(Zunächst im Jahre 2010 entstanden und später überarbeitet; vorgesehen als Vortrag an der Musikhochschule des Saarlandes in Saarbrücken)
In meinem Vortrag zur Eröffnung der nun in Ihrem Hause
befindlichen Musikinstrumentenausstellung(01) hatte ich bereits über
die Konzeption meiner zuvor in Berlin unternommenen Aktivitäten zur Einrichtung
einer kritisch-systematisch angelegten Musikinstrumentenexposition gesprochen.
Eine Ausstellung, in welcher der Besucher anhand eines bestimmten Teilbereiches
von Musikinstrumenten auch mit der Problematik einer naturwissenschaftlich
exakt zu begründenden Systematik bestimmter Musikinstrumente konfrontiert
wurde.
Und weiterführende grundsätzliche Vorstellungen zu den
Möglichkeiten einer demgemäß umfassender angelegten und entsprechend auf
Systematik orientierenden Ausstellung von Musikinstrumenten hatte ich bereits
zuvor, im Jahre 2005, anlässlich einer internationalen musikwissenschaftlichen
Tagung, ausführlicher dargelegt.(02)
Ich hebe dies hier deswegen einleitend hervor, weil ich
(wie ich schon zu anderen Gelegenheiten betont habe) durchaus der Meinung bin,
dass wahrscheinlich beides, - also sowohl meine erste, entsprechend kritisch
angelegte Expositionsinitiative in Berlin als auch die damaligen
ausführlicheren konzeptionellen Darlegungen zu einer entsprechend
systematisch-systemisch strukturierten Musikinstrumentenexposition - wohl
weltweit die ersten Versuche waren, eine solche Konzeption vorzustellen und
dann auch in ersten Ansätzen expositionell zu verwirklichen. Und insofern bin
ich froh darüber, dass ich nun auch hier an Ihrer Musikhochschule wieder die
Möglichkeit habe, diese mich seit langem bewegende Problematik darzulegen und
mir auch die Möglichkeit gegeben ist, Ihnen hier einen detaillierten Vorschlag
für eine kleine entsprechend konzipierte Teilausstellung innerhalb der von
Ihnen exponierten Musikinstrumentensammlung vorzutragen und dabei meine
kritische Position zu bestimmten damit zusammenhängende Problemen und
entsprechenden Auffassungen zu verdeutlichen.
Ich möchte dabei aber auch noch – und dies ebenfalls
wiederholend - auf eine andere Problematik hinweisen. Nämlich auf die aus
meiner Sicht außerordentlich großen Schwierigkeiten, die einem begegnen können,
wenn man vorschnell versuchen wollte, nun etwa entsprechend den von mir
mehrfach dargelegten kritischen Einwänden zur inzwischen gewiss überholten
Vierklassen-Systematik der Musikinstrumente und etwa auch orientiert an meinen
neuen „Grundgerüst-Vorschlägen“ und meiner Auffassung zur Bedeutung der
jeweils „Wesentlichen Elemente schallrelevanter Oszillation“ (WESO)(03)
eines jeden Instrumentes, einfach eine demgemäß neue Gesamtsystematik, etwa in
tabellarischer Form oder auch – wie von Sachs und Hornbostel schließlich damals
im Jahre 1914 in einer zunächst für alle Welt höchst beeindruckenden Weise
vorgeführt - in einer Anordnung nach Deweys Dezimal-System, fixieren zu
wollen.
Ich meine eher, dass eine modernere Darstellung einer
solchen Gesamtsystematik kaum noch in traditionell eindimensionaler bzw.
’flächig strukturierter’ Weise, sondern vielleicht eher unter sich gegenseitig
bedingenden verschiedenen Aspekten, in integrativ mehrdimensional vernetzten,
räumlichen Darstellungsformen, sinnvoll möglich sein könnte und denke insofern
auch, dass vielleicht solche wie die hier von mir dazu dargelegten
Vorstellungen, welche ja darauf abzielen, diese Problematik nun zunächst in
Form von bestimmten musikinstrumentellen Expositionsaktivitäten anzugehen,
erste Schritte und entsprechende Anregungen auf eine solche Richtung hin sein
könnten. Einleitende Denkschritte und entsprechend praktische Bemühungen, um
uns vielleicht auf einem solchen Wege dann doch auch allmählich aus dem
musikwissenschaftlichen Dilemma herauszuwinden, mit dem wir es hier schließlich
zweifellos zu tun haben. Nämlich mit der doch offensichtlichen Tatsache, dass
es gegenwärtig in der Musikwissenschaft einfach keine detailliert modernisierte
und musikwissenschaftlich solide ausgearbeitete, also auch unter nunmehrigen
Bedingungen wissenschaftlich zu akzeptierende Gesamtsystematik der
Musikinstrumente mehr gibt. Immerhin haben wir es inzwischen auch mit einigen
neueren „natürlich-akustischen“ Musikinstrumentenentwicklungen zu tun, die in
der bisherigen Vierklassensystematik nicht bedacht wurden und zudem dort, auf
Grund der verfehlten Konstruktion dieses Ordnungs-System, auch nicht
nachträglich unterzubringen sind.
Bei dem nun von mir im Sinne einer solchen
’Überwindungsbemühung’ ausgewählten Teilbereich von Musikinstrumenten soll es
zunächst um ganz bestimmte Blasinstrumente gehen, denn von meiner Erfahrung her
lassen sich diese durchaus in einer besonders anschaulich-systematisierten
Weise präsentieren.
Ich werde aber nun keineswegs versuchen, Ihnen etwa nahe zu
legen, einfach die Anordnung von Instrumenten zu wiederholen, die ich damals in
Berlin installiert hatte, denn da hatte ich es in Hinsicht auf den mir zur
Verfügung stehenden Raum, in welchem schließlich meine gesamte Sammlung
ausgestellt war, mit durchaus anderen Voraussetzungen zu tun.
Hier möchte ich eher vorschlagen, ein solches Vorhaben nur
in Hinsicht auf einige wenige, eigens dafür auszuwählende besondere
Blasinstrumentenrepräsentanten anzugehen.
Für eine solche Unternehmung muss dann aber auch exakt
definiert werden, um welche Blasinstrumente es hier nun genau zu gehen hat
bzw. in welchem Sinne dieser Begriff dabei genau zu verstehen sein soll. Denn
dieser eigentlich doch sehr vage Begriff „Blasinstrument“ kann schließlich
(worauf ich in meinen vorherigen Vorträgen bereits hingewiesen hatte) sehr
umfassend, und insofern auch recht unterschiedlich, ausgelegt werden.
Wenn wir dabei nun – wie zumeist üblich – zunächst an
Instrumente in der Art von Flöten, Trompeten, Oboen, Klarinetten, Saxophonen
usw. denken, also etwa solche Instrumente im Sinn haben, wie sie in der
Systematik von Sachs und Hornbostel unter der eigenwillig-seltsamen Bezeichnung
„Eigentliche Blasinstrumente“ angeführt werden, dann könnte ja auch - um eben
in dieser Richtung genauer zu definieren - von ’angeblasen-schallgebenden
Gefäß- und Röhrenkonstruktionen’ die Rede sein.
Dabei würden wir mit der etwas umständlichen Wortkombination
’Gefäß- und Röhrenkonstruktionen’ eben die Tatsache berücksichtigen, dass sich
vor allem unter den Flöten nicht nur zylindrische und konische
Röhreninstrumente, sondern eben auch bestimmte Gefäßformen finden lassen.
Freilich könnte man hier auch versuchen, nur noch von
’Gefäßkonstruktionen’ zu sprechen, indem dann vielleicht auch alle offenen
Röhrenformen als besondere Gefäße definiert werden. Ich neige aber doch eher
dazu, hier die bei den nun ausgewählten Blasinstrumenten akustisch so
bedeutenden Unterschiedlichkeiten wie offene zylindrische und konische Formen
als ’Röhrenkonstruktionen’, und dann, differenziert dazu, andere dabei
akustisch relevante Hohlformen als ’Gefäßkonstruktionen’ zu definieren. Näher
zu bedenken wäre dann allerdings auch, ob dabei nun einseitig geschlossene Röhren,
wie wir sie etwa bei bestimmten Panflöten finden können, weiterhin als Röhren
oder eben eher als Gefäße zu systematisieren wären.
Mit einer dementsprechenden, wie ich denke, letztlich
exakteren Definitions- und Begriffsmöglichkeit wären dann zwar eine ganze Reihe
anzublasender Instrumente ausgeschlossen, es werden damit aber andererseits
auch mehr als nur die zunächst üblicherweise genannten Blasinstrumente erfasst.
Und sobald wir jetzt – mit Hilfe einer solchen mehr Exaktheit anstrebenden
Begriffsfestlegung – genauer hinschauen, kann uns auch bereits auffallen, dass
wir es nun also nicht nur mit mehr Blasinstrumenten zu tun haben werden als wir
bei Sachs und Hornbostel unter der dortigen Rubrik „Eigentliche
Blasinstrumente“ finden können, sondern wir haben es inzwischen auch mit mehr
Blasinstrumenten zu tun als überhaupt bislang in der „klassischen
Vierklassensystematik“ erfasst wurden und erfasst werden konnten.
So werden wir uns dann auch mit der eingehenderen
Systematisierung von zunächst sechs ganz unterschiedlichen Bereichen derartiger
angeblasener Instrumente beschäftigen müssen:
- erstens mit Flöteninstrumenten, deren primäres WESO aus Gas besteht und
die insofern auch mit Recht als ’angeblasene Aerophone’ bezeichnet werden
können;
- zweitens mit ’Bläserlippeninstrumenten’, deren primäres WESO aus den
Lippen des Bläsers besteht, welche ich wiederum gerne auch als
’Polstermembraninstrumente’ bezeichnen möchte;
- drittens mit ’Halbmembran-Tongenerator-Instrumenten’, deren primäres
WESO eben aus Halbmembranen bzw. aus den oszillierenden Teilen von so
genannten „Doppelrohrblättern“ oder aber auch nur einer entsprechenden
Halbmembrane besteht;
- viertens mit ’Ganzmembran-Tongenerator-Instrumenten’, bei denen das
primäre WESO aus einer in einem geschlossenen Rahmen eingefassten
’Ganzmembrane’ besteht;
- fünftens mit Instrumenten, bei denen deren zungenförmiges primäres WESO
über einer entsprechend angepassten ’Rahmenöffnung' zum Schwingen gebracht wird
und welche insofern als ’Lamellophone mit oberhalb schwingender Zunge’
charakterisiert werden können
- und sechstens mit Instrumenten, deren primäres WESO ebenfalls aus einer
zungenförmigen Lamelle besteht, welche hier aber am spaltbildenden Rand bzw.
den Kanten einer entsprechend als Rahmenkonstruktion präzise angepassten
Öffnung vorbei schwingt, und entsprechende Instrumente also auch als
Lamellophone mit ’ innerhalb schwingender’ Zunge zu charakterisieren sind.
