidwisserisch“, aber dabei eben
auch demonstrativ geringschätzig-abwertend gegenüber den
zuvor eher vom Geist der Kollektivität und der gegenseitigen
bastlerischen Hilfe getragenen Neo-Folklore- und
Dudelsackselbstbau-Initiativen, die in der DDR zunächst recht
ausgeprägt und verbreitet waren, zu verhalten…
(10)
Das hier beschriebene
„Umschalten“ eines solchen Tongenerators mag für
jeden der dies erstmals probiert, alsbald als unrealistisch
erscheinen, denn die Überempfindlichkeit unserer Zungenspitze
lässt sich wohl nur schwerlich „abtrainieren“. Die
Sache sieht aber schon anders aus, sobald man diese abzudeckende
Tongeneratorenöffnung in Form eines „Schrägschnittes“,
und also eher oval gestaltet, und damit auch unserer Zunge ein
freieres „Abdeckverhalten“ ermöglicht. In diesem
Zusammenhang möchte ich auch auf meine grundsätzliche
Auffassung zur Bedeutung unterschiedlicher Tongeneratoren von
Schalmeien und Dudelsackmelodiepfeifen verweisen. Siehe dazu:
„Dudelsäcke im europäischen Spannungsfeld zwischen
Ost und West“ (Vortrag vom 4.12.2004 zur Internationalen
Arbeitstagung „Musikinstrumentenbau im interkulturellen
Diskurs“ des Musikwissenschaftlichen Seminars der Universität
Bonn)
(11)
Siehe dazu wiederum meinen Vortrag
„Zur Position der sogenannten ’durchschlagenden
Zunge’ im ’natürlichen System der
Musikinstrumente’(zum 20.internationalen Musikinstrumentenbau-Symposium vom
19.- 21.11.1999 im Kloster Michaelstein) - insbesondere das dabei
vorgestellte „Grundgerüst“.
(12)
Ich beziehe mich hier
auf eine Formulierung, die mir während meiner Studentenzeit in
den Schriften von J. G. Fichte begegnet ist und mir, gerade im
Zusammenhang mit meinem bereits damals ausgeprägten
philosophischen Grundinteresse an der Problematik der „Parteilichkeit
in der Wissenschaft“, als bemerkenswert erschien; - zu der
ich aber nun, nach Jahrzehnten voller mit vielen Wirrnissen und
schwierigsten Veränderungen meiner Lebensverhältnisse
befrachteter politischer Veränderungen sowie auch (zweifellos
damit zusammenhängender) mehrfacher Einbrüche in meiner
„Forschungsstelle für Vergleichsanalytische Organologie“
sowie entsprechender Zerstörungen meiner Arbeitsunterlagen und
meiner mir vormals so hilfreichen technischen Einrichtungen zur
Herstellung audioorganischer Experimentalmodelle, nicht mehr in der
Lage bin, auf ein entsprechend „genaues Zitat“ dieses
Denkers zurückzugreifen und in bibliographisch exakter Form
darauf zu verweisen.
Ich meine aber, dass
doch wohl jedem Spezialisten zu Werk und Leben dieses so
bemerkenswerten deutschen Wissenschaftstheoretikers und oftmals
leidenschaftlich argumentierenden Philosophen die entsprechende
Formulierung geläufig oder doch zumindest auffindbar sein
müsste.
Ich selbst kann aber
hier nur noch aus meiner Erinnerung zitieren, dass Fichte (dabei auf
sich selbst bezogen) „…die Zugehörigkeit zur Partei
der Wahrheit in der Wissenschaft als das stete Bestreben des Autors…“
hervorgehoben hatte.
Als schon eher im Sinne
einer wissenschaftsmethodologisch relevanten „philosophischen
Kategorie“ zu interpretieren, findet sich das Wort
„Parteilichkeit“ dann in den Arbeiten Hegels, später
aber keineswegs bei Marx und Engels (so jedenfalls meine Erfahrung
bei meinen dabei auch auf Gesamtübersicht abzielenden Studien zu
deren Schriften), was ich als „Tatsachenhintergrund“ bei
dieser philosophischen Problematik freilich stets mitbedacht haben
möchte. Siehe dazu auch: B. H. J. Eichler, „Parteilichkeit
- Zur Entwicklung des Wortgebrauchs und des Prinzips“. In:
DZfPh 31 (1983) 1, S. 72-80).
