Persönliches und Unpersönliches über eine Privatsammlung in
Ostdeutschland
Nach 15 Jahren deutscher
Einheit konnte im Herbst 2005 auch die von mir in der DDR begonnene und
vorwiegend dort gewachsene Sammlung von Musikinstrumenten in wiedervereinigter
Form der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Allerdings bietet der von erheblichen
Existenzschwierigkeiten, sowie Leid und Verlust keineswegs freie
Schicksalszusammenhang, in den diese Sammlung vor 15 Jahren geraten ist, in
diesem Jubiläumszusammenhang kaum Anlass zu Erfolgsfeierlichkeit. Darauf möchte
ich im Weiteren zurückkommen. Zunächst möchte ich jedoch das besondere Anliegen
dieser, keineswegs schon in allen Details fertiggestellten, Dauerausstellung
innerhalb einer Musikschule verdeutlichen. Es geht hier um drei
unterschiedliche Aspekte, die in jeweils besonderer Weise durch
wissenschaftliche Aktivitäten und eine spezielle museologische Konzeption
bestimmt sind.
Einer dieser Aspekte
bezieht sich auf eine kleine Anzahl von selbstgebauten Musikinstrumenten, die
in Wandvitrinen des Ausstellungsraumes untergebracht sind. Damit soll auf ein
besonderes Angebot dieser Musikschule hingewiesen werden, welches künftigen
Teilnehmern von dort geplanten Instrumenten-Selbstbau Kursen die besondere
Gelegenheit bietet, ausgehend von bestimmten ausgestellten traditionellen
Originalinstrumenten und den vergleichend dazu vorgestellten selbstgebauten
Exemplaren, sowohl ein tieferes Wissen zu den Originalen, als auch zu den
Möglichkeiten eigenen, schöpferischen Herangehens und individuellen Veränderns
bzw. Verbesserns solcher Instrumente zu erwerben. Die insofern mögliche
interaktive Beziehung zur Exposition kann damit dann über den Zeitraum der
Kursteilnahme, aber auch - etwa in der beziehungserhaltenden weiteren Nutzung
des dort Selbsthergestellten - über einen noch längeren Zeitraum ausgeweitet
werden. Dazu nur zwei Beispiele: Beim einfach herzustellenden traditionellen Brummtopf
wird der Reibestock üblicherweise fest ins Fell des Trommelkörpers eingebunden.
Bringt man hier jedoch eine sicher lösbare Schraubverbindung ins Fell ein, so
ergeben sich ganz neue Möglichkeiten des Umgangs mit dem Instrument, da es sich
nun leicht zur Fadenreibetrommel umwandeln lässt. Es kann aber auch mit
auswechselbaren, d. h. unterschiedlich abstimmbaren Stöcken, ganz neue tonale
Dimensionen gewinnen. Ein anderes, weitergreifendes Beispiel wäre die
lateinamerikanische Quena, von der mehrere Original-Instrumente in der
Sammlung zur Verfügung stehen. Sie besitzt traditionell ein festsitzendes
Mundstück, welches bei jedem Instrument individuell unterschiedlich gestaltet
sein kann. Wenn diese Kerbflöte nun als Selbstbauvariante mit auswechselbarem
Kopfstück konzipiert wird, so ergibt sich nicht nur eine wesentliche
Verbesserung hinsichtlich ihrer Stimmbarkeit, sondern auch ein weitaus höherer
Freiheitsgrad hinsichtlich der Nutzung auswechselbarer, d.h. also jeweils
individuell anzupassender, Mundstückformen. Und das weitere Erlernen dieses
anspruchsvollen Instrumentes kann dann, ob nun innerhalb oder außerhalb dieser
Musikschule, weitere aktive Bindungen entstehen lassen. Die Reihe der in diesem
Sinne exponierten Selbstbau-Exemplare reicht dabei viel weiter, - letztlich bis
zum Angebot von Scheitholz und Dudelsack(1).