Eine solche Aufstellung dieser sechs hier zu
unterscheidenden Blasinstrumentenbereiche kann nun allerdings wieder überaus
weitschweifig verwirrend und zunächst auch keineswegs systematisch
übersichtlicher als das bislang Gewohnte anmuten, denn die Musikwissenschaft
hatte sich dies bislang ja viel einfacher gemacht, indem sie kurzerhand alle
„Eigentlichen Blasinstrumente“ in ganz undifferenzierter, und wie ich meine,
eben auch in durchaus unberechtigter und systematisch verfehlter Art und Weise,
also sozusagen einfach „nach Gutdünken“, zu „Aerophonen“ erklärt hatte, wogegen
ich mich schließlich, wie Sie bereits wissen, schon seit vielen Jahrzehnten
immer wieder aufgelehnt habe.
Ich möchte nun die genannten sechs Bereiche eingehender
erläutern und dabei auch deutlich machen, inwieweit wir uns dabei im Sinne
eines - wie ich meine - besseren und eben auch systematischeren
Musikinstrumentenverständnisses künftig vielleicht auch umgewöhnen und dabei in
ein anderes Denken eingewöhnen sollten.
Hinsichtlich der ersten beiden genannten Bereiche, also in
Bezug auf Flöten und ’Bläserlippeninstrumente’, dürfte es vielleicht die
wenigsten Missverständnisse darüber geben, welche Instrumente hier gemeint
sind.
In Bezug auf die dabei letztgenannten, also die
Bläserlippeninstrumente, möchte ich allerdings im Sinne eines besseren
systemischen Verständnisses solcher Instrumente vorschlagen, hier die Lippen
des Bläsers nicht wie bei Sachs und Hornbostel als „Polsterzungen“ (was
zweifellos eine ganz unzutreffende, letztlich unberechtigte Bezeichnung ist),
sondern diese eher als ’Polstermembranen’ aufzufassen, was ich aus
verschiedenen Gründen für zutreffender halten kann.
So betrachtet, wird auch deutlich, dass diese
Bläserlippeninstrumente durchaus in einer systematischen Nähe zu dem dritten
hier genannten Bereich, dem Bereich von Blasinstrumenten mit Halbmembrantongeneratoren,
stehen, wozu natürlich alle Blasinstrumente mit so genanntem
„Doppelrohrblatt“, also Oboen, Fagotte, Sarrusophone, Rankette, Dolzainas,
Krummhörner usw. sowie verschiedene andere Schalmeieninstrumente und bestimmte
Dudelsackpfeifen usw. gehören.
Hier sollten wir uns nun unbedingt von der bei Sachs und
Hornbostel festgeschriebenen (aber eben auch wiederum durchaus unzutreffenden)
Vorstellung trennen, dass wir es bei dem für diese Instrumente zuständigen
Tongenerator etwa mit „Gegenschlagzungen“ zu tun hätten, und eher
akzeptieren, dass es sich dabei eben doch um gegeneinander schwingende
Halbmembranen handelt.
Und diese Instrumente stehen nun wiederum im unmittelbaren,
systematischen Zusammenhang zu dem vierten genannten Bereich, nämlich den Blasinstrumenten
mit Ganzmembrantongenerator.
Ich möchte dazu aber nun noch einige Erklärungen zu den
systemisch-systematischen Zusammenhängen von Bläserlippeninstrumenten (bzw.
Polstermembran-Instrumenten) und Blasinstrumenten mit Halbmembrantongeneratoren
einfügen.
Wie ich bereits betont hatte, meine ich, dass wir die beiden
luftbeströmt gegeneinander schwingenden Halbteile eines normalen einfachen
Doppelrohrblattes, wie wir es von entsprechenden europäischen Blasinstrumenten
kennen, in legitimer und wohl auch für jedermann zu akzeptierenden Weise als
Halbmembranen auffassen und bezeichnen können und denke dabei auch, dass dies
um so zwingender akzeptiert werden sollte, wenn wir diese – wie ich dies ja
auch im ersten Teil meines Vortrages zur Aerophon-Problematik ausdrücklich
getan habe – im systematischen Zusammenhang mit dem unmittelbar am Gaumen
angeblasenen Tongenerator mit einfacher, also ’nicht gedoppelter’ Halbmembrane
betrachten, den ich Ihnen damals akustisch vorgeführt und zur genaueren Ansicht
auch durchgereicht hatte. Ein Blasinstrument, welches hinsichtlich seiner
Klangerzeugung innerhalb unserer Mundhöhle wiederum als Gefäßkonstruktion
aufzufassen ist, da hier schließlich der kleine, zwischen Halbmembran und
Gaumen gebildete Hohlraum, welcher das dabei sekundär mitwirkende aerophone
WESO integriert, wesentlich für das Verständnis der Funktionsweise dieses
kleinen Musikinstrumentes ist.
Wenn wir nun wieder auf entsprechende Röhrenkonstruktionen
schauen und dabei außer den üblichen europäischen „Doppelrohrblattinstrumenten“
auch entsprechende andere systematisch gleichsetzend-vergleichbare
Schalmeieninstrumente, beispielsweise aus Asien, ins Auge fassen, so stoßen
wir dabei auf ein anderes überraschendes Phänomen:
Dort begegnen uns Instrumente bei denen die entsprechend
gegeneinander schwingenden Halbmembranen ihrer Tongeneratoren jeweils noch
durch weitere, beidseitig in zusätzlichen Lagen locker angebrachte Schichten
aus den (soweit ich das beurteilen kann) wohl gleichen Pflanzenmaterialien ’abgepolstert’
sind. Mir persönlich sind derartige ’mehrschichtig gestaltete Tongeneratoren’
bis zu beidseitig dreifacher Schichtung begegnet.
Ich halte es dabei allerdings für einen Ausdruck fataler
Gedankenlosigkeit, wenn solche Instrumente dann zuweilen von
Musikwissenschaftlern in Europa neben den so genannten
„Doppelrohrblattinstrumenten“ dann quasi ’systematisch erweitert’ als
„Vierfach- oder eben auch als Mehrfachrohrblattinstrumente“ eingeordnet
werden.
Hier meine ich wieder, dass die weitgehend gedankenlos
unangefochtene Akzeptanz der Systematik von Sachs und Hornbostel wohl auch als
eine Bedingung für die dann auch mögliche Akzeptanz derartig scheinlogischer
Systematisierungsbestrebungen mitbedacht werden muss.
Für das systemisch-systematische Verständnis derartiger
Instrumente scheint mir hier aber eher wichtig, Folgendes zu beachten: Nur die
jeweils beiden inneren, also auch die tatsächlich gegenseitig beidseitig
’luftangeströmt gegeneinanderschwingenden’ Halbmembranen solcher
Tongeneratoren, sollten bei diesen als das tatsächlich primär wirkende WESO
angesehen werden. Und die jeweils weiteren dortigen Anschichtungen sollten,
zumal diese, wie das offenbar in der Regel der Fall ist, nur mehr oder weniger
locker anliegend, aber nicht fest verbunden mit dem Material der inneren
Halbmembranteile des Tongenerators, mitschwingen, dann eher als ’instrumentale
Abpolsterungen’ dieses WESOs verstanden werden. Dabei ist eben auch
vergleichend zu bedenken, dass doch auch entsprechende ’nichtinstrumentale Abpolsterungen’
derartiger WESOs in vergleichbarer Weise bei vielen der uns geläufigeren
europäischen Doppelrohrblattinstrumente üblich sind, was uns sofort deutlich
werden muss, sobald wir den unvermeidlichen Einfluss der Bläserlippen eines
jeden Spielers einer modernen Oboe auf die Tonbildung und die Tongestaltung
seines Instrumentes bedenken. Und dabei sollten dessen Lippen, welche
schließlich ebenfalls an den Halbmembranen seines „Doppelrohrblattes“ nur
anliegend mitschwingen und nicht fest mit diesen verwachsen oder verbunden
sind, eben auch keineswegs als WESO des Instrumentes anzusehen sein.
Ganz anders verhält sich dies aber eben in Bezug auf das
Lippenpaar des Trompetenspielers, denn dessen Lippen wirken schließlich
tatsächlich als primäres WESO, zu welchem ich, wie bereits gesagt, vorschlagen
möchte, dafür den Begriff ’Polstermembranen’ zu verwenden.(04)
Diesen Vorschlag möchte ich jedoch keinesfalls irgendwie als
Referenz gegenüber dem Sachs-Hornbostelschen Begriff der „Polsterzungen“, den
ich ja für gänzlich verfehlt halten muss und keinesfalls akzeptieren kann,
verstanden wissen.
Es handelt sich hier eher um eine bestimmte Art von
Akzeptanz bezüglich der fatalen Tatsache, dass die Musikwissenschaften
tatsächlich bereits lange mit diesem doch so offensichtlich schiefen Begriff
arbeiten und insofern zu hoffen sein kann, dass nun eine eher bescheiden
zurechtrückend angelegte ’Begriffs-Reparatur’ vielleicht weniger aufwändig und
vielleicht auch weniger Missbehagen stiftend ausfallen wird als eine ansonsten
vielleicht eher als ’besserwisserisch’ aufgebauscht anmutende und in völliger
Ungewohntheit daherkommende Begriffs-Neuschöpfung.
Und diese Reparatur begründet sich eben vor allem aus den
hier dargestellten vergleichsanalytischen Überlegungen zu anderen systematisch
zu bedenkenden Blasinstrumenten.
Wenn ich nun schon diese beiden, also das primäre WESO einer
Trompete und einer Oboe, analogsetzend vergleiche, so möchte ich dazu sogleich
auch auf eine weitere Besonderheit zu sprechen kommen.
Halbmembrantongeneratoren im Sinne der besprochenen
Doppelrohrblätter sind natürlicherweise immer tendenziell symmetrisch
konstruiert; - es handelt sich in der Regel um zwei gleich gestaltete,
gegeneinander schwingende Halbmembranen. Es würde auch - nehmen wir wieder das
Beispiel eines „Oboenrohr-Mundstücks“ - nicht viel Sinn und Zweck haben, etwa
ein solches mit zwei gezielt unterschiedlich ausgeformten Halbmembranteilen
herstellen zu wollen, und gerade die Oboisten, die ihre Rohre selber gestalten
bzw. entsprechend nachbearbeiten, versuchen da in der Regel Unsymmetrie
weitgehend zu vermeiden.
Derartige Symmetrieanforderungen werden wir nun aber bei dem
ansonsten doch so analogen Bläserlippen-Tongenerator keineswegs antreffen. Man
kann zwar versuchen, das Lippenpaar am Kesselmundstück exakt symmetrisch zu
formen, aber in der Regel passiert dort doch etwas ganz anderes, und zumeist
wird auch – so zumindest meine persönlichen Kesselmundstückerfahrungen – ein
durchaus unsymmetrischer Lippenansatz angestrebt und bevorzugt. Man kann dabei
aber auch - und das ist es, worauf ich nun hier anhand dieses
Vergleichsbeispiels hinaus will – durchaus Töne erzeugen, wenn es einem
gelingt, nur noch eine Lippe am, oder eben auch im, Kesselmundstück zum
schallerzeugenden Schwingen kommen zu lassen. Dies erwähne ich nun deswegen,
weil sich eben von daher sofort die analoge Möglichkeit denken lässt, dass
Gleiches doch auch in Hinsicht auf das Doppelrohrblatt möglich sein müsste. Und
wie ich bereits verschiedentlich dargelegt habe, ist dies auch tatsächlich der
Fall, - womit sich ein weiterer Aspekt der membranophonen
Verwandtschaftlichkeit dieser beiden Tongeneratoren auftut.