(13)
Wenn ich hier,
angesichts dieser so offensichtlich in spezifisch deutscher Weise
„verunglückten Wissenschaftsentwicklung“, davon
spreche, dass wir es dabei auch mit einer „spezifischen Schuld
des deutschen Faschismus“ zu tun haben (was - wie ich denke -
wohl unbestreitbar ist), so muss ich auch auf eine Bemerkung aus
meinem Vortrag zur Eröffnung dieser Instrumentenausstellung
zurückkommen, mit der ich wiederum damals auf die Tatsache der
deutlichen Beschädigung der bereits existierenden Möglichkeiten
zur Überwindung dieses ’Verunglückungszustandes’
innerhalb der nach 1989 erfolgenden politischen Entwicklungen in
Deutschland hingewiesen hatte.
Um es innerhalb des
nunmehr nahe liegenden Vergleichszusammenhanges deutlich zu sagen,
kann ich auch betonen, dass insofern auch innerhalb dieses Prozesses
nun ganz fraglos von einer spezifischen Schuld innerhalb der
notorisch deutschen Traditionen von Antikommunismus - insbesondere
speziell politisch-westdeutscher Prägung – die Rede sein
muss.
Dass ich damit nun aber
auch Gefahr laufe, in die Nähe eines ganz bestimmten, groß
und einladend aufgemachten Fettnapfes der Verdächtigung des
’illegitimen Vergleichens’ oder gar noch des
ungehörig-ungeziemten Gleichsetzens von westdeutscher
Rechtsstaatlichkeit und unrechtsstaatlicher Hitlerdiktatur, und
möglicherweise auch noch der unverschämt-anmaßenden,
geradezu ’Gleichsetzung’ suggerierenden Vergleichung
meiner Person mit solchen Heroen der Wissenschaftsgeschichte wie
Sachs und Hornbostel, zu geraten drohe, sollte mir dabei natürlich
klar sein und mich hier vielleicht lieber „politisch korrekter“
und auch bedenklicher zurückhaltend gesinnt sein lassen.
In Sinne der Wahrheit
und der also aus meiner Sicht auch hier angebrachten Beibehaltung
eines bestimmten vergleichsanalytischen Denkens muss ich aber darauf
bestehen Folgendes zu betonen:
Da ich nicht zu denen
gehöre, die so gerne, und oft auch so demonstrativ vorschnell,
ablehnen wollen, etwa „Äpfel mit Birnen“ zu
vergleichen, sondern eher meine, dass man gerade auch die
Unterschiede solcher Früchte, und dann eben auch deren
wesentliche Besonderheiten, eben nur mittels vieler analytischer
Vergleichungen systematisch gründlicher zu erkennen vermag,
kann ich auch souverän darauf bestehen, was ich bereits deutlich
zu machen versucht habe: Dass nämlich sowohl meine
Wissenschaftskonzeption, als auch meine Methoden und letztlich gewiss
auch meine Person, innerhalb der Wissenschaftsgeschichte ganz
fraglos gänzlich anderer Natur als die der hier zur möglichen
Vergleichung anstehenden, sind. Die eingehendere Ermittlung der
jeweiligen Eigenarten und unterschiedlichen Qualitäten sowie
auch die möglichen Bewertungen all dieser ’Früchte’
sollten aber letztlich der weiteren Entwicklung, und also auch den
künftigen Bewertungen der Wissenschaftsgeschichte überlassen
bleiben. Aber die reale Wissenschaftsentwicklung zu unserer
Fragestellung (und das ist eben der Kern meiner Aussage, auf der ich
hier bestehen möchte) ist eben innerhalb des deutschen
Vereinigungsprozesses in einer fraglos sündhaften Dimension und
auf eine spezifisch durch Antikommunismus motivierten Art und Weise
beschädigt worden. Und wenn ich dabei nun diese einmal
aufgemachte Vergleichsoptik jetzt auch weiterführend ausleuchte,
kann ich nicht anders, als eben auch darauf hinzuweisen, dass
derartiges innerhalb der deutschen Wissenschaftsgeschichte des
vergangenen Jahrhunderts in markanter Weise zweimal geschehen ist:
Einmal ab 1933 und dann eben ab 1990.