Ein anderes Anliegen der
Exposition besteht darin, dass auf eine in Deutschland leider zuwenig bekannte
Cisternvariante, die sogenannte Thüringer Waldzither, die mit einer
Reihe von mehr als 35 Exemplaren vertreten ist, aufmerksam gemacht wird. Diese,
an einer Längswandseite des Raumes angebrachte Instrumentenreihe wird im
fließendem Übergang mit weiteren cisternartigen Mandriola- und Mandola-
Instrumenten (25 Exemplare) sowie einer Anzahl weiterer Flachmandolinen,
bis zur hinteren Querwand des Raumes geführt, welche wiederum mit
unterschiedlich gestalteten Saiteninstrumenten aus den verschiedensten Kulturen
behängt ist. An der gegenüberliegenden Querwand sind zusammen mit einigen Gitarren
sämtliche Balalaikas (vom ‚Pikkolo’ bis zum Bass 15 Exemplare) und alle Banjos
(nahezu 40 Exemplare) meiner Sammlung(2) platziert. An der den Cistern
gegenüberliegenden Längsseite des Raumes beginnt, oberhalb der dortigen
Fenster, wiederum eine Reihe mit sämtlichen Kastenzithern
(einschließlich verschiedener Streichzithern insgesamt über 60
Exemplare), die von einer Raumecke der „Banjo-Querwand“ bis zur anderen
Querwand reicht und in die dortige Formenvielfalt unterschiedlichster
Saiteninstrumente übergeht. Der Besucher hat also nicht nur Gelegenheit, hier
die ihm zumeist unbekannten deutschen Cistern bzw. Waldzithern,
kennen zulernen, sondern auch ihren deutlichen Unterschied zu den allgemein
bekannteren Kastenzithern zu erkennen, und darüber hinaus, in
eingehender Betrachtung der Vielzahl unterschiedlichster Konstruktionsformen
(3) von verschiedensten anderen Saiteninstrumenten an allen Wänden des Raumes,
grundlegende Entwicklungstendenzen solcher Instrumente zu bedenken. Zumindest
kann hier, schon bei erster oberflächlicher Betrachtung, deutlich werden, dass
beispielsweise Banjos mit ihrer runden Klangkörperkonstruktion aus
bestimmten Gründen festgelegter sind als die ähnlich festgelegt erscheinende
dreieckige Balalaika, die hier auch neben verschiedenen Exemplaren der
ebenfalls runden (aber eben nicht in gleichem Maße „notwendigerweise runden“)
russischen Domra steht. Bei weiterer gründlicher Betrachtung kann zudem
deutlich werden, dass, angesichts der Vielzahl unterschiedlichster Varianten
von Kastenzithern, die bei diesen Instrumenten deutlich erkennbaren
Entwicklungstendenzen weitaus vielfältiger sind, als bei den als
Halskonstruktion bereits festgelegteren Cistern, wobei als vielleicht
aufregendstes Beispiel solcher Entwicklungsbewegungen die ukrainische Bandura
an der hinteren Querwand gelten kann. Bei diesem Instrument handelt es sich
um eine kastenähnliche Zithernkonstruktion die (durchaus ähnlich wie manche
‚klassischen’ Kastenzithern) an einer Seite über eine Ausladung zur Aufnahme
von längeren Basssaiten verfügt, die hier halsähnlich gestaltet ist. Inzwischen
gibt es auch eine modernere Variante dieses Instrumentes, bei der diese
Halsausladung nun mit Griffbrett und Bünden versehen wurde, und damit auch für
chromatisch oder akkordisch gegriffenes Saitenspiel genutzt wird. Wir stehen
also vor einem deutlichen Funktionswandel, bei dem sich schwer sagen lässt, ob
wir es dadurch nun mit einer unsymmetrische Laute, Gitarre, oder
etwa auch Cister zu tun haben.
Die Problematik des
Funktionswandels ist dann auch für das Verständnis des dritten, mir letztlich
wichtigsten, Schwerpunktes dieser Exposition von Bedeutung, denn hier geht es
wesentlich um ein eingehenderes Verständnis grundlegender Entwicklungen
musikinstrumenteller Technik, verbunden mit grundlegender Kritik an der immer
noch vorherrschenden Vierklassensystematik von Sachs und Hornbostel(4). Ich
habe mich dabei - auch abhängig von den Schwerpunkten meiner bisherigen
vergleichsanalytisch organologischen Forschungen und dem entsprechenden Bestand
meiner Sammlung - für die Darstellung bestimmter Problemfelder von
Blasinstrumenten entschieden. Man könnte Ähnliches allerdings auch hinsichtlich
vieler anderer Instrumentenentwicklungen veranstalten, so z.B. ausgehend von
der spannungsvollen Problematik des Musikbogens und der Röhrenzither,
für bestimmte Entwicklungswege von Saiteninstrumenten(5).