Um dies nun am konkreten Beispiel bzw. mittels eines exakten
vergleichsanalytisch konzipierten Experimentalmodells zu verdeutlichen, habe
ich hier entsprechende von mir hergestellte Exemplare derartiger nur mit einer
Halbmembrane funktionierender Tongeneratoren mitgebracht, welche ich Ihnen nun
akustisch vorführen und dann wiederum zur genaueren Ansicht durchreichen
möchte. Nachdem Sie die damit angeblasenen Töne gehört haben, können Sie dann
auch erkennen, um was es sich dabei handelt. Ein solcher Tongenerator besteht
hier einfach aus einem ehemaligen Doppelrohrblatt, dessen eine
Halbmembranenseite allerdings nun in eine feste Auflage für die verbleibende
andere Seite umgewandelt wurde, so dass also tatsächlich nur noch diese
verbleibende Halbmembrane schallrelevant oszillieren kann. Durchaus analog zur
bereits erwähnten ’Halbmembran-Vogelstimme’, die freilich in anderer Weise
angeblasen wird.
Was nun wiederum den vierten Bereich, also die Instrumente
mit Ganzmembrantongeneratoren, anbelangt, so müssen wir uns hier nun unbedingt
daran gewöhnen, dass es solche Blasinstrumente inzwischen einfach tatsächlich
gibt, auch wenn sie im Sinne der bisherigen Sachs/Hornbostelschen
Vierklassensystematik der Musikinstrumente doch eigentlich gar nicht existieren
können und dort bislang immer schon von vornherein, quasi ’per definitionem’,
als völlig undenkbar gelten mussten.
Um hier nun aber auch systematisch exakt zwischen
Halbmembranen und Ganzmembranen zu unterscheiden und allerlei dabei mögliche
Missverständnisse zu vermeiden, macht sich noch eine entsprechend genauere
definitorische Zwischenbemerkung erforderlich.
Ich hatte in meinen letzten Vorträgen zu der Frage „Was sind
eigentlich Aerophone?“ (05) im
Zusammenhang mit den von mir kritisch betrachteten so genannten „Freien
Aerophonen“ aus der Systematik von Sachs und Hornbostel, bereits zu der dort
angeführten so genannten „Bandzunge“ Stellung bezogen und betont, dass dieses
„ausgespannte Band“ wohl doch besser als ein ’Membransegment’ (oder vielleicht
auch als eine ’Teilmembrane’), aber keinesfalls als „Zunge“ begriffen werden
kann. Wenn ich nun von Ganzmembranen und Halbmembranen spreche, so könnte
unklar bleiben, ob letztere nicht doch auch als Membransegment oder
Teilmembranen aufgefasst werden könnten oder sollten.
Insofern muss ich diese für die hier angestrebte
vergleichende Systematisierung bestimmter Blasinstrumente auch genauer
definieren und differenzieren.
Das möchte ich in folgender Weise tun:
Eine Ganzmembrane muss über eine geschlossene Membranfläche
und einen diese umschließenden Rahmen verfügen.
Eine Halbmembrane besteht ebenfalls aus einer geschlossenen
Membranfläche, welche sich aber dadurch ergibt, dass sie nur über einen an ihr
anliegenden, nichtunterbrochenen Teilrahmen verfügt, welcher sich zu einem
Ganzrahmen gestalten würde, sobald man die entsprechende Halbmembrane, an ihren
Rahmenenden genommen, spiegelbildlich-symmetrisch zu einer Ganzmembrane
erweitern würde. Eine Möglichkeit, die sich schließlich bei allen entsprechend
’teilgerahmten Halbmembranen’ problemlos vorstellen lässt.
Insofern unterscheidet sich diese dann von solchen
Teilmembranen oder auch Membransegmenten, welche eben nicht über einen
entsprechend ’nichtunterbrochenen’ Teilrahmen - also entsprechende
Halbrahmenformen bzw. darauf zurückführbare Symmetrieeigenschaften - verfügen.
Und genau dies ist ja bei dem Band der so genannten „Bandzunge“
der Fall.
Deren Membranfläche, welche im Prinzip zwischen zwei
getrennten Rahmenteilen ausgespannt ist, ließe sich zwar durchaus symmetrisch
verdoppeln, brächte damit aber niemals einen umfassend nichtunterbrochenen
Rahmen zustande.
Wenn ich hier nun, auch mit Bezug auf die so genannte
„Bandzunge“, genauer, und wie ich hoffe, auch unmissverständlich, differenziert
habe, so können sich in anderer Hinsicht wiederum weitere Fragen ergeben.
Mir läge hier in erster Linie die Frage am Herzen, ob sich
nicht auch mittels der Kombination eines solchen angeblasenen ausgespannten
Bandes und einer daran anzukoppelnden Röhren- oder auch Gefäßkonstruktion
wiederum ein völlig neuartiges, effektiv schallgebendes Blasinstrument im oben
definierten Sinne konstruieren ließe, so dass wir es folglich nicht nur mit
sechs, sondern dann letztlich gar mit sieben verschiedenen Bereichen der hier
zu systematisierenden Blasinstrumente zu tun hätten.
Bei dieser Frage bin ich mir in folgender Weise unsicher:
Ich sehe mich nicht in der Lage, dies grundsätzlich zu
bezweifeln, da es mir letztlich durchaus vorstellbar und auch in verschiedener
Weise konstruierbar, also auch als reale Möglichkeit denkbar, erscheint. Und
dies allein schon insofern, als ich natürlich daran denken kann, dass ich
bereits als Kind immer wieder mit großem Vergnügen - ebenso wie es manche
Kinder sicherlich auch heute tun - ein innerhalb der Außenseiten beider Daumen
anliegendes und dann (also innerhalb eines entsprechenden
„Zwei-Daumen-Doppelspaltes“) straff gespanntes Grashalmblatt in Richtung der
dabei gefäßbildend geformten Handflächen angeblasen habe.
Eigentlich bereits eine reale Erscheinungsform einer
entsprechend verkoppelten Instrumentalkonstruktion, von der ich denke, dass sie
durchaus auch in technisch weiterentwickelter Form möglich sein müsste. Als
angeblasenes Musikinstrument in Gefäßform liegt sie uns schließlich bereits
vor, sobald wir dieses zwischen zwei Daumen eingespannte Band zusammen mit
unseren hohlraumbildenden Handflächen als Instrumentalkonstruktion ansehen
wollen. Und dass sich ein derartiges (dann etwa auch in
quergestellt-maultrommelähnlicher Weise innerhalb eines Doppelspaltes)
angeblasenes Band auch akustisch an entsprechende andere Gefäß- und auch
Röhrenkonstruktionen ankoppeln lassen könnte, scheint mir durchaus möglich.
Dementsprechende musikinstrumentelle Entwicklungen
erscheinen mir aber – im Unterschied zu der Sicherheit und Gewissheit, mit der
ich auch schon lange vor meiner ersten tatsächlichen Bekanntschaft mit einem
anzublasenden Ganzmembran-Tongenerator in der nunmehr vorliegenden
Konstruktionsart, davon ausgegangen war, dass ein derartiges neuartiges
’Ganzmembran-Röhren-Blasinstrument’ sicherlich möglich sein müsste - letztlich
doch weniger nahe liegend. Insofern möchte ich einen solchen zusätzlich
einzuordnenden Bereich zwar weiterhin für möglich halten, ihn aber, da wir dazu
bislang noch über keine eindeutig überzeugenden Belege in Form bestimmter
Musikinstrumente oder entsprechend vergleichsanalytisch konzipierter realer
„Experimentalmodelle“ verfügen, auch noch nicht in das hier konzipierte
Systematisierungsprojekt mit einbeziehen.
Eine andere Frage wäre dann, ob nicht noch weitere
unterschiedliche Membranformen, etwa
solche mit mehrfach unterbrochenen Rahmenformen oder auch
mit durchbrochenen Membranflächen usw., zu differenzieren seien. Hier denke
ich, dass dies sicherlich in Hinsicht auf andere Erregungsarten, wie eben
freies Anblasen, Anschlagen oder etwa auch Zupfen und Streichen, wichtig sein
wird (06), wir es aber in Bezug auf die Blasinstrumente in den hier
bislang relevanten sechs Bereichen nur mit den geschilderten Halb- und
Ganz-Membranen zu tun haben, und dann in einem ’möglicherweise möglichen’, hier
gegebenenfalls noch erweiternd einzufügenden Bereich, eben mit entsprechenden
Teilmembranen in Form von verschiedenen Bänderformen konfrontiert wären.
Bänder, die (wie bereits angemerkt) sicherlich sowohl in der soeben
geschilderten ’schmalgestellten’, als eben auch in einer entsprechend ’breit- bzw.
quergestellten’ Weise, innerhalb einer entsprechend effektiv gestalteten
Spaltvorrichtung, angeblasen werden könnten…
Was nun aber wieder den hier als nächstes anstehenden
fünften Bereich von Blasinstrumenten anbelangt, so sollten wir uns bei diesen
Zungeninstrumenten vielleicht daran gewöhnen, hier von entsprechenden
’Lamellophonen’ zu sprechen, um dann auch zu akzeptieren, dass diese mit ihrer
über einer entsprechend angepassten „Rahmenöffnung“ justierten Lamelle
ausgerüsteten Blasinstrumente (also etwa Klarinetten, Saxophone, Tarogatos,
Martinshörner und verschiedene andere entsprechend konstruierte Schalmeien und
Dudelsackpfeifen usw.) sich insofern auch in einem systematischen
Zusammenhang mit wieder solchen ’Lamellophonen“ befinden, die im sechsten der
genannten Bereiche von Blasinstrumenten erfasst werden.
Denn dort sind ja nun die Instrumente einzuordnen, bei denen
eine solche Lamelle nicht nur oberhalb einer entsprechend mit dieser Lamelle
verschließbaren Rahmenöffnung, sondern eben wesentlich auch innerhalb einer
dort dann entsprechend präzise-spaltbildend gestalteten Rahmen-Öffnung zum
Schwingen gebracht werden können.
Zu diesem sechsten Bereich aber sollten wir uns daran
gewöhnen, nun die dortigen asiatischen Röhrenblasinstrumente, die schließlich
hinsichtlich ihrer musikinstrumentellen Funktionsmöglichkeiten seitens der
europäischen Musikwissenschaften jahrhundertelang ganz unzutreffend
interpretiert wurden und auch bis heute noch nicht immer systematisch
konsequent erfasst werden (07), nun endlich im systematischen
Zusammenhang mit allen anderen angeblasen-schallgebenden Gefäß- und
Röhrenkonstruktionen zu betrachten und damit nun auch in einen Blickwinkel zu
stellen, den uns die bisherige Sachs-Hornbostelsche Systematik ja gerade nicht
nahe legen wollte. Und dabei muss dann wiederum berücksichtigt werden, dass
auch für diesen Bereich, außer bestimmten traditionellen asiatischen
Blasinstrumenten, inzwischen ganz bestimmte moderne europäische
Musikinstrumenten-Novitäten zu bedenken sind und also ebenfalls entsprechend
systematisch präsentiert werden sollten.