Dabei geht es, was nun
1990 und die damit zusammenhängenden Wissenschaftsbeschädigungen
betrifft, keinesfalls etwa einfach nur um meine Person.
Da ich, sowohl mit
meiner besonderen Biographie, als auch mit meiner besonderen
Lebenskonzeption sowie meiner speziellen Wissenschaftskonzeption (die
sich freilich alle unvermeidbar gegenseitig bedingten und
beeinflusst haben werden und eben letztlich doch wesentlich
„ostdeutsch“ geraten sind) unverkennbar in einer
prokommunistischen Tradition und auf prokommunistischer Seite
stehend, ab 1990 geradezu unvermeidlich in politisch und
geschichtlich letztlich durchaus „verständlicher“
Weise, bestimmten traditionell-antikommunistischen Tendenzen
deutscher Politik in nunmehr besonders stringenter Weise, und
gewisslich auch mehr als manch anderer meiner ostdeutschen
Kollegen, ausgeliefert sein musste und also auch den Tendenzen
beabsichtigter de-facto-Eliminierung meiner Wissenschaftskonzeption
und meiner Person aus dem Wissenschaftsbetrieb in Deutschland in
besonderer Weise unterliegen musste, könnte es sich in meinem
Falle von Selektion bestenfalls um einen gewissen „symbolischen“,
aber wohl keineswegs einfach allgemein typischen Fall handeln. Wobei
dann – was die vielleicht näher zu betrachtenden Details
dieses „Einzelfalles“ betrifft – auch alles
wiederum in einem geradezu irrationalen Wust von Imponderabilien
verwirbelt vorzufinden sein wird, innerhalb dessen letztlich doch
wohl einige damals besonders heftig denunziatorisch-verleumderisch
eifernde ostdeutsche „Philosophen-Kollegen“, welche die
damaligen Wendeverhältnisse (ob nun auch damit oder eben auch
ansonsten irgendwie?) doch eher als „Karrieresprung“
nutzen wollten, hier sicherlich eine aktivere und treibendere Rolle
gespielt haben, als die dann lediglich mit wenigen, letztlich einfach
gewissenlos-kaltblütig festlegenden Amtshandlungen agierenden
politisch beauftragten westdeutschen Vollzugsbeamten mich
betreffender Eliminierungsentscheidungen. Und insofern würde man
sich, im Versuch des Auftröselns derartiger, wohl nicht nur
zufällig schwerlich entwirrbarer Verknotungen, ja gerade nicht
dem Kern des Problems von Schuldhaftigkeit, über welchen hier
zu reden ist, nähern.
Denn dieser Kern
besteht letztlich doch vielmehr darin, dass die Größe und
Schwere dieser Schuld gegenüber der Wissenschaft eben auch daran
zu ermessen sein wird, in welcher Weise und in welchem Maße
sich die politische Administration damals, in ihrem spezifisch
antikommunistischen Sieges-Eifer, unter das Niveau ihrer eigentlich
selbstverpflichtenden eigenen Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit
begeben hat. Dabei zeichnete sich meinem Eindruck nach in damaligen
und weiteren Eliminierungs- und Vertreibungsvorgängen wohl auch
die generelle Verletzung und Missachtung von grundsätzlichen
bürgerlichen Rechtsnormen ab. So denke ich, dass es hinsichtlich
der von mir in diesem Zusammenhang ab 1990 zu konstatierenden
spezifischen Beschädigungen von bestimmten, damals bereits
angelegten und durchaus möglichen weiteren
Wissenschaftsentwicklungen, wohl kaum Zweifel geben kann.