Hier wurde nun an der
Fensterseite des Raumes eine organologische Entwicklungsreihe aufgebaut, die
von der einfachen Zunge (also einem Tongenerator, der schon in frühester
Menschheitsgeschichte eine Rolle spielen konnte) über die ‚rahmenspalt-
justierte’ Zunge’ (Maultrommel / Neolithikum), zu verschiedenen diesbezüglichen
Blasinstrumenten und letztlich bis zu Harmonium- und Orgelinstrumenten
(mit drei dafür sinnfälligen Exemplaren meiner Sammlung) führt. Im Anfangsbereich
dieser Reihe werden auch bestimmte Experimentalmodelle und
Versuchsvorrichtungen aus meinen Forschungen zur durchschwingenden Zunge
vorgestellt(6). Im Weiteren werden dann, neben vielen unterschiedlichen
Mundharmonikainstrumenten europäischer Art, auch asiatische Mundorgeln
und flötenartig grifflochbespielte Instrumente mit rahmenjustiert-spaltgenau
durchschwingender Zunge ausgestellt, anhand derer die wesentlichen Unterschiede
der Nutzung dieses Tongenerators in asiatischen und europäischen Kulturen
deutlich werden(7). Die eigentlich zu dieser ganzen Entwicklungsreihe dazu
gehörenden Balgharmonikainstrumente (ca. 60 Exemplare) mussten jedoch
(unterteilt in wechseltönige und gleichtönige Instrumente), auf der Oberseite
einer Reihe von Glasscheibenschränken in der Mitte des Raumes exponiert werden.
In diesen Schränken sind nun auch alle anderen Arten von Blasinstrumenten
(mehrere hundert Exemplare) ausgestellt, die hier freilich weniger nach ihrer
jeweiligen Entwicklungsgeschichte, sondern mehr im Sinne einer organologisch
exakten und systematisch begründeten Differenzierung angeordnet sind. Insofern
werden also zunächst die „wirklichen Aerophone“ d.h. Instrumente, bei
denen instrumental integrierte Luftmengen wiederum nur mit Hilfe von Luft zum
Schwingen gebracht werden, wo also tatsächlich nur Luft als wesentliches
Element schallrelevanter Oszillation (WESO)(8) zur Wirkung kommt, in einer
Schrankabteilung vorgestellt. Dieser Abteilung voller Flöten folgen dann
sekundär aerophone Blasinstrumente, bei denen zur Erzeugung
schallrelevanter Luftschwingungen immer noch ein anderes, jeweils primäres
WESO vorgeschaltet ist, und die dementsprechend in
Kesselmundstück-Instrumente (Tuben, Posaunen, Trompeten, Zinken,
Hörner usw.), Zungen-Instrumente (Klarinetten, einfache Schalmeien,
Tarogato, Saxophone, Martinshörner usw.) und sogenannte
Doppelrohrblatt- (besser: Halbmembran-) Instrumente (Oboen, Fagott, Rankett,
Rauschpfeifen, entsprechende Schalmeien usw.) unterteilt werden. Im letzten
Teil dieser Aufreihung finden sich dann auch die verschiedensten Dudelsäcke,
bei denen schließlich sowohl Zungen- als auch Halbmembran-Generatoren
anzutreffen sind.