Ich denke dabei, dass nun wiederum deutlich werden kann,
dass eine solche in diese sechs Bereiche aufgegliederte systematische
Zusammenstellung entsprechender Blasinstrumente innerhalb einer größeren
Musikinstrumentenexposition doch ohne weiteres möglich ist und im Prinzip sogar
mit einem relativ geringen Aufwand an spezifischem Instrumental-Material
verwirklicht werden kann.
Dabei kann bereits eine derartig strukturierte
Zusammenstellung der hier genannten Einzelinstrumente für jeden Besucher einer
solchen Exposition ein besonders intensives und letztlich auch völlig neues
systematisches Verständnisangebot zu Musikinstrumenten beinhalten, welches sich
mit bisherigen Musikinstrumentenausstellungen wohl kaum realisieren ließ.
Zudem sehe ich hier die Möglichkeit, nun - auch ohne allzu
großen weiteren Instrumentalaufwand – noch einige Schritte weiterzugehen,
indem innerhalb eines jeden dieser Bereiche dann noch weitere Unterscheidungen verdeutlicht
werden.
Differenzierungen, die sich dann allerdings von Bereich zu
Bereich jeweils ganz unterschiedlich gestalten werden.
Dabei möchte ich jedoch zunächst von all den
Differenzierungen, die sich in Hinsicht auf jeweils unterschiedlich mögliche
technische Tonveränderungssysteme bei diesen Blasinstrumenten, wie eben
verschiedene Grifflochanordnungen und Klappensysteme, Umschaltventilsysteme
oder verschiebbare Züge und Stempel usw. beziehen, weitgehend absehen, wobei
in dieser Hinsicht eben zu beachten ist, dass sich seit der Erfindung des von
mir gerne als ’flexible Grifflochleiste’ bezeichneten Tonveränderungssystems
nun ohnehin die Möglichkeiten für viele Röhrenkonstruktionen in allen diesen
sechs Bereichen völlig geändert haben, da damit ohne Weiteres entsprechende
weitere neuartige Instrumente denkbar sind und sich damit also auch ganz neue,
bislang nicht zu erahnende Entwicklungsmöglichkeiten aufgetan haben.
Und so würde ich auch im Bereich der Flöteninstrumente hier
zunächst davon absehen wollen, den Besucher nun etwa mit einer Systematik zur
Vielfalt unterschiedlichster Kopfstücke und Anblaskantengestaltungen zu
erstaunen oder eben auch zu verwirren.
Solche Übersichten sind schon oft, und oft auch sehr
akribisch detailliert, erstellt worden, wohingegen andere, mir letztlich
grundsätzlicher erscheinende Aspekte des wissenschaftlichen Systematisierens
dieses aerophonen Musikinstrumentenbereiches bislang eher vernachlässigt
wurden.
Ich möchte also nun noch etwas detaillierter auf weitere systematische
Differenzierungen innerhalb und zwischen diesen sechs Bereichen eingehen, wobei
sich diese Differenzierungen jeweils als ganz unterschiedlich erweisen werden.
Zum ersten Bereich, also zu den Flöteninstrumenten, meine
ich, dass es sich vor allem erforderlich macht, nicht nur hinsichtlich
unterschiedlicher Gefäß- und Röhrenformen zu differenzieren, sondern, außer
der notwendigen Unterscheidung hinsichtlich jeweils zylindrischer und/oder
konischer Röhren, auch auf die Besonderheiten der erst in den letzten
Jahrzehnten bekannt gewordenen ’zieharmonikaförmig gestalteten
Röhren-Flöten-Instrumente’ näher hinzuweisen, welche innerhalb dieses Bereiches
wiederum eine grundsätzlich neue Differenzierung nach sich ziehen. Wir stoßen
hier auf die im Vergleich zu anderen bisherigen Gefäß- und Röhrenflöten
eigentlich doch ganz erstaunliche, und zuvor geradezu unvorstellbare Tatsache,
dass es mit diesen neuen Instrumenten nun eben auch Röhren-Flöteninstrumente
gibt, die quasi wie Windkapselinstrumente angeblasen werden können. Eine
nunmehrige Flöten-Besonderheit, welche sich dann auch zu bestimmten neuartigen
Gefäßflöten - beispielsweise bei der von mir dazu ebenfalls ausgewählten
speziellen Teekesselpfeife – vermerken lässt.
Als instrumentelle Belege für einen demgemäß ausgestalteten
Flöten-Bereich wären also sowohl zylindrische und konische Röhrenflöten in
Längs- und Querform (und dabei möglichst eine moderne Böhm-Querflöte) sowie
unterschiedliche Gefäßflöten als eben auch ein entsprechend zieharmonikaförmig
gestalteter ’Flötenschlauch’ und eine entsprechend ’windkapselfähige’
Teekesselpfeife erforderlich.
Und dann kann man (wie ich bereits angemerkt hatte) auch
genau entscheiden, ob nun etwa die zweifellos zu den Flöten gehörenden
Panflöten tatsächlich einfach immer zu den Röhrenflöten oder, etwa im Falle von
unten geschlossenen Röhren (was ja nicht bei allen Panflöten der Fall ist),
vielleicht doch eher zu den Gefäßflöten zu stellen seien.
Weitergehend wäre nun auch genauer zu erwägen, in welcher
Weise der Besucher dann auch mit der systemischen Konfliktsituation
konfrontiert werden sollte, die sich inzwischen in Hinsicht auf die
möglicherweise als wiederum spezielle Gefäßflöte zu interpretierende
’angeblasene Membranflasche’ ergeben kann. Ich meine das Instrument, welches
ich in meinem zweiten Vortrag zur Frage „Was sind eigentlich Aerophone?“ (08)
eingehender vorgestellt hatte.
Zweifellos gehört diese ganz neuartige audioorganologische
Konstruktion zu den hier zu systematisierenden Blasinstrumenten, und es mag
nahe liegen, diese auch einfach als Gefäßflöte den Aerophonen zuzuordnen. Sie
könnte vielleicht aber auch als entsprechend angeblasener ’Ganzmembranklinger’
verstanden werden. Denn die Frage, ob etwa die in dieser Gerfäßkonstruktion
zunächst angeblasene Luft oder doch eher die beiden an dieser Luft flexibel
anliegenden Flaschenbreitseiten (die hier schließlich auch als
’Doppelmembranen’ verstanden werden können) für das letztlich entstehende
Schallereignis primär auslösend wirksam werden, lässt sich wohl nur durch
detailliertere, und in diesem Falle sicherlich auch besonders schwierige
physikalische Forschungen eingehender erwägen und gegebenenfalls vielleicht
auch exakt entscheiden.
Im Weiteren wird dabei aber deutlich werden können, dass
sich mit derartigen Fragestellungen und entsprechend bereichsspezifisch
weiterdifferenzierenden Systematisierungsschritten nun auch ganz neuartige
Sichtweisen für das Verständnis von Flöteninstrumenten überhaupt ergeben
können. Sichtweisen, die im einengenden Rahmen des bisherigen
Vierklassendenkens überhaupt noch keine Rolle in den organologischen
Forschungen zu Flöteninstrumenten spielen konnten. So wird sich dann wohl auch
die von mir stets als fragwürdig angesehene Auffassung zu Flöten als
„Schneideninstrumente“, wie sie in der Systematik von Sachs und Hornbostel
festgeschrieben wurde, immer deutlicher als unpassend erweisen.
Ich wollte diese Vorstellung ohnehin nie gelten lassen, weil
mir schon vor vielen Jahrzehnten, von meinen damaligen Panflötenerfahrungen
her, deutlich war, dass diese Instrumente eben auch zum Klingen gebracht werden
können, ohne dass ein ’bandförmiger Luftstrom auf eine Schneide’ treffen muss.
Es genügt schon, wenn da einfach nur ein Luftimpuls oder auch ein diffuser
Luftstrom auf die Röhrenöffnung gerichtet wird. Und alsbald konnte ich auch
erfahren, dass bestimmte Panflöten, zumal in Lateinamerika, auch genau im Sinne
einer dementsprechenden Spielweise konstruiert sind. Aber es gab für mich stets
auch physikalische Überlegungen im Sinne meines Verständnisses von
„aerodynamischer Paradoxie“, welche mir diese
„Schneideninstrumenten-Auffassung“ als einseitig erscheinen ließ, wobei dann
meine spätere Bekanntschaft mit nunmehr windkapselfähigen Flöteninstrumenten
meine entsprechend kritische Haltung weiter verstärken musste.
In einer wieder etwas anderen Sicht auf diesen Flötenbereich
lässt sich da vielleicht auch Folgendes verdeutlichen: Unter der
unvergleichlichen Vielfalt derartiger Instrumente begegnen uns dort, mit den
modernen Böhm-Qerflöten, einerseits Instrumente, die nicht nur zu den weltweit
bekanntesten, sondern zweifellos auch zu den bislang am besten erforschten und
auch am perfektesten entwickelten und genauestens berechneten
natürlich-akustischen Musikinstrumenten, die es überhaupt gibt, gehören, und
andererseits - wenn wir etwa an entsprechend angeblasene Membranflaschen denken
-, werden wir dort auch nicht über diese noch kaum bekannten und bislang so
gut wie noch gar nicht erforschten neuartigen „Membran-Gefäß-Flöten“ einfach
hinwegsehen können, mit denen dann eben auch nicht so einfach fertig zu werden
sein wird. Sowohl derartige Extreme als auch eine derartig weltweite Vielfalt
an Instrumententypen und Varianten werden wohl in keinem der weiteren fünf
Bereiche wieder zu finden sein. Außerdem können wir bislang nur unter den
Flöten auch Blasinstrumente finden, welche an ihrem jeweils ’dicken Röhrenende’
angeblasen werden. Und mit dem nun auch dort einzuordnenden
’zieharmonikaförmigen Flötenschlauch’ und der entsprechend systematisch dazu
gehörenden Teekesselpfeife treffen wir auch in diesem ersten
Blasinstrumenten-Bereich auf Instrumente bzw. Tongeneratoren, welche sowohl auf
Saugen als auch auf Blasen den gleichen Ton hervorbringen können. Ein Phänomen,
welches uns ansonsten (dort freilich unter physikalisch wieder ganz anderen
Vorraussetzungen) erst im sechsten Bereich wieder begegnen wird.
Bei den nun im zweiten Bereich zu betrachtenden
Bläserlippen- oder eben Polstermembran-Instrumenten haben wir es dann ebenfalls
mit wiederum unvermeidlichen Differenzierungsfeinheiten zu tun, denn sobald wir
da näher hinschauen und eingehender differenzieren wollen, kann deutlich
werden, dass innerhalb deren Gesamtheit die kleinere Menge von
’Kesselmundstückinstrumenten’ abgegrenzt werden muss. Diese verdeutlichen
schließlich auch eine wesentlich spätere Entwicklungsstufe von
Polstermembraninstrumenten.