Künftige
Wissenschaftsgeschichte wird dazu wohl im Grunde das Gleiche zu
konstatieren haben, was ich in meinem Vortrag aus dem Jahre 2008
dazu gesagt habe.
Für das
eingehendere Verständnis entsprechender Beschädigungen und
der konkreten Verständnisvertiefungen hinsichtlich ihres
Zustandekommens sollten dann aber wohl auch bestimmte weitergehende
Fragestellungen bedacht werden. Und da denke ich, dass dabei sowohl
das spezifische Maß des Kerns dieser Schuld, aber eben auch die
Tatsache des Herkommens der dabei von mir eingebrachten
Wissenschaftskonzeption aus einer eben offensichtlich spezifisch
prokommunistischen Denktradition, bedacht und vielleicht auch
eingehender analytisch bewertet werden könnte. Vielleicht auch
unter gelegentlicher Absehung von der dabei zwar stets möglichen,
aber eben doch nur oberflächlich bleibenden Streitfrage, ob
diese Konzeption nun etwa als ganz spezifisch „DDR-konform“
(und also damals gewissermaßen auch als „ganz
unerträglich und unentschuldbar und also auch ’in
naheliegend unvermeidlicher Weise’ zur Abwicklung anstehend
interpretierbar) oder doch als eher „DDR-untypisch“ (und
insofern vielleicht auch als damals eher „entschuldbar“
und etwa auch „nachsichtiger zu bewertend“) einzuschätzen
gewesen sei…
Ich traue ehrbarer
bürgerlicher Wissenschaftsgeschichte durchaus eine künftige
solide wissenschaftliche Antwort auf die hier aufgeworfene erste
Fragestellung zum Kern dieser Schuldhaftigkeit zu, - ohne freilich
sicher sein zu können, dass sie sich um eine solche auch
tatsächlich intensiv bemühen wird.
Weitaus geringer ist
mein Vertrauen hingegen hinsichtlich der anderen von mir hier
aufgeworfenen Fragestellungen zum tieferen Verständnis des
Entstehens von Wissenschaftskonzeptionen im Zusammenhang mit sozialen
Bewegungen und ihrer eben auch von daher erfolgenden Herleitung aus
dementsprechenden Tendenzen bestimmter progressiver
Wissenschaftsentwicklungen, denen hier der bürgerliche
Wissenschaftsbetrieb meiner Erfahrung nach entsprechend seiner
Prinzipien eher gewillt ist, gezielt auszuweichen und sich dabei
auch eher demonstrativ-genügsam, nichtbedenkend und deutlich
zurückhaltend zu verhalten geneigt sein wird.
(14)
Beim Erwerb dieses
Instrumentes wurde mir vom Verkäufer versichert, dass es sich
um ein „Musikinstrument aus deutscher Produktion handelt,
welches im Auftrage der deutschen Wehrmacht eigens für das Spiel
von Militärmusik unter den Kältebedingungen Sibiriens“
hergestellt worden sei...
Eine meiner Meinung
nach in mehrfacher Hinsicht irgendwie typisch deutsche
„Musikinstrumenten-Legende“.
Ebenso begegnete mir
auch angesichts der aus Kautschuk hergestellten sowjetischen Oboe
dieser Sammlung einmal die Meinung, dass dieses Material „doch
wohl wegen der russischen Kälte, zur Vermeidung von Rissen“
gewählt worden sei…
(15)
Der Hinweis, dass es auch (ebenfalls aus Holz hergestellte) Tarogatos mit
Saxophongriffweise gibt, ist mir mehrfach in Rumänien begegnet;
- freilich ohne dass mir jemals ein solches Instrument begegnete.
Dabei kann vielleicht
auch bedacht werden, das zuweilen – bis hin zu bestimmten
Firmenkatalogen – auch von Klarinetten mit besonderen
„Saxophongriffen“ die Rede ist.
(16)
Siehe dazu wiederum C.
Sachs und E. M. von Hornbostel in ihrem Vorwort zu ihrer Systematik,
in:
Erich M. von Hornbostel
/ Curt Sachs. „Systematik der Musikinstrumente: Ein Versuch“.
Zeitschrift für Ethnologie 46 (1914).
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