Ein besonderer Punkt am
Ende dieser Aufreihung besteht jedoch in Folgendem: Hier wird auch ein
Blasinstrument mit einem völlig neuartigen Tongenerator, nämlich einer
angeblasenen Ganzmembran als primärem WESO präsentiert, womit deutlich
werden kann, dass diese Schrankreihe nun eigentlich für noch kommende
Musikinstrumentenentwicklungen verlängert werden müsste, da dieses membranophone
Tonerzeugungsprinzip künftig sowohl saxophonartig, klarinettenartig, aber auch
posaunenartig usw. genutzt werden kann und auch geeignet ist, die Entwicklung
wiederum gänzlich neuartiger Blasinstrumente zu forcieren(9). Damit wird also,
auf dem Hintergrund einer großen Anzahl von historischen Belegen zu bisherigen
Musikinstrumentenentwicklungen, folgerichtig auf aktuelles Werden und mögliche
Zukünftigkeit hingewiesen, wobei eben auch die spannende Frage nach den
perspektivischen Chancen der weiteren Entwicklung natürlich-akustischer
Musikinstrumente im Zeitalter der Elektronik berührt wird. Mit diesem völlig
neuartigen Ganzmembran-Tongenerator, der sich in die hier systematisch
vorgestellte Aufreihung problemlos sachlich-logisch (eben im Anschluss an
angeblasene Halbmembran-Tongeneratoren) einordnet, zeigt sich aber auch, dass
dieses Stück aufregender Realität nun eigentlich die weitere detaillierte
argumentative Kritik an den Schwächen der bisherigen Vierklassenteilung der
Musikinstrumente fast überflüssig macht, da allein seine Existenz als membranophones
Blasinstrument, welches in dieser Systematik einfach nicht konfliktlos
platziert werden kann, zwingend ein ganz neues Systematikkonzept für die
Musikwissenschaften erfordert.(10) Wenn man in diesem Sinne die vorgestellte
Entwicklungsreihe der akustischen Zunge eingehender bedenkt, so ergeben sich
dabei letztlich gleiche Systematik- Konsequenzen, wobei - mit geschärftem Blick
auf vergangene, gegenwärtige und zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten –
außerdem die Frage entsteht, wieso sich eigentlich für die schon seit
Jahrhunderten doch so besonders raffinierte Nutzung bzw. Herstellung der
durchschwingenden Zunge für bestimmte asiatische Blasinstrumente(11) (die in
den europäischen Musikwissenschaften bis heute nicht richtig begriffen werden)
keine späteren Weiterentwicklungen finden lassen? Und diese Frage kann noch an
Gewicht gewinnen, wenn man zudem bedenkt, dass sich die durchaus trivialere und
historisch weitaus später erfolgte europäische Nutzung und Gestaltung dieses
wichtigen und vielseitig geeigneten Tongenerators nun innerhalb globalisierter
moderner industrieller Massenproduktionen (z.B. Mundharmonikas)
zunehmend von Europa nach Asien verlagert.
Die Konzeption der hier
geschilderten Ausstellung ist mit ihren drei unterschiedlichen Gewichtungen,
natürlich auch durch die Spezifik der beherbergenden Institution, die dortige
Raumsituation sowie durch den konkreten Bestand meiner zunächst doch vorwiegend
aus ganz persönlichen Vorlieben erwachsenen Sammlung, beeinflusst. Letztlich
aber – zumal in Hinsicht auf den dritten Schwerpunkt – wurde sie vor allem von
Ergebnissen meiner Forschungsaktivitäten getragen.
Eine von vornherein
zielgerichtet auf grundlegende Entwicklungswege und systematische Zusammenhänge
orientierte Exposition zu natürlich-akustischen Instrumenten, würde
hingegen ganz anders aussehen. Zunächst müsste dazu wohl der grundsätzliche
Unterschied von Externenten und Internenten(12) unter den
Musikinstrumenten, vor allem hinsichtlich ihrer so unterschiedlichen
instrumentellen Entwicklungsmöglichkeiten, verdeutlicht werden.
Dazu wäre eingangs ein
kleiner Bereich für die Externenten (z.B. Schwirrholz, Schwirrscheibe,
Ventilator, bestimmte Sirenen, Peitsche, Explosionsknall
etc.) einzurichten, um - vielleicht im Zusammenhang mit einer einführenden
Übersichts-Systematik - zunächst die Spezifik dieser Minderheit von
musikinstrumentellen Außenseitern, die ja ohne Nutzung instrumentalinterner
WESO zur Wirkung kommen können, zu verdeutlichen. Die weiteren Abteilungen
sollten dann wohl dem grundlegenden Gedanken der Unterscheidung nach
Aggregatzuständen(13) (hier nun immer exakt bezogen auf das primäre WESO
jeden Instrumentes) folgen, und den Besucher also mit den jeweils wiederum ganz
verschiedenen Entwicklungswegen von Aerophonen, Hydrophonen und Solidophonen
vertraut machen.