Zunächst kann da wohl wieder zwischen konischen und
zylindrischen Röhrenformen unterschieden werden, so dass ich für diesen
Bereich einerseits einen konischen Zinken und ein kleines „Alphorn“ – genauer
gesagt das „Original-Thüringer Hirtenhorn“ dieser Sammlung - sowie andererseits
das zylindrische Didjeridu, aber eben unbedingt auch ein entsprechend
’problem-verdeutlichendes’ modernes Kesselmundstück (wie es ja normalerweise
nun auch am Thüringer Hirtenhorn verwendet wird) empfehle.
An diesem Mundstück kann dann auch verdeutlicht werden, dass
die Schwingungen des primären WESO, also der Bläserlippen, zunächst auf eine
kleine Luftmenge (also ein sekundäreres WESO), welche innerhalb des
Kesselmundstücks im dortigen kleinen „Kessel“ integriert ist, übertragen werden
und von dort erst durch eine verengende Öffnung auf die große Luftmenge des
Instrumentenkörpers (die hier vielleicht als drittes WESO zu verstehen sein
könnte?) weitergeleitet werden, wohingegen der Spieler eines Instrumentes ohne
derartigen Kesselmundstückansatz die Schwingungen seines primären WESO auf den
unmittelbar sekundär angekoppelten Gesamtluftraum des Instrumentes überträgt.
Dass ich dabei – wie Sie vielleicht schon bemerkt haben –
hier natürlich nicht zufällig, sondern durchaus vorsätzlich und absichtsvoll
nur bestimmte hölzerne und eben keine metallenen bzw. blechernen
Bläserlippen-Instrumente als Repräsentanten für diesen Bereich ausgewählt
habe, ist natürlich beabsichtigt und geschieht, um eben auch in dieser Weise
dem ansonsten allzu üblichen Vorurteilsdenken der klassifizierenden
Unterscheidung in „Holz- und Blechblasinstrumente“ nicht nur keine weitere
Nahrung zu geben, sondern eben auch expositionell-demonstrativ deutlich
entgegenzutreten.
Denn schließlich gehört (neben noch einigen anderen
Vorurteilen) doch gerade diese Standardvorstellung
archaisch-unwissenschaftlichen Systematisierens nicht nur zu den wohl immer
noch am meisten verbreiteten ’Bildungsvorurteilen’ über Musikinstrumente,
sondern wird hierzulande dummerweise auch immer noch massenhaft innerhalb von
Schulen und Musikschulen von Musiklehrern an Kinder und Jugendliche
weitergegeben.
Ein Umstand, der in diesem Falle allerdings nicht so einfach
auf die Fehlleistungen Sachs-Hornbostelschen Systematisierens zurückzuführen
ist, da gerade diese beiden doch genau eine solche Auffassung bereits vor
hundert Jahren mit eindringlichen Worten (09) als ganz unwissenschaftlich
gekennzeichnet hatten.
Vielmehr offenbart sich eben auch an diesem immer noch mit
größter Zähigkeit in allgemeiner ’Allgemeinbildung’ verankerten und inzwischen
geradezu klassisch gewordenen Fehlverständnis-Beispiel zum Verhältnis von Musikinstrumententechnik
und Wissenschaft der diesbezügliche Bildungszustand (oder vielleicht auch
’Bildungsnotstand’ oder eben auch ’Unbildungszustand’) unserer Zivilisation in
Hinsicht auf Musikinstrumente und dabei eben auch deren immer noch ausgeprägte
Uninteressiertheit an der Kultivierung eines wirklich wissenschaftlichen
Verständnisses dieser besonderen, letztlich doch in besonders verbindlicher
Weise humanisierten und in besonderer Weise human-relevanten Form von Technik.
Und auf diesem mentalen Hintergrund voller entsprechend
unsinnig tradierter, aber doch immer wieder typischer Vorurteile, sowie einer
entsprechend spezifischen Uninteressiertheit, konnten wohl auch die
Fehlleistungen des Sachs-Hornbostelschen Systematisierens ihren entsprechend
traditionell abgesicherten ’Zähigkeitsstatus’ erlangen und bis in die Gegenwart
hinein erhalten...
Wenn wir uns nun dem dritten Blasinstrumentenbereich, also
den Instrumenten mit Halbmembrantongeneratoren, näher zuwenden, so werden sich
wieder ganz andere Probleme der systematischen Darstellung dortiger
Differenzierungen ergeben.
Dort müssen nun wiederum konische und zylindrische Formen,
also eine entsprechend konische Oboe und möglichst zwei zylindrische
Instrumente, also dann das Rankett und eine Dolzaina(10), der Sammlung
präsentiert werden, wobei in Hinsicht auf diese beiden Konstruktionsformen
wiederum bemerkenswert ist, dass die konische in den letzten Jahrhunderten eine
eher kontinuierlich anmutende Entwicklung bis zur Herausbildung ganzer
Instrumenten-Familien mit jeweils hoch entwickelten Klappensystemen und
dementsprechenden Überblaseigenschaften durchlaufen hat, wohingegen sich die
zylindrische Konstruktionsform eher verzweigend entwickelt hat und so etwa bei
Rankettinstrumenten und bestimmten Dudelsackpfeifen auch zu ausgesprochen
raffinierten Zwischenlösungen gelangt ist, aber letztlich weder entsprechend
umfassende Instrumenten-Familien, noch entsprechende Klappensysteme
hervorgebracht hat. Also ganz anders als wir das beispielsweise bei Flöten oder
aber auch bei Klarinetten und Saxophonen usw. vorfinden können.
Hinsichtlich der hier zu präsentierenden Oboe sollte dann
meiner Ansicht nach - eben aus den gleichen Gründen wie bei den hier von mir
bereits bevorzugten ’Holzinstrumenten’ aus dem zweiten Bereich - dort nun
besser das in der Sammlung vorliegende Metall-Instrument, und eben keine Oboe
aus Holz, vorgestellt werden.
In Hinsicht auf die Tongeneratoren dieses dritten Bereiches
ist dabei aber noch mehr zu bedenken.
Dem Besucher kann hier auch deutlich gemacht werden, dass
ganz im Gegensatz zu dem, was da immer wieder mit den bisherigen Begriffen
„einfaches und doppeltes Rohrblatt“ suggeriert wird, entwicklungsgeschichtlich
betrachtet, eben das „Doppelrohrblatt“ sowohl der ursprünglich einfacher
herstellbare, als auch der zweifellos historisch viel ältere Tongenerator ist.
Für die Herstellung der viel komplizierteren so genannten „einfachen
Rohrblätter“ waren bereits hoch entwickelte Werkzeuge zum Schneiden und Spalten
erforderlich, aber die viel frühere Entstehung erster
Doppelmembrantongeneratoren konnte eben auch ohne jegliches Werkzeug erfolgen. (11)
Außerdem hatte ich ja bereits darauf hingewiesen, dass es durchaus möglich ist,
auch einen im Prinzip in analoger Weise funktionsfähigen Tongenerator mit nur
einer entsprechenden Halbmembrane (also z.B. ein entsprechend nur ’einseitig’
schwingungsfähiges, ehemaliges Doppelrohrblatt) zum Klingen zu bringen. Also
müsste in diesem Bereich auch ein solcher Tongenerator präsentiert werden, denn
immerhin handelt es sich dabei doch um ein real vorliegendes
„Experimentalmodell“, also um eine audioorganologisch-technische Realität, -
auch wenn sich dazu wohl kaum ein in musikantischem Gebrauch befindliches,
spezifisches Blasinstrument anführen lässt.
Um diesen Bereich nun wirklich systematisch vollständig zu
gestalten, wäre in diesem Sinne dann auch noch an eine entsprechende
„Vogelstimme“, also an die entsprechend am Gaumen anzublasende Halbmembrane zu
denken, bei welcher wiederum zu bedenken wäre, dass es sich dabei – im
Unterschied zu den anderen Repräsentanten dieses Bereiches – im Prinzip eben um
das WESO einer Gefäßkonstruktion handelt…
Mit wieder ganz ähnlichen, aber letztlich weitaus
vielgestaltigeren Problemen haben wir es dann innerhalb des vierten Bereiches,
also bei den eingehender systematisierenden Betrachtungen zum angeblasenen
’Ganzmembran-Tongenerator’, zu tun. Hier liegt nun auf der Hand, dass das, was
hinsichtlich einer derartigen Tonerzeugungsmöglichkeit noch vor wenigen
Jahrzehnten für jeden, der über die wissenschaftlich abgesegnete „Systematik
der Musikinstrumente“ informiert war, als geradezu unmöglich gelten konnte,
inzwischen musikinstrumentelle Realität ist. Und zu dieser Realität gehört nun
auch, dass dieser Tongenerator wiederum über musikinstrumentelle Eigenschaften
verfügt, welche bislang bei keinem anderen Blasinstrument denkbar waren. Ein
Tongenerator, der von zwei Seiten seines WESOs, also der dort entsprechend
wirkenden Ganzmembrane her, gleichzeitig effektiv instrumental nutzbar gemacht
werden kann und allein schon von daher eine Vielzahl weiterer,
unterschiedlichster und auch ganz neuartiger Blasinstrumentenmöglichkeiten
eröffnet.
Ob nun mit entsprechenden konischen oder zylindrischen
Röhren oder auch mit anderen akustischen Hohlformen…
Dabei kann zu diesem Tongenerator auch gesagt werden, dass
schon kurz nach den ersten Bestrebungen, diesen dann auch in musikinstrumentell
weiterentwickelter Form kommerziell zu nutzen, dazu ein völlig neues
Tonveränderungssystem für Blasinstrumente entstanden ist, so dass wir es nun
neben Klappen und Grifflöchern, Umschaltventilen oder verschiebbaren Zügen und
Stempeln auch mit der von Bernhard Schimpf erfundenen ’flexiblen
Grifflochleiste’(12) zu tun haben, welche (wie ich bereits betonte)
wiederum die Entwicklungsmöglichkeiten von Röhrenblasinstrumenten aus allen
hier zu bedenkenden sechs Blasinstrumentenbereichen entsprechend systematisch
erweitert.
Da ich leider keines der von Bernhard Schimpf mit diesem
Tongenerator und seiner spezifischen „Grifflochleiste“ ausgerüsteten
Instrumente erwerben konnte, (13) sollten dem Besucher als
instrumentelle Belege für diesen vierten Bereich zunächst die entsprechenden,
bereits vielfach im Handel befindlichen ’Party- und Fußballplatz- Krawallinstrumente’
präsentiert werden. Er sollte dann aber auch mit den entsprechenden
’Demonstrations-Experimentalmodellen’ der Sammlung bekannt gemacht werden. Und
dabei möchte ich natürlich auch vorschlagen, hier eines der spezifischen
Experimetalmodelle aus einfachen biotischen Materialien zu präsentieren, welche
ich damals in meinem Eröffnungsvortrag zu dieser Musikinstrumentenausstellung
bereits näher vorgestellt, akustisch vorgeführt und dann wiederum dieser
Sammlung übergeben hatte. Damals kam es mir darauf an, mit diesen
Experimentalmodellen zu belegen, dass eine solche in unserer Zivilisation erst
vor wenigen Jahrzehnten als völlig neuartige Tonerzeugungsmöglichkeit
erfundene Vorrichtung doch auch schon vor vielen Jahrtausenden - etwa auf dem
technischen Niveau des Neolithikums – (ganz genau betrachtet, sogar gänzlich
ohne Hilfe von zuvor angefertigten Werkzeugen!) herstellbar gewesen wäre. Denn
das, was uns dazu heute als maschinell gefertigtes Massenprodukt in Form eines
völlig aus Plastewerkstoffen bestehenden Tongenerators im Handel angeboten
wird, lässt sich im Prinzip eben auch als entsprechend werkzeuglos
herstellbares Experimentalmodell aus Bambus, Tierhaut, Sehne und Bienenwachs,
in handgemachter Form, vorlegen. Damit ergibt sich auch die Möglichkeit den
Besucher auf eine solche, zweifellos besonders bedenkenswerte
Evolutionsproblematik musikinstrumenteller Technik aufmerksam zu machen. Eine
Problematik, welche uns in etwas anderer Weise auch bei den Lamellophonen,
insbesondere im sechsten Bereich, wieder begegnen wird. Denn, angesichts der
nunmehrigen erfolgreichen Nutzung dieser Ganzmembrantongeneratoren, sollte es
uns natürlich zu denken geben, dass wir da, als Menschheit, eine möglicherweise
schon längst einmal gemachte Erfindung wieder verloren und vergessen oder aber
eben doch schon seit Jahrtausenden als schon lange bestehende Möglichkeit
entsprechend verschlafen und „verpasst“ haben, wobei insbesondere uns Europäern
dabei zu denken geben sollte, dass uns offenbar auch die Erfindung bestimmter
lamellophoner Musikinstrumente, die in anderen Kulturen schon sehr lange in
überaus raffinierter Weise genutzt wurden, offenbar vollständig versagt blieb
und uns dann, selbst nach der späteren Begegnung mit derartigen
Musikinstrumenten, noch jahrhundertelang kein wirkliches Verständnis zu deren
Funktionsweise gelingen wollte.
Dabei meine ich auch, dass eben gerade eine eingehendere
systemisch-systematische Betrachtung dieser besonderen Technikbereiche sowohl
hilfreich für ein besseres Verständnis der entsprechenden Besonderheiten
dortiger Entwicklungswege, aber wohl auch bestimmter Besonderheiten der
eigenartigen Erkenntniswege, die die Menschheit dazu bislang innerhalb
unterschiedlicher Kulturen absolviert hat, sein kann. In diesem Sinne kann es
dann wiederum angebracht sein, nun innerhalb dieses vierten Bereiches,
insbesondere auf die ganz neuartigen organologischen Möglichkeiten einer
entsprechend doppelseitig akustischen Nutzung dieses neuartigen Tongenerators
eingehender hinzuweisen.
Ich habe diese Problematik in meinen Vorlesungen, aber auch
in den Vorführungen zu meiner Instrumenten-Sammlung immer wieder mit Hilfe
eines speziell dafür entwickelten „Experimentalmodells“ zu verdeutlichen
versucht, bei welchem diese Membrane dann an jeder ihrer Seiten von einer
jeweils anderen Person „bespielt“ werden konnte. Zu diesem nun auch für diesen
vierten Instrumentalbereich zur Verfügung stehenden „Zwei-Personen-Instrument“
hatte der eine Spieler die Aufgabe, die in ihrer Röhre installierte Membrane
über ein an dieser Röhrenkonstruktion speziell angebrachtes Mundrohr anzublasen
und dann den ebenfalls in dieser Röhre befindlichen „Posaunen-Zug“ zu
bedienen, so dass sich entsprechende Tonfolgen gestalten ließen. Der Mitspieler
hingegen konnte an der anderen, also der nichtangeblasenen, noch „offenen“
Seite der bereits zum Klingen gebrachten Membrane nun mit seiner dort
entsprechend bewegten Mundhöhle und seiner Zunge diese „Posaunentöne“
zusätzlich „maultrommelartig“ gestalten und auch abstoppen, so dass sich dann
auch „didjeriduartige“ Klänge erzeugen ließen. Es liegt auf der Hand , dass das
in dieser Weise erzielte und zuvor eben noch nicht existente Klangereignis,
welches sich letztlich weder einfach mit dem Klang der Posaune, der
Maultrommel oder dem des Didjeridus gleichsetzen lässt, an dem von mir
hergestellten Experimentalmodell nur mit Hilfe von zwei Personen verwirklicht
werden konnte. Ebenso deutlich kann aber wohl sein, dass sich derartige Klänge
auch mit einem entsprechend weiterentwickeltem Instrument für nur einen Spieler
(und auf dieses Weise sicherlich auch noch viel attraktiver und spielerischer -
etwa in Form eines wiederum ganz neuartigen Dudelsackinstrumentes mit
„Didjeridu-Sound“) - und letztlich sogar (dann freilich wieder weniger „spielerisch“)
mit einer ebenso „natürlich-akustisch“ funktionierenden automatischen
Apparatur, ganz ohne Spieler, verwirklichen lassen, sobald man dafür
entsprechende technische Erweiterungen in Form von Blasebälgen am Mundrohr oder
eben auch entsprechenden „künstlichen Mundhöhlen“ etc. an der nichtangeblasenen
Membranseite installiert.
Und wir können, spätestens nach diesem nun real vorliegenden
Experimentalmodell, auch wissen, dass an diesen beiden Membranseiten dann noch
ganz andere musikinstrumentelle Elemente angekoppelt werden können. Aber wir
wissen deren Art und Menge nicht. Und soviel wir auch bereits mit
Sicherheit über diese weiteren Musikinstrumentenmöglichkeiten wissen können,
von uns selbst können wir - gerade auch in Anbetracht der bisherigen
Musikinstrumentenentwicklungen - keineswegs sicher wissen, ob wir dies alles
künftig auch tatsächlich einmal musikantisch nutzbar machen werden…
Innerhalb des nun folgenden fünften
Blasinstrumentenbereiches von Lamellophonen mit ’oberhalb schwingenden’ Zungen,
ergeben sich dann wieder ganz andere Probleme weiteren systematischen
Differenzierens, welche wiederum im Zusammenhang mit bemerkenswerten dortigen
Entwicklungsbesonderheiten stehen.
Natürlich sind hier zunächst wieder entsprechende zylindrische
und konische Lamellophone, wie etwa Klarinette, Saxophon und Tarogato sowie
auch „Martinshörner“ und verschiedene Schalmeien und Dudelsackpfeifen zu
unterscheiden, aber hinsichtlich des hier zu bedenkenden Tongenerators sollte
noch eine ganz andere, gerade auch aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht hoch
bedeutsame Differenzierung ernst genommen werden. Eine Differenzierung, welche
vor allem mit Blick auf historisch frühere Lamellophone dieser Art sowie in
Hinsicht auf die Bedeutung biotischer Materialien in der Evolution dieser
Instrumente zu beachten ist. Auch - oder vielleicht gerade deswegen -, weil
diese Differenzierung in Hinsicht auf dortige modernere Lamellophone zunächst
als gar nicht vorstellbar, oder auch als abwegig und überhaupt nicht sinnvoll,
erscheinen mag.
Ich meine hier die jeweilige Ausrichtung der angeblasenen
Zunge innerhalb des Instrumentes, welche entweder in Richtung auf das
Instrument (also mit der „Zungenwurzel“ in Richtung zum Bläser, so wie bei
manchen Dudelsackpfeifen und vielen einfacheren folkloristischen Schalmeien)
oder eben (wie vor allem bei den erwähnten moderneren Lamellophonen) genau
umgekehrt, in Richtung auf den Bläser, angelegt sein kann.
Wenn man davon ausgeht, dass derartige Tongeneratoren
natürlich zunächst aus entsprechenden Pflanzenhalmen, so z.B. aus Schilfrohr,
hergestellt wurden, so lag es stets nahe, die entsprechenden Lamellen auch in
der Nähe eines jeweiligen Wachstumsknotens aus dem Rohr herauszuspalten. Und um
die Länge der herauszuspaltenden Lamelle auch sicher begrenzen zu können, lag
es nahe, diese Einspaltung dann eben in Richtung auf diesen Wachstumsknoten hin
vorzunehmen, da das Einspalten in umgekehrter Richtung weitaus schwieriger zu
beherrschen und zu begrenzen ist.
Der Wachstumsknoten an der „Zungenwurzel“ der Lamelle diente
dann als oberer Verschluss der Röhre eines solchen Tongenerators und musste,
falls er doch nicht ganz luftdicht war, noch zusätzlich abgedichtet werden, um
einen solcher Tongenerator dann entsprechend effektiv zur Wirkung kommen zu
lassen.
Interessant ist nun, dass sich mittels einer solchen
Röhren-Lamellen-Konstruktion, bei entsprechend flexibel angelegter Lamelle,
auch ein angeblasener Ton erzeugen lässt, wenn die Schilfröhre am
Wachstumsknoten nicht verschlossen, sondern völlig offen ist. Dieser Ton ist
in der Regel deutlich leiser, aber immer signifikant höher als der mit
verschlossener Tongenerator-Röhre erzeugte ’Normalton’. Ein entsprechender
Schalmeienspieler, der ein Instrument mit einem solchen ’oben offenen
Tongenerator’ in seiner Mundhöhle anbläst, hat also die Möglichkeit, diesen
Tongenerator jeweils während des Melodiespiels ’umzuschalten’, indem er diesen
entweder mit seiner eigenen Zunge oben abdichtet oder eben offen lässt. Mit
aufgesetzter eigener Zunge ist es ihm dabei möglich, den so konzipierten
Tongenerator quasi ’im Normalzustand’ zu nutzen und entsprechende Melodien auf
einer dafür entsprechend mensurierten Griffloch-Schalmei zu spielen. Außerdem
aber kann er einen so angelegten Tongenerator eben auch immer wieder
zwischendurch jeweils kurz mit seiner Zunge öffnen, wodurch sich der Effekt
ergibt, dass auf diese Weise dann immer wieder bestimmte höher liegende
’Zwitschertöne’ in sein Melodiespiel eingeblendet werden können.
Dabei muss ich freilich anmerken, dass mir aus der
bisherigen Geschichte der Musikinstrumentenentwicklung (außer den von mir dazu
entsprechend entwickelten „Experimentalmodellen“) zwar kein derart konzipiertes
Schalmeieninstrument bekannt ist, ich mir aber auch nicht vorstellen kann, dass
dieser von mir schon vor vielen Jahren ganz spielerisch und sozusagen
’nebenbei’ entdeckte Tongeneratoreneffekt nicht auch schon in der bisherigen
Geschichte irgendeinem, oder auch schon vielen anderen, ähnlich
experimentierfreudig agierenden Herstellern solcher Tongeneratoren begegnet
ist. Und ich kann dazu nun natürlich auch das entsprechend real existierende
Experimentalmodell einer solchen ’offenen’ Tongeneratorenvariante vorlegen,
welchem also auch ein entsprechender Platz innerhalb des fünften Bereiches
zuzuweisen sein wird.(14)
Denn schließlich musste ja auch dem ’halben
Doppelrohrblatt’ im dritten Bereich ein entsprechender Platz eingeräumt werden.