In der aerophonen
Abteilung, in der alle Arten von Flöten (aber beispielsweise auch
Instrumente, bei denen instrumentalintegrierte Luftmengen nicht angeblasen,
sondern etwa angeschlagen, oder auch in anderer Weise als primäres WESO
zur Wirkung gebracht werden), unterzubringen wären, findet sich bereits ein
vielfältig verzweigtes Geflecht verschiedenartigster Entwicklungswege und
instrumentaler Möglichkeiten, wobei eine der besonders spannenden
Problemstellungen wohl darin bestehen mag, dass das spezielle
physikalisch-akustische Prinzip des Pfeifens mit dem Mund, das der Mensch seit
Urzeiten nutzt, welches aber bei den üblichen Flöteninstrumenten nicht genutzt
wird, bislang keine besondere Ausprägung als entsprechend technisches
Musikinstrument, oder etwa eine über bisherige körpereigene Möglichkeiten
hinausführende Weiterentwicklung, erfahren hat.
In ganz anderer Weise
spannend wäre dann die hydrophone Abteilung, in welcher der Besucher
naturgemäß weniger mit üblichen Musikinstrumenten, sondern vielmehr mit
verschiedenen Naturerscheinungen, einer Reihe von audioorganologischen
Experimentalmodellen, sowie bestimmten Hinweisen auf entsprechend mögliche
zukünftige Entwicklungen akustischer Technik(14), konfrontiert würde.
Der reichhaltigste und
vielfältigste Bereich müsste dann aber für die Solidophone eingerichtet
werden. Diese wären nun, nicht nur wegen ihrer ungeheuren Vielfalt, sondern
wegen den jeweils von daher begründeten unterschiedlichen
Entwicklungsmöglichkeiten, nach grundlegenden Konfigurationen(15) des
jeweils primären WESO entsprechender Instrumente (also in Bezug
auf Saiten, Membranen, Zungen, Stäbe, Scheiben, Röhren, Glockenarten und
vielleicht noch anderen organologisch relevanten, unterschiedlich kompakten
Ausformungen) zu unterteilen. In den sich daraus ergebenden solidophonen Unterabteilungen
treffen wir dann auf ein besonders enges Geflecht von unterschiedlichsten
Entwicklungszusammenhängen, welche von Fall zu Fall wiederum Verflechtungen mit
den anderen Abteilungen musikinstrumenteller Technik aufweisen werden.
Ich denke, dass wir es
in diesem Sinne bei der Gesamtheit musikinstrumenteller Technik mit einem
mehrdimensionalen Geflecht von spezifischen Entwicklungszusammenhängen zu tun
haben, welche uns, sobald wir uns auf eine intensivere und systematische
Erforschung dieser Vielfalt einlassen, letztlich zunehmend erkennen lassen
werden, dass wir es durchaus mit so etwas wie einem Natürlichen System der
Musikinstrumente zu tun haben. Die weitere Erforschung des spezifischen
Charakters dieses speziellen Gesamtsystems, ergäbe - zumal im analytischen
Vergleich mit anderen Systemen - weitere Erkenntnismöglichkeiten(16).
Natürlich würde mein
persönlicher Sammlungsbestand für eine in dieser Weise zu konzipierende
Musikinstrumenten-Exposition keinesfalls ausreichen können. Eine derartig
grundlegend-systematisch anzulegende Exposition bzw. Museumskonzeption, wird
letztlich nur auf der Grundlage einer großen Fülle von Belegen aus den
unterschiedlichsten, sich ergänzenden Sammlungen, sowie in der intensiven
Zusammenarbeit verschiedener Institutionen möglich sein. Trotzdem bin ich mir
sicher, dass ein solches System-Projekt musikinstrumenteller Technik,
welches zunächst vielleicht nur in meiner persönlichen Gedankenwerkstatt
existiert, künftig auch außerhalb dieser, und vielleicht auch ohne dann noch in
Verbindung mit dieser bedacht zu werden, einmal detailliert entwickelt und
verwirklicht werden wird. Denn ich halte dies für ein objektives Erfordernis
weiteren wissenschaftlichen Fortschritts. Zudem halte ich es für eine
grundsätzliche, letztlich nicht zu übergehende Forderung der Humanität, dass
Menschen sich immer wieder selbst verdeutlichen, welche besonderen Leistungen
gerade hinsichtlich der Entwicklung dieser, doch zweifellos in besonders
verbindlicher Weise humanisierten Form von Technik, zustande gekommen sind. So
sicher ich mir mit Blick auf die Zukunft bin, so unsicher muss ich mir wiederum
hinsichtlich der gegenwärtigen Perspektiven meiner Sammlung sein, die nun doch
stets der entwürdigenden Gefahr unterliegt, sich vorwiegend durch die Brille
der Geldwertigkeit betrachten und messen lassen zu müssen, wobei mit dieser
alles verzerrenden Optik die hier akkumulierten wirklichen, d.h. tatsächlich
sinnhaft wirkmöglichen, und eigentlich auch in besonders effektiver Weise
vermehrbaren, geistig-kulturellen Werte, sowie die entsprechenden
Reichtumsmöglichkeiten für Bildung(17) und Wissenschaft, kaum abzuschätzen
oder etwa sachlich zu ermessen sein werden. Wenn ich mich auch hinsichtlich der
künftigen Kraft von Erkenntnissen, im abstrakten Reich der Gedanken, sicher zu
wähnen vermag, so steht meine Sammlung - wie eng sie auch mit der Entwicklung
dieser Gedanken und Erkenntnisse verbunden sein mag - im konkreten
Herrschaftsbereich eher gedankenarmer Geldbestrebungen doch eher unsicher da,
wobei sich die Mühen um ihre Erhaltung nun auch leicht als Wahn erweisen
könnten.
Diese Ungewissheiten
(eher schon diese schlechte Gewissheit) ergeben sich aus einer Vielzahl von
generellen und persönlichen Erfahrungen seit der Wiedervereinigung:
In der DDR wohnte ich als
Wissenschaftler zuletzt, ein gutes Jahrzehnt lang, in einer alten Ladenwohnung
in Berlin-Prenzlauer Berg, in welcher auch der gerade in diesem Zeitraum
ständig umfangreicher werdende Gesamtbestand meiner Sammlung untergebracht war.
Er stand mir also stets unmittelbar zur Verfügung und war zudem in dieser
Ladenwohnung der interessierten Öffentlichkeit zugänglich. Außerdem wurde diese
Wohnung voller Musikinstrumente mehrfach für verschiedene Sendungen und
Reportagen vom Fernsehen der DDR besucht und dokumentiert. Damals habe ich für
diese Wohnung nicht mehr als 68,- DDR Mark (achtundsechzig) Monatsmiete
gezahlt. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde ich seitens des nunmehr
wieder zuständigen Alteigentümers, mit mehreren Mieterhöhungen konfrontiert, so
dass die Miete in kurzer Zeit - ohne dass zunächst irgendwelche Sanierungen
erfolgten - auf das fast zehnfache in D-Mark angehoben wurde. Nach der später
erfolgenden Sanierung steigerte sich die Miete für diese Wohnung, wiederum um
mehr als das Dreifache. Große Teile meiner Sammlung mussten also alsbald in
verschiedenen anderen Privatwohnungen und Kellern untergebracht, und im
Weiteren auch immer wieder erneut umgelagert werden. Nur wenige Instrumente
konnten, zusammen mit Büchern bzw. Arbeitsunterlagen, zu einem neuen Wohnort
mitgenommen werden, wo ich dann meine Forschungsstelle für
Vergleichsanalytische Organologie(18) einrichtete, um nach der im Zuge der
Wiedervereinigung erfolgten Auflösung der Akademie der Wissenschaften der
DDR, bestimmte, zuvor dort begonnene Forschungsprojekte fortsetzen zu
können. Später habe ich, auf der nunmehr ständigen Suche nach einem
Arbeitsplatz, neben einer Vielzahl entsprechender Initiativen und Bewerbungen,
dann verschiedenen dortigen (aber auch anderen) Städten und insbesondere Museen
(speziell in Templin und Prenzlau) eine Reihe von Ausstellungskonzeptionen zu
meinen Musikinstrumenten, letztlich aber auch die Übernahme des Gesamtbestandes
meiner Sammlung, angeboten, um doch irgendwie einen bezahlten Arbeitsplatz zu
finden, wobei ich durchaus mit der Stellung eines Pförtners oder Hausmeisters
etc. einverstanden gewesen wäre. Im nunmehrigen Netzwerk unerbittlicher Kämpfe
um besetzte Positionen und Arbeitsplätze war dies jedoch nie möglich. Ab 1998
gelang es mir, trotz vieler bürokratischer Hindernisse seitens des zuständigen
Arbeitsamtes Templin(19), wenigstens, wenn auch ohne Bezahlung, wieder
semesterweise Vorlesungen in Berlin zur Systematik und Physik der
Musikinstrumente(20) zu halten, wobei dazu ein beträchtlicher Teil meiner Sammlung,
zur Nutzung in diesen Experimentalvorlesungen, wiederum für mehrere Jahre im Physikalischen
Institut der Humboldt Universität zu Berlin untergebracht werden konnte.
Leider sind gerade in dieser Zeit verschiedene Instrumente erheblich beschädigt
und auch mehrere entwendet worden. Im Zusammenhang mit der für 2003
vorgesehenen Verlagerung dieser Einrichtung in das neuerrichtete
Wissenschaftszentrum in Berlin-Adlershof, sowie einer plötzlichen schweren
Erkrankung, mussten diese Vorlesungen beendet werden. Es ergab sich dann aber
die Möglichkeit, meinen gesamten verbliebenen Sammlungsbestand schrittweise, in
einen von der Schostakowitsch Musikschule Berlin Lichtenberg zur
Verfügung gestelltem Raum wieder zusammenführen zu können. Die Perspektive der
nun dort, in einer öffentlichen Musikschule, zu besichtigenden Ausstellung,
erweist sich jedoch angesichts einer gerade in Berlin besonders rigiden
Kulturpolitik ständiger Kürzungen und Einsparungen, keineswegs als gesichert.
Innerhalb derartiger
Entwicklungen von Geldherrschaft, scheint mir die Tatsache, dass nun - nach 15
Jahren Wiedervereinigung - der Gesamtbetrag meiner monatlichen Rente nicht
ausreichen würde, um die jetzige Monatsmiete für meine ehemalige Wohnung in Berlin-
Prenzlauer Berg aufzubringen, durchaus von einer gewissen Symbolträchtigkeit zu
sein. Und wenn man dazu nun noch das, zumal in Jubiläumszeiten, vom rauen Wind
etablierter Sieger- und Gewinner- Mentalitäten durchwehte Klima politisch
anhaltender Delegitimierungen und Missachtungen ostdeutscher Lebensleistungen
und entsprechender geistig-kultureller Werte, nüchtern betrachtet, so ist kaum
die Gefahr zu übersehen, dass ein großer Teil meiner Sammlung künftig
leichtfertig dorthin verweht werden könnte, wo früher ein sehr kleiner Teil
mühsam zusammengelesen wurde: in Müllcontainern und Flohmärkten. Da ich
letztlich aber einen großen Teil meines persönlichen Lebens ohne die
deformierende Dominanz geldgelenkter Maßgaben, sowie in gesicherter sinnvoller
Arbeit gestalten konnte, liegt es immer noch unter meiner Würde als
Wissenschaftler, nun etwa die Substanz dieses Sammlungsbestandes einfach in
geldorientierter Weise aufzulösen. Ich sehe im gegenwärtigen Deutschland jedoch
keine Sicherheit für seinen Erhalt.
Insofern möchte ich
hier mit dem Hinweis schließen, dass jeder ausländische Interessent, der die
künftige Erhaltung und wissenschaftliche Nutzung dieser Sammlung sichern kann
und längerfristig zu sichern gewillt ist, diese (in genauerer Absprache mit
mir) auch als persönliche Schenkung übereignet bekommen kann.