In diesem Sinne könnten für diesen fünften Bereich also nun
die bereits genannten zylindrischen und konischen Instrumente, aber eben
unbedingt auch eine Schalmei mit entgegengesetzt ausgerichteter Lamelle sowie
ein solcher ’oben offener Tongenerator’ präsentiert werden. Und hinsichtlich
der erstgenannten Repräsentanten denke ich nun wieder eher an eine der
Metallklarinetten der Sammlung, als etwa an ein entsprechendes Instrument aus
Holz, und möchte in gleichem Sinne auch gerne eines der Tarogatos der
Sammlung, also gewissermaßen ein „Holz-Saxophon“, auswählen, um somit auch
hier, ebenso wie in den Bereichen zwei und drei, wiederum die Zähigkeit
bestimmter unbegründeter Systematisierungsvorstellungen aufzuweichen und
entsprechend andere, sachlicher begründete Vorstellungen, besser einfließen
lassen zu können.
Auf dieses besondere ’Expositions-Problem’
instrumentenspezifischer Materialien möchte ich aber später noch einmal
gesondert zurückkommen.
Nun haben wir letztlich noch den sechsten zu behandelnden
Bereich vor uns.
Dieser hängt mit dem vorher geschilderten wiederum insofern
systematisch zusammen, als es auch da um Lamellophone geht, deren Lamellen hier
allerdings in ganz anderer Weise zur Wirkung kommen. Hier scheint mir die
Ausrichtung der Lamelle innerhalb des Instrumentes weniger von Bedeutung für
eine entsprechende weitere systematische Unterteilung solcher Instrumente zu
sein; - eher wird da wohl deren ’Feinpositionierung’ bzw. deren Anbringung am
oder im Rahmen differenzierend zu bedenken sein. Zunächst aber wird wohl
wesentlich von der Spezifik des Anblasens und der entsprechend
unterschiedlichen Funktionsweise solcher Instrumente her zu differenzieren
sein.
Insofern wären also entsprechende orgelartige
Röhrenkonstruktionen, bei denen mit Hilfe eines „Resonanz-Schaltloches“ an
jeder der mit einem solchen Tongenerator ausgerüsteten Röhren jeweils nur ein
Ton ein- und ausgeschaltet werden kann, von Tongeneratorkombinationen zu
unterscheiden, bei denen mit Hilfe der Nutzung einer größeren Anzahl von
Tongrifflöchern an nur einer Röhre auf dieser dann auch viele Töne bzw. ganze Tonleitern
mittels wiederum nur eines entsprechenden Tongenerators erzeugt werden können.
Ganz so, wie uns das ja auch ansonsten bereits von anderen
Schalmeieninstrumenten bekannt ist. Zudem können Instrumente mit
entsprechenden Tongeneratoren noch hinsichtlich ihrer konstruktionsbedingten
Anblasweise unterschieden werden, da die vielröhrig-orgelartig konstruierten
Instrumente sowohl auf Blasen als auch auf Saugen hin die jeweils gleichen Töne
erklingen lassen, wohingegen die Funktionsweise des entsprechenden einzigen
Tongenerators an den melodiefähigen Einzelröhreninstrumenten, meiner Kenntnis
und meiner Spielerfahrung nach, wohl eher vornehmlich auf Anblasen hin
ausgelegt ist.
Und die zu präsentierenden orgelartig kombinierten
„Gleichton-Instrumente“ sollten wiederum nach der jeweils unterschiedlich
möglichen Position des entsprechenden ’Zungen-Rahmenspalt-Tongenerators’
differenziert werden, welcher entweder am Fuße von unten geschlossenen Röhren
(wie bei der chinesischen Mundorgel dieser Musikinstrumentensammlung) eingebaut
ist, oder eher im akustisch abgestimmten ’Mittelbereich’ einer jeweils
beidseitig offenen Röhrenkonstruktion, wie es bei den (ebenfalls in dieser
Sammlung enthaltenen) entsprechenden philippinischen Instrumenten zu finden
ist.
Dieser sechste Bereich sollte also zumindest mittels zweier
unterschiedlicher asiatischer Mundorgeln und dann einem entsprechend
schalmeienartigen Einzelröhren-Instrument in der geschilderten Art präsentiert
werden. Also mit spezifisch asiatischen Blasinstrumenten, welche aus einer
bereits jahrhundertealten Tradition stammen. Er muss nun aber auch noch durch
die erst in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts von Ernst Zacharias
in Westdeutschland erfundenen neuartigen Orgelpfeifen ergänzt werden, welche – ebenso
wie auch andere von mir bereits hervorgehobene musikinstrumentelle
Neuentwicklungen – in der Sachs-Hornbostelschen Systematik ja gar nicht erfasst
sind. In der vorliegenden Sammlung befindet sich dazu jeweils ein zylindrisches
und ein raffiniert konisch gestaltetes Original-Exemplar aus der Werkstatt
dieses Erfinders, welche ich einst von ihm im Austausch gegen bestimmte meiner
Erfindungen erhalten konnte. Mit diesen neuartigen Orgelpfeifen kann dann
wiederum auch die in diesem sechsten Bereich nun notwendigerweise ebenfalls zu
berücksichtigende Unterscheidung von entsprechenden zylindrischen und konischen
Röhrenkonstruktionen derartiger Lamellophone exemplarisch deutlich gemacht
werden.
Um nun auch diese europäischen Neuentwicklungen noch
eingehender zu interpretieren und entsprechend genau zu systematisieren,
könnten dann noch die prinzipiell unterschiedlichen Möglichkeiten der
jeweiligen Fein-Positionierung bzw. der genauen Anbringung (oder auch der
entsprechenden „Konstruktionsposition“) solcher an derartigen
Röhrenkonstruktionen entsprechend anzublasenden Lamellen, eingehender bedacht
und differenziert werden.
Also jeweils danach, ob deren Zungenwurzel sich nun eher
oberhalb, unterhalb oder innerhalb der von ihnen jeweils durchschwungenen Rahmenkanten
befinden. Und dabei kann wiederum deutlich werden, dass alle diese
Positionierungen nun auch hinsichtlich ihrer möglicherweise wiederum
unterschiedlichen Eigenschaften in Bezug auf Ansaugen oder Anblasen und
entsprechend weiterer, dann eben ebenfalls weiter zu differenzierender
Entwicklungsmöglichkeiten, bedacht und untersucht werden müssten.
Dies alles wird dann natürlich, neben der Präsentation der
verschiedensten hier genannten Instrumentalexemplare, auch ein entsprechendes
Angebot an dazugehörigen Kommentaren und Erklärungen für den eingehender
interessierten Besucher erforderlich machen.
Im Zusammenhang mit den dazu im Expositionsraum ebenfalls
vorzustellenden schematischen Darstellungen des von mir alternativ zur
bisherigen Vierklassensystematik entwickelten ’Zweiklassen-Grundgerüstes’
einer naturwissenschaftlich begründeten, musikinstrumentellen Gesamt-Systematik
sowie einer Auflistung der dafür wesentlichen methodologischen Grundsätze(15),
kann dem Besucher dann auch deutlich werden, dass er es hier, in Hinblick auf
den ersten Bereich entsprechender Blasinstrumente, jeweils mit einem
Teilbereich der Aerophone, hinsichtlich des zweiten, dritten und vierten
Bereiches jeweils mit speziellen Teilbereichen von besonderen Membranophonen und
mit Blick auf den fünften und sechsten Blasinstrumentenbereich jeweils mit
einem speziellen Teilbereich von Lamellophonen zu tun hat.
Ihm kann dabei aber auch noch ein anderer besonderer
Zusammenhang verdeutlicht werden: Die hier vorliegende Aufstellung dieser sechs
Instrumentalbereiche erfolgte offensichtlich aus dem Blickwinkel einer
funktionstechnisch und systematisch–logisch begründeten Aufstellung bzw.
Anordnung dieser Bereiche im Sinne entsprechend jeweils technisch begründeter
Übergänge und Zusammenhänglichkeiten. In diesem Sinne konnte also auch nicht
beabsichtigt sein, damit etwa eine Übersicht zur Entwicklungsgeschichte der
hier systematisierten Blasinstrumente zu liefern. Trotzdem – und dies
sicherlich keineswegs einfach zufällig – lassen sich in dieser zunächst nur
unter den oben genannten Aspekten erfolgten Anordnung letztlich auch deutliche
und jeweils entsprechend bedenkenswerte Merkmale der generellen Entwicklung von
entsprechenden Blasinstrumenten erkennen.
Wenn diese sechs Bereiche entsprechend bedacht werden, so
ergibt sich Folgendes:
Die ersten instrumentalen Flötentöne (erster Bereich)
konnten bereits auf Röhren (oder auch Gefäßen) erzeugt werden, welche einfach
nur der Naturumgebung des Menschen entnommen zu werden brauchten und, auch ohne
jegliche weitere Bearbeitung, bereits als Musikinstrument nutzbar sein konnten.
Für die möglicherweise ersten instrumentalen
Bläserlippentöne (zweiter Bereich) kann im Wesentlichen, wenn wohl auch nicht
in ähnlicher Häufigkeit, das Gleiche gelten.
Etwas anders verhält es sich dann schon in Hinsicht auf
mögliche erste instrumentale Doppelmembrantöne (dritter Bereich), zu denen
wohl bereits bestimmte „Zubereitungs-Griffe“ für die entsprechende Verformung
eines dafür geeigneten Pflanzenstengels erforderlich waren. Denn auch wenn
dieser vielleicht nicht immer zuvor erst abgepflückt zu werden brauchte, so
musste er doch zumindest an einem Ende flach zusammengedrückt werden, da er nur
mit dieser Verformung entsprechend tonerzeugend angeblasen werden kann. Ein
Zubereitungsvorgang, der allerdings ebenfalls ganz ohne Werkzeuggebrauch
ablaufen konnte, wobei schließlich selbst das Zusammendrücken einer Halmseite
keineswegs gezielt mit den Fingern erfolgen musste, sondern sich die dazu
erforderlichen „Griffe“ auch ganz zufällig mit den Lippen - etwa beim zuvor
beabsichtigten Verzehr des entsprechenden Pflanzenmaterials – ergeben konnten.
In zunächst durchaus vergleichbarer (also ebenfalls ohne
jeglichen Werkzeuggebrauch möglicher), aber doch wieder anderer Weise könnte
man dann vielleicht auch – wie ich mit meinen entsprechenden
Experimentalmodellen ja belegen möchte – die mögliche Entstehung von ersten
„Ganzmembrangenerator-Tönen“ (vierter Bereich) bedenken.
Aber in Anbetracht der Komplexität dieser durchaus raffinierten
Tongenerator-Konstruktion, welche sich wohl auch kaum (wie etwa die
Tongeneratorenmöglichkeiten in den ersten drei Bereichen) als rein zufällig
entstanden vorstellen ließe, sollten diese ’Natur-Exemplare’, - zwar kaum im
Sinne einer den zuvorigen Bereichen ähnlichen Entstehungshypothese, aber wohl
doch als entsprechend relevantes Erkenntnis- und Reflexions-Angebot -
wahrgenommen werden, wobei ich denke, dass die Tatsache, dass wir dazu bislang
noch gar nicht näher nachdenken wollten, das doch eigentlich vorwiegend zu
Bedenkende ist und uns dabei die nun anstehende Überwindung der bisherigen
Vierklassensystematik sowohl mehr Freiheit als eben auch die Notwendigkeit,
gerade über Derartiges in entsprechender Weise doch intensiver nachzudenken,
nahe legen und eröffnen wird.
Ganz anders verhält es sich dann wieder in Hinsicht auf
mögliche erste Töne von „Lamellophonen mit oberhalb schwingender Zunge’
(fünfter Bereich), welche offensichtlich nicht ohne einen bereits deutlich
qualifizierten Werkzeuggebrauch entstehen konnten und dementsprechend auch erst
für historisch weit spätere Musikinstrumenten-Entwicklungen angenommen werden
können.
In gleicher vergleichender Sicht kann dann zu den Tönen des
sechsten Bereiches, also den angeblasenen Tönen von entsprechenden
„Lamellophonen mit ’innerhalb schwingenden’ Zungen“ wohl angenommen werden,
dass diese wiederum erst weitaus später möglich wurden, denn die Herstellung
derartiger Tongeneratoren war wohl offensichtlich nur mit weitaus aufwändigerem
und akribischerem Werkzeuggebrauch als die Herstellung ihrer Verwandten des
fünften Bereiches möglich, auch wenn ihre ersten Erscheinungsformen, ebenso wie
diese, wahrscheinlich noch aus den gleichen biogenen Materialien bestanden.
Dabei erweisen sich die hier kommentierten Tongeneratoren
der drei ersten Bereiche als eher „natürwüchsige“ Ausgangsformen weiterer
Instrumentalentwicklungen, wohingegen die anderen drei wohl viel eher als
„kultürwüchsig“ aufzufassen sind, obwohl sich alle diese soeben kommentierten
Tongeneratoren aus unseren sechs unterschiedlichen Bereichen einheitlich von
jeweils rein biotischen Ausgangsmaterialien ableiten lassen.
Wer hier gewillt ist, weiter nachzudenken, wird schnell
finden können, dass die weiteren Differenzierungen innerhalb dieser sechs
Bereiche dann aber dieser Einheitlichkeit nicht mehr unterliegen, und kann dann
in der genaueren Betrachtung der dortigen Differenzierungen auch erkennen, dass
sich von diesen wiederum jeweils ganz unterschiedliche Entwicklungsstränge
ableiten können.
Andererseits kann eine solche systematische Exposition
bestimmter Blasinstrumente aber auch den weniger an spezifischen
Blasinstrumentenentwicklungen interessierten Besucher anregen, nun ergänzend
weiterführend darüber nachzudenken, welche ganz anderen Instrumente als nur
Blasinstrumente nun ebenfalls als Aerophone, als Membranophone und als
Lamellophone definiert und bedacht werden sollten und könnten. Und er könnte
des Weiteren nun auch motiviert sein, ein in dieser Weise systematisierend
angeregtes ’Zusammenhangs- und Querverbindungsdenken’ ebenso beim Blick auf
wieder ganz andere Musikinstrumentenbereiche, die ihm ja dann an ganz anderen
Stellen der hier installierten Gesamtexposition der von mir zusammengetragenen
Musikinstrumentensammlung begegnen werden, weiterzuführen und wiederum in
neuartiger Weise im Sinn zu behalten.
Ich gehe dabei aber nicht davon aus, dass der Besucher nun
vielleicht bereits beim Betreten der Ausstellung angehalten werden sollte, sich
hier etwa aufgrund „museumspädagogisch begründeter Leitlinien“ oder Ähnlichem
’vernünftigerweise’ zunächst den ausgehängten Texten und schematischen
Darstellungen zu meiner Konzeption eines „Natürlichen Systems
musikinstrumenteller Technik“ zuzuwenden, um dann, nach deren Studium, umso
besser in der Lage zu sein, die erst danach zu betrachtende
systemisch-systematische Installation einiger Blasinstrumente auch wirklich
richtig in ihrer tieferen Sinnhaftigkeit zu verstehen. Eher umgekehrt, meine
ich, dass er durchaus die Freiheit haben sollte, zunächst die ausgestellten
Objekte zur Kenntnis zu nehmen und dabei auch stets die Freiheit behalten
sollte, aufgrund selbst entwickelter Gedanken und Fragen dann vielleicht auch
solche weiterführenden Texte und Strukturmodelle zur Systematik eingehender zur
Kenntnis zu nehmen. Denn ich denke, dass museologisch konzipierte Expositionen
keineswegs vorrangig als Orte der Lehre, sondern vielmehr als Orte der Bildung
begriffen werden sollten. Orte, in denen die Freiheit des Erwerbs und die
Freiheit der Form von Bildung für jeden Besucher das Wesentliche bleiben
sollten und eben keine vorgegebenen Lern-Regeln oder gar verpflichtende
„Lehrplankonzeptionen“ im Vordergrund zu stehen haben.
Dabei meine ich hier, dass es bei Bildungserwerb in diesem
Sinne (also durchaus im Unterschied zu vorverordnetem und per pädagogisch
vorstrukturiertem Angebot angeeignetem und dann vielleicht auch gut
eingeprägtem Wissen) eher darauf ankommen sollte, auf der Grundlage eines
bereits erarbeiteten Fundus an Wissen, die stets weitergehende Fähigkeit zu
verinnerlichen, auch selbst gezielte Fragen zur Erlangung weiteren Wissens zu
entwickeln. Und an eine möglichst in diesem Sinne in entsprechender Weise
strukturierte Bildungsmöglichkeit denke ich hier in erster Linie.
So besteht meiner Meinung nach eben das wesentliche Ziel und
der wesentliche Wert von Bildung – ob nun etwa für Schüler und Studenten oder
auch für sonstige Personen und bildungsinteressierte Museumsbesucher - nicht
einfach in der erlernbaren Fähigkeit, über richtige Antworten auf zu erwartende
Fragen verfügen zu können, sondern vielmehr darin, auf der Grundlage eines
möglichst bereits wesentlich fragend angeeigneten Wissens, weiterhin die
besondere Fähigkeit auszuprägen, jeweils selbst weiterführende Fragen
aufzuwerfen und zu bewahren. Fragen in Richtung auf andere Wissensträger,
Fragen in Richtung auf die Wirklichkeit, aber eben letztlich stets auch Fragen
in Richtung auf uns und sich selbst.
Als nunmehriger Eigentümer dieser Sammlung und als
Hochschule, also als eine Lehreinrichtung, haben Sie natürlich auch die
Freiheit, oder eben – so wie ich Ihre Absichten im Umgang mit diesem Ihrem
nunmehrigen Eigentum verstanden habe – nun auch die dabei selbstauferlegte
Verantwortung, dieses Kulturgut-Eigentum als Bildungsmöglichkeit in Ihre
Lehrpläne zu integrieren sowie auch der weiteren Öffentlichkeit zugänglich zu
machen.
Und darüber bin ich ja auch in besonderer Weise froh und
dankbar, denn meine hier dargelegte Konzeption bezieht sich schließlich im
museologischen Sinne auch auf all die möglichen Besucher aus der Öffentlichkeit
und sollte insofern eben eher in bildungs-museologischer, als etwa in
hochschuldidaktischer Art zu verstehen sein. So würde ich mich in meiner
Position dabei auch gegen eine Interpretation meiner Systematisierungs-Konzeption
als offiziell vorzugebenden „Lehr- und Lerngegenstand“ schon deswegen verwahren
wollen, weil ich mich ja davor hüten möchte, Ihnen irgendwie in Ihre
Lehraktivitäten hineinzureden. Aber ich würde es eben auch für ausgesprochen
bedenklich halten, wenn meine hier dargelegten Auffassungen bereits hierzulande
als ’institutionalisierter Lehrstoff’ Verwendung fänden, noch bevor sie
innerhalb des dafür eigentlich ’verantwortlich zuständigen
Wissenschaftsbetriebes’ einer kritisch filternden Diskussion und der
vergleichenden, wissenschaftlich-kulturvollen Auseinandersetzung mit möglichst
vielfältigen anderen dazu wissenschaftlich entwickelten Hypothesen ausgesetzt
waren. Und dazu möchte ich betonen - wie schließlich mein ganzer Text hier ohnehin
deutlich machen soll - dass gerade dies, nämlich einen solchen
wissenschaftlichen Prozess einzufordern, eines meiner wichtigsten Anliegen ist.
Die entsprechend vorschnelle Verwendung als bereits
’obligatorischer Lernstoff’ könnte diesem Anliegen durchaus im Wege stehen.(16)
Damit möchte ich keineswegs irgendwelche etwa gar
’Bescheidenheit’ suggerierende Zweifel oder etwa ’innere Unsicherheit’ über den
Wahrheitsgehalt der von mir zu vertretenden Forschungsergebnisse oder zur
Solidität meiner hier vorgestellten konzeptionellen Überlegungen akzentuieren,
sondern vielmehr darauf aufmerksam machen, dass eben genau das, was ich soeben
als Wissenschaftler von diesem ’verantwortlich zuständigen
Wissenschaftsbetrieb’ in durchaus ganz unbescheidener Art und Weise einfordern
möchte, in Hinsicht auf die Systematik von Sachs und Hornbostel bislang eben
gerade nicht, oder letztlich nur ganz ungenügend, stattgefunden hat
Wir haben es da mit einer besonderen historischen
Entwicklung zu tun, die natürlich in der Vergangenheit unter ganz anderen
Bedingungen als den heutigen Möglichkeiten und Erfordernissen von
Wissenschaftsorganisation und Wissenschaftswirken zustande gekommen ist. Und
wir haben es dabei freilich auch mit zwei Wissenschaftlerpersönlichkeiten zu
tun, die wohl keineswegs etwa solche Auffassungen in Bezug auf die „Partei der
Wahrheit in der Wissenschaft“ (17) hatten, wie ich sie vertrete.
Dabei muss allerdings deutlich betont werden, dass das
bisherige Ausbleiben des von mir heute eingeforderten Wissenschaftsverhaltens
keineswegs etwa als durch diese verschuldet, oder dieser spezielle Fall von
(wie ich aus meiner Sicht bereits öfters formuliert habe) ’verunglückter
Wissenschaftsentwicklung’ auch keineswegs einfach nur als vielleicht typische
allgemeine Schuld und Schwäche bürgerlicher Wissenschaftskultur allein
angesehen werden kann.
Vielmehr muss dies alles eben auch im Zusammenhang mit der
Verbrechensliste des deutschen Faschismus und dessen spezifischer Schuld
gegenüber der Wissenschaftsentwicklung in Deutschland gesehen werden.(